Landesarbeitsgericht Hamm:
Urteil vom 23. Februar 2000
Aktenzeichen: 4 Sa 910/99

(LAG Hamm: Urteil v. 23.02.2000, Az.: 4 Sa 910/99)

1. Besteht der Text des Interessenausgleichs selbst aus mehreren Blättern, so liegt eine einheitliche Urkunde i.S.d. § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB allerdings schon dann vor, wenn sich aus dem Inhalt der Blätter deren Einheit - etwa aus fortlaufender Paginierung, fortlaufender Nummerierung der einzelnen Bestimmungen, einheitlicher graphischer Gestaltung, inhaltlichem Zusammenhang des Textes oder vergleichbarer Merkmale - deren Zusammenhang zu einem einheitlichen Ganzen ergibt. Ist dies der Fall, so bedarf es zur Wahrung der Schriftform des § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht zusätzlich der körperlichen Verbindung der einzelnen Blätter der Vereinbarung; die Unterschrift auf dem letzten Blatt der Vertragsurkunde genügt (so zur Schriftform des § 566 BGB beim Mietvertrag BGH, Urt. v. 24.09.1997 - XII ZR 234/95, NJW 1998, 58 = MDR 1998, 31).

2. Der Arbeitgeber muss Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis er aufgrund gesetzlicher Bestimmungen - hier wegen Sonderkündigungsschutz als Wahlbewerber bzw. Erziehungsurlauber - nicht ordentlich kündigen kann, bei seiner Auswahlentscheidung nicht berücksichtigen, sondern er kann die Sozialauswahl auf die Arbeitnehmer beschränken, gegenüber denen der Ausspruch einer ordentlichen Kündigung möglich ist. Ein aus dringenden betrieblichen Erfordernissen gekündigter Arbeitnehmer ohne besonderen Kündigungsschutz kann daher nicht mit Erfolg geltend machen, ein Arbeitnehmer mit besonderem Kündigungsschutz sei bei Anwendung der in § 1 Abs. 3 KSchG genannten Auswahlkriterien sozial weniger schutzwürdig.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 25.02.1999 (3 Ca 2147/98) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 30.965,00 DM = 15.832,15  festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und die Verpflichtung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung des Klägers.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Verkehrstechnik. Ihr Lieferprogramm umfaßt Lauf‑ und Triebradsätze und Radsatzkomponenten aller Art für den schienengebundenen Nah- und Fernverkehr. Sie beschäftigte im Jahre 1998 ca. 850 Arbeitnehmer und hat heute noch ca. 650 Arbeitnehmer.

Bei ihr war der am 07.09.1954 geborene Kläger, welcher verheiratet und einem Kind gegenüber unterhaltsverpflichtet ist, seit dem 02.09.1972 als Sachbearbeiter beschäftigt. Sein monatliches Gehalt belief sich zuletzt 6.193,00 DM.

Am 20.08.1998 vereinbarte die Geschäftsleitung der Beklagten mit dem von der Belegschaft gewählten Betriebsrat eine "Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan", die von dem Geschäftsführer Dr. B... und dem Betriebsratsvorsitzenden auf jeder Seite paraphiert und am Ende von diesen beiden Personen sowie von dem Geschäftsführer Dr. H... und dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden M... und dem Vertrauensmann der Schwerbehinderten S... unterzeichnet ist. In dieser Vereinbarung ist unter anderem bestimmt:

Präambel

Am 18.05.1998 hat der Konkursverwalter, Herr Rechtsanwalt Dr. J... W..., aus der Konkursmasse der V... Schmiedewerke GmbH i.K. die V---- Verkehrstechnik GmbH an die G... H... GmbH veräußert.

Die neuen Gesellschafter sind die G... H... GmbH (98%) und die B------------------ Grundstücksverwaltungs-Gesellschaft mbH (2%).

Das seit dem 31.03.1995 andauernde Anschlußkonkursverfahren der Muttergesellschaft und die seit dieser Zeit ungeklärte Situation bei der operativen Tochtergesellschaft V---- Verkehrstechnik GmbH hatte zur Folge, daß das Unternehmen in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten kam.

Die überfällige wirtschaftliche Umstrukturierung des Unternehmens sowie die Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit auf dem nationalen und dem internationalen Markt ist nur dadurch zu erreichen, daß Einsparungs- und Effizienzsteigerungen kurzfristig erzielt werden.

Dies stellt im Lichte der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.04.1997 (BAG NZA 1997, S. 1047) eine unternehmerische Entscheidung i.S. des Tatbestandsmerkmals "dringende betriebliche Gründe" dar, denn die Neukonzeption der Ablauforganisation, ihre Straffung, führt zum Wegfall von 157 Arbeitsverhältnissen mit der Firma.

Die entsprechende Umorganisation und Umstrukturierung bezüglich der verbleibenden Arbeitsplätze wird mit Betriebsrat und Gewerkschaft im Rahmen separater Vereinbarungen gemäß § 87 BetrVG bzw. per Tarifvertrag im Wege eines Sanierungstarifvertrages geregelt. Dabei wird angestrebt, daß die verbleibende Belegschaft über das Instrument des § 102 Abs. 6 des BetrVG zum Zwecke der Beschäftigungssicherung einen erweiterten Kündigungsschutz erhält.

Gegenstand der materiellen Regelungen dieser Vereinbarung ist der mit der Umstrukturierung verbundene Personalabbau.

Bereits Ende Mai 1998 wurden Betriebsrat und Belegschaft von der Geschäftsführung von der problematischen wirtschaftlichen Situation in Kenntnis gesetzt - soweit dies noch nicht bekannt gewesen ist. Die defizitäre Ergebnissituation soll im Zeitraum vom 01.09.1998 bis 30.06.1999 durch eine Verbesserung der Kostenstrukturen, eine Neukonzeption der Ablauforganisation und eine Straffung der Aufbauorganisation des Unternehmens in ein positives operatives Ergebnis münden. Ferner ist Zielsetzung, die Mehrarbeit um mindestens 50% des heutigen Standes abzubauen.

Weiter wird eine Integration von indirekten und dispositiven Tätigkeiten in direkte Bereiche durchgeführt, Rationalisierungsmaßnahmen in den Verwaltungsbereichen eingeleitet sowie in mehreren Bereichen die Funktionen auf externe Anbieter übertragen. Als weiterer Punkt wird das Vergütungssystem für gewerbliche Mitarbeiter wie Angestellte angepaßt sowie eine Flexibilisierung der Arbeitszeit in einzelnen Bereichen durchgeführt.

Die erforderlichen Rationalisierungsmaßnahmen führen insbesondere zu Personalanpassungsmaßnahmen in erheblichem Umfang, was eine Betriebseinschränkung i.S. des § 175 Absatz 1 Ziffer 1 des SGB III bedeutet.

Die aufgrund der Betriebsänderung den zu entlassenden Arbeitnehmern entstehenden Nachteile sollen durch die nachfolgenden Regelungen sozial abgefedert werden und für die Betroffenen eine sozialverträgliche Lösung darstellen (unter Abkehr vom rein konsumtiven Sozialplan).

Für die Umsetzung der personellen Maßnahmen sind neben Versetzungen und Änderungskündigungen auch betriebsbedingte Beendigungskündigungen notwendig. Betroffen sind nach dem derzeitigen Stand in den einzelnen Bereichen hiervon 157 Mitarbeiter. Grundlage hierfür sind die mit dem Betriebsrat abgestimmten Stellenpläne ist/soll und Organisationspläne ist/soll Anlage 1 und 2 zu dieser Vereinbarung.

Sollten weitere - über diese Vereinbarung hinaus - betriebsbedingte Kündigungen erforderlich sein, sind sich die Parteien einig, daß entsprechend § 102 Absatz 6 BetrVG ein sofortiges Einigungsstellenverfahren eingeleitet wird. Die Einigungsstelle besteht aus einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern, von denen je ein Beisitzer von Arbeitgeber und Betriebsrat benannt werden.

Betriebsrat und Arbeitgeber haben gemäß § 1 Absatz 5 des KSchG die in der Anlage 3 niedergelegte Namensliste als Anlage zum Interessenausgleich abgeschlossen. Betriebsbedingte Kündigungen können zum nächstzulässigen Termin erfolgen. Die Betriebsratsanhörung begann mit dem 11.08.1998 gemäß § 102 BetrVG.

...

5. Soziale Auswahl

5.1 Kriterien der Sozialauswahl

Für die soziale Auswahl der vom Personalabbau betroffenen Belegschaftsmitglieder werden folgende Auswahlrichtlinien zugrunde gelegt:

Kriterien Punkte

1. Lebensalter Für die Jahre bis zum 20. Lebensjahr 0,5 Punkte je

Lebensjahr

Für die Jahre nach dem 20. Lebensjahr 1,0 Punkte je

Lebensjahr

2. Dauer der

Betriebszugehörigkeit Für jedes Beschäftigungsjahr 1,0 Punkte

3. Unterhaltspflichten Ehegatte 5,0 Punkte

je Kind (lt. Steuerkarte) 3,0 Punkte

Die Sozialauswahl zwischen den "vergleichbaren" und untereinander "austauschbaren" Arbeitnehmern erfolgt anhand der im folgenden vereinbarten Regularien.

5.2 Zusammenstellung der Gruppen der vergleichbaren Arbeitnehmer

Es werden Gruppen von vergleichbaren Arbeitnehmern gebildet. Die soziale Auswahl erfolgt bezogen auf das gesamte Unternehmen, d. h. sie wird abteilungs-/betriebsübergreifend vorgenommen. Vergleichbar sind nur solche Arbeitnehmer, die austauschbar sind, d. h. ohne daß es einer Änderungskündigung bedarf. Hierbei sind § 14 LRTV für die Arbeiter und § 8 TV zur Lohn- und Gehaltssicherung zu beachten.

Maßgeblich für die Sozialauswahl ist ausschließlich die horizontale, nicht jedoch die vertikale Vergleichbarkeit.

Schließlich muß es sich um eine alsbaldige Austauschbarkeit handeln, d. h. der Arbeitgeber muß sich nicht darauf verweisen lassen, ein Arbeitnehmer könne nach längerer Einarbeitungszeit einen Arbeitsplatz ausfüllen, der mit einem besonders spezialisierten Arbeitnehmer besetzt ist.

5.3 Ausschluß bzw. Überwindung der Sozialauswahl,

§ 1 Absatz 3 Satz 2 KSchG

In die Sozialauswahl sind die Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen und/oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Es sind deshalb nachvollziehbare Gründe darzulegen, aus denen ein besonderes betriebliches Interesse folgt, das stärker sein muß als das allgemeine Interesse anderer Arbeitnehmer an einer Weiterbeschäftigung.

