Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. April 2000
Aktenzeichen: 30 W (pat) 245/99

(BPatG: Beschluss v. 10.04.2000, Az.: 30 W (pat) 245/99)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Das für eine Reihe von Waren der Klasse 9 sowie von Dienstleistungen der Klassen 39 und 42 angemeldete Zeichen E-TICKET ist von der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts durch Beschluß des Prüfers teilweise, nämlich für die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen: "Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Datenverarbeitungsgeräte, Computer und Software, letztere insbesondere zur Verwendung im Zusammenhang mit der Reservierung und der Ausgabe von Flug- und Fahrscheinen; Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Veranstaltung von Reisen; Dienstleistungen eines EDV-gestützten Reservierungssystems für Transportdienstleistungen; Dienstleistungen eines EDV-gestützten Systems zur Ausgabe von Fahr- und Flugscheinen. Verpflegung; Beherbergung von Gästen; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, insbesonders solche für Buchungssysteme für Transportdienstleistungen" als freihaltebedürftige Angabe gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Nach Auffassung der Markenstelle weist die angemeldete Marke beschreibend darauf hin, daß es sich um elektronische Tickets handele, die mittels der genannten Waren erstellt oder ausgegeben würden bzw daß die genannten Dienstleistungen mit Hilfe elektronisch erstellter Tickets in Anspruch genommen werden könnten.

Zur Begründung der dagegen eingelegten Beschwerde trägt die Anmelderin vor, die angemeldete Bezeichnung könne auch Europa-Ticket, Economy-Ticket, Einzelfahrkarte, einfache Fahrkarte, Fahrkarte für einen Eilzug und anderes mehr bedeuten. Nur zwei von mehr als zehn von ihr befragten Personen seien auf die mögliche Bedeutung "elektronische Fahrkarte" gekommen. Auch die E-Klasse von Mercedes zeige, daß E-Ticket nicht unbedingt elektronisches Ticket bedeuten müsse. Im übrigen gebe es eine Vielzahl von Möglichkeiten für die Benennung eines elektronisch erstellten Tickets. E-Ticket sei daher allenfalls eine sprechende Marke. Diese Bezeichnung sei von der Anmelderin eigenständig geprägt worden. Gegen den beschreibenden Charakter der Bezeichnung spreche auch die Eintragung einer gleichlautenden jüngeren Anmeldung für weitgehend identische Waren und Dienstleistungen.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Beschwerdebegründung und denjenigen der beigezogenen Amtsakte verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig aber nicht begründet. Bei der angemeldeten Marke handelt es sich im Umfang der zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen um eine freihaltebedürftige beschreibende Angabe iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG.

Nach dieser Bestimmung sind von der Eintragung solche Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung ua der Art, der Beschaffenheit oder der Bestimmung der beanspruchten Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen dienen können.

Die angemeldete Marke E-TICKET ist zwar als bereits verwendeter Begriff nicht nachweisbar. Sie ist jedoch in Anlehnung an vergleichbare mit dem Buchstaben E (e) als Abkürzung für "Elektronic-" (siehe Loskant, Fremdwörterlexikon S 50) zusammengesetzte Wörter sprachüblich gebildet und stellt daher in bezug auf die zur Entscheidung stehenden Waren und Dienstleistungen eine unmittelbar beschreibende Sachangabe im Sinne der genannten Bestimmung dar.

