Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 23. April 2012
Aktenzeichen: 18 W 202/11, 18 W 203/11, 18 W 202/11, 18 W 205/11, 18 W 201
(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 23.04.2012, Az.: 18 W 202/11, 18 W 203/11, 18 W 202/11, 18 W 205/11, 18 W 201)
Tenor
Die sofortigen Beschwerden der Beklagten vom 19.4.2011 und 17.6.2011 gegen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Landgerichts Frankfurt am Main vom 4.4.2011 zu I, II, III, IV, V, vom 15.4.2011zu I, II und vom 6.6.2011 werden zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Beschwerdeverfahren zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der Beschwerdewert betreffend die Beschwerden gegen die Festsetzungs-beschlüsse vom 4.4.2011 zu I, II, III, V, vom 15.4.2011 zu I, II und vom 6.6.2011 wird auf jeweils € 3.468,-festgesetzt.
Der Beschwerdewert betreffend die Beschwerde gegen den Festsetzungs-beschluss vom 4.4.2011 zu IV wird auf € 6.618,-festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien haben vor dem Landgericht Frankfurt am Main gestritten. Gegenstand dieses Rechtsstreits (Rechtsstreit I) waren Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklagen von insgesamt 27 Klägern gegen Beschlüsse der ordentlichen Hauptver-sammlung der Beklagten vom 29.8.2008. Diese hatte unter TOP 6 die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der Beklagten auf die A AG gegen Gewährung einer Barabfindung beschlossen. Der Beschluss ist von allen 27Klägern angegriffen worden. 3 Kläger haben zusätzlich auch Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklagen gegen die zu TOP 4 und 5gefassten Hauptversammlungsbeschlüsse (Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat), die Klägerin zu 24. hat darüber hinaus gegen die zu TOP 2 und 5 getroffenen Beschlüsse (Gewinnverwendung und Wahl des Abschlussprüfers) Klage erhoben. Sämtliche Klagen sind durch das Landgericht gemäß § 246 III AktG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden. Das Landgericht hat am 13.1.2009durch Urteil entschieden und den jeweiligen Gebührenstreitwert der Klage(n) festgesetzt. Einige der in der Hauptversammlung der Beklagten vom 29.8.2009 gefassten Beschlüsse wurden ebenfalls durch Klagen von Aktionären vor dem Landgericht Frankfurt am Main (Az.:3/5 O 382/05, Rechtsstreit II) angegriffen. In diesem Verfahren,dem die Kläger des Rechtsstreits I, soweit nicht beteiligt, zum Zwecke des Vergleichsschlusses beitraten, wurde durch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Az.: 5 U 42/10) am 16.8.2010das Zustandekommen eines beide Rechtsstreite erfassenden Vergleichs festgestellt. Nach dessen Ziffer VII 1. trägt die Beschwerdegegnerin als Beklagte im Verhältnis zu den sich vergleichenden Klägern des Rechtsstreits I die Gerichtskosten dieses Rechtsstreits. Mit Beschlüssen vom 4.4.2011 (zu I € V,betreffend die Klägerin zu 24., den Kläger zu 5., den Kläger zu 9.,die Klägerin zu 23., die Klägerin zu 4., Bl. 2276 ff d.A.),15.4.2011 (zu I und II, betreffend den Kläger zu 17., den Kläger zu 2., Bl. 2316 ff d.A.) und 6.6.2011 (betreffend den Kläger zu 16.,Bl. 2438 ff d.A.) hat die Rechtspflegerin des Landgerichts Erstattungsansprüche bzgl. der von den jeweiligen Klägern gezahlten Gerichtskosten festgesetzt. Die Beklagte hat unter dem 19.4.2011bzw. 17.6.2011 jeweils sofortige Beschwerde gegen die Beschlüsse eingelegt. Sie hält den Betrag der zugunsten der jeweiligen Kläger berücksichtigten Gerichtskosten für zu hoch, da Gerichtsgebühren in derartiger Höhe nicht angefallen seien. Die Rechtspflegerin hat die Überprüfung des jeweiligen Kostenansatzes durch die Kostenbeamtin veranlasst und sodann den Beschwerden nicht abgeholfen sowie die Akte vorgelegt (Beschluss vom 15.11.2011, Bl. 2574 ff d.A.).
II.
Die sofortige Beschwerden sind zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden; §§ 104 III S.1, II; 567 I Ziff.1;569 I, II ZPO.
Die Rechtsmittel der Beklagten richten sich gegen die Festsetzung von Erstattungsansprüchen, die sich aus der Verrechnung der von den jeweiligen Beschwerdegegnern als Kläger erbrachten Gerichtskostenvorschüsse ergeben und damit der Sache nach gegen den nunmehr die Beklagte treffenden Kostenansatz.
Die Rechtsmittel sind nicht begründet.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 7.9.2011, Az.: VIII ZB 22/10, NJW-RR 2012, 311, zit. nach juris)wird der Erstattungsschuldner mit dem Einwand, dem Erstattungsgläubiger seien durch das Gericht zu hohe Gebühren bzw.Vorschüsse abverlangt worden, im Festsetzungsverfahren nicht gehört, da das Kostenfestsetzungsverfahren nur das Ziel verfolge,die Kostengrundentscheidung des Ausgangsverfahrens der Höhe nach zu beziffern.
