Bundesverfassungsgericht:
Beschluss vom 17. Dezember 1999
Aktenzeichen: 1 BvR 1611/99

(BVerfG: Beschluss v. 17.12.1999, Az.: 1 BvR 1611/99)

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen zivilgerichtliche Entscheidungen in einem einstweiligen Verfügungsverfahren, mit denen ein von dem Beschwerdeführer im Zusammenhang mit einer Buchveröffentlichung geltend gemachter Unterlassungsanspruch verneint worden ist.

I.

1. Der Beschwerdeführer ist Bundestagsabgeordneter und Fraktionsvorsitzender der PDS. Er war in der Deutschen Demokratischen Republik als Rechtsanwalt tätig. In dieser Eigenschaft verteidigte er den Regimekritiker Prof. Dr. Robert Havemann in einem gegen diesen im Jahre 1979 wegen angeblicher Devisenvergehen geführten Strafverfahren.

Im Mai 1998 verlegte die Ch. Links Verlag - LinksDruck GmbH (im folgenden: Ch. Links Verlag), die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens, ein vom Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR herausgegebenes Buch des Autors Clemens Vollnhans mit dem Titel "Der Fall Havemann - Ein Lehrstück politischer Justiz", das sich mit diesem Strafverfahren auseinandersetzt. In dem Buch sind zahlreiche Originaldokumente wiedergegeben, darunter (auf den Seiten 276 bis 286) der Abdruck einer von dem Beschwerdeführer gefertigten Berufungsbegründungsschrift vom 1. Juli 1979. Ferner wird auf Seite 121 des Buches über den Beschwerdeführer behauptet, er habe gegenüber staatlichen Stellen im Sinne seines Mandanten als engagierter Anwalt agiert und zugleich ohne Wissen Havemanns enge Beziehungen zur Staatssicherheit geführt.

2. Der Beschwerdeführer, der nach seinen Angaben erst Anfang Oktober 1998 Kenntnis von der Veröffentlichung des Buches erlangt hatte, forderte am 14. Oktober 1998 den Ch. Links Verlag auf, die Verbreitung dieser Behauptung sowie die Veröffentlichung der Berufungsschrift zu unterlassen. Der Verlag gab daraufhin hinsichtlich der beanstandeten Behauptung auf Seite 121 des Buches eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, kam aber dem auf die Veröffentlichung der Berufungsschrift bezogenen Verlangen des Beschwerdeführers nicht nach.

a) Auf Antrag des Beschwerdeführers erließ daraufhin das Landgericht zunächst eine einstweilige Verfügung, mit der dem Ch. Links Verlag die Vervielfältigung und Verbreitung der streitgegenständlichen Berufungsschrift verboten wurde. Auf den Widerspruch des Verlages hin hob das Landgericht mit Urteil vom 2. Dezember 1998 die einstweilige Verfügung wieder auf und wies den Verfügungsantrag zurück. Zur Begründung führte es aus, dem Beschwerdeführer stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 97 Abs. 1 UrhG zu. Dabei könne unterstellt werden, daß die streitgegenständliche Berufungsschrift als wissenschaftliches Sprachwerk urheberrechtlichen Schutz genieße. Denn die Nutzung durch die Antragsgegnerin sei jedenfalls nicht widerrechtlich. Das als geistiges Eigentum gemäß Art. 14 GG geschützte Urheberrecht des Beschwerdeführers kollidiere mit dem von der Antragsgegnerin zutreffend für sich in Anspruch genommenen Schutz des Art. 5 GG. An einer Auseinandersetzung mit der Geschichte der ehemaligen DDR, wie sie in dem Buch erfolgt sei, bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse. Die wörtliche Wiedergabe der Berufungsschrift im Dokumententeil habe eine erhebliche Bedeutung für den mit dem Buch verfolgten Zweck, darzulegen, wie ein politischer Prozeß gegen einen prominenten Regimekritiker mit einem von vornherein feststehenden Ergebnis inszeniert werde. Durch die aufeinanderfolgende wörtliche Darstellung der Berufungsschrift und des die Berufung verwerfenden Beschlusses des Bezirksgerichts Frankfurt (Oder), der keinerlei besondere Auseinandersetzung mit dem fundierten Vorbringen in der Berufungsschrift erkennen lasse, veranschauliche der Autor in besonderer Weise, daß überhaupt keine Bereitschaft vorhanden gewesen sei, sich mit den rechtlichen und tatsächlichen Einwänden der Berufung auseinanderzusetzen. Das Urheberrecht des Beschwerdeführers habe hinter dem Bedürfnis an Meinungs- und Informationsvermittlung zurückzustehen. Anhaltspunkte dafür, daß der Beschwerdeführer durch die Veröffentlichung des Schriftsatzes in besonderer Weise betroffen sei, lägen nicht vor. Der Schriftsatz gereiche dem Beschwerdeführer als Anwalt durchaus zur Ehre.