6. Betriebsbedingte Kündigungen

Sämtlichen in der mit dem Betriebsrat abgestimmten Namensliste aufgeführten Belegschaftsmitgliedern wird unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Kündigungsfrist betriebsbedingt gekündigt.

Die Namensliste ist eine Liste im Sinne des § 1 Abs. 5 KSchG und ist mit dieser Vereinbarung verbunden (Anlage 3).

Es besteht Einigkeit darüber, daß die bisherigen Erörterungen im Zusammenhang mit der Erstellung der Namensliste im Rahmen des Interessenausgleichs die förmliche Information des Betriebsrats sowie des Vertrauensmannes der Schwerbehinderten nach §§ 102 BetrVG/25 SchwbG ersetzen. Das Anhörungsverfahren gemäß §§ 102 BetrVG/25 BetrVG ist damit abgeschlossen.

...

12. Salvatorische Klausel

Sollten sich einzelne der vorstehenden Regelungen als nicht praktikabel erweisen, werden die Vertragsparteien diese neu beraten und durch eine an gepaßte Regelung ersetzen.

Die Anlage 3 zu dieser Vereinbarung enthält eine Namensliste, die von dem Geschäftsführer Dr. B... und dem Betriebsratsvorsitzenden auf jeder Seite paraphiert und am Ende von diesen beiden Personen sowie von dem Geschäftsführer Dr. H... und dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden M... unterzeichnet und in welcher der Kläger namentlich aufgeführt ist.

Für die soziale Auswahl hat die Beklagte im Angestelltenbereich 54 auswahlrelevante Personengruppen wie folgt gebildet:

Zusammenstellung der Gruppen der vergleichbaren Arbeitnehmer1

AT

Arbeitssicherheit

AT

Rechnungswesen/Controlling

AT

EDV

AT

Leitung Rechnungswesen

AT

Finanzbuchhaltung

AT

Leitung Qualitätswesen

AT

Qualitätswesen

AT

Leitung Personalwirtschaft

AT

Personal-/Arbeitswirtschaft

10

AT

Leitung Entgeltabrechnung

11

AT

Betriebsingenieure Produktion

12

AT

Leitung Warmformgebung

13

AT

Leitung Mechanische Bearbeitung

14

AT

Schweißfachleute

15

AT

Konstruktion/Service

16

AT

Leitung Konstruktion

17

AT

Forschung/Entwicklung

18

AT

Leitungs Verkaufsabteilung

19

AT

Einkauf

20

AT

Leitung Verfrachtung

21

AT

Arbeitsvorbereitung

22

AT

Leitung Logistik

23

Meister Qualität

24

Meister Warmform

25

Meister Elektro

26

Meister Schlosser

27

Meister Mech. Bearbeitung

28

Sicherheitsfachkraft

29

Arbeitsvorbereitung

30

CNC-Programmierer

31

Techniker Werkzeugkonstruktion

32

Werkstoffprüfer Levell III

33

Sachbearbeiter Abnahme

34

Sachbearbeiter Qualitätswesen

35

Sachbearbeiter Mech. Prüfung Metallografie

36

Techniker Elektro

37

Techniker Mechanik

38

Produktentwicklung

39

Konstruktion Nahverkehr

40

Konstruktion Fernverkehr

41

Betriebsingenieure Entwicklung

42

Umweltschutz/Entsorgung

43

Krankenpfleger

44

Sachbearbeitung Verkauf

45

Sachbearbeitung Versand

46

Sachbearbeitung Einkauf

47

Sachbearbeitung Personal

48

Sachbearbeitung Finanzbuchhaltung

49

Sachbearbeitung Controlling

50

Sekretärinnen/Allgem. Bürotätigkeiten

51

Geschäftsleitung Produktion

52

Geschäftsleitung Verkauf/Einkauf

53

Geschäftsleitung Technologie

54

Leitung Personal- u. Arbeitswirtschaft

Der Kläger ist als Helfer der Gruppe 44 - Sachbearbeitung Verkauf - zugeordnet worden. Gemäß der in der Vereinbarung vom 20.08.1998 enthaltenen Punktetabelle sind für ihn in der sog. SAP‑Liste "Gehaltsempfänger" für das Lebensalter 33,0, für die Ehefrau 5,0, für das unterhaltsberechtigte Kind 3,0 und für die Betriebszugehörigkeit 25,0, insgesamt 66,0 Sozialpunkte ermittelt worden. Als Stichtag ist dabei für die Berechnung des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit der 31.08.1998 zugrunde gelegt worden.

In Liste "Soziale Auswahl Gehalt", die nach Kennziffern und Auswahlgruppen zusammengestellt und geordnet ist, ergibt die Ermittlung der Sozialpunkte für die Gruppe 44 - Sachbearbeitung Verkauf - folgendes Bild (die Namen der zu entlassenden Arbeitnehmer sind in der Liste mehrere Spalten weiter rechts mit "E" gekennzeichnet und hier in diesem Auszug aus Platzgründen kursiv gedruckt):

Name

Geb-Dat

Eintritt

Tätigkeit

Soz-Pkt.

HE...

03.10.51

01.10.72

SACHBEARB. VERKAUF

66,0

R...

09.01.55

01.09.72

SACHBEARB. VERKAUF

66,0

T...

07.03.54

01.05.81

KAUFM. ANGEST.

56,0

K...

28.10.60

01.09.76

SACHBEARB. VERKAUF

53,0

C...

05.03.63

06.08.79

SACHBEARB. VERKAUF

52,0

G------------------

06.09.46

04.04.61

SACHBEARB. VERKAUF

86,0

S-----------

30.04.45

01.04.64

SACHBEARB. VERKAUF

82,0

W------------

05.06.48

01.10.69

SACHBEARB. VERKAUF

79,0

BR-----

13.07.45

01.04.69

SACHBEARB. VERKAUF

77,0

SP...15.11.53

01.09.69

SACHBEARB. VERKAUF

67,0

SC...

07.09.54

01.09.72

SACHBEARB. VERKAUF

66,0

BA...

08.04.59

01.01.81

SACHBEARB. VERKAUF

46,0

D...

14.06.68

01.09.85

SACHBEARB. VERKAUF

37,0

Summe Gruppe 49Von der Entlassung betroffen sind in der Gruppe 44 - Sachbearbeitung Verkauf - 4 von 13 Arbeitnehmer, und zwar alle in der vorstehenden Aufstellung kursiv gedruckte Arbeitnehmer von Sp... bis D... Zu ihnen gehört der Kläger.

Mit dem Betreff "Anhörungsverfahren gemäß § 102 BetrVG" hat die Beklagte dem Betriebsrat mit Anschreiben vom 10.08.1999 zunächst folgendes mitgeteilt:

Unter Bezugnahme auf die bisher geführten Gespräche und unter Zugrundelegung der einvernehmlich abgestimmten "Qualifikationstöpfe" möchten wir nunmehr das gemäß § 102 BetrVG durchzuführende Anhörungsverfahren einleiten.

Da bereits Einvernehmen über die sozialen Auswahlgesichtspunkte besteht, sind die Qualifikationstöpfe gemäß dieser sozialen Auswahlkriterien geordnet. Sollten neben den aufgeführten Daten (Geburtsdatum, Eintrittsdatum, Schwerbehinderung, Tätigkeitsschlüssel, Tarif-/Lohngruppe und Sozialpunkte) weitere Angaben notwendig sein, so können diese am 11.08.1998 im Sitzungszimmer des Personalbereichs erörtert werden. Gleichzeitig sollten wir uns auf die Mitarbeiter/innen mit "Schlüsselqualifikation" verständigen.

Die entsprechenden Anhörungsbogen und die Namensliste sind in der Anlage beigefügt.

Mit dem Betreff "Anhörungsverfahren gemäß § 102 BetrVG" hat die Beklagte dem Betriebsrat mit Anschreiben vom 13.08.1999 des weiteren folgendes mitgeteilt:

Mittlerweile ist abgeklärt, daß die im Protokoll vom 12.08.1998 bezeichneten Sozialfälle aus der sozialen Auswahl herausgenommen werden.

Auf diese Verfahrensweise haben sich der BR-Vorsitzende, Herr Ha..., und die Geschäftsführung, Herr Dr. B... , geeinigt.

In der Anlage wird die geänderte Liste zur Verfügung gestellt.

In einem Protokoll über die außerordentliche Betriebsratssitzung vom 20.08.1998 heißt es wörtlich:

Nach Diskussion über den am Vormittag unterschriebenen Interessenausgleich/Sozialplan nebst der ablösenden Tarifvereinbarungen und zusätzlich durchgeführter Belegschaftsversammlung wird folgender Beschluß gefaßt:

Der Betriebsrat stimmt den vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigungen (s. Namensliste) im Rahmen des § 102 BetrVG zu.

Mit Schreiben vom 21.08.1998, kündigte die Beklagte sein Arbeitsverhältnis zum 28.02.1999 und bot ihm mit einer Überlegungsfrist von einer Woche im Rahmen eines dreiseitigen Vertrages den Übertritt zur m... GmbH, einer Beschäftigungs‑ und Qualifizierungsgesellschaft, an.

Der Kläger hat dieses Angebot nicht angenommen, sondern sich mit Klageschrift vom 10.09.1998, bei dem Arbeitsgericht Bochum am 11.09.1999 eingegangen, gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zur Wehr gesetzt, seine Weiterbeschäftigung und hilfsweise die Zahlung einer angemessenen Abfindung, äußerst hilfsweise eine Sozialplanabfindung in Höhe von 8.193,00 DM nebst 4% Zinsen seit dem 01.03.1999 geltend gemacht.

Er hat geltend gemacht, daß die Kündigung sozialwidrig sei, die Beklagte die soziale Auswahl nichtvorgenommen und den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört habe.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 21.08.1998 zum 28.02.1999 nicht aufgelöst wird, sondern fortbesteht;

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Sachbearbeiter weiterzubeschäftigen,

3. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine angemessene Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG, äußerst hilfsweise eine Sozialplanabfindung in Höhe von 8.193,00 DM nebst 4% Zinsen ab dem 01.03.1999 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

1. die Klage abzuweisen,

2. die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich des Klageantrags zu 2) auszuschließen.

