Oberlandesgericht Celle:
Urteil vom 25. Januar 2006
Aktenzeichen: 3 U 184/05
(OLG Celle: Urteil v. 25.01.2006, Az.: 3 U 184/05)
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird unter teilweiser Zurückweisung der Berufung das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 10. August 2005 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.578,92 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6. April 2005 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegen den beklagten Rechtsanwalt wegen einer ihrer Behauptung nach pflichtwidrigen Ausübung einer Treuhänderstellung Schadensersatzansprüche geltend.
Am 27. Dezember 2002 schlossen der Beklagte und eine "J. P. GbR", diese vertreten durch die "alleinvertretungsberechtigte GF J. P.", einen Treuhandvertrag. Frau J. P. war gemeinsam mit ihrem Ehemann gegenüber mehreren Anlegern mit einem Anlagemodell herangetreten, bei dem bei einer Einlage von 120 EUR zuzüglich 12 EUR Kosten pro Gesellschaftsanteil von der GbR ein nicht rückzahlbares Darlehen in Höhe von 1.850 EUR bzw. 2.000 EUR gewährt werden sollte. Die Gesellschaft würde sodann die Einlagen ihrer Gesellschafter als Sicherheit für ein Darlehen bei einem Kreditinstitut verwenden, das um ein Vielfaches höher sei als die Summen der Einlagen, sodass aus dem Darlehen neben den Zahlungen an die einzelnen Anleger eine Geldanlage finanziert werden sollte, über deren Rendite das Darlehen der Gesellschaft später wieder zurückgezahlt würde. Anlass für den Abschluss des Treuhandvertrages war nach dessen § 1 Abs. 3, dass einzelne Gesellschafter der GbR unter Umständen insolvent seien und verhindert werden solle, dass einzelne Gläubiger dieser Gesellschafter auf das Konto der GbR Rückgriff halten könnten. In § 2 des Treuhandvertrages verpflichtete sich der Beklagte, seine Rechte und Pflichten aus dem Vertrag "ausschließlich im Interesse der Treugeberin" auszuüben, wobei er gegenüber der Frau J. P. weisungsgebunden sein sollte. Diese wiederum verpflichtete sich in § 3 des Vertrages, dem Beklagten keine Weisungen zu erteilen, durch deren Befolgung dieser gegen seine gesetzlichen Verpflichtungen verstoßen würde. Die Vergütung des Beklagten sollte gemäß § 22 BRAGO erfolgen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Treuhandvertrages wird auf dessen Ablichtung (Bl. 5 f. d. A.) verwiesen. Der Beklagte eröffnete sodann ein auf seinen Namen und mit seiner Berufsbezeichnung versehenes Treuhandkonto bei der Kreissparkasse in O. In der Folgezeit zahlten zehn Personen, darunter die Klägerin, auf das Treuhandkonto Beträge mit einer Summe von insgesamt 142.295,75 EUR ein, woran die Klägerin auf Empfehlung ihres Anlageberaters mit 60.000 EUR, eingezahlt am 2. Januar 2003, beteiligt war. Auf Geheiß der Frau J. P. zahlte der Beklagte vom Treuhandkonto insgesamt 27.944,24 EUR aus, darunter Barauszahlungen in Höhe von 25.308,83 EUR an Frau P. bzw. deren Ehemann.
