Zur Vollstreckung einer Reststrafe von 145 Tagen ist die Anordnung einer Auskunftserteilung über Telekommunikationsdaten nach § 100g StPO unverhältnismäßig.
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin € Strafvollstreckungskammer - vom 18. März 2008 wird verworfen.
Die Landeskasse Berlin hat die Kosten des Rechtsmittels und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Verurteilten zu tragen.
Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Bezirksgerichts Chon Buri (Königreich Thailand) vom 28. Oktober 1999 wegen gemeinschaftlichen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von 40 Jahren sowie wegen gemeinschaftlich begangener €Verlagerung und Schändung einer Leiche€ zu einer solchen von sechs Monaten verurteilt. Hinsichtlich der Verurteilung wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge hat die Strafvollstreckungskammer mit Beschluß vom 16. Mai 2001 die Vollstreckung des vorbezeichneten Urteils in der Bundesrepublik Deutschland für zulässig und in Bezug auf die weitere genannte Straftat für unzulässig erklärt. Soweit die Vollstreckung für zulässig erklärt wurde, hat sie eine Freiheitsstrafe von 40 Jahren festgesetzt und angeordnet, daß der in Thailand insoweit vollstreckte Teil der Sanktion auf diese Strafe anzurechnen ist. Am 17. Mai 2002 wurde der Verurteilte in die Bundesrepublik Deutschland überstellt. Durch mehrere Gnadendekrete des Königreichs Thailand wurde die Strafe auf 11 Jahre und 5 Monate und fünf Tage reduziert. Am 11. März 2008 kehrte der Verurteilte von einem Ausgang nicht in die Justizvollzugsanstalt zurück und ist seither flüchtig. Der Strafrest beträgt 145 Tage. Deshalb beantragte die Staatsanwaltschaft nach § 100g StPO in Verbindung mit § 457 Abs. 3 StPO rückwirkend vom 10. März 2008 die Auskunftserteilung über sämtliche zurückliegenden und zukünftigen Telekommunikationsverbindungsdaten für abgehende und ankommende Gespräche sowie die Auskunftserteilung für sämtliche Standortdaten für die Rufnummer 0177-€ des Verurteilten bei dem Anbieter E-Plus anzuordnen. Mit dem angefochtenen Beschluß lehnte die Strafvollstreckungskammer diesen Antrag ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde (§ 304 Abs. 1 StPO) der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
1. Es kann dahinstehen, ob die Strafvollstreckungskammer, die über die Vollstreckbarkeit des thailändischen Urteils eine Exequaturentscheidung getroffen hat, als Gericht des ersten Rechtszuges im Sinne des § 457 Abs. 3 Satz 3 StPO anzusehen ist. Denn auch die fehlende Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer zwänge nicht zur Aufhebung des Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache. Nach § 309 Absatz 2 StPO hat das Beschwerdegericht grundsätzlich die in der Sache erforderliche Entscheidung zu erlassen und darf das Verfahren nur dann ohne eigene Sachprüfung an die Vorinstanz zurückverweisen, wenn es aus Rechtsgründen nicht in der Lage ist, den Fehler zu beheben, an dem die angefochtene Entscheidung leidet, was hier nicht der Fall ist. Das Kammergericht ist vielmehr als Beschwerdegericht sowohl zur Entscheidung über Beschwerden gegen Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer als auch über Beschwerden gegen Beschlüsse der allgemeinen Strafkammern zuständig (vgl. Senat, Beschlüsse vom 4. April 2008 - 2 Ws 146/08 - und vom 11. Juli 2001 € 5 Ws 370/01 -).
2. Die Strafvollstreckungskammer hat den Antrag der Staatsanwaltschaft mit zutreffenden Gründen abgelehnt.
4Der Datenabruf stellt einen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG dar, weil er neben der Zielperson des Auskunftsersuchens notwendigerweise auch die Kommunikationspartner erfaßt, also vielfach Personen, die in keiner Beziehung zu dem Tatvorwurf stehen und den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlaßt haben (vgl. BVerfGE 107, 299, 318). Deshalb ist nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Verfahren wegen einer einstweiligen Anordnung gegen die Regelungen der Vorratsdatenspeicherung (vgl. BVerfG, Beschluß vom 11. März 2008 € 1 BvR 256/08 € juris = WM 2008, 706) eine Einschränkung geboten. Aufgrund eines Abrufersuchens einer Strafverfolgungsbehörde nach § 100g Abs. 1 StPO, das sich auf allein nach § 113a TKG gespeicherte Telekommunikations-Verkehrsdaten bezieht, hat der durch das Abrufersuchen verpflichtete Anbieter von Telekommunikationsdiensten die verlangten Daten zu erheben. Sie sind jedoch nur dann an die ersuchende Behörde zu übermitteln, wenn Gegenstand des Ermittlungsverfahrens gemäß der Anordnung des Abrufs eine Katalogtat im Sinne des § 100a Abs. 2 StPO ist und die Voraussetzungen des § 100a Abs. 1 StPO vorliegen. In den übrigen Fällen des § 100g Abs. 1 ist von einer Übermittlung der Daten einstweilen abzusehen. Der Diensteanbieter hat die Daten zu speichern. Er darf die Daten nicht verwenden und sicherzustellen, daß Dritte nicht auf sie zugreifen können.
5Diese Voraussetzungen sind unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in § 457 Abs. 3 Satz 2 StPO nicht erfüllt. Im Vollstreckungsverfahren (§ 457 Abs. 3 Satz 2 StPO) genügt es für eine Telefonüberwachungsmaßnahme nach § 100a StPO nicht, daß es sich € wie hier € um eine Katalogtat handelt. Vielmehr ist auch die Dauer der noch zu vollstreckenden Strafe zu berücksichtigen; die Maßnahme ist dann unverhältnismäßig, wenn die Reststrafe deutlich unter der für die Katalogtat angedrohten Mindeststrafe liegt (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluß vom 21. November 2000 € 1 Ws 570/00 -).
Nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts gilt für Maßnahmen nach § 100g StPO nichts anderes. Deshalb ist die Maßnahme bei einem Strafrest von nur 145 Tagen unverhältnismäßig und damit unzulässig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.