Sie hat die streitbefangene Kündigung unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 5 KSchG begründet und vorgetragen, daß die überfällige wirtschaftliche Umstrukturierung des Unternehmens sowie die Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit nur dadurch zu erreichen sei, daß Einsparungs‑ und Effizienzsteigerungen kurzfristig erzielt würden. Hierzu gehörten auch Personalanpassungsmaßnahmen, zu den die streitbefangene Kündigung zähle. Die Sozialauswahl sei gruppenspezifisch anhand eines Punkteschemas durchgeführt worden. Der Kläger gehöre zur Gruppe 44 - Sachbearbeitung Verkauf -, die aus 13 Angestellten bestünde, von denen 4 entlassen worden seien. Die vom Kläger bislang verrichtete Arbeit sei auf die verbleibenden Arbeitnehmer aufgeteilt worden. Die Vollstreckung des Weiterbeschäftigungsanspruches würde ihr daher einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen. Aufgrund des Wegfalls des Arbeitsplatzes des Klägers könne eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Beschäftigung nicht erfolgen.

Das Arbeitsgericht Bochum hat durch Urteil vom 25.02.1999 (3 Ca 2147/98), auf welches vollinhaltlich Bezug genommen wird, die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung vom 21.08.1998 festgestellt, die Beklagten zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt, den Vollstreckungsschutzantrag zurückgewiesen, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Streitwert auf 30.965,00 DM festgesetzt.

Gegen das ihr am 21.04.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18.05.1999 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 31.08.1999 am 26.08.1999 begründet.

Sie hält die Begründung des angefochtenen Urteils für rechtsfehlerhaft und trägt vor, die Kündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Die Umsetzung des Sanierungskonzeptes, an deren Ende die auszusprechenden Kündigungen erforderlich gewesen seien, habe sich wie folgt gestaltet. Sie habe zunächst die betrieblichen Gegebenheiten erfaßt. Diese Erkenntnisse seien in der Liste "Funktionen Ist" erfaßt. Anschließend sei darüber beraten worden, die vorhandenen Funktionsstrukturen zu verbessern. Das Ergebnis der Analysen sei mit den sodann erforderlichen Veränderungen in der Liste "Funktionen Plan" zusammengefaßt. Parallel dazu habe sie die vorzunehmenden Veränderungen auch in neuen Organisationsplänen erfaßt und dort zu den jeweiligen Organisationsstrukturen die Anzahl der zukünftig jeweils tätigen Arbeitnehmer genannt. Basierend auf diesen unternehmerischen Entscheidungen zu den strukturellen Veränderungen im Betrieb seien zugleich die Stellenpläne erstellt worden. In diesen Stellenplänen fänden sich zum einen der frühere Bestand der in den einzelnen Organisationsstrukturen tätigen Arbeitnehmer sowie die strukturveränderungsbedingten personellen Einsparungen als auch die zukünftige Belegschaft der einzelnen Einheiten, wie aus den "Stellenpläne Ist/Soll" zu ersehen sei. Mit diesen Veränderungen in den betrieblichen Strukturen sei auch der Arbeitsplatz des Klägers entfallen. Der Kläger gehöre zur Gruppe 44 - Sachbearbeitung Verkauf -, die aus 13 Angestellten bestünde, von denen 4 entlassen worden seien. Die vom Kläger bislang verrichtete Arbeit sei auf die verbleibenden Arbeitnehmer aufgeteilt worden.

Sie habe - entgegen der Darstellung des Klägers - nicht zweimal zehn neue Mitarbeiter eingestellt. Tatsächlich handele es sich nur um insgesamt zehn arbeitslose Arbeitnehmer, die ab 01.04.1999 auf Vermittlung der BGV Beschäftigungs‑, Qualifizierungs‑ und Vermittlungsgesellschaft mbH für die Dauer von fünf Monaten in ihr Unzernehmen abgeordnet worden seien, um dort einen sog. "Schnupperkurs" im Rahmen der "Gemeinschaftsinitiative zur Vermittlung von Montanmitarbeitern" zu absolvieren. Während der Dauer der Abordnung blieben die Arbeitsverhältnisse zwischen diesen Arbeitnehmern und der BQV bestehen. Weitere fünf Monate würden diese arbeitslosen Arbeitnehmer anschließend im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung durch die BQV, welche kein Unternehmen des Konzerns sei, im Unternehmen von ihr, der Beklagten, verbringen.

Sie habe in einer sog. "SAP‑Liste" alle bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer erfaßt und diesen jeweils aufgrund der individuellen Sozialdaten die entsprechenden Sozialpunkte zugeordnet. Auch in der SAP‑Liste "Gehaltsempfänger" werde der Kläger auf Seite 1 mit 66,0 Sozialpunkten geführt. Es sei erstinstanzlich vorgetragen worden, daß sie diese SAP‑Liste dem Betriebsrat bereits zu Beginn der Gespräche und Verhandlungen über den Soziaplan und die Namensliste zur Verfügung gestellt habe, so daß der Betriebsrat bereits zu diesem frühen Zeitpunkt über die zwingend erforderlichen sozialen Grunddaten aller Arbeitnehmer unterrichtet gewesen sei. Ebenfalls zu Beginn der Gespräche habe sie dem Betriebsrat die Liste "Soziale Liste Gehalt", in welcher sämtliche Lohnempfänger mit den zu berücksichtigen Sozialdaten erfaßt seien, überreicht. Der Kläger sei als Mitglied der Gruppe 44 auf Seite 3 unter der laufenden Nummer 145 mit insgesamt 66,0 Sozialpunkten erwähnt.

Sie habe die Arbeitnehmer T..., K------- und C... aus der Gruppe der auswahlrelevanten Arbeitnehmer herausgenommen, weil deren Weiterbeschäftigung in ihrem berechtigten betrieblichen Interesse gelegen habe. Die Arbeitnehmerin T..-... habe sich im August 1998 im Erziehungsurlaub befunden. Der Arbeitnehmer C..., der seinerzeit als Wahlbewerber zum Betriebsrat noch Sonderkündigungsschutz genossen habe, habe eine Schlüsselfunktion inne, die sich auf folgenden Sachverhalt stütze: Die kaufmännische Abwicklung der Anfragen und Aufträge für das gesamt Ausland gehöre zu seinem Aufgabengebiet. Dieser Arbeitnehmer verfüge über umfangreiche englische und französische Sprachkenntnisse, die zur Bewältigung dieser Aufgaben unverzichtbar seien. Mit den Besonderheiten des ausländischen Marktes sei er bestens vertraut. Darüber hinaus habe er erhebliche Kenntnisse und Fähigkeiten in den Bereichen EDV und PC-Anwendung. Innerhalb der Abteilung verkauf sei er Koordinator sämtlicher Fragestellungen und Software-Anwendung nebst PC-Nutzung. Mit der nahezu 15jährigen Berufserfahrung in der Fachabteilung Verkauf Rollendes Bahnmaterial sei dieser Arbeitnehmer in der Lage, selbständig Angebots‑ und Auftragsbearbeitung abzuwickeln und eigenständig den Aufbau von wichtigen Kontrollunterlagen auf EDV-Basis für die laufende Bearbeitung zu erstellen. Über derartige Kenntnisse und Fähigkeiten verfüge der Kläger nicht. Die Anlernzeit betrage mindestens zwölf Monate. Die Arbeitnehmerin K------- bekleide im Vertrieb eine Schlüsselfunktion durch die Wahrnehmung folgender Haupttätigkeiten:

- Vertriebssachbearbeitung für den drittgrößten Kunden (langjährige persönliche Kundenbeziehung),

- zusätzlich Vertretung und Unterstützung der Sachbearbeiter für den größten Kunden,

- selbständige Korrespondenz für die Auftragsbearbeitung in diesem Fachgebiet.

Mit diesen Kenntnissen und Fähigkeiten, insbesondere den Kundenbeziehungen, sei diese Arbeitnehmerin für sie, die Beklagte, unverzichtbar.

Sie habe den Betriebsrat im Rahmen des § 102 BetrVG über die beabsichtigten Kündigungen informiert. Zum einen sei dem Betriebsrat aufgrund der wochenlangen Besprechungen mit ihr über das Sanierungskonzept und die verschiedenen Möglichkeiten zur Konzeptumsetzung bekannt, daß auch eine erhebliche Anzahl von Arbeitsverhältnissen beendet werden müßte. Die Beratungen hätten schließlich in die Vereinbarung über die Namensliste vom 20.08.1998 gemündet, in welcher insgesamt 157 Arbeitnehmer genannt seien. Sie habe das Anhörungsverfahren mit Anschreiben vom 10.08.1999 durch Übergabe einer Liste der zu beendenden Arbeitsverhältnisse an den Betriebsratsvorsitzenden Ha... eingeleitet und nach den Verhandlungen zwischen dem Betriebsratsvorsitzenden Ha... und dem Geschäftsführer Dr. B... über die Herausnahme der im Betriebsratsprotokoll vom 12.08.1998 bezeichneten Sozialfälle aus der sozialen Auswahl mit Anschreiben vom 13.08.1999 eine geänderte Liste übersandt. Nachdem der Betriebsrat am 18.08. 1998 beschlossen habe, der Namensliste in der nun vorliegenden Fassung zuzustimmen, und in den Vormittagsstunden des 20.08.1998 die Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan nebst Namensliste von den Betriebsparteien unterzeichnet worden seien, habe der Betriebsrat noch am selben Tage im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG den von ihr beabsichtigten Kündigungen zugestimmt. Diese Entscheidung habe der Betriebsrat in einer außerordentlichen Sitzung getroffen, nachdem er zuvor noch eine Belegschaftsversammlung abgehalten habe.

