Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Januar 2003
Aktenzeichen: 29 W (pat) 223/02

(BPatG: Beschluss v. 08.01.2003, Az.: 29 W (pat) 223/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. November 2001 aufgehoben und es wird die Löschung der Marke 399 19 540 hinsichtlich der Dienstleitungen der Klassen 38 und 42 angeordnet.

Gründe

I Gegen die für die Dienstleistungen

"Geldgeschäfte (Klasse 36); Telekommunikation (Klasse 38); Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung (Klasse 42)"

eingetragene Wortmarke 399 19 540 geoshopsist Widerspruch aus der prioritätsälteren Wortmarke 395 33 426 GEO erhoben worden, die ua für die Dienstleistungen

"38: Telekommunikation, einschließlich der Telekommunikation in Datennetzen;

42: Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, einschließlich von Programmen im Zusammenhang mit Datenträgern oder Datennetzen"

im Markenregister eingetragen ist. Der Widerspruch richtet sich gegen die Dienstleistungen der Klassen 38 und 42.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluss vom 29. November 2001 den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Der Widerspruchsmarke "GEO" sei eher unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft zuzubilligen, weil es sich um ein auf die Erde hinweisendes Wortelement handele. Trotz der teilweisen Identität bzw hochgradigen Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen halte die jüngere Marke den erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke aufgrund des unterschiedlichen klanglichen Gesamteindrucks beider Marken ein. Die jüngere Marke werde nicht von dem Bestandteil "geo" geprägt. Hiergegen spreche schon ihr Einwortcharakter. Außerdem bilde "geo" mit "shops" einen Gesamtbegriff im Sinne von "die Erde betreffende Geschäfte", den der Verkehr nicht ohne Sinnentstellung auseinanderreißen würde.

Hiergegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt. Sie trägt vor, dass die Markenstelle alleine vom Gesamteindruck ausgegangen sei und die Wechselwirkung zwischen den einzelnen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr wesentlichen Faktoren, insbesondere im Hinblick auf die Identität der beanspruchten Dienstleistungen nicht berücksichtigt habe. Die Widersprechende beruft sich auf die mindestens normale Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, die durch die Bekanntheit der Widerspruchsmarke für Zeitschriften gesteigert worden sei. So werde die Zeitschrift "GEO" seit mehr als 25 Jahren verlegt, wobei ihre verkaufte Auflage monatlich nahezu 500.000 Exemplare betrage und sich ihr Bekanntheitsgrad auf nahezu 60% belaufe. Darüber hinaus stelle "geo" in der jüngeren Marke die prägende Angabe dar, weil der angesprochene Verkehr mit dem weiteren Bestandteil "shops" ohne weiteres ein Geschäftslokal, auch ein virtuelles Geschäftslokal im Internet, verbinde. Die beschreibende Angabe "shops" trete demgemäß in den Hintergrund. Im übrigen sei der Widerspruch auch unter dem Gesichtspunkt der Serienmarke begründet. Hierzu verweist die Widersprechende auf ihre Markenserie mit dem Bestandteil "GEO". Der Verkehr werde in der angegriffenen Marke unschwer eine Marke der Widersprechenden sehen und annehmen, die gekennzeichneten Dienstleistungen stammten aus ihrem Haus oder sie würden zumindest von einem Unternehmen der Konzerngruppe der Widersprechenden erbracht.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. November 2001 aufzuheben und die angegriffene Marke hinsichtlich der Klassen 38 und 42 zu löschen.

Der Inhaber der angegriffenen Marke hat die mündliche Verhandlung nicht wahrgenommen und sich weder in der Sache geäußert noch Anträge gestellt.

II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache Erfolg. zwischen den sich gegenüberstehenden Marken besteht im Umfang des beschränkten Widerspruchs eine Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, so daß die Löschung der jüngeren Marke hinsichtlich der Dienstleistungen der Klassen 38 und 42 anzuordnen ist.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, wozu insbesondere der Bekanntheitsgrad der Widerspruchsmarke, die gedankliche Verbindung, die des jüngeren Zeichen zu ihm hervorrufen kann, sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den Marken und den mit ihnen gekennzeichneten Waren bzw Dienstleistungen gehören. Dabei besteht eine kompensatorische Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren (stRspr BGH vgl zuletzt Beschluss v. 8.5.2002 MarkenR 2002, 332 - DKV/OKV mwN sowie EuGH GRUR 1998, 387 - Sabel/Puma u. GRUR Int 1998, 875, 876 - Canon).

