Amtsgericht Meldorf:
Urteil vom 10. August 2010
Aktenzeichen: 84 C 200/10
(AG Meldorf: Urteil v. 10.08.2010, Az.: 84 C 200/10)
Wer über einen Internetmarktplatz Markenkleidung anbietet, die - anders als die Ware einiger Wettbewerber - nachweislich ordnungsgemäß in den Europäischen Verkehr eingeführt wurde und keine Rechte Dritter verletzt, darf ohne Wettbewerbsverstoß mit diesem Umstand werben und Käufern "garantieren", dass es sich um Originalware handelt (Abgrenzung zu LG Bochum, 12 O 12/09 vom 12.02.2009 = openJur 2009, 187).
Tenor
Die Klage und die Widerklage werden abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aus dem Urteil gegen ihn vollstreckbaren Betrags, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger verlangt Erstattung der Kosten einer anwaltlichen wettbewerbsrechtlichen Abmahnung, während der Beklagte Erstattung der Kosten für seine Verteidigung gegen die Abmahnung verlangt.
Die Parteien sind gewerbliche tätige Händler im Textilbereich und veräußern über die Internetplattform eBay Kleidung der Marke "[X]". Einige Händler veräußern über die Internetplattform eBay gefälschte Kleidung unter der Marke "[X]". Die Firma [Y] als Rechteinhaberin des Modelabels "[X]" lässt verbreitet Abmahnungen versenden ("Abmahnwellen"), welche pauschal unterstellen, dass der Hersteller der auf eBay unter der Bezeichnung "[X]" angebotenen Ware die erforderliche Zustimmung des Rechteinhabers nicht eingeholt habe. Weisen die Händler mittels eines Zertifikats nach, dass es sich um Originalware handelt, lässt die Rechteinhaberin ihre Ansprüche fallen.
In einer Angebotsbeschreibung auf eBay bewarb der Beklagte Ware mit den Worten "[X] T-Shirt KING SKULL Gr. S fashion original", "Original T-Shirt", "Wir garantieren, dass es sich bei unseren Angeboten um Originalware handelt" und "Unser Lieferant ist im Besitz des Certificate of Authenticity, welches jederzeit dem Rechteinhaber vorgelegt werden kann. Des weiteren bestätigt unser Lieferant uns schriftlich auf der Handelrechnung, dass die Ware nach § 24 Absatz 1 Markengesetz ordnungsgemäß in den Europäischen Verkehr eingeführt wurde und keine Rechte Dritter verletzt. Jeder Artikel hat eine RN-Nummer sowie den Silberfaden." Der Beklagte machte diese Angaben zur Vermeidung von Abmahnungen durch den Rechteinhaber.
Unter dem 28.10.2009 ließ der Kläger den Beklagten durch seinen Rechtsanwalt wegen der Angaben "[X] T-Shirt KING SKULL Gr. S fashion original", "Original T-Shirt" und "Wir garantieren, dass es sich bei unseren Angeboten um Originalware handelt" abmahnen. Der Beklagte werbe mit Selbstverständlichkeiten. Als Garantie ausgelegt verstoße die Werbung gegen die §§ 4 UWG, 477 BGB, weil detaillierte Angaben zu Art und Umfang der Garantie fehlten. Der Kläger ließ die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung fordern sowie die Erstattung seiner Anwaltskosten von 411,30 Euro (1,3 Geschäftsgebühr nach 5.000 Euro Gegenstandswert zuzüglich Auslagenpauschale) bis zum 11.11.2009. Vergleichbare Abmahnungen ließ der Kläger an insgesamt etwa 35 Wettbewerber versenden.
Der Beklagte beauftragte nach Erhalt der Abmahnung seinerseits einen Rechtsanwalt, wodurch Kosten von 489,45 Euro anfielen (1,3 Geschäftsgebühr nach 5.000 Euro Gegenstandswert zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer). Er ließ eine Unterlassungserklärung abgeben, deren Wortlaut aus der Anlage B2 zum Schriftsatz vom 22.04.2010 (Bl. 39 d.A.) ersichtlich ist, und ließ den Kläger zur Erstattung seiner Anwaltskosten bis zum 11.09.2009 auffordern. Der Beklagte ist nicht vorsteuerabzugsberechtigt.