Da die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers mithin rechtswirksam sei, bestehe kein Weiterbeschäftigungsanspruch.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und nach den in der Schlußverhandlung I. Instanz gestellten Anträgen der Berufungsklägerin zu erkennen sowie den Wert des Streitgegenstandes festzusetzen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Gegenseite zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtenen Urteil und trägt ergänzend vor, vorweg werde noch einmal zur Überprüfung gestellt, ob auf die streitbefangene Kündigung tatsächlich noch das in der Zeit vom 01.10.1996 bis 31.12.1998 geltende Recht (§ 1 Abs. 5 KSchG a.F. [1996]) anzuwenden sei. Die Begründung des vom Arbeitsgericht in Bezug genommenen Urteils des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 10.02.1999 (2 AZR 716/98) liege inzwischen vor. Sie beruhe auf der These: Ob eine Willenserklärung rechtsgestaltend wirke, könne nur nach der bei ihrem Zugang bestehenden Rechtslage beurteilt werden. Genau dies sei jedoch die Frage. Allgemein anerkannt sei, daß der Richter erstens das im Zeitpunkt der Urteilsverkündung geltende Recht anzuwenden habe und daß es zweitens zur Beurteilung einer Kündigung auf die tatsächlichen Umstände zum Zeitpunkt ihres Ausspruchs ankomme. Die Rechtsvorschriften, nach denen ein Lebenssachverhalt aus der Vergangenheit zu beurteilen sei, gehörten nicht zu den tatsächlichen Umständen. Wirksam werde eine Kündigung gemäß § 130 BGB mit ihrem Zugang; daran habe sich auch durch das Korrekturgesetz vom 19.12.1998 nichts geändert, denn § 130 BGB sei darin nicht geändert worden. Damit sei jedoch noch nicht die Frage beantwortet, ob die Kündigung rechtsgestaltend wirken könne oder sozialwidrig sei. Nicht die objektiv sozial gerechtfertigte Kündigung beende das Arbeitsverhältnis, sondern die Kündigung, deren Unwirksamkeit nicht durch Richterspruch festgestellt worden sei. Der Richter dürfe aber immer nur geltendes Recht anwenden; auch der Weg der Rechtsfindung sei an das geltende Prozeßrecht gebunden. So habe denn auch der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts in den Urteilen vom 20.01.1999 (7 AZR 715/97 und 93/98) zu Recht angenommen, daß die zum 01.10.1996 neu eingeführte Klagefrist in § 1 Abs. 5 BeschFG mit der Gesetzesänderung auch für Altfälle sofort zu laufen beginne. Das Argument des Zweiten Senats im Urteil vom 10.02.1999 (2 AZR 716/98), es dürfe nicht von dem zufälligen Datum der letztendlichen arbeitsgerichtlichen Entscheidung abhängen, welches Recht Anwendung finde, habe der Senat selbst in seinem Urteil vom 26.11.1955 (2 AZR 209/55) verworfen. Nicht der Zufall, sondern der Gesetz gewordene neue Wille des Gesetzgebers führe zur abweichenden Regelung. Was früher Recht gewesen sei, könne sehr wohl heute Unrecht sein. Das Problem sei nicht, daß der Gesetzgeber der vom ihm für richtig gehaltenen Neuregelung sofort Geltung verschaffe, sondern daß rechtskräftig abgeschlossene Sachverhalte (schon aus verfassungsrechtlichen Gründen) nicht neu aufgerollt werden könnten, auch wenn der Gesetzgeber die alte Rechtslage als verfehlt und sofort änderungsbedürftig erkannt habe. Eine Übergangsregelung sei immer nur dann erforderlich, wenn Sachverhalte, die vor Inkrafttreten eines Gesetzes entstanden seien, noch nach altem Recht abgewickelt werden sollten. Für eine sofortige Anwendung des neuen Rechts spreche, wenn eine Gesetzesänderung die "Beseitigung sozialer Übelstände" bezwecke. Das Korrekturgesetz vom 19.12.1998 solle die unbefriedigenden Ergebnisse des arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25.09.1996 beseitigen. Diese Entscheidung des Gesetzgebers sei von den Gerichten für Arbeitssachen umzusetzen, und zwar unabhängig davon, ob man sie nun als justizpolitischen richtig oder verfehlt ansehe.

Nach neuem Recht sei die streitbefangene Kündigung ohne weiteres gemäß § 1 KSchG unwirksam, weil die Beklagte keine dringenden betrieblichen Erfordernisse für sie dargelegt habe und dies auch nicht könne. Aber auch nach altem Recht hätte die Vermutungsregel des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG a.F. [1996] nicht gegriffen, weil die Beklagte deren Voraussetzungen (Betriebsänderung, materieller Interessenausgleich aufgrund des Verfahrens nach §§ 111 ff. BetrVG, wirksamer Betriebsratsbeschluß, Namensliste in dem Interessenausgleich), für die sie uneingeschränkt darlegungs- und beweispflichtig sei, nicht nachgewiesen habe. Die Namensliste nach § 1 Abs. 5 KSchG a.F. [1996] setze einen Interessenausgleich über eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG voraus. Es handele sich um eine echte Rechtsgrundverweisung, so daß weder ein freiwilliger Interessenausgleich ausreiche noch die Betriebsparteien berechtigt wären, "Betriebsänderungsvoraussetzungen" unabhängig von den gesetzlichen Grundlagen in § 111 BetrVG zu definieren. Mit den Grundgedanken des § 112a BetrVG sei es in diesem Zusammenhang nicht getan, denn § 111 BetrVG erfordere zwingend einen unternehmerischen Plan von der Betriebsänderung, über den die Beklagte den Betriebsrat "rechtzeitig" und "umfassend" zu informieren und mit ihm zu beraten habe. Der Interessenausgleich könne nur das Ergebnis dieser Beratungen sein. Unter wörtlicher Bezugnahme auf die Präambel des "Interessenausgleichs/Sozialplans" vom 20.08.1998 habe die Beklagte ihren umfangreichen Plan zur Verbesserung ihrer Ertragssituation mit einer Fülle von Einzelmaßnahmen in Stichworten dargestellt. Gegenstand dieser Betriebsvereinbarung sei aber nicht der Interessenausgleich über diesen Plan (wie es § 112 BetrVG voraussetze), sondern allein "der mit der Umstrukturierung verbundene Personalabbau". Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten handele es sich somit materiell nicht um einen Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung. Aus den Bergen von Plänen und Listen, mit denen die Beklagte die Berufsbegründung anreichere, ohne deutlich zu machen, wann diese wem vorgelegen und welche Rolle sie für was gespielt haben sollen, lasse sich nicht einmal entnehmen, was denn nun wirklich die konkrete Betriebsänderung sein solle. Die pure Existenz einer Namensliste sei keine taugliche Vermutungsbasis für § 1 Abs. 5 KSchG a.F. [1996].

Er bestreite weiterhin, daß die Betriebsvereinbarung aufgrund eines ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschlusses vom Betriebsratsvorsitzenden unterzeichnet worden sei. Der Betriebsratsvorsitzende vertrete den Betriebsrat in der Erklärung, aber nicht im Willen. Normalerweise sei davon auszugehen, daß einer entsprechenden Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden auch ein solcher Beschluß des Betriebsratsgremiums zugrunde liege, diese Vermutung sei jedoch jederzeit widerleglich. Wie die Beklagte zu verstehen sei, sei zunächst die Betriebsvereinbarung vom 20.08.1998 unterzeichnet, danach die schon früher erstellte Namensliste unterschrieben worden und erst anschließend habe der Betriebsrat darüber Beschluß gefaßt. Daß die Beschlußfassung - wenn überhaupt - erst nach der Unterschriftsleistung des Betriebsratsvorsitzenden erfolgt sei, werde vorsorglich unter Beweis gestellt durch das Zeugnis der Betriebsratsmitglieder H... Be... , R... L... , H... F... , W...-... S,,,,,,,,,,, , R... M----------------- , G... M... und U... Sm... . Es werde weiterhin bestritten, daß sich die Namensliste in dem Interessenausgleich befunden habe. Unabhängig von Einzelheiten müsse zweifelsfrei feststehen, daß Namensliste und Interessenausgleich eine Gesamturkunde bildeten. Das habe die Beklagte nicht einmal substantiiert dargelegt, geschweige denn bewiesen. Er könne sich zu den seiner eigenen Wahrnehmung entzogenen Umständen auf ein Bestreiten mit Nichtwissen beschränken, habe aber darüber hinaus schon erstinstanzlich Indizien aufgezeigt, die ernstliche Zweifel aufwerfen würden.

Die Kündigung sei sozialwidrig, weil dringende betriebliche Erfordernisse sie (unabhängig von Darlegungs- und Beweislastfragen nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG a.F. [1996]) objektiv nicht bedingten. Was die betrieblichen Gründe und den Inhalt der den Kündigungen zugrunde liegenden unternehmerischen Entscheidung anbelange, müsse sich die Beklagte an der Präambel der Betriebsvereinbarung vom 20.08.1998 festhalten lassen. Der unternehmerische Plan sehe vor, zur Erhöhung der Rentabilität als erstes zum 01.09.1998 (sei es durch Wechsel zu m... oder Kündigung i.V.m. Versetzung in den Einsatzbetrieb Kurzarbeit) Personalkosten für 157 Mitarbeiter einzusparen. Im Zeitraum 01.09.1998 bis 30.06.1999 sollten dann die Kostenstrukturen verbessert, die Organisation von Ablauf und Aufbau des Unternehmens neukonzipiert und gestrafft, die Verwaltung weiter rationalisiert, das Vergütungssystem angepaßt, die Arbeitszeit flexibilisiert und als ferneres Ziel die unstreitig in hohem Umfang verfahrene Mehrarbeit um 50% abgebaut werden. Alle diese - zur Erreichung des unternehmerischen Ziels einer Verbesserung der Ertragslage sicherlich nicht offenbar unsachlichen oder unvernünftigen - Maßnahmen müßten betriebsbedingten Kündigungen aber vorauszugehen. Demgemäß dürfe der Arbeitgeber erst dann betriebsbedingte Kündigungen aussprechen, wenn er zuvor versucht habe, durch andere zumutbare Maßnahmen, insbesondere technischer, organisatorischer oder wirtschaftlicher Art, einen Personalabbau zu vermeiden; der Abbau von Überstunden, die im Betrieb unstreitig in hohem Umfang ständig verfahren werden, sei hierfür ein "klassisches Beispiel". Daß danach dringende betriebliche Erfordernisse die streitbefangene Kündigung nicht bedingten, ergäbe sich bereits aus dem unstreitigen Sachverhalt, so daß es keines dahingehenden Beweisantritts von ihm bedurft habe, denn nicht nur, daß nicht alle 157 Mitarbeiter entlassen und etliche von der m... GmbH zurückgeholt worden seien, würden von der Belegschaft (die ja bereits größer sei, als die zum 01.09.1998 geplante) monatlich 6.400 (seit je her der höchste Stand!) Überstunden verfahren (gegenüber einer bereits hohen Planung von 2.000 Überstunden). Statt die "Kostenstrukturen zu verbessern" und weiter zu Rationalisierung, habe zusätzlich der Fremdfirmeneinsatz auf über 2.500 Arbeitsstunden (gegenüber 1.500 "Soll") ausgedehnt werden müssen. Die Namensliste habe weiter ihre Wirkung dadurch verloren, daß die Beklagte in zahlreichen Fällen (allein bei den Angestellten über 25% !) von ihr abgewichen sei. Dafür sei es unerheblich, ob die Sachlage von vornherein so gewesen sei, daß den in der Namensliste enthaltenen Arbeitnehmern bzw. einem Teil von ihnen, nicht habe gekündigt werden sollen, oder ob die Abweichung auf einer erst im Nachhinein geänderten Sachlage i.S.d. § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG a.F. [1996] beruhe. Auch konkret sei sein Arbeitsplatz nicht weggefallen. Bis zu seiner Freistellung sei er als Sachbearbeiter Verkauf Rollendes/Ausland beschäftigt worden. Diese Abteilung sei derartig arbeitsüberlastete, daß er nicht - wie ursprünglich angekündigt - bereits ab 01.09.1998 habe freigestellt werden können, sondern noch bis zum 31.10.1998 habe weiterbeschäftigt werden müssen. Auch bis zu diesem Zeitpunkt sei es nicht gelungen, diese Arbeit wegzurationalisieren, seine Weiterbeschäftigung habe die Beklagte nur zur "Gleichbehandlung" der Gekündigten unterbunden, um in den laufenden Kündigungsschutzprozessen keine Argumente zu liefern. Die unternehmerische Entscheidung, dieselbe Arbeit mit weniger Personal zu erledigen, habe daher seine Kündigung nicht bedingt. Außerdem habe die Beklagte im Februar 1999 zehn Arbeiter neu eingestellt, nämlich J... Se... , D... Ko..., M... B,,,,,,-,,,,,,, , H... Ki... , D... P... , M... C-------- , W... B’’’’’’’’’’’ , N... Ge... , M... A... und W... D--------- . Danach habe sie nochmals weitere zehn Arbeiter eingestellt, und zwar A... A------ , K... B________, H... F------ , M... Fr..., E... Hu... , C... L---------, E... Mu... , T... L... N... , S... Ni... und M... Z... . Auch wenn insoweit nicht unmittelbar von der Namensliste abgewichen worden sei, ergäbe sich daraus jedoch ebenfalls eine Änderung der Geschäftsgrundlage (Wegfall von 157 Arbeitsplätzen), die der Namensliste die Vermutungsbasis entzöge.