Unter dem 14. Februar 2003 erstattete der Beklagte eine Selbstanzeige gegenüber der Bundesrechtsanwaltskammer und der Staatsanwaltschaft Verden wegen des Verdachts der Geldwäsche. Zuvor hatte bereits die Kreissparkasse O. eine entsprechende Anzeige gegenüber der Staatsanwaltschaft erstattet. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft das Treuhandkonto. Die Klägerin erhielt hiervon 45.000 EUR ausbezahlt, weitere 3.842,16 EUR standen ihr aus dem Restbetrag zu, sodass sie insgesamt 48.342,16 EUR zurückerhielt. Das Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten wurde eingestellt. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Erstattung des Restbetrages in Höhe von 11.157,84 EUR.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Treuhandvertrag sei wegen der als Ziel verfolgten Gläubigerbenachteiligung gemäß § 134 BGB nichtig. Der Beklagte habe mit dem Abschluss des Treuhandvertrages und der Einrichtung des Anderkontos gegen anwaltliche Pflichten verstoßen. Ein Pflichtverstoß sei auch in den Barauszahlungen des Beklagten an die Eheleute P. zu sehen. Der Beklagte habe unstreitig gewusst, dass das Treuhandkonto als Sammelkonto für Anlegerbeiträge dienen sollte. So habe die Überweisung der Klägerin den Verwendungszweck "Beitritt" getragen. Mithin sei der Beklagte zur bestimmungsgemäßen Verwendung der Mittel verpflichtet gewesen. Die Eheleute P. hätten jedoch, was von dem Beklagten mit Nichtwissen bestritten wird, die Gelder pflichtwidrig verbraucht. Auf die Anweisung der Frau P. hätte der Beklagte sich dabei nicht stützen dürfen. Mit den Auszahlungen hätte der Beklagte, der als Treuhänder die Interessen aller Anleger zu vertreten gehabt habe, gegen wesentliche Pflichten diesen gegenüber verstoßen.
Die Klägerin hat zudem die Auffassung vertreten, sie sei in den Schutzbereich des Treuhandvertrages einbezogen worden, weil der Beklagte als Rechtsanwalt für einen Schutz der Gelder vor Veruntreuungen und sonstigen Verlustrisiken gestanden habe, seine Einschaltung, so die Behauptung der Klägerin, habe als vertrauensbildende Maßnahme bei der Werbung von Beitrittskandidaten gedient. Die Klägerin hat behauptet, Frau P. müsse den Einzahlern mitgeteilt haben, dass es sich bei dem Empfängerkonto um ein Treuhandkonto gehandelt habe. Aus diesem Grunde sei der Beklagte der Klägerin gegenüber schadensersatzpflichtig.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 11.157,84 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. August 2004 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat gemeint, ein Verstoß gegen § 134 BGB wegen einer möglichen Gläubigerbenachteiligung liege nicht vor. Frau P. habe ihm gegenüber geäußert, dass möglicherweise eine Vielzahl von Personen beitreten würde, von denen unklar sei, ob nicht vorläufige Zahlungsverbote drohen würden. Mit Blick darauf sei der Treuhandvertrag geschlossen worden. Zweck des Vertrages sei einzig eine legitime Vorsorge gewesen.
Der Beklagte hat die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten und jegliche Pflichtverletzung in Abrede genommen. Die Klägerin sei am Treuhandvertrag nicht unmittelbar beteiligt gewesen und könne daraus gegenüber dem Beklagten keine Pflichten herleiten. Es habe niemals eine treuhänderische Bindung zu einzelnen Mitgliedern der GbR gegeben. Insbesondere habe die Klägerin mit ihrer Einzahlung nicht zu erkennen gegeben, dass sie den Beklagten nicht lediglich als Vertreter oder Boten ansehe, sie habe ihn nicht mit der Wahrnehmung ihrer Interessen betraut.
Der Beklagte hat ferner gemeint, mit den Barauszahlungen an die Eheleute P. nicht gegen seine Treuhänderpflichten verstoßen zu haben. Er sei aus dem Treuhandvertrag der die GbR alleinvertretenden Frau P. gegenüber weisungsgebunden gewesen. Nach dem Vertrag sei es ihm verwehrt gewesen, irgendeine Kontrolle über die Ausgaben auszuüben.