Der Kläger beruft sich auf die Entscheidung des Landgerichts Bochum vom 12.02.2009 zum Aktenzeichen 12 O 12/09. Er behauptet, weniger als 10% der Mandate des Klägervertreters im Jahr 2009 seien auf seine Abmahnungen entfallen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 411,30 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 08.12.2009 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und widerklagend
den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 489,45 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.11.2009 zu zahlen.
Der Beklagte behauptet, potenzielle Käufer hätten häufiger nachgefragt, ob er über einen Echtheitsnachweis für die vertriebene Ware verfüge. Er ist der Auffassung, ein berechtigtes Interesse seinerseits an der Werbung ergebe sich daraus, dass die Rechteinhaberin eBay-Händlern ohne weitere Prüfung den Verkauf von Fälschungen unterstelle und Abmahnungen versenden lasse. Außerdem hält der Beklagte die Abmahnung des Klägers für eine rechtsmissbräuchliche Massenabmahnung (§ 8 Abs. 4 UWG).
Der Kläger beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Gründe
1. Die Klage ist zulässig. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich § 39 ZPO. Der Beklagte hat, ohne die Unzuständigkeit des Amtsgerichts Meldorf geltend zu machen, zur Hauptsache mündlich verhandelt (§ 39 ZPO), obwohl er zuvor nach § 504 ZPO über die Unzuständigkeit des Gerichts belehrt worden war.
2. Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz seiner Abmahnkosten. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG, weil die Abmahnung nicht berechtigt war. Der Beklagte hat nicht dadurch gegen § 3 UWG verstoßen, dass er ein T-Shirt der Marke "[X]" auf der elektronischen Handelsplattform eBay mit der Angabe zum Verkauf angeboten hat, es handele sich garantiert um Originalware.
Allerdings kann Werbung mit der wahren Beschaffenheit einer Ware unlauter sein, wenn diese Beschaffenheit bei der Ware sämtlicher Wettbewerber in gleichem Maße vorhanden ist (BGH, GRUR 1956, 550) und die Herausstellung der Selbstverständlichkeit den falschen Eindruck erweckt, es handele sich um einen Vorteil der Ware gegenüber der Ware von Wettbewerbern (BGH, WRP 2009, 435). So liegt der Fall hier indes nicht. Unstreitig wird auf eBay von einigen Wettbewerbern Ware unter der Bezeichnung "[X]" zum Kauf angeboten, deren Herstellung nicht vom Markeninhaber lizensiert war. In dieser Situation haben Abnehmer ein berechtigtes Interesse daran, sicherzustellen, dass es sich bei einem auf eBay zum Kauf angebotenen Artikel um Originalware handelt, zumal wenn der Ladenpreis - wie auf eBay üblich - deutlich unterboten wird. Anbietern muss es gestattet sein, diesem Informationsinteresse der Abnehmer Rechnung zu tragen.
Es kommt hinzu, dass der Beklagte hier nicht nur mit der Echtheit seiner Ware, sondern auch mit deren Prüfung geworben hat. Der Beklagte hatte sich ausweislich der Angebotsbeschreibung bei dem Lieferanten um einen Echtheitsnachweis bemüht und überprüft, dass jeder Artikel eine RN-Nummer und einen Silberfaden trägt. Dass eine solche Echtheitsprüfung unter allen Wettbewerbern selbstverständlich oder gesetzlich vorgeschrieben sei, behauptet der Kläger nicht. Durfte der Beklagte aber mit seiner Echtheitsprüfung oder den Eigenschaften, aus denen sich die Echtheit seiner Ware ergab, werben, so konnte es ihm nicht untersagt sein, dem mündigen Verbraucher auch das Ergebnis dieser Prüfung - nämlich die Echtheit der Ware - mitzuteilen.
Der Bundesgerichtshof hat es als unlauter angesehen, eine gesetzlich vorgeschriebene Eigenschaft der Ware herauszustellen, wenn die gesetzliche Vorgabe dem Publikum nicht bekannt ist und dieses deswegen irrtümlich einen Vorzug gerade dieser Ware annimmt (BGH, WRP 2009, 435). Auch ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Es ist allgemein bekannt, dass man mit dem Kauf eines T-Shirts der Marke "[X]" stets einen Anspruch auf Lieferung eines solchen T-Shirts erwirbt (§ 433 BGB). Soweit der Verkehr in der ausdrücklichen Bewerbung des vom Beklagten angebotenen T-Shirts als Originalware einen Vorteil gesehen haben mag, der bei anderen Anbietern nicht ohne weiteres zu erwarten war, so war dieser Eindruck nicht falsch. Denn wie bereits ausgeführt war die Erwartung, dass entsprechend der rechtlichen Verpflichtung aus § 433 BGB tatsächlich Originalware geliefert wird, bei Wettbewerbern des Beklagten nicht stets gerechtfertigt.
