Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 7. Juli 2015
Aktenzeichen: X ZB 4/14
(BGH: Beschluss v. 07.07.2015, Az.: X ZB 4/14)
Tenor
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.
Gründe
I. Die Rechtsbeschwerdegegnerin war Inhaberin des in der Verfahrenssprache Englisch erteilten europäischen Patents 682 094 (Streitpatents), das eine wässrige, fließfähige Verdickungszusammensetzung für wässrige Systeme und ein Verfahren zur Verdickung dieser wässrigen Systeme betrifft. Das Streitpatent wurde im Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt in geänderter Fassung aufrechterhalten. Der Hinweis auf die geänderte Fassung wurde am 18. November 2009 veröffentlicht. Mit Bescheid vom 25. August 2010 stellte das Deutsche Patent- und Markenamt fest, dass die Wirkungen des europäischen Patents für die Bundesrepublik Deutschland als von Anfang an nicht eingetreten gälten, weil die Patentinhaberin innerhalb der maßgeblichen Frist von drei Monaten nach Veröffentlichung der Einspruchsentscheidung weder die erforderliche deutsche Übersetzung der geänderten Fassung des Streitpatents eingereicht noch die Gebühr für die Veröffentlichung der Übersetzung entrichtet habe.
Am 20. Dezember 2010 reichte die Patentinhaberin beim Patentamt eine deutsche Übersetzung der geänderten Fassung des Streitpatents ein und entrichtete die Gebühr für die Veröffentlichung. Zugleich beantragte sie die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Mit Schriftsatz vom 21. Januar 2011 beantragte die Antragstellerin beim Patentamt, an dem Wiedereinsetzungsverfahren der Patentinhaberin beteiligt zu werden und den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückzuweisen. Zur Begründung führte sie aus, sie habe ein rechtliches Interesse an der Beteiligung, weil die Patentinhaberin sie vor dem Landgericht Düsseldorf wegen Verletzung des Streitpatents in Anspruch nehme.
Das Patentamt hat den Antrag der Antragstellerin auf Beteiligung am Wiedereinsetzungsverfahren zurückgewiesen und der Patentinhaberin die beantragte Wiedereinsetzung in die Frist zur Einreichung der deutschen Übersetzung und zur Entrichtung der Gebühr für die Veröffentlichung gewährt.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Zurückweisung ihres Antrags auf Verfahrensbeteiligung ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Patentgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde hat die Antragstellerin ihr Begehren weiterverfolgt. Nachdem der Senat das Streitpatent mit Urteil vom 5. Mai 2015 (X ZR 60/13) für nichtig erklärt hat, haben die Verfahrensbeteiligten das Verfahren übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.
II. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens sind nach § 109 Abs. 1 Satz 1 PatG und dem Rechtsgedanken des § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO der Antragstellerin aufzuerlegen, weil die Rechtsbeschwerde ohne die übereinstimmende Erledigungserklärung ohne Erfolg geblieben wäre und die Antragstellerin in diesem Fall nach § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG die Kosten zu tragen gehabt hätte.
1. Das Patentgericht hat den Antrag der Antragstellerin, sie an dem im Rahmen der Validierung des Streitpatents geführten patentamtlichen Wiedereinsetzungsverfahren zu beteiligen, für unzulässig erachtet und seine Entscheidung, die in Mitt. 2014, 295 veröffentlicht ist, im Wesentlichen wie folgt begründet:
Das Patentgesetz sehe die Beteiligung Dritter an einem patentamtlichen Verfahren nur ausnahmsweise für bestimmte, ausdrücklich geregelte Fallkonstellationen vor, die im Streitfall jedoch nicht gegeben seien. So könne ein Dritter nach § 59 Abs. 2 PatG einem Einspruchsverfahren beitreten, wenn er nachweise, dass gegen ihn Klage wegen Verletzung des Patents erhoben worden sei. § 44 Abs. 2 Satz 1 PatG, wonach neben dem Anmelder auch ein Dritter einen Prüfungsantrag stellen könne, schließe sogar ausdrücklich aus, dass der Dritte dadurch am Prüfungsverfahren beteiligt werde.