Der Beklagte hat darüber hinaus bestritten, dass das Treuhandverhältnis irgendeine Bedeutung für die Anlageentscheidung der Einzahler gehabt habe. Es sei nicht mit seiner Stellung als Anwalt geworben worden, die Treugeberin hätte das Treuhandverhältnis nicht öffentlich werden lassen wollen. Im Übrigen habe er selbst möglichen Pflichtwidrigkeiten der Eheleute P. durch die Selbstanzeige entgegengewirkt. Er sei davon ausgegangen, dass die GbR Kleinanlegern eine Anlage ermöglichen wollte. Einzahlungen von 2 x 60.000 EUR hätten ihn daraufhin stutzig gemacht, dies allerdings zunächst lediglich mit Blick auf einen eventuellen Verstoß gegen das Geldwäschegesetz.
Schließlich hat der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben mit der Begründung, für gesellschaftsrechtliche Beteiligungen gelte eine Verjährungsfrist von sechs Monaten ab Kenntnis vom Anspruch. Nach dem Vortrag der Klägerin habe bei ihr diese Kenntnis bereits im Jahre 2003 vorgelegen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Frage der Aktivlegitimation der Klägerin könne dahinstehen, da eine Pflichtverletzung des Beklagten nicht erkennbar sei. Zunächst sei nicht vorgetragen, dass die Eheleute P. das Geld zweckentfremdet verwendet oder für sich selbst verbraucht hätten. Mit den Barauszahlungen an die Eheleute P. habe der Beklagte lediglich die entsprechenden Weisungen der "Geschäftsführerin" P. befolgt, zu deren Einhaltung er sich vertraglich verpflichtet habe. Auch sei ungewiss, ob es sich bei dem angebotenen Anlagemodell um eine zweifelhafte Anlage gehandelt habe, weil das Modell der Klägerin immerhin von ihrem Vermögensberater, selbst Gesellschafter der GbR, empfohlen worden sei. Allein der Umstand, dass in Höhe von rd. 18 % der Einlagen Barauszahlungen an die Eheleute P. vorgenommen worden seien, sei allenfalls ein erster Anhaltspunkt für den Beklagten auf ein betrügerisches Verhalten gewesen, dem der Beklagte mit seiner Selbstanzeige auch nachgegangen sei. Im Übrigen hätte der Beklagte nicht die Interessen der Klägerin wahrzunehmen gehabt, sein Vertragspartner sei ausschließlich die GbR und nicht die einzelnen Gesellschafter gewesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die unter Aufrechterhaltung ihres erstinstanzlichen Vortrages rügt, dass das Landgericht keinen Pflichtverstoß des Beklagten nach § 280 BGB i. V. m. den Grundsätzen eines Vertrages zugunsten Dritter geprüft habe. Insoweit vertritt die Klägerin die Auffassung, der Treuhandvertrag entfalte auch eine Schutzwirkung zugunsten des jeweiligen Anlegers. Dies sei insbesondere dann gegeben, wenn wie hier Personen als Treuhänder fungierten, denen besonderes Vertrauen entgegengebracht würde, wie etwa Rechtsanwälten. Die Pflichtverletzung des Beklagten sei darin zu sehen, dass er die erkennbaren Unzulänglichkeiten des Geschäftsbetriebes der J. P. GbR nicht an die Anleger vermittelt habe, obwohl sich aus seiner Treuhänderstellung eine entsprechende Warnpflicht ergeben habe. Bei entsprechender Warnung hätte die Klägerin ihre Anlageentscheidung überdenken können. Eine weitere Pflichtverletzung des Beklagten sei in der Vornahme der Barauszahlungen zu sehen. Selbst wenn er von Frau P. entsprechend angewiesen worden sein sollte, so hätte er doch von einem Missbrauch der Vertretungsmacht ausgehen müssen. Das Verhalten des Beklagten sei auch kausal für den Schaden der Klägerin. Hätte der Beklagte pflichtgemäß die Klägerin gewarnt, hätte diese von der Einlage Abstand nehmen können. Bei pflichtgemäßer Verweigerung der Barauszahlung hätte die Klägerin ihre eingezahlten Gelder auch zurückerhalten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 10. August 2005 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 11.157,84 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5. August 2004 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Aufrechterhaltung seines erstinstanzlichen Vortrags. Insbesondere bestreitet er jegliche Pflichtverletzung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Sie ist jedoch nur teilweise begründet.