Dem Beklagten fällt auch kein Verstoß gegen die §§ 4 Nr. 11 UWG, 477 BGB zur Last. Die Erklärung "Wir garantieren, dass es sich bei unseren Angeboten um Originalware handelt" ist im Zusammenhang mit den darauf folgenden, in der selben Schriftart gehaltenen Sätzen nicht als Garantieerklärung im Sinne des § 443 BGB anzusehen, sondern als Herausstellung und ausdrückliche Vereinbarung einer Eigenschaft der Ware im Zeitpunkt der Übergabe. In seiner Angebotsbeschreibung erläuterte der Beklagte, woraus sich die Echtheit seiner Ware ergebe. Vor diesem Hintergrund war die übernommene "Garantie" erkennbar als Übernahme der Gewähr für die Echtheit der Ware anzusehen. Es ist allgemein bekannt, dass im Rechtsverkehr und insbesondere auf eBay verbreitet die Begriffe "Garantie" und "Gewährleistung" gleichgesetzt werden. Garantieerklärung im Sinne des § 443 BGB ist nur die Einräumung von Rechten, welche über die gesetzliche Sachmängelhaftung hinaus gehen. Derartiges war im vorliegenden Fall erkennbar nicht Gegenstand des Angebots. Dass der Beklagte auch ohne die ausdrückliche Vereinbarung der Echtheit Originalware geschuldet hätte, begründete aus den oben genannten Gründen keinen Wettbewerbsverstoß.
Soweit sich der Kläger auf das Urteil des Landgerichts Bochum vom 12.02.2009 zum Aktenzeichen 12 O 12/09 beruft, liegt der hier zur Entscheidung anstehende Fall anders. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte nicht nur mit der Echtheit seiner Ware geworben, sondern auch mit den Zertifikaten und Merkmalen, aus welchen sich die Echtheit ergab.
3. Die Widerklage des Beklagten ist zulässig, jedoch ebenfalls nicht begründet. Der Beklagte hat keinen Anspruch auf Ersatz seiner Kosten für die außergerichtliche Verteidigung gegen die unberechtigte Abmahnung. Für einen solchen Anspruch bietet das Gesetz in § 12 UWG bewusst keine allgemeine Grundlage (vgl. BGH, GRUR 2008, 929). Eine unberechtigte Abmahnung kann einen Schadensersatzanspruch aus § 9 UWG begründen, wenn sie eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne des § 3 UWG darstellt und wenn der Abmahnende schuldhaft handelt. Davon ist hier jedoch nicht auszugehen. Im Hinblick auf das Urteil des Landgerichts Bochum vom 12.02.2009 zum Aktenzeichen 12 O 12/09 musste der Kläger nicht erkennen, dass seine Abmahnung unberechtigt war. Aus demselben Grund haftet der Kläger dem Beklagten nicht aus § 823 BGB wegen eines rechtswidrigen Eingriffs in dessen Gewerbebetriebs. Die außergerichtliche Erhebung von Ansprüchen ist als Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt, wenn ihr - wie hier - eine vertretbare rechtliche Würdigung zugrunde liegt. Mangels Verschuldens des Klägers scheidet auch ein Anspruch des Beklagten aus § 678 BGB aus. Ein Anspruch aus § 683 BGB scheidet aus, weil die Abwehr des Anspruchs des Klägers durch den Beklagten keine dem Interesse und mutmaßlichen Willen des Klägers entsprechende Maßnahme war (vgl. BGH, NJW 2007, 1458).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Berufung war zuzulassen, weil die Zulässigkeit einer Echtheitswerbung auf eBay von grundsätzlicher Bedeutung ist.
Beschluss:
Der Streitwert für die Gerichtsgebühren wird auf 900,75 Euro festgesetzt.
AG Meldorf:
Urteil v. 10.08.2010
Az: 84 C 200/10
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/bbbe373091ad/AG-Meldorf_Urteil_vom_10-August-2010_Az_84-C-200-10