Das aus dem Englischen stammende Wort "ticket" hat im Sinne von "Fahr- bzw Eintrittskarte" auch in die deutsche Sprache Eingang gefunden (s zB Rechtschreibduden 20. Aufl). Der Buchstabe E kann zwar in unterschiedlichen Zusammenhängen als Abkürzung eine jeweils unterschiedliche Bedeutung haben. In der internationalen Wetterkunde kann zB E für East (englisch) oder Est (französisch) in der Bedeutung "Osten" stehen, in einem Fahrplan steht E für "Eilzug", im Postversand für "Einschreiben" und in der Musik gibt es die Tonarten emoll und E-Dur. Daneben sind im einschlägigen Abkürzungsverzeichnissen noch eine Vielzahl weiterer möglicher Bedeutungen angeführt. Welche dieser Bedeutungen in Betracht kommt, ergibt sich jedoch jeweils aus dem konkreten Zusammenhang. Im Zuge des zunehmenden Einsatzes der EDV im Bereich von Kommunikation und Information aber auch im Zahlungs- und Bankverkehr sowie beim Einkauf von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen ist eine Vielzahl von mit dem Buchstaben E (e) zusammengesetzten Wörtern in Gebrauch gekommen, bei denen E (e) jeweils E (e) Elektronic (= elektronisch) bedeutet. Diese Entwicklung wird zB in "The Oxford Dictionary of New Words" (New York 1998) unter dem Stichwort "ecombining form" wie folgt umschrieben: "From the beginning of the nineties, e-, for ELECTRONIC, has been used to form words relating to the publication or exchange of information in an electronic format, such as E-MAIL, etext (see ELECTRONIC), and ezine (an electronically published fanzine), and words relating to electronic financial transactions, such as ecash and emoney".

Neben den angeführten und den von der Markenstelle im angefochtenen Beschluß genannten, lassen sich weitere Beispiele finden, wie "E-Banking, E-Publishing oder E-Shopping (s Loskant aaO). In den der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung übergebenen Anzeigenbeispielen wird zB von der Firma H... für "E-services" geworben. Die Firma B... GmbH wirbt mit dem Slogan "Welcome to the egeneration". In der SZ vom 24.2.2000 (S 30) annonciert eine Firma "concept! the ecompany" für ebusiness-Lösungen. In der SZ vom 18./19. März 2000 umschreibt eine Firma smart turn ihre auf Internet-Technology basierenden Lösungen mit der hervorgehobenen Umschreibung "e-Business, e-Commerce, e-Everything!". Der hier angedeutete Trend, alles (nur mögliche) "elektronisch zu machen (und mit dem Kürzel "e (E)" zu kennzeichnen)" findet seine Fortsetzung in der Ersetzung des Buchstabens "a" am Anfang eines (englischen) Wortes durch ein "e" in Werbeanzeigen der Elektronikbranche (zB "epproved = approved for ecommerce and Internet" - Firma F... , Wirtschaftswoche 7/2000 S 117 oder "evailability" für "availability" der Firma b... - Wirtschafts woche aaO).