Die Sozialauswahl - so sie denn überhaupt stattgefunden habe - sei jedenfalls grob fehlerhaft: Mangels ausreichender eigener Kenntnis habe er die Beklagte aufgefordert, die von ihr angelegten Auswahlkriterien im einzelnen darzulegen. Für dieses Begehren habe er sich auf § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 KSchG stützen können; § 1 Abs. 5 KSchG a.F. ändere daran nichts. Ihrer Pflicht zur Darlegung der sozialen Auswahl sei die Beklagte damit nicht nachgekommen. Hierzu hätte mindestens die Angabe der Sozialdaten der nach Ansicht der Beklagten vergleichbaren Arbeitnehmer gehört. Er könne nicht einmal nachvollziehen, ob die Punkte richtig addiert worden seien, geschweige ob die der Berechnung zugrundeliegenden sozialen Verhältnisse zuträfen. Komme der Arbeitgeber aber seiner Auskunftspflicht - wie hier - nicht vollständig nach, sei die Kündigung ohne weiteres als sozialwidrig anzusehen. Die Beklagte habe zur vermeintlichen Erfüllung ihrer Auskunftspflicht lediglich eine SAP‑Liste aller bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer, in der den einzelnen Arbeitnehmern entsprechende Sozialpunkte zugeordnet worden seien, überreicht. Nach dieser Liste habe er 66,0 Sozialpunkte. Weiterhin habe die Beklagte die Liste "Soziale Auswahl Gehalt", in welcher sämtliche Gehaltsempfänger mit den zu berücksichtigenden Sozialdaten erfaßt seien, überreicht. Sie habe ihn in die Gruppe 44 - Sachbearbeitung Verkauf - eingereiht. Ihrer Pflicht zur Darlegung der sozialen Auswahl sei die Beklagte damit nicht nachgekommen. Hierzu hätte mindestens die Angabe der Sozialdaten der nach ihrer Ansicht vergleichbaren Arbeitnehmer gehört. Er könne nicht einmal nachvollziehen, ob die Sozialpunkte richtig addiert worden seien, geschweige denn, ob die der Berechnung zugrunde liegenden sozialen Verhältnisse zuträfen. Dies ergäbe sich auch nicht aus der jetzt nachgereichten SAP-Liste. Außerdem sei bereits den wenigen Angaben der Beklagten zu entnehmen, daß die Sozialauswahl grob fehlerhaft sei. Denn er, der Kläger, verfüge mit 66,0 über erheblich mehr Sozialpunkte als seine nicht gekündigten Arbeitskollegen T... (56,0), K------- (53,0) und C... (52,0) aus der von der Beklagten gebildeten Vergleichsgruppe. Warum er, der Kläger, eine Anlernzeit von zwölf Monaten benötigen solle, um die Arbeit seines Arbeitskollegen C... zu erlernen, die er schon zehn Jahre länger als dieser mache, sei nicht nachvollziehbar. Von 1996 bis zur Kündigung sei die Sachbearbeitung für "Anfragen" und "Aufträge" zwar getrennt gewesen und in dieser zeit habe der Arbeitskollege C... die Anfragen/Angebote und er die Aufträge/Abwicklung erledigt. Warum ein Austausch nicht möglich sein solle, sei nicht ersichtlich. Wenn die Beklagte hervorhebe, daß die Arbeitskollegin K------- jetzt zusätzlich die "Vertretung und Unterstützung der Sachbearbeiter für den größten Kunden" (= Deutsche Bahn AG) übernehmen müsse, treffe es zu, daß er, der Kläger, dazu nicht in der Lage wäre, denn er sei dieser Sachbearbeiter, könne sich also schlecht selbst vertreten und unterstützen.

Darüber hinaus müsse bestritten werden, daß der Betriebsrat der Beklagten vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört worden sei. Es wäre zumindest erforderlich gewesen, daß die Beklagte dem Betriebsrat die Sozialdaten der betroffenen Arbeitnehmer und die Sozialdaten der nicht betroffenen Arbeitnehmer mitgeteilt hätte. Nach dem Berufungsvortrag sei dem Betriebsrat eine Gesamtbelegschaftsliste zum Stichtag 31.08.1998 übergeben worden. Das werde bestritten. Die zu den Gerichtsakten gereichte Liste enthalte 842 Namen. Daß diese Liste richtig und vollständig sei, werde ebenfalls bestritten, denn es fehle z.B. in der Liste der auf jeden Fall von der Beklagten als Zeuge benannte Angestellte Halbeisen. An anderer Stelle (Berufungsbegründung 4 Sa 749/99) spreche die Beklagte von einem Stand von "ca. 865" Arbeitnehmern. In den Hauptfürsorgestellenverfahren (vgl. z.B. 4 Sa 587/99) habe die Beklagte den Personalstand vor der Entlassungsmaßnahme mit "835" angegeben. Ein weiterer Schwund ergäbe sich daraus, daß nach dem Abbau der 157 nach ca. 660 Beschäftigte im Betrieb verblieben seien, was auf eine Personalstand von vorher lediglich "ca. 817" Arbeitnehmer schließen lasse. Wenn also dem Betriebsrat im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen vorgespiegelt werde, von 865 Beschäftigten seien 157 überflüssig (sich der Betriebszweck also auch mit 708 Arbeitnehmern erreichen lasse) und der Belegschaftsstand nach Durchführung der Maßnahme nur noch 660 betrage, sei der Betriebsrat bezüglich der Erforderlichkeit von 48 Entlassungen irregeführt. Ebenfalls nicht dargelegt habe die Beklagte, welche Gründe der sozialen Auswahl sie dem Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung mitgeteilt haben wolle. Aus der SAP‑Liste und der Liste "Soziale Auswahl Lohn" ergäben sich zwar das Geburtsdatum der gekündigten Arbeitnehmer, das Eintrittsdatum und die Punktezahl. Hieraus ergäben sich aber zum Beispiel nicht die Unterhaltsverpflichtungen. Unabhängig davon, daß diese Liste nicht ausreichend wäre, trage die Beklagte plump falsch vor, wenn sie behaupte, diese liste dem Betriebsrat "zu Beginn der Gespräche" (also am 11.08.1998) übergeben zu haben. Die (am 09.09.1998 um 1826 Uhr ausgedruckte€!) Liste sei nämlich nach dem von dem Angestellten H------------ abgezeichneten Vermerk dem Betriebsratsvorsitzenden Ha... (erst) am 04.09.1998 ausgehändigt worden. An diesem Tag sei aber die streitbefangene Kündigung vom 21.08.1998 ihm, dem Kläger, längst zugegangen gewesen.

Da die ausgesprochene Kündigung unwirksam sei, sei die Beklagte entsprechend der Entscheidung des Großen Senats v. 27.02.1985 (GS 1/84) verpflichtet, ihn, den Kläger, nach Ablauf der Kündigungsfrist zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen. Die Beklagte habe nicht dargelegt, daß ihr die Erfüllung des Weiterbeschäftigungsanspruchs unmöglich sei. Dieses ergäbe sich erst recht nicht aus der Betriebsvereinbarung vom 20.08.1998. In dieser Betriebsvereinbarung sei vereinbart worden, daß Arbeitnehmer, die nicht in die Beschäftigungs‑ und Qualifizierungsgesellschaft m... GmbH wechselten, in eine betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit versetzt würden. Weiterhin sei in dieser Betriebsvereinbarung vereinbart, daß für die im Einsatzbetrieb zusammengefaßten Lohnempfänger und Angestellten ab 01.09.1998 - maximal für die Höchstdauer von 24 Monaten gemäß § 175 SGB III - die Arbeit wegen Kurzarbeit ausfalle, da aufgrund der strukturellen Änderungen und der allgemeinen Maßnahmen zur Personalanpassung eine Beschäftigungsmöglichkeit nicht bestünde. Dieses bedeute jedoch nicht, daß der Beklagten seine Beschäftigung unmöglich sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Gerichtsakten gereichten Urkunden Bezug genommen.

Gründe

Die aufgrund entsprechender Beschwer statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sowie rechtzeitig ordnungsgemäß begründete Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg und führt deshalb zur Zurückweisung des Rechtsmittels.

Die Kündigung der Beklagten gemäß Schreiben vom 21.08.1998 ist wegen nicht ordnungsgemäßer Sozialauswahl mit der Folge rechtsunwirksam, daß dem Weiterbeschäftigungsbegehren stattzugeben ist.

1. Für die Frage der Darlegungs‑ und Beweislast sowie für den gerichtlichen Prüfungsmaßstab von Bedeutung ist, daß sich die Beurteilung von Kündigungen aus dem Zeitraum vom 01.10.1996 bis 31.12.1998 auch bei Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen nach dem 01.01.1999 nach dem Kündigungsschutzgesetz in der Fassung des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25.09. 1996 (BGBl. I. S. 1476) richtet. Dies folgt daraus, daß gegebenenfalls nicht erst die arbeitsgerichtliche Entscheidung rechtsgestaltend wirkt, sondern bereits die Kündigung als privatautonome Willenserklärung des Arbeitgebers (BAG v. 21.01.1999 - 2 AZR 624/98, NZA 1999, 866 = ZInsO 1999, 543; BAG v. 10.02.1999 - 2 AZR 715/98, ZInsO 1999, 543; BAG v. 10.02.1999 - 2 AZR 716/98, NZA 1999, 702 = ZInsO 1999, 543; BAG v. 02.12.1999 - 2 AZR 757/98, NZA 2000, 531 = ZInsO 2000, 411 = ZIP 2000, 676).