Der Bundesgerichtshof hat sich mit der in der Instanzrechtsprechung vertretenen gegenteiligen Ansicht, die eine Überprüfung des Kostenansatzes im Festset-zungsverfahren für möglich hält, inhaltlich nur insoweit beschäftigt, als er darauf hingewiesen hat, dieser Rechtsprechung hätten jeweils Fallgestaltungen zu Grunde gelegen, in denen der Festsetzungsschuldner seinen Einwand weder nach § 4 JVEG noch nach § 66 GKG habe geltend machen können (juris, Rd. 9 m.w.N.).
Vor diesem Hintergrund versteht der Senat den Beschluss vom 7.9.2011 dahingehend, dass eine Berücksichtigung des der Sache nach gegen die Höhe der Gerichtskosten gerichteten Einwands im Festsetzungsverfahren jedenfalls dann ausscheidet, wenn dem Kostenschuldner die Möglichkeit offensteht, selbst gegen den Kostenansatz vorzugehen. Dies entspricht der durch den Senat bereits in der Vergangenheit vertretenen Auffassung.
Ein derartiger Fall ist vorliegend gegeben, denn an die Beklagte ist unter dem 21.3.2011 eine Gerichtskostenrechnung gerichtet worden (Kostensonderband Bl. LIII).
Der Senat sieht keine Veranlassung, von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abzuweichen. Zwar weist Hansen, ZfSch 2011, 704(zit. nach juris), zutreffend darauf hin, dass der Festsetzungsschuldner einerseits der Vollstreckung aus dem zu seinen Lasten ergangenen Festsetzungsbeschluss ausgesetzt ist und andererseits die Rückzahlung etwa zu hoch angesetzter Gerichtskosten nicht an ihn, sondern wiederum an den damals einzahlenden Festsetzungsgläubiger zu erfolgen hätte. Ein derartiges Ergebnis ist jedoch zur Vermeidung divergierender Entscheidungen im Festsetzungs- und im Kosten-ansatzverfahren hinzunehmen. Ob ihm der Festsetzungsschuldner damit begegnen kann,dass er dem Kostenerstattungsanspruch in entsprechender Anwendung der §§ 273, 255 BGB ein Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf die Abtretung etwaiger Erstattungsansprüche des Festsetzungsgläubigers gegen die Gerichtskasse entgegenhält (siehe Hansen a.a.O.), kann dahinstehen. Denn eine solche Einrede (Palandt-Grüneberg, 71.Aufl., § 255 Rd. 7, § 273 Rd. 19) ist durch die Beklagte nicht geltend gemacht worden.
An der Unbeachtlichkeit des der Sache nach gegen den Kostenansatz gerichteten Einwands ist im Festsetzungsverfahren auch dann festzuhalten, wenn € wie vorliegend € der Kostenansatz durch den Festsetzungsschuldner vor dem Abschluss des Festsetzungsverfahrens tatsächlich bereits angegriffen worden ist.Gerade in einem solchen Fall besteht die oben genannte Gefahr divergierender Entscheidungen. Eine von der Beklagten angeregte Aussetzung des Festsetzungsverfahrens (Schriftsatz der Beklagten vom 20.3.2012, Bl. 2599 d.A.). in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des § 148 ZPO kommt nicht in Betracht. Denn eine solche hat stets zu unterbleiben, wenn Entscheidungsreife gegeben ist (Zöller-Greger, 27. Aufl., § 148 ZPO, Rd. 4). Dies ist der Fall:Die auf den Kostenansatz bezogene Rüge ist nach dem oben Gesagten unbeachtlich.
Andere Aspekte, über die nicht sofort entschieden werden könnte,sind ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere ist die weiterhin durch die Beklagte vorgebrachte Rüge, die Berechnung des durch die Gerichtskasse von ihr zusätzlich geforderten Kostenbetrags von € 14.244,- sei nicht nachvollziehbar, ebenfalls erfolglos.Denn sie berührt die Erstattungsansprüche der am Festsetzungsverfahren beteiligten Kläger nicht.
Nach § 97 I ZPO hat die Beklagte die Kosten der Beschwerdeverfahren zu tragen.
Der Beschwerdewert ergibt sich aus der Höhe des jeweils festgesetzten Betrags. Denn die Beklagte hat nicht nur dessen Reduzierung, sondern die vollständige Aufhebung der Festsetzungsbeschlüsse beantragt, § 47 I S.1 GKG.
Da sich der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 7.9.2011 nicht auf einen Sachverhalt bezieht, in dem der Festsetzungsschuldner während des Festset-zungsverfahrens Erinnerung gegen den Kostenansatz eingelegt hat, misst der Senat den Rechtssachen grundsätzliche Bedeutung bei und sieht sich veranlasst, nach § 574II Ziff. 1, III ZPO die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 23.04.2012
Az: 18 W 202/11, 18 W 203/11, 18 W 202/11, 18 W 205/11, 18 W 201
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