Diese Unterlagen zeigen einen ausgeprägten Trend zur Bildung neuer mit dem Buchstaben E (e) für "Elektronic" zusammengesetzter Begriffe in denjenigen Bereichen, die dem elektronischen Datenverkehr zugänglich sind. Hierzu gehören - was die Anmelderin in der mündlichen Verhandlung nicht in Abrede gestellt hat - auch die Reservierung und die Ausgabe von Flug- und Fahrscheinen. Zwar gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, einen solchen Vorgang bzw das dadurch erzielte Produkt zu bezeichnen (zB elektronic booking, online booking bzw elektronic- oder onlinetickets). Gegenüber anderen denkbaren Begriffen zeichnet sich die Bezeichnung E-Ticket jedoch durch ihre prägnante Kürze und insbesondere dadurch aus, daß sie im "(E-)Trend" liegt bzw zu "eeverything" gehört. Bei der Bildung von mit "E (e)" im Sinne von "Elektronic-" zusammengesetzten (in der Regel englischsprachigen) Wörtern werden im übrigen nicht nur solche verwendet, die - wie die Anmelderin in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben hat - unter Verwendung der Verlaufsform (-ing) bestimmte Vorgänge bzw Geschäftsbereiche kennzeichnen, sondern auch nicht von einem Verbum abgeleitete Substantive, die entweder einen Vorgang bzw Geschäftsbereich betreffen (zB E-Cash, E-Commerce, E-Services) oder auch das unter Einsatz von EDV erstellte bzw erworbene Produkt (E-Money, E-Mail, E-Zine). Insgesamt zeichnet sich damit deutlich ab, daß die angemeldete Bezeichnung "E-Ticket" im Sinne der genannten Bestimmung im Verkehr zur Bezeichnung eines auf elektronischem Weg erstellten bzw erworbenen (zB per Internet) Fahr- oder ähnlichen Berechtigungsscheins dienen kann. Es kommt nämlich nicht allein darauf an, ob das angesprochene Publikum auch bei einer abstrakten Begegnung mit dem Zeichen ohne weiteres einen bestimmten Bedeutungsinhalt erkennt. Bei zahllosen homonymen Wörtern ergibt sich deren konkreter Sinn erst aus ihrer Verwendung im Zusammenhang mit der konkreten Ware oder Dienstleistung. Nur wenn sich für den Ausdruck auch in Verbindung mit Waren oder Dienstleistungen kein eindeutiger Sinngehalt erkennen läßt, ist er ob dieser unbestimmten Aussagekraft nicht zur Beschreibung geeignet (vgl BGH GRUR 1995, 269 U-KEY, BlPMZ 1997, 360 à la carte). Das ist hier nicht der Fall. So kommt zB ein Verkaufsautomat oder eine Mechanik für einen geldbetätigten Apparat in Betracht sowie ein Datenverarbeitungsgerät, ein Computer und die dazugehörige Software, wie es insoweit im Warenverzeichnis der angemeldeten Marke durch den Zusatz "- letztere insbesondere für Verwendung im Zusammenhang mit der Reservierung und der Ausgabe von Flug- und Fahrscheinen" bereits hervorgehoben wird. Auch die beanspruchten Dienstleistungen "Transportwesen, Verpackung und Lagerung von Waren" sowie die "Veranstaltung von Reisen" können unter Zugrundelegung eines EDV-gestützten Reservierungssystems für Transportdienstleistungen bzw eines Systems zur Ausgabe von Fahr- und Flugscheinen durchgeführt werden, für das die Bezeichnung E-Ticket eine unmittelbar beschreibende und daher freihaltebedürftige Angabe darstellt. Elektronisch ausgestellte Tickets können sich auch auf Verpflegung und Beherbergung (von Gästen) erstrecken sowie Gegenstand eines Programms für die Datenverarbeitung, insbesondere eines solchen für Buchungssysteme für Transportdienstleistungen sein.

Das daraus folgende Freihaltebedürfnis an der Bezeichnung E-TICKET erübrigt sich nicht deshalb, weil es noch andere Möglichkeiten gibt, ein elektronisch erstelltes Ticket zu umschreiben, wie bereits der Gesetzeswortlaut und der Zweck dieser Bestimmung verdeutlichen, den Gebrauch beschreibende Angaben nicht durch ihre Monopolisierung für einen Einzelnen zu behindern (vgl Althammer/ Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 8 Rn 64).

Auf die Entscheidung des Senats kann es keinen Einfluß haben, daß das Deutsche Patent- und Markenamt aufgrund jüngerer Anmeldungen als der vorliegenden die Bezeichnung "eticket" unter der Nr 398219885 als Wortmarke ua für den vorliegenden entsprechende Waren- und Dienstleistungen eingetragen hat. Derartige Eintragungen haben unter keinem in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkt eine wie auch immer geartete bindende Wirkung für das vorliegende Verfahren (s zB BPatGE 32, 5/9f "CRÉATION GROSS" mwN).

Da für die angemeldete Marke in dem genannten Umfang ein Freihaltebedürfnis besteht, kann die Frage der Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG dahinstehen. Die Beschwerde der Anmelderin ist daher zurückzuweisen.

Zu der von der Anmelderin angeregten Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht keine Veranlassung, da die Entscheidung weder auf einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung beruht noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshof erfordert (s § 83 Abs 2 MarkenG).

Dr. Buchetmann Sommer Schwarz-Angele Hu/Fa






BPatG:
Beschluss v. 10.04.2000
Az: 30 W (pat) 245/99


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