1.1. Die Gerichte haben zwar grundsätzlich auch jedes nach Erlaß des angefochtenen Urteils ergangene neue Gesetz zu berücksichtigen, sofern es nach seinem zeitlichen Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis erfaßt (BAG v. 26.11.1955 - 2 AZR 209/55, AP Nr. 4 zu § 52 RegelungsG [Reinhardt] = MDR 1956 126 [Neumann-Duesberg]). Eine Ausdehnung dieser Rechtsprechung verbietet sich aber bei Gestaltungsrechten, bei denen es auf den Zeitpunkt des Eintritts der Gestaltungswirkung ankommt. Gemäß § 4 Satz 1 KSchG geht es im Kündigungsschutzprozeß um die bloße Feststellung, ob die Kündigungserklärung des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufgelöst hat oder nicht. Es geht dabei um die Feststellung der Rechtslage, die im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bestanden hat. Ob eine Willenserklärung rechtsgestaltend wirkt, kann nur nach der bei ihrem Zugang (§ 130 BGB) bestehenden Rechtslage beurteilt werden. Wollte der Gesetzgeber ein durch eine Kündigung aufgelöstes privatrechtliches Rechtsverhältnis, wie es das Arbeitsverhältnis darstellt, rückwirkend oder mit der Gesetzesänderung ex nunc neu begründen, bedürfte dies - ungeachtet der Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit - einer ausdrücklichen oder jedenfalls eindeutigen Regelung, die im Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19.12.1998 (BGBl. I S. 3843) fehlt. Dieses Gesetz ist nach Art. 11 mit Wirkung vom 01.01.1999 in Kraft getreten, was mangels entgegenstehender Regelung bedeutet, daß es nur für Sachverhalte gilt, die nach seinem Inkrafttreten entstehen (BAG v. 21.01.1999 - 2 AZR 624/98, a.a.O.; BAG v. 10.02.1999 - 2 AZR 715/98, a.a.O.; BAG v. 10.02.1999 - 2 AZR 716/98, a.a.O. ; BAG v. 02.12.1999 - 2 AZR 757/98, a.a.O.). Das ergibt sich hier schon aus dem Korrekturgesetz selbst, das mit Art. 7 Ziff. 5 und Art. 8 Ziff. 2 für bestimmte, in der Vergangenheit vor seinem Inkrafttreten liegende Sachverhalte Übergangsvorschriften geschaffen hat, für Art. 6, mit dem § 1 Abs. 5 KSchG aufgehoben wurde, jedoch nicht. Hätte der Gesetzgeber des Korrekturgesetzes der Aufhebung des § 1 Abs. 5 KSchG rückwirkende Kraft beimessen wollen, hätte er dies - wie im Falle des Gesetzes zur Neuregelung der Kündigungsvorschriften vom 07.10.1993 (BGBl. I S. 1688, dort in Art. 222 Nr. 1 EGBGB) ausdrücklich regeln müssen. Das neue materielle Recht erfaßt deshalb vor dem 01.01. 1999 zugegangene Kündigungen nicht (BAG v. 21.01.1999 - 2 AZR 624/98, a.a.O.; BAG v. 10.02.1999 - 2 AZR 715/98, a.a.O.; BAG v. 10.02.1999 - 2 AZR 716/98, a.a.O.; BAG v. 02.12.1999 - 2 AZR 757/98, a.a.O.).

1.2. Dem hier gewonnenen Ergebnis steht die sozialgerichtliche Rechtsprechung (BSG v. 27.08.1998 - B 10 AL 7/97 R, KTS 1999, 260 = NZI 1999, 166 = ZInsO 1999, 362) nicht entgegen, denn diese betrifft nicht den Zeitpunkt der Wirkungen von einseitigen Gestaltungsrechten, sondern um den von gegenseitigen Ansprüche im Verhältnis zwischen Leistungsträger und Leistungsberechtigten. Die Frage, ob der Gesetzgeber für den Ausgleich von ausgefallenem Arbeitsentgelt (Kaug) die neue Fassung des § 141b Abs. 4 AFG rückwirkend auf Sachverhalte hat angewendet wissen wollen, die vor dem Inkrafttreten der Vorschrift am 01.01.1993 liegen, ist zwar verneint worden. Die weiteren Ausführungen, das bedeute jedoch nicht, daß die Neuregelung erst auf Fälle angewendet werden könnte, bei denen die Arbeitsaufnahme vom 01.01.1993 ab erfolgt sei, denn es reiche aus, daß die Ansprüche auf Kaug für ausgefallenes Arbeitsentgelt ab diesem Zeitpunkt geltend gemacht würden, lassen sich auf die Wirkung von Gestaltungsrechten nicht übertragen. Dies ist auch nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, wonach vor Inkrafttreten der §§ 118 Abs. 4 SGB VI, 66 Abs. 2 Satz 4 BVG erlassene Rückforderungsbescheide gegen die Erben, die vorher nur zivilrechtlich auf Rückzahlung von nach dem Tod des Berechtigten (Erblasser) auf dessen Bankkonto überwiesenen Versorgungsbezügen haben in Anspruch genommen werden können, wegen Fehlens einer rechtlichen Grundlage für den Erlaß rechtswidrig und damit aufzuheben waren (BSG v. 29.07.1998 - B 9 V 5/98 R, SozR 3-2600 § 118 Nr. 2). Hiermit sind Fallgestaltungen nicht vergleichbar, bei denen Arbeitnehmern die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund eines Interessenausgleichs mit Namensliste vor dem 31.12.1998 zugegangen ist. Durch das Außerkrafttreten des § 1 Abs. 5 KSchG a.F. [1996] mit Ablauf des 31.12.1998 sind weder die Vereinbarungen über einen Interessenausgleich mit Namensliste noch die darauf beruhenden Kündigungen nachträglich rechtsunwirksam geworden.

1.3. Dem hier gewonnenen Ergebnis steht auch die höchstrichterliche Befristungsrechtsprechung (BAG v. 20.01.1999 - 7 AZR 715/97, BB 1999, 1608 = DB 1999, 967; BAG v. 20.01.1999 - 7 AZR 93/98, ARST 1999, 119 = AuA 1999, 175 = DB 1999, 322 = FA 1999, 95) nicht entgegen. Hierbei geht es nämlich nicht um die Frage der Rückwirkung materiellen Rechts, sondern einzig und allein um die Frage, ob für befristete Arbeitsverhältnisse, die vor Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung geschlossen worden sind, die neu eingeführte Klagefrist des § 1 Abs. 5 BeschFG von den Arbeitnehmern zu beachten ist oder nicht. Vor Inkrafttreten dieser Vorschrift war anerkannt, daß von demjenigen Arbeitnehmer, der die Unwirksamkeit einer Befristung geltend machen will, die Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG weder ab dem Zeitpunkt des Zugangs einer Nichtverlängerungsmitteilung (vgl. BAG v. 26.04. 1979 - 2 AZR 431/77, BB 1979, 1557 = DB 1979, 1991; BAG v. 24.10.1979 - 5 AZR 851/78, DB 1980, 455) noch ab Vertragsende (vgl. BAG v. 11.11.1982 - 2 AZR 552/81, NJW 1983, 1443; BAG v. 13.06.1985 - 2 AZR 410/84, BB 1986, 1437 = DB 1986, 1827) einzuhalten war. Das Klagerecht konnte nur nach den Grundsätzen der Prozeßverwirkung gemäß § 242 BGB entfallen (vgl. BAG v. 07.03.1980 - 7 AZR 177/78, DB 1980, 1498; BAG v. 12.06.1987 - 7 AZR 461/86, EzA § 4 KSchG n.F. Nr. 32). Diese Grundsätze sind durch Einführung der dreiwöchigen Klagefrist des § 1 Abs. 5 BeschFG abgelöst worden. Es stellte sich nun die Frage, ob für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 01.10.1996 aufgrund einer Befristung enden sollte, weiterhin die Grundsätze der Prozeßverwirkung gemäß § 242 BGB oder die neu eingeführte Klagefrist des § 1 Abs. 5 BeschFG gilt. Diese Frage hat die Rechtsprechung (BAG v. 20.01.1999 - 7 AZR 715/97, a.a.O.; BAG v. 20.01.1999 - 7 AZR 93/98, a.a.O.) dahingehend beantwortet, daß Arbeitnehmer, die die Wirksamkeit der Befristung in einem Arbeitsvertrag nach dem 01.10.1996 gerichtlich überprüfen lassen wollen, die Klagefrist des § 1 Abs. 5 BeschFG einhalten müssen. Die Klagefrist begann für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 01.10.1996 aufgrund einer Befristung enden sollte, am 01.10.1996. Die Fiktionswirkung des § 1 Abs. 5 BeschFG in Verbindung mit § 7 KSchG trat mit Ablauf des 21.10.1996 ein. Diese Grundsätze lassen sich auf die Frage, ob § 1 Abs. 5 KSchG a.F. [1996] für Kündigungen, die bis zum 31.12.1998 zugegangen waren, auch bei arbeitsgerichtlichen Entscheidungen nach diesem Stichtag noch Wirkungen zeitigt, nicht übertragen. Vergleichbar mit der Problematik der Geltung der Klagefrist des § 1 Abs. 5 BeschFG bei Befristungen wäre die Frage, ob § 1 Abs. 5 KSchG a.F. [1996] auch für solche Fallgestaltungen fortgilt, bei denen der Interessenausgleich mit Namensliste zwar vor dem 31.12.1998 zustande gekommen ist, aber die darauf beruhenden Kündigungen erst danach den Arbeitnehmern zugegangen sind. Eine solche Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor.

2. Für die hier zu beurteilende ordentliche Kündigung gemäß Schreiben der Beklagten vom 21.08.1998 gilt mithin § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG a.F. [1996]. Diese Kündigung scheitert vorliegend nicht bereits an der Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung. Der Arbeitgeber muß vor Ausspruch einer jeden Kündigung den Betriebsrat anzuhören (§ 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) und hat ihm dabei

• die Person des zu entlassenden Arbeitnehmers einschließlich seiner Personaldaten,

• die Art der Kündigung (Änderungs‑ oder Beendigungskündigung),

• die Form der Kündigung (außerordentliche oder ordentliche),

• evtl. Kündigungsfrist und ‑termin sowie

• die Kündigungsgründe

mitzuteilen (BAG v. 16.09.1993 - 2 AZR 267/93, MDR 1994, 697 = NZA 1994, 311). Das Anhörungsverfahren gem. § 102 Abs. 1 BetrVG ist auch bei Massenentlassungen durchzuführen (ArbG Wesel v. 28.05.1977 - 6 Ca 389/97, NZA-RR 1997, 341 = ZAP ERW 1998, 45 [Berscheid]).