b) Die gegen das landgerichtliche Urteil eingelegte Berufung des Beschwerdeführers wies das Oberlandesgericht mit Urteil vom 29. Juli 1999 zurück: Dem Beschwerdeführer stehe auch kein Unterlassungsanspruch nach §§ 823, 1004 BGB i.V.m. § 32 Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) zu, denn aus diesem Gesetz ergebe sich nicht, daß die Veröffentlichung der Berufungsschrift unzulässig sei. Die aus der Wiedergabe der Berufungsschrift folgende Tatsache, daß der Beschwerdeführer sie verfaßt habe, sei eine auf seine Person bezogene Information, in deren Veröffentlichung er nicht eingewilligt habe. Sie sei aber als Information über ihn als Person der Zeitgeschichte und Inhaber politischer Funktionen zulässig. Die Veröffentlichung offenbare lediglich, daß der Beschwerdeführer im Fall Havemann seine Pflichten als beauftragter Rechtsanwalt ordnungsgemäß erfüllt habe. Seine persönliche Betroffenheit reduziere sich daher auf den Umstand, Verteidiger Havemanns gewesen zu sein, was in der Öffentlichkeit ohnehin bekannt sein dürfte. Aus denselben Gründen bestehe auch kein Unterlassungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Schließlich habe der Beschwerdeführer auch keinen Anspruch nach § 97 UrhG. Auch bei Unterstellung, daß es sich bei der Berufungsschrift um ein schutzfähiges Werk handele, liege in der Veröffentlichung kein Verstoß gegen die §§ 12, 15 UrhG, weil eine Güterabwägung zu dem Ergebnis führe, daß die Veröffentlichung nicht rechtswidrig sei. Das Urheberrecht müsse, auch soweit es eine Ausformung grundgesetzlicher Positionen darstelle, in seiner Wechselwirkung mit anderen Grundrechten gesehen werden. Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) gingen vor, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine Abwägung ergebe, daß schützenswerte Belange des Urheberrechtsinhabers nicht gefährdet seien und überragende Interessen der Allgemeinheit eine Veröffentlichung verlangten.

3. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG. Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor:

a) Die Gerichte hätten den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verkannt. Der Konflikt zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht einerseits und Presse- und Wissenschaftsfreiheit andererseits sei in der Schrankenregelung des § 32 Abs. 3 Nr. 1 und 2 StUG vom Gesetzgeber vorweggenommen und gelöst worden. Das Oberlandesgericht habe diese Schrankenregelung unrichtig zu Lasten des Beschwerdeführers ausgelegt.

b) Landgericht und Oberlandesgericht hätten darüber hinaus den Schutzbereich des durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Urheberpersönlichkeitsrechts sowie des Art. 14 Abs. 1 GG unterfallenden Urheberrechts verkannt. Allein die Mißachtung des ureigensten Rechts des Urhebers, allein darüber zu entscheiden, wann er sein Werk als zur Veröffentlichung geeignet erachte und als vervielfältigungsreif ansehe, bedeute eine Verletzung erheblicher Interessen, denen Grundrechtsrang zukomme. Der nicht juristisch geschulte Durchschnittsleser werde aufgrund der in dem Buch auf Seite 121 aufgestellten Falschbehauptung davon ausgehen, die im Anhang abgedruckte Berufungsschrift stelle einen weiteren Beleg für das mangelnde Engagement des Beschwerdeführers dar. Da der Beschwerdeführer bereits Anwaltsschriftsätze in Buchform gegen Entgelt veröffentlicht habe, sei die Wahrung seines Rechts zur Erstveröffentlichung der Berufungsschrift für ihn auch von wirtschaftlichem Interesse.

c) Das Oberlandesgericht habe ferner Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Zum einen habe es die Entscheidung ohne vorherigen Hinweis auf rechtliche Gesichtspunkte gestützt, mit denen der Beschwerdeführer nicht habe rechnen können. Zum anderen habe es Ausführungen des Beschwerdeführers zu wesentlichen Aspekten nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Grundrechte angezeigt, denn sie ist ohne hinreichende Aussicht auf Erfolg.