Ebenso wenig könne dem von der Antragstellerin zitierten Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 11. März 1971 (X ZB 26/70, GRUR 1971, 246 - Hopfenextrakt), der im Übrigen zum Einspruchsverfahren nach altem Recht ergangen sei, ein allgemeiner Grundsatz entnommen werden, wonach jedwede Dritte, die durch eine dem Patentinhaber gewährte Wiedereinsetzung in ihren Rechten berührt würden, an dem entsprechenden Wiedereinsetzungsverfahren zu beteiligen seien. Dort sei lediglich festgestellt worden, dass der Einsprechende aufgrund seiner Beteiligung am Einspruchsverfahren auch an einem Verfahren über einen Antrag des Anmelders auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Patentjahresgebühr zu beteiligen sei. Ausschlaggebend für die Beteiligung sei demnach gewesen, dass zwischen den Beteiligten zum Zeitpunkt des Antrags auf Wiedereinsetzung mit dem Einspruchsverfahren bereits ein - mehrseitiges - patentamtliches Verfahren anhängig gewesen sei. Demgegenüber sei im Streitfall zwischen den Beteiligten kein sonstiges patentamtliches Verfahren anhängig.
Auch aus den Vorschriften über die Nebenintervention, die eine Beteiligung Dritter an einem Rechtsstreit regelten, könne die Antragstellerin kein Recht auf Beteiligung am Wiedereinsetzungsverfahren der Patentinhaberin ableiten. § 66 Abs. 1 ZPO setze voraus, dass bereits ein Rechtsstreit zwischen zwei Parteien anhängig sei, dem der Nebenintervenient zur Unterstützung einer der Parteien beitreten könne. Im Streitfall sei am Wiedereinsetzungsverfahren jedoch nur die Patentinhaberin beteiligt, die die Antragstellerin gerade nicht unterstützen wolle. Schließlich könne eine Beteiligung der Antragstellerin auch nicht mit Vorschriften anderer Verfahrensordnungen begründet werden. Eine im Patentgesetz etwa vorhandene Regelungslücke über die Beteiligung Dritter sei ausschließlich durch die Vorschriften der Zivilprozessordnung zu schließen.
2. Dies hätte der Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren standgehalten. Für die Beteiligung eines Dritten an einem einseitigen patentamtlichen Wiedereinsetzungsverfahren fehlt es - wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat - an einer Rechtsgrundlage.
a) Das Patentgesetz sieht eine Beteiligung Dritter in Verfahren vor dem Patentamt lediglich beim Einspruchsverfahren vor.
Ein wegen Patentverletzung verklagter Dritter kann gemäß § 59 Abs. 2 Satz 1 PatG nach Ablauf der Einspruchsfrist einem in Bezug auf das Klagepatent bereits anhängigen Einspruchsverfahren beitreten, weil er anders die Ungültigkeit des Klagepatents nicht geltend machen könnte, da die Erhebung einer Nichtigkeitsklage ausgeschlossen ist, solange ein Einspruchsverfahren anhängig ist (§ 81 Abs. 2 Satz 1 PatG).
Im Prüfungsverfahren ist dagegen eine Beteiligung Dritter am Verfahren ausdrücklich ausgeschlossen. So kann zwar außer dem Anmelder auch jeder Dritte Antrag auf Prüfung stellen. Der Dritte wird hierdurch aber nicht Beteiligter des Prüfungsverfahrens. Vielmehr wird es auch in diesem Fall beim Patentamt als einseitiges Verfahren mit dem Anmelder als alleinigem Verfahrensbeteiligten geführt (§ 44 Abs. 2 Satz 1 PatG).