2.1. Der Interessenausgleich mit Namensliste i.S.d. § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG a.F. [1996] erleichtert die Massenentlassung, denn er ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG (§ 1 Abs. 5 Satz 4 KSchG a.F. [1996]). Dagegen entbindet die Erstellung eines Interessenausgleichs mit Namensliste - worauf der Kläger zutreffend abstellt - den Arbeitgeber nicht von der Betriebsratsanhörung zu den konkret auszusprechenden Kündigungen nach § 102 BetrVG (so vor allem LAG Düsseldorf v. 25.02.1998 - 17/4 Sa 1788/97, LAGE § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 9; LAG Düsseldorf, Urt. v. 21.04.1998 - 3/11/18 Sa 1968/97, LAGE § 102 BetrVG 1972 Nr. 69; ArbG Hamburg, Urt. v. 11.05.1998 - 21 Ca 106/97, AuR 1998, 334 = ZInsO 1998, 237; ebenso Berscheid, MDR 1998, 942, 944; Fischermeier, NZA 1997, 1089, 1100; KR-Etzel, § 1 KSchG Rz. 748; Kohte, BB 1998, 946, 950; Rinke, NZA 1998, 77, 86; Schiefer, NZA 1997, 915, 918; Zwanziger, AuR 1997, 427, 432; a.A. Giesen, ZfA 1997, 145, 175; Schrader, NZA 1997, 70, 75, die eine gesonderte Anhörung nach § 102 BetrVG als sinnlosen Formalismus ansehen), noch werden die Anforderungen an die Informationspflicht herabgesetzt (LAG Düsseldorf v. 24.03.1998 - 3 Sa 1926/97, LAGE § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 6 = MDR 1998, 1357; LAG Düsseldorf v. 24.03.1998 - 3/8/11 Sa 2088/97, LAGE § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 7; insoweit a.A. ArbG Kiel v. 06.03.1998 - 4 Ca 2458a/97, ZInsO 1998, 237).

2.1.1. Das Arbeitsrechtliche Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25.09.1996 (BGBl. I S. 1476) hat § 102 BetrVG in Fällen des § 1 Abs. 5 KSchG nicht für unanwendbar erklärt. Gegen ein Redaktionsversehen spricht insbesondere der Umkehrschluß aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 5 Satz 4 KSchG a.F. [1996], wonach der qualifizierte Interessenausgleich die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ersetzt (BAG, Urt. v. 20.05.1999 - 2 AZR 148/99, NZA 1999, 1039 = ZInsO 1999, 601 = ZIP 1999, 1647). Der Regelungszweck des § 102 BetrVG unterscheidet sich zudem von dem des § 1 Abs. 5 KSchG a.F. [1996]. Letzterer diente unter anderem dazu, Wachstumsdynamik und beschäftigungsfreundliche Flexibilisierung des Arbeitsrechts zu ermöglichen. Die nach § 102 BetrVG vorgeschriebene Mitwirkung des Betriebsrats soll den Arbeitgeber demgegenüber veranlassen, die geplante Kündigung als Individualmaßnahme zu überdenken und möglicherweise von ihr abzusehen (BAG v. 11.10.1989 - 2 AZR 88/89, NZA 1990, 748). Der vom Abschluß des Interessenausgleichs abweichende Zweck des Anhörungsverfahrens zeigt sich überdies an den Widerspruchsrechten des Betriebsrats nach § 102 Abs. 3 BetrVG. Ungeachtet des Problems, ob sich mit der Formulierung des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG durch das Arbeitsrechtliche Beschäftigungsförderungsgesetz auch die Widerspruchsgründe des Betriebsrats gem. § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG verringert hatten, sichern die Widerspruchsrechte nicht nur den tatsächlichen Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende des Kündigungsschutzprozesses, vielmehr können sie auch die Sozialwidrigkeit der Kündigung begründen (BAG v. 17.05.1984 - 2 AZR 109/83, NZA 1985, 489). Zudem können sich zwischen Abschluß des Interessenausgleichs und Einleitung des Anhörungsverfahrens wesentliche Änderungen ergeben (Zwanziger, a.a.O.). Würde das Anhörungserfordernis verneint, führte dies in einer derartigen Gestaltung zu der abzulehnenden Folge, daß die Vermutung der Betriebsbedingtheit und der für den Arbeitgeber gemilderte Prüfungsmaßstab innerhalb der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG a.F. [1996] entfielen, es aber dennoch keiner Anhörung des Betriebsrats bedürfte (BAG v. 20.05.1999 - 2 AZR 148/99, a.a.O.. m.w.N.).

2.1.2. Das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG kann in die Verhandlung über den Interessenausgleich aufgenommen werden (ArbG Wesel v. 28.05.1977 - 6 Ca 389/97, a.a.O.; LAG Düsseldorf, Urt. v. 09.10.1997 - 13 Sa 996/97, DB 1998, 926). Die Betriebsratsanhörung unterliegt auch beim Vorliegen eines Interessenausgleichs mit Namensliste keinen erleichterten Anforderungen. Dieses Problem ist nicht neu, sondern ist schon vor Schaffung der Regelung des § 1 Abs. 5 KSchG a.F. [1996] bekannt gewesen und gelöst worden: Treffen Unterrichtungspflichten nach mehreren Vorschriften zusammen, ist es nicht zwingend erforderlich, daß der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat jeweils getrennte Verfahren einleitet. Es ist zulässig und häufig aus Zweckmäßigkeitsgründen angebracht, die einzelnen Verfahren zu verbinden, obwohl sie verschiedenen inhaltlichen Anforderungen unterliegen. Für den Betriebsrat muß aber deutlich werden, welche Verfahren der Arbeitgeber einleiten will und insbesondere, ob nur die Fristen des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, des § 99 Abs. 3 BetrVG, des § 17 Abs. 2 KSchG oder alle diese Fristen anlaufen und ob ein Interessenausgleich nach § 1 Abs. 5 KSchG a.F. [1996] mit Namensliste oder nach § 112 BetrVG ohne eine solche angestrebt wird. Soll die Unterrichtung in einem Akt geschehen, so muß den jeweiligen gesetzlichen Anforderungen voll entsprechen (BAG v. 19.08.1975 - 1 AZR 613/74, MDR 1976, 258 = NJW 1976, 310). Für die Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigungen nach § 102 BetrVG ist aber noch folgende Erleichterung zu beachten: Soweit der Kündigungssachverhalt dem Betriebsrat allerdings schon aus den Verhandlungen über den Interessenausgleich bekannt ist, braucht er ihm bei der Anhörung nach § 102 BetrVG nicht erneut mitgeteilt zu werden (BAG, Urt. v. 20.05.1999 - 2 AZR 532/98, ZInsO 1999, 601 = ZIP 1999, 1610).

2.2. Solche Vorkenntnisse des Betriebsrats muß der Arbeitgeber im Prozeß hinreichend konkret darlegen und ggf. beweisen. Dies hat die Beklagte vorliegend getan. Sie hat vorgetragen, sie habe in einer sog. "SAP‑Liste" alle bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer erfaßt und diesen jeweils aufgrund der individuellen Sozialdaten die entsprechenden Punkte zugeordnet. In der SAP‑Liste "Gehaltsempfänger" werde der Kläger auf Seite 1 mit 66,0 Sozialpunkten geführt. In der Liste "Soziale Auswahl Lohn", in welche sämtliche Lohnempfänger mit den zu berücksichtigenden Sozialdaten erfaßt seien, sei der Kläger als Mitglied der Gruppe 44 auf Seite 3 unter der laufenden Nummer 145 mit insgesamt 66,0 Sozialpunkten erwähnt. Beide Listen seien dem Betriebsrat zu Beginn der Verhandlungen über den Interessenausgleich mit Namensliste zur Verfügung gestellt worden. Die Beratungen hätten schließlich in der Vereinbarung über die Namensliste vom 20.08.1998 gemündet, in welcher insgesamt 157 Arbeitnehmer genannt worden seien. Sie habe das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG am 11.08.1998 durch Übergabe dieser Ergebnisliste, nämlich der Liste über die zu beendenden Arbeitsverhältnisse, an den Betriebsratsvorsitzenden eingeleitet.

2.2.1. Dieses unter das Zeugnis des Betriebsratsmitglieds M... und des Personalleiters H------------ gestellte Vorbringen brauchte nicht durch Zeugenvernehmung erhärtet zu werden. Die Richtigkeit dieses Vorbringens ist zum einen durch das Anschreiben vom 10.08.1998 belegt, in welchem die Beklagte unter anderem ausführt:

"Da bereits Einvernehmen über die sozialen Auswahlgesichtspunkte besteht, sind die Qualifikationstöpfe gemäß dieser sozialen Auswahlkriterien geordnet. Sollten neben den aufgeführten Daten (Geburtsdatum, Eintrittsdatum, Schwerbehinderung, Tätigkeitsschlüssel, Tarif-/Lohngruppe und Sozialpunkte) weitere Angaben notwendig sein, so können diese am 11.08.1998 im Sitzungszimmer des Personalbereichs erörtert werden.

Die entsprechenden Anhörungsbogen und die Namensliste sind in der Anlage beigefügt."

Daß damit neben der Namensliste dem Betriebsrat zugleich auch die Listen "Soziale Auswahl Lohn" und "Soziale Auswahl Gehalt" und die beiden SAP-Listen vorgelegt worden sind, wird durch das Anschreiben vom 13.08.1998 belegt, mit welchem die Beklagte dem Betriebsrat mit dem Bemerken:

"Mittlerweile ist abgeklärt, daß die im Protokoll vom 12.08.1998 bezeichneten Sozialfälle aus der sozialen Auswahl herausgenommen werden.

Auf diese Verfahrensweise haben sich der BR-Vorsitzende, Herr Ha..., und die Geschäftsführung, Herr Dr. B... , geeinigt.",

eine geänderte Liste zur Verfügung gestellt hat. Zum anderen wird die Richtigkeit hinsichtlich der Einleitung des Anhörungsverfahrens mittelbar durch das Protokoll über die außerordentliche Betriebsratssitzung vom 20.08.1998 belegt. Darin bestätigt der Betriebsrat, daß er nach der Diskussion über den am Vormittag des 20.08. 1998 unterschriebenen Interessenausgleich und Sozialplan nebst der ablösenden Tarifvereinbarungen und der zusätzlich durchgeführten Belegschaftsversammlung folgenden Beschluß gefaßt habe:

Der Betriebsrat stimmt den vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigungen (s. Namensliste) im Rahmen des § 102 BetrVG zu.