1. Bedenken bestehen bereits gegen die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde.

Der Beschwerdeführer hat den im Verfahren der einstweiligen Verfügung geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht mit einer Hauptsacheklage weiterverfolgt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bildet zwar das vorläufige Rechtsschutzverfahren der einstweiligen Verfügung gegenüber dem Verfahren in der Hauptsache ein selbständiges Verfahren, so daß mit der letztinstanzlichen Entscheidung im Verfügungsverfahren der Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 BVerfGG erschöpft ist (vgl. BVerfGE 51, 130 <138>; 75, 318 <325>). Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde erfordert jedoch, daß ein Beschwerdeführer über das Gebot der Rechtswegerschöpfung im engeren Sinne hinaus die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern. Danach kann auch die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache geboten sein, wenn sich dort nach der Art des gerügten Grundrechtsverstoßes die Chance bietet, der verfassungsrechtlichen Beschwer abzuhelfen, und dies für den Beschwerdeführer nicht unzumutbar ist (vgl. BVerfGE 77, 381 <401 f.>; 79, 275 <278 f.>).

Im vorliegenden Fall besteht die Möglichkeit, daß die Durchführung des Hauptsacheverfahrens die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts entbehrlich macht. Denn anders als im Verfahren der einstweiligen Verfügung käme dort zur Klärung der einfach-rechtlichen Fragen eine Revision zum Bundesgerichtshof in Betracht, und zwar auch dann, wenn man davon ausgeht, daß die Revision gemäß § 546 Abs. 1 ZPO von einer Zulassung durch das Oberlandesgericht abhinge. Der Beschwerdeführer geht selbst von der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache aus, wenn er vorträgt, das Oberlandesgericht habe in dem angegriffenen Urteil erstmals einem "übergesetzlichen Rechtfertigungsgrund des öffentlichen Informationsbedürfnisses" Vorrang vor dem Veröffentlichungsrecht des Urhebers eingeräumt, was zu einem "überpersönlichkeitsrechtlichen Dammbruch" führen werde. Im Hinblick hierauf läßt sich jedenfalls nicht von vornherein ausschließen, daß das Oberlandesgericht im Hauptsacheverfahren die Voraussetzungen des § 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO bejahen würde.

Die Verweisung des Beschwerdeführers auf das Hauptsacheverfahren erscheint auch nicht unzumutbar. Der Beschwerdeführer hätte die Hauptsacheklage sofort anstelle des einstweiligen Verfügungsverfahrens oder parallel hierzu erheben können. Als er beim Landgericht den Erlaß einer einstweiligen Verfügung beantragt hat, war das streitgegenständliche Buch schon mehr als fünf Monate auf dem Markt. Ausweislich des bei den Akten befindlichen Schreibens der anwaltlichen Vertreter des Ch. Links Verlags vom 19. Oktober 1998 war das Buch zu diesem Zeitpunkt bereits "komplett abverkauft". Der Beschwerdeführer trägt weder vor noch ist sonst ersichtlich, daß seither eine neue Auflage des Buches erschienen ist oder der Verlag eine solche beabsichtigt. Angesichts dessen geht der Einwand des Beschwerdeführers, die Hauptsacheklage würde wegen der voraussichtlichen Dauer des Verfahrens nicht die Gewähr einer rechtzeitigen Sicherung bieten, ins Leere.