b) Dass das Patentgesetz keine ausdrückliche Regelung über die Beteiligung Dritter an einem im Rahmen eines einseitigen Verfahrens vor dem Patentamt geführten Wiedereinsetzungsverfahren nach § 123 PatG enthält, stellt keine planwidrige Regelungslücke dar.
aa) Der Ansicht der Antragstellerin, § 44 Abs. 2 Satz 1 PatG und § 59 Abs. 2 PatG lasse sich nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber mit diesen Bestimmungen die Beteiligung Dritter im patentamtlichen Verfahren abschließend regeln wollte, kann nicht beigetreten werden. Der Gesetzgeber hat mit diesen Vorschriften die Bedingungen für eine Beteiligung Dritter in typischen Hauptsacheverfahren vor dem Patentamt, nämlich im Prüfungsverfahren und in dem sich anschließenden Einspruchsverfahren, nur für bestimmte Fallkonstellationen geregelt. Schon der restriktive Charakter dieser Regelungen spricht dafür, dass es sich dabei um abschließende Regelungen über die Beteiligung Dritter handelt, die nicht verallgemeinerungsfähig sind. Wenn nach § 44 Abs. 2 Satz 1 PatG der Dritte nicht Verfahrensbeteiligter werden soll, obwohl er mit der Stellung eines Antrags eine typische verfahrenseinleitende Handlung vorgenommen hat, kommt darin die Wertung des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass eine Beteiligung Dritter an einem Verfahren nur in Betracht kommt, wenn dies ausdrücklich vom Gesetz vorgesehen ist, wie beispielsweise in § 59 Abs. 2 PatG.
Das Wiedereinsetzungsverfahren stellt ein Zwischenverfahren dar, das in der Regel im Rahmen eines anderen Verfahrens wie des Prüfungs- oder Einspruchsverfahrens oder auch des Validierungsverfahrens geführt wird. Wenn nach der gesetzlichen Regelung die Beteiligung eines Dritten in einem Hauptverfahren nur ausnahmsweise in Betracht kommt, kann für das Wiedereinsetzungsverfahren nichts anderes gelten. In einem Wiedereinsetzungsverfahren sind infolgedessen auch nur die an dem jeweiligen Hauptverfahren Beteiligten zu hören. Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, dass das Fehlen einer Regelung über die Beteiligung Dritter an einem einseitigen Wiedereinsetzungsverfahren im Patentgesetz eine planwidrige Regelungslücke darstellt.
bb) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kann auch dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 11. März 1971 (X ZB 26/70, GRUR 1971, 246 - Hopfenextrakt) nicht entnommen werden, dass derjenige, auf dessen Rechtsposition sich der Ausgang eines Verfahrens unmittelbar oder mittelbar auswirkt, stets an dem Verfahren zu beteiligen ist. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Fall lediglich festgestellt, dass an einem Verfahren über einen Wiedereinsetzungsantrag des Anmelders, dessen Ausgang das Prüfungsverfahren berühren kann, auch der Einsprechende beteiligt sei. Die Entscheidung bezieht sich auf die frühere Rechtslage, nach der das Patenterteilungsverfahren nach Erhebung des Einspruchs unter Beteiligung des Einsprechenden fortgeführt wurde. Damit ergibt sich aus dieser Entscheidung lediglich, dass ein an einem Hauptverfahren Beteiligter auch an einem innerhalb dieses Verfahrens stattfindenden Wiedereinsetzungsverfahren zu beteiligen ist. Dagegen bietet die Entscheidung keine Grundlage für die Annahme, dass auch ein nicht am Hauptverfahren Beteiligter an einem Wiedereinsetzungsverfahren zu beteiligen wäre, das eine in dem betreffenden Hauptverfahren einzuhaltende Frist betrifft.
cc) Den Rechtsinstituten der Nebenintervention und der Beiladung liegt zwar der Rechtsgedanke zugrunde, dass Dritte sich an einem Verfahren sollen beteiligen können, wenn ihre rechtlichen Interessen durch die Entscheidung berührt werden. Dennoch lässt sich diesen Vorschriften entgegen der Auffassung der Antragstellerin kein allgemeines Rechtsprinzip entnehmen, wonach Dritte auch an Verfahren außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Vorschriften und damit insbesondere an einem einseitigen Verfahren vor dem Patentamt zu beteiligen sind, wenn durch die Entscheidung ihre Interessen betroffen sein können.
Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, ermöglicht es die Nebenintervention einem Dritten in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit derjenigen Partei zur Unterstützung beizutreten, an deren Obsiegen er ein rechtliches Interesse hat. Demgegenüber gibt es im Streitfall mit der Patentinhaberin nur eine Verfahrensbeteiligte, der die Antragstellerin auch nicht zur Unterstützung beitreten will. Vielmehr möchte die Antragstellerin zur Verfolgung ihrer eigenen, gegenläufigen Interessen am Verfahren beteiligt werden. Dies entspricht nicht dem der Nebenintervention zugrunde liegenden Rechtsgedanken.
Ein Anspruch auf Beiladung nach den Verfahrensordnungen der öffentlichrechtlichen Gerichtsbarkeiten (§ 65 VwGO, § 75 SGG und § 60 FGO) besteht nur, wenn die Entscheidung eigene Rechte des Beiladungspetenten berühren kann. Dies ist bei der Entscheidung darüber, ob dem Inhaber eines mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents, der die Frist zur Einreichung der deutschen Übersetzung nach Art. II § 3 Abs. 1 IntPatÜbkG und zur Zahlung der Veröffentlichungsgebühr versäumt hat, Wiedereinsetzung zu gewähren ist, nicht der Fall. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu Art. II § 3 IntPatÜbkG (BT-Drucks. 12/632 = BlPMZ 1982, 46 ff.) dient die Übersetzung der europäischen Patentschrift dazu, im Interesse der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft die Nutzbarmachung und Verbreitung der Patentinformation in deutscher Sprache zu fördern und zugleich Wettbewerbsnachteile der deutschen Unternehmen gegenüber ihrer ausländischen Konkurrenz beseitigen. Sie hat damit lediglich informatorischen Charakter und berührt nicht die schutzwürdigen Interessen eines Einzelnen (BGH, Urteil vom 18. März 2010 - Xa ZR 74/09, GRUR 2010, 708 Rn. 14 - Nabenschaltung II).
dd) Unabhängig davon, dass das Verwaltungsverfahrensgesetz nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG für Verfahren vor dem Patentamt ohnehin nicht gilt, ließe sich auch aus § 13 Abs. 2 Satz 2 VwVfG ein Anspruch der Antragstellerin auf Verfahrensbeteiligung nicht ableiten. Danach ist ein Dritter als Beteiligter zu einem Verfahren hinzuzuziehen, wenn dessen Ausgang für ihn rechtsgestaltende Wirkung hat. Dies ist bei der Entscheidung über die Wiedereinsetzung der Patentinhaberin in die versäumte Frist zur Einreichung der deutschen Übersetzung und Zahlung der Veröffentlichungsgebühr im Verhältnis zur Antragstellerin nicht der Fall.
c) Schließlich ist eine Beteiligung der Antragstellerin am Wiedereinsetzungsverfahren auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Art. 103 Abs. 1 GG verlangt lediglich, dass vor einer Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag die Gegenpartei anzuhören ist (BVerfG, Beschluss vom 28. Oktober 1958 - 1 BvR 5/58, BVerfGE 8, 253). Die Anhörung eines am Verfahren nicht Beteiligten ist dagegen durch Art. 103 Abs. 1 GG nicht geboten.
Meier-Beck Grabinski Hoffmann Deichfuß Kober-Dehm Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 12.12.2013 - 7 W (pat) 1/14 -
BGH:
Beschluss v. 07.07.2015
Az: X ZB 4/14
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