I.
1. Zutreffend verneint das Landgericht jedenfalls nicht die Wirksamkeit des Treuhandvertrages mit Blick auf eine mögliche Gläubigerbenachteiligung. Denn diese würde sich an § 3 Abs. 1 AnfG messen lassen müssen. Mit dem Vertragsschluss selbst sind keine Rechtshandlungen verbunden, die eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung zum Inhalt hätten. Auch dafür, dass der äußere Rahmen für eine Gläubigerbenachteiligung geschaffen werden sollte, sind Ansatzpunkte nicht erkennbar.
2. Die Klägerin hat jedoch entgegen der Auffassung des Landgerichts gegen den Beklagten einen Anspruch auf teilweisen Schadensersatz aus §§ 280, 311 BGB.
26a) Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Dass sie nicht Vertragspartnerin geworden ist, ändert daran nichts. Denn die Rechte und Pflichten der am Treuhandvertrag unmittelbar Beteiligten bestimmen sich nicht nur in Bezug auf die jeweils andere Vertragsseite. Insbesondere bei einem Treuhandvertrag liegt es auf der Hand, dass hiervon auch Interessen Dritter betroffen sind. Der Treuhandvertrag war seinem Schutzzweck nach damit ein echter Vertrag zugunsten Dritter (vgl. BGH, NJWRR 2004, S. 121). Der Schutzzweck des Treuhandvertrages ergibt sich dabei nicht lediglich aus dem Wortlaut. Der Anlass des Vertragsschlusses, nämlich der befürchtete Zugriff von Gläubigern einzelner Gesellschafter auf das Konto der Gesellschaft, mag vorgeschoben gewesen sein. Aber bereits hieraus ist zu entnehmen, dass das Vermögen der Gesellschaft geschützt werden sollte. Dies muss sich dann zwangsläufig auch auf die Einlage des einzelnen Anlegers beziehen (vgl. BGH, ebenda). Diese Auslegung des Vertragszwecks wird sodann gestützt durch die in § 2 des Vertrages formulierte Verpflichtung des Beklagten, sein Treuhänderamt ausschließlich im Interesse der Treugeberin, der GbR, auszuüben. Darüber hinaus war das Treuhandkonto, wie dem Beklagten unstreitig bekannt war, auch ein Sammelkonto für die als Anlage eingezahlten Gelder. Auch darin manifestiert sich, dass der Treuhandvertrag auch dem Schutz des jeweiligen Anlegers dienen sollte.
b) Dem Beklagten ist auch eine Pflichtverletzung vorzuwerfen. Diese ist zum einen gemäß § 311 Abs. 2 und 3 BGB bereits in der Bereitstellung des Treuhandkontos zu sehen. Bei gehöriger Überprüfung des dem Treuhandvertrag zugrunde liegenden Gesellschaftszwecks hätte dem Beklagten auffallen müssen, dass die "Anlagestrategie" der J. P. GbR nicht durchführbar sein würde. Die mit der Anlage versprochenen Gewinne hätten sich allenfalls im Rahmen eines Schneeballsystems in einer Anfangsphase realisieren lassen. Eine legale Geldanlage jedenfalls hätte die versprochenen Gewinne nicht erbracht. Zur Prüfung war der Beklagte insoweit auch verpflichtet. Denn es ging dabei nicht um finanztechnische oder steuerrechtliche Sachverhalte, sondern vielmehr betrafen diese Fragen den vertragsrechtlichen-juristischen Bereich, für den der Beklagte mit der Übernahme der Treuhandschaft als Rechtsanwalt einzustehen hatte (vgl. BGH, NJW 1995, S. 1025 [1026]; NJW 1990, S. 2464). Denn dem Beklagten musste klar sein, dass das Treuhandverhältnis nach außen hin erkennbar sein würde. Wie der Beklagte vortragen kann, das Treuhandverhältnis habe nach außen hin nicht sichtbar werden sollen, erschließt sich nicht. Dass die jeweiligen Anleger auf ein Treuhandkonto einzahlten, ergab sich bereits aus dem Zahlungsempfänger. Denn dort wurde der Beklagte als Rechtsanwalt angegeben.