Aufgrund der Identität der Dienstleistungen der jüngeren Marke "38: Telekommunikation; 42: Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" mit den entsprechenden Dienstleistungen der Widerspruchsmarke sowie der Identität des Bestandteils "geo" in der angemeldeten Marke mit der Widerspruchsmarke "GEO" sprechen bereits gewichtige Gründe für die Annahme einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken. Letztlich kann die Frage, ob der maßgebliche Gesamteindruck der aus den Begriffen "geo" und "shops" zusammengesetzten jüngeren Marke von dem an erster Stelle stehenden Bestandteil "geo" geprägt wird, aber dahingestellt bleiben, weil die Marken jedenfalls insoweit verwechselbar sind, als sie gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden können.

Der Begriff der gedanklichen Verbindung iSv § 9 Abs 1 Nr 2 letzter Halbsatz MarkenG stellt keine Alternative zum Begriff der Verwechslungsgefahr dar, sondern soll lediglich dessen Umfang genauer bestimmen. Rein assoziative Verbindungen, die ein Verwechseln der Marken nicht zur Folge haben, reichen dabei nicht aus. Darunter zu subsumieren sind jedoch insbesondere die Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens und der Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne (vgl EuGH GRUR 1998, 387 - Sabel/Puma; BGH GRUR 1999, 587 - Cefallone mwN sowie zuletzt Urt. v. 22.11.2001 = GRUR 2002, 544 - BIG; Althammer/Ströbele MarkenG 6. Aufl § 9 Rdn 208). Ein derartiger Fall einer Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt einer Serienmarke ist hier gegeben.

Die insoweit für identische Dienstleistungen eingetragene Widerspruchsmarke ist in der jüngeren Marke erkennbar identisch enthalten. Die Vergleichsmarken stimmen dabei in einem Bestandteil überein, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens sieht und deshalb die nachfolgend angegriffene Bezeichnung "geoshops" mit einem identischen oder wesensgleichen Stamm dem gleichen Markeninhaber zuordnet. Anlaß zu einer Schlußfolgerung in dieser Richtung kann für den Verkehr insbesondere dann bestehen, wenn ein Unternehmen - wie hier die Widersprechende - mit der Widerspruchsmarke "GEO" innerhalb mehrerer Zeichen bereits im Verkehr aufgetreten ist. Hierzu zählen zum einen die Serienzeichen GEO Saison (395 33 427), GEO Spezial (398 30 866), GEO Wissen (398 30 867) sowie GEOEPOCHE (399 18 733), bei denen es sich jeweils um Zeitschriften handelt. Zum anderen hat die Widersprechende durch entsprechende Fotos, Erklärungen und Auszüge zur Überzeugung des Senats dargelegt, daß die Markenserie auch Zeichen umfaßt, die für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16 und 38 zum Teil mit Onlineauftritt benutzt werden (zB 396 41 412 GEOLINO, geoplay, GEOTON sowie GEOwebshop). Darüber hinaus produziert die Widersprechende zusammen mit dem Fernsehsender Arte die Sendereihe "360" - Die GEO-Reportage, die wöchentlich ausgestrahlt wird.

Nach den Feststellungen des Senats strahlt die gesteigerte Kennzeichnungskraft, die die Widerspruchsmarke insbesondere für Zeitschriften in Anspruch nehmen kann, auf die Dienstleistungen der "Telekommunikation" und des "Erstellens von Programmen für die Datenverarbeitung" zumindest insoweit aus, daß eine normale Kennzeichnungskraft zugrunde zu legen ist. Der Senat geht davon aus, daß die Widersprechende den Verkehr bereits an "GEO" als Stammbestandteil einer existierenden Zeichenserie gewöhnt hat. Die angegriffene Marke ist wie vergleichbare Zeichen der Serie gebildet, so daß die Gefahr von Verwechslungen aufgrund irriger Zuordnung der angegriffenen zur älteren Marke der Widersprechenden zu bejahen ist. Bei dieser Sachlage kam es entgegen der Ansicht der Markenstelle nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mehr darauf an, ob sich "GEO" wegen des Sinngehalts von "die Erde betreffend" theoretisch als Stammbestandteil eignet oder nicht (vgl BGH GRUR 2002, 544 - BIG a.E.).

Zu einer Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 71 Abs 1 MarkenG) bestand kein Anlaß.

Vorsitzende Richterin Grabrucker ist wegen Urlaubs verhindert zu unterschreiben Pagenberg Pagenberg Voit Cl






BPatG:
Beschluss v. 08.01.2003
Az: 29 W (pat) 223/02


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