2. Bei unterstellter Zulässigkeit hätte die Verfassungsbeschwerde aber auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.

a) Die angegriffenen Urteile verletzen den Beschwerdeführer weder in seinem durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrecht noch in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG.

aa) Die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92>; stRspr). Die Schwelle eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist erst erreicht, wenn die Auslegung Fehler erkennen läßt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl. BVerfGE 68, 361 <372>; 89, 1 <10> m.w.N.).

bb) Nach diesem Maßstab sind die angegriffenen Entscheidungen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Gerichte haben bei der Prüfung, ob die von dem Beschwerdeführer beanstandete Veröffentlichung als Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch das Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit erfüllt, eine umfangreiche Interessenabwägung vorgenommen und hierbei auf Seiten des Beschwerdeführers sowohl berücksichtigt, daß das von ihm in Anspruch genommene Urheberrecht als "geistiges" Eigentum dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG unterliegt, als auch, daß eine nicht genehmigte Veröffentlichung eine Verletzung des von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen kann. Daß die Gerichte zu dem Ergebnis gelangt sind, im konkreten Fall gingen die durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Interessen der Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens den Interessen des Beschwerdeführers vor, begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

Der Einwand des Beschwerdeführers, das Oberlandesgericht habe durch eine fehlerhafte Auslegung des § 32 Abs. 3 StUG sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt, ist bereits deshalb unschlüssig, weil der Beschwerdeführer weder darlegt noch sonst ersichtlich ist, inwieweit dieses Recht vorliegend überhaupt beeinträchtigt sein könnte. Durch die wörtliche Wiedergabe der Berufungsschrift werden über den Beschwerdeführer keine anderen personenbezogenen Daten preisgegeben als die Tatsache, daß er als Verteidiger Havemanns Verfasser dieses Schriftsatzes ist. Inwiefern durch die Veröffentlichung allein dieser Information das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers verletzt sein könnte, ist nicht erkennbar.

Bei der Frage, inwieweit das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers in sonstiger Weise beeinträchtigt sein könnte, hat das Oberlandesgericht zu Recht darauf abgestellt, daß der Beschwerdeführer durch die Veröffentlichung der Berufungsschrift, durch die - in Kontrast zu dem nachfolgend abgedruckten Beschluß des Bezirksgerichts - lediglich seine ordnungsgemäße anwaltliche Tätigkeit belegt wird, nicht in nachvollziehbarer Weise betroffen ist. Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, etwas anderes ergebe sich daraus, daß der Abdruck der Berufungsschrift im Zusammenhang mit der Behauptung auf Seite 121 des Buches gesehen werden müsse, nach der der Beschwerdeführer ohne Havemanns Wissen enge Beziehungen zur Staatssicherheit gehabt habe, geht dieser Einwand schon deshalb fehl, weil der Verlag hinsichtlich dieser Behauptung bereits vor Beginn des Ausgangsverfahrens eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat.

Ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG läge nur dann vor, wenn die Fachgerichte in grundlegender Weise verkannt hätten, daß sich die Eigentumsgarantie auf die wirtschaftliche Seite des Urheberrechts erstreckt und daraus dem Urheber die Befugnis erwächst, das "geistige" Eigentum wirtschaftlich zu nutzen (vgl. BVerfGE 49, 382 <392>). Hierfür bestehen jedoch keine Anhaltspunkte. Daß es sich bei dem streitgegenständlichen Anwaltsschriftsatz überhaupt um ein urheberrechtlich geschütztes Werk im Sinne des § 2 UrhG handelt, was auf einfach-rechtlicher Ebene bereits fraglich ist (vgl. hierzu BGH, GRUR 1986, S. 739 <741>), haben die Fachgerichte zugunsten des Beschwerdeführers unterstellt. Die vermögenswerte Bedeutung der daraus resultierenden potentiellen Verfügungs- und Verwertungsrechte des Beschwerdeführers kann im konkreten Fall allerdings nur als sehr gering angesehen werden. Der Beschwerdeführer trägt insoweit lediglich unsubstantiiert vor, es komme die Veröffentlichung des Schriftsatzes durch ihn in Buchform in Betracht. Selbst wenn dem tatsächlich so wäre, ist nicht ersichtlich, inwiefern infolge der im Ausgangsverfahren angegriffenen Veröffentlichung die weitere wirtschaftliche Auswertbarkeit des Schriftsatzes durch den Beschwerdeführer selbst nennenswert beeinträchtigt sein könnte. Angesichts dessen ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, daß die Fachgerichte im Rahmen der von ihnen vorgenommenen Abwägung im Sinne einer Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit Vorrang eingeräumt haben.

b) Schließlich ist auch das Recht des Beschwerdeführers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht verletzt. Von einer Begründung wird insoweit nach § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

3. Durch die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.






BVerfG:
Beschluss v. 17.12.1999
Az: 1 BvR 1611/99


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