28Den Beklagten trifft ferner eine Pflichtverletzung aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 BGB, indem er umfangreiche Barauszahlungen an die Eheleute P. vornahm. Mit der Übernahme der Treuhandschaft oblag es dem Beklagten auch, die vertragsgemäße Verwendung der von dem einzelnen Anleger eingezahlten Beträge zu überprüfen (vgl. BGH, NJW 1995, S. 1025 [1026]). Dies gilt unabhängig davon, dass es einen Anlageprospekt nicht gab und auch, jedenfalls nach dem Vortrag des Beklagten, mit der Treuhandschaft nicht offensiv geworben wurde. Wie bereits ausgeführt, ergibt sich diese Verpflichtung allein aus der nach außen erkennbaren Einrichtung des Treuhandverhältnisses. Der Beklagte kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, die Barauszahlungen auf Geheiß der "Geschäftsführerin" J. P. vorgenommen zu haben. Dass er sich vertraglich verpflichtet hatte, den Weisungen von Frau P. Folge zu leisten, ändert daran nichts. Denn insoweit muss der Vertragstext dahin verstanden werden, dass hiermit nur Weisungen gemeint sein können, die sich innerhalb des Anlagesystems bewegten. In diesem Zusammenhang oblag dem Beklagten eine Kontrollpflicht gegenüber den Weisungen der Frau P. (vgl. BGH, NJWRR 2004, S. 121 [122]). Damit ist nicht gesagt, dass der Beklagte aktiv in die Anlagestrategie hätte eingreifen müssen. Er hätte sich jedoch hinsichtlich der Verwendung der Gelder zu Anlagezwecken vergewissern müssen. Dass er insoweit überhaupt nachgefragt hätte, trägt auch der Beklagte nicht vor. Wenn das Landgericht in diesem Zusammenhang darauf abstellt, eine Zweckentfremdung der Mittel sei nicht dargetan, kann der Senat dem Landgericht in der daraus gezogenen Konsequenz nicht folgen. Nicht einmal ansatzweise ist zu erkennen, dass seitens der Eheleute P. versucht worden wäre, die eingezahlten Gelder tatsächlich anzulegen. Bei dieser Sachlage wäre es Aufgabe des Beklagten, die anlagekonforme Verwendung der ausgezahlten Beträge vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen. Keinesfalls darf sich der Beklagte auf ein Bestreiten durch Nichtwissen hinsichtlich der Zweckentfremdung der Mittel beschränken. Dass ihm jedoch ein sachgerechter Vortrag zu oder gar ein Nachweis der ordnungsgemäßen Verwendung der Gelder gelingen könnte, ist aus dem bisherigen Verfahrensverlauf kaum zu erwarten. Es ist nicht erkennbar, dass auch nur ein Bruchteil des eingezahlten Geldes irgendwo angelegt worden wäre.
c) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist auch die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung des Beklagten und dem auf Seiten der Klägerin eingetretenen Schaden zu bejahen. Bei gehöriger Prüfung des dem Treuhandvertrag zugrunde liegenden Anlagesystems hätte der Beklagte warnend tätig werden müssen. Es wäre der Klägerin sodann möglich gewesen, gegenüber der GbR die Rückgängigmachung ihrer Beteiligung zu verlangen. Auch wenn man insoweit von dem Beklagten keine umfassende Prüfung verlangen sollte, ist jedenfalls eine Kausalität der von dem Beklagten geleisteten Barauszahlungen für den Schaden der Klägerin gegeben. Hätte er nämlich die Barauszahlung ohne Anlageverwendungsnachweis verweigert, dann wären die entsprechenden Gelder noch auf dem Treuhandkonto vorhanden gewesen und hätten an die Klägerin zurückgezahlt werden können.
Den Beklagten entlastet auch nicht seine Selbstanzeige. Denn zum einen hat diese Anzeige keinen Einfluss auf die zeitlich deutlich davor liegenden Pflichtverletzungen. Zum anderen war im Zeitpunkt der Selbstanzeige der Schaden der Klägerin bereits eingetreten.
d) Schließlich ist der Anspruch der Klägerin auch nicht verjährt. Mit Hinweis auf die sechsmonatige Verjährungsfrist nach Kenntniserlangung stellt der Beklagte offenbar auf die Vorschrift des § 20 Abs. 5 KAAG ab. Das Kapitalanlagegesetz ist vorliegend jedoch nicht anwendbar. Zum einen war die "J. P. GbR" kein Institut i. S. d. § 1 Abs. 1 KAAG, zum anderen sind die Anknüpfungspunkte der Verjährungsvorschriften gänzlich andere. Darauf kommt es aber ohnehin nicht an. Denn die Haftung des Beklagten bestimmt sich auf der Grundlage des Vertrages zu Gunsten Dritter. Der Beklagte handelte bei Abschluss des Treuhandvertrages im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit. Damit bestimmt sich auch die Verjährung des Haftungsanspruchs nach dem hier noch anzuwendenden § 51 b BRAO (vgl. zur gleichgelagerten Problematik des Wirtschaftsprüfers: BGH, NJW 2004, S. 3420 [3422]). Danach beträgt die Verjährung drei Jahre, Verjährung war mithin bei Klageerhebung noch nicht eingetreten.
32e) Allerdings kann die Klägerin von dem Beklagten nicht den vollen Schadensersatz verlangen. Denn ihr ist ein erhebliches Mitverschulden an der Entstehung des Schaden anzulasten (§ 254 BGB). Die von der "J. P. GbR" verfolgte Anlagestrategie war derart offensichtlich ungeeignet, den versprochenen Anlageerfolg zu erzielen, dass sich der Klägerin bereits bei nur oberflächlicher Betrachtung des Anlagemodells dessen betrügerischer Hintergrund hätte erschließen müssen. Soweit die Klägerin ihre Unbedarftheit damit begründet, sie habe auf die Seriosität des Anlagemodells vertraut, weil es ihr von ihrem Anlageberater empfohlen worden sei, entlastet sie dies nicht. Denn unter diesem Aspekt war von der Klägerin erst recht eine gründliche Prüfung der Anlage zu erwarten. Die fehlende oder fehlerhafte Einschätzung der Geldanlage durch ihren Berater muss sie sich gemäß § 278 BGB wie eigenes Verschulden anrechnen lassen. Bei Abwägung der beiderseitigen Verschuldensbeiträge kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass das Verhalten des Beklagten und das der Klägerin gleich zu gewichten sind, die Klägerin mithin die Hälfte ihres Schadens von dem Beklagten ersetzt erhält.
3. Der Anspruch hinsichtlich der Zinsen ist teilweise begründet aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, aus welchem Grunde sie Zinsen bereits ab dem 5. August 2005 beanspruchen könnte.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO. Anlass, gemäß 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Revision zuzulassen, hat der Senat nicht. Ein Aussetzungsgrund gemäß § 148 ZPO liegt ebenfalls nicht vor, da das Ergebnis des Strafverfahrens gegen die Eheleute P. vorliegend nicht vorgreiflich ist.
OLG Celle:
Urteil v. 25.01.2006
Az: 3 U 184/05
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