Angesichts dieser Urkunde kann der Kläger mit dem Vorbringen, die Beklagte habe den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß über die verschiedenen Sozialdaten der zu kündigenden Mitarbeiter informiert, sondern lediglich eine Liste über die einzelnen Gruppen vorgelegt, nicht gehört werden.

2.2.2. Dem Kläger kann nicht darin gefolgt werden, die Gruppenliste sei nicht geeignet, eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung im Hinblick auf die Mitteilung der Sozialdaten zu bewirken, weil sie nirgendwo, auch nur im Ansatz erkennen ließe, ob eine Person ledig, verheiratet oder gegebenenfalls mit Unterhaltspflichten geschieden sei, ob und gegebenenfalls wieviel Kinder vorhanden seien. Die Namensliste ist ausweislich des Interessenausgleichs die Anlage 3 zu demselben. Die Anlage 2 beinhaltet die Organisationspläne und die Anlage 1 die SAP‑Listen. Sowohl die Berechnung der Sozialpunkte als auch das nach den auswahlrelevanten 54 Gruppen geordnete Ergebnis, in welchem die zu entlassenen Arbeitnehmer mit "E" gekennzeichnet worden sind, belegt eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats. Die Namensliste als Anlage 3 baut auf den Anlagen 1 und 2 auf. In der SAP‑Liste sind die Sozialpunkte errechnet worden. Neben dem Geburtsjahr und dem Eintrittsjahr ist auch erkennbar, welche Unterhaltspflichten bestehen, denn bei der Punktevergabe bedeutet die Ziffer 1 das Lebensalter, die Ziffer 2a den Ehegatten, die Ziffer 2b die Kinder und die Ziffer 3 die Betriebszugehörigkeit. Während die Ziffer 1 und 3 bei jedem Arbeitnehmer zahlenmäßig belegt sein müssen, bedeuten die fehlenden Angaben bei Ziffer 2a, daß der betreffende Arbeitnehmer entweder nicht verheiratet oder geschieden ist und keinem Ehepartner Unterhalt zu leisten braucht. Fehlende Angaben unter der Ziffer 2b bedeuten, daß gegenüber Kindern keine Unterhaltsverpflichtungen bestehen, entweder weil der Arbeitnehmer keine Kinder hat oder diese bereits erwachsen sind. Daß die Unterhaltspflichten für die Kinder nur "laut Steuerkarte" berücksichtigt worden sind, ist nicht zu beanstanden (siehe zur Problematik auch LAG Hamm vom 21.08.1997 - 4 Sa 166/97, LAGE § 102 BetrVG 1972 Nr. 62). Dies haben die Betriebspartner in Ziffer 5.1 unter dem Stichwort "Kriterien der Sozialauswahl" so ausdrücklich verabredet, so daß der Betriebsrat aus den vorgelegten Listen die Unterhaltspflichten genau erkennen kann. Die Rüge des Klägers geht insoweit ins Leere.

3. Bei Zustandekommen eines Interessenausgleichs mit Namensliste wird vermutet, daß die Kündigung der bezeichneten Arbeitnehmer aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG durch dringende betriebliche Erfordernisse, die im Falle einer Beendigungskündigung einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb bzw. einem anderen Betrieb desselben Unternehmens entgegenstehen, bedingt ist (§ 1 Abs. 2 KSchG).

3.1. In einem solchen Fall beschränkt sich die Darlegungs‑ und Beweislast des Arbeitgebers auf die "Vermutungsbasis", nämlich auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschriften des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG a.F. [1996] (LAG Köln v. 01.08.1997 - 11 Sa 355/97, LAGE § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 1 = NZA-RR 1998, 160; bestätigt durch BAG v. 07.05.1998 - 2 AZR 55/98, NZA 1998, 1110 = ZIP 1998, 1885). Der Arbeitgeber muß mithin zunächst lediglich darlegen (LAG Hamm v. 02.09.1999 - 4 Sa 962/99, ZInsO 2000, 352):

• daß der Interessenausgleich wegen einer bestimmten Betriebsänderung rechtswirksam zustande gekommen ist,

• daß der Arbeitnehmer wegen der diesem Interessenausgleich zugrunde liegenden Betriebsänderung entlassen worden ist,

• ggf., daß der Arbeitnehmer einem bestimmten Betrieb oder Betriebsteil zugeordnet worden ist;

• daß der gekündigte Arbeitnehmer in diesem Interessenausgleich namentlich bezeichnet ist.

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist festzustellen, daß der Vortrag der Beklagten diesen Anforderungen genügt.

3.1.1. Der Interessenausgleich vom 20.08.1998 ist wegen einer bestimmten Betriebsänderung rechtswirksam zustande gekommen. Allgemeine Betriebseinschränkungen oder ‑stillegungen (§ 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG) sind notwendigerweise mit Entlassungen, vielfach sogar mit Massenentlassungen verbunden, so daß Anzeigepflicht gemäß §§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 KSchG sowie Interessenausgleichspflicht i.S.v. §§ 112 Abs. 1 Satz 1, 113 Abs. 3 BetrVG einerseits und Sozialplanpflicht gemäß §§ 112 Abs. 1 Satz 2, 112a Abs. 1 BetrVG andererseits in Frage stehen können. Aber auch die anderen Tatbestände des § 111 Satz 2 BetrVG können zu einem anzeigepflichtigen Personalabbau führen (siehe dazu BAG v. 14.02.1978 - 1 AZR 154/76, NJW 1979, 233 = SAE 1980, 129 [Seiter]). Ob die Aufzählung des § 111 Satz 2 BetrVG abschließend ist oder nicht, ist umstritten. Als Betriebsänderung gilt über diese gesetzliche Regelung hinaus auch ein Personalabbau aus betrieblichen Gründen ohne Verringerung der sächlichen Betriebsmittel in der Größenordnung der Zahlen - und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG, aber mindestens 5% der Belegschaft des Betriebes (BAG v. 02.08.1983 - 1 AZR 516/81, NJW 1984, 1781 = SAE 1984, 148 [Gitter] = ZIP 1984, 359), und zwar ohne Beschränkung auf den Dreißig-Tage-Zeitraum (BAG v. 07.08.1990 - 1 AZR 445/89, NZA 1991, 113 = ZIP 1990, 1426). Bei Berechnung sind auch diejenigen Arbeitsverhältnisse mitzuzählen, die nur deshalb gekündigt werden müssen, weil die Arbeitnehmer dem Übergang auf einen Betriebsteilerwerber (§ 613a BGB) widersprochen haben und eine Beschäftigungsmöglichkeit im Restbetrieb nicht mehr besteht (BAG v. 10.12.1996 - 1 AZR 290/96, NZA 1997, 787 = ZIP 1997, 1471). Damit kann der Arbeitgeber, ohne die sächlichen Betriebsmittel verringern zu müssen, auf einen Arbeitsmangel durch den erforderlichen Personalabbau reagieren. Vorliegend hat die Beklagte insgesamt 157 von 850 Arbeitnehmer entlassen. Es handelt sich mithin um eine interessenausgleichspflichtige Personalmaßnahme i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSchG, die zugleich auch nach § 112a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG sozialplanpflichtig war.

3.1.2. Die Vermutungswirkungen eines Interessenausgleichs mit namentlicher Benennung der zu entlassenden Arbeitnehmer gelten nicht, wenn den Arbeitnehmern nicht aufgrund der Betriebsänderung, sondern aufgrund anderer betrieblicher Gründe gekündigt werden soll (ArbG Siegburg v. 17.07.1997- 1 Ca 3510/96, MDR 1997, 1038 [Moll] = ZAP ERW 1998, 67 [Berscheid]; ebenso Berscheid, BuW 1997, 831, 832; ders., MDR 1998, 816, 817; a.A. Giesen, ZIP 1998, 46, 49, der die "Richtigkeitsgewähr" des Interessenausgleichs allein aus der Teilnahme des Betriebsrats folgert). Die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG a.F. [1996] kann nur an die von Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam zugrunde gelegte Betriebsänderung anknüpfen. Deshalb ist es Sache des Arbeitgebers, den Zusammenhang zwischen der Betriebsänderung und den Entlassungen darzulegen (LAG Hamm v. 02.09.1999 - 4 Sa 962/99, a.a.O.). Dies kann bereits im Interessenausgleich selbst geschehen, wenn dort das Sanierungskonzept und seine Folgewirkungen auf die Arbeitsplätze kurz dargestellt wird (ArbG Ludwigshafen v. 11.03.1977 - 1 Ca 3094/96, AuR 1997, 416 = ZAP ERW 1997, 109 [Berscheid]). Das ist insbesondere bei Teileinschränkungen eines Betriebes (Berscheid, ZAP ERW 1997, 109, 110; ders., MDR 1998, 816, 817) und bei einer Betriebseinschränkung notwendig, die sich in Form eines bloßen Personalabbaus ohne Verringerung der sächlichen Betriebsmittel in der Größenordnung der Zahlen - und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG, aber mindestens 5% der Belegschaft des Betriebes, vollzieht (ArbG Karlsruhe v. 03.06. 1992 - 1 BV 3/92, BetrR 1992, 116 [Beck]). Bereits die Präambel des Interessenausgleichs vom 20.08.1998 die notwendigen Angaben hinsichtlich der Betriebsänderung i.S.d. § 111 Satz 2 BetrVG, nämlich daß "die Neukonzeption der Ablauforganisation, ihre Straffung, ... zum Wegfall von 157 Arbeitsverhältnissen der Firma" führt. Damit handelt es sich vorliegend um einen Personalabbau ohne Verringerung der sächlichen Betriebsmittel, die mit 157 zu kündigenden Arbeitnehmern die Größenordnung der Zahlen - und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG weit übersteigt, denn die bisherige Belegschaftsstärke von 850 Arbeitnehmern ist als den Betriebspartnern und Mitarbeitern bekannt zu unterstellen.

3.1.3. Die Zuordnung der Arbeitnehmer einem bestimmten Betrieb oder Betriebsteil ist vorliegend nicht problematisch gewesen, da der Personalabbau nicht im Zusammenhang mit einer Veräußerung eines Betriebes oder Betriebsteils, sondern einer Teileinschränkung des Betriebes durch einen sich über alle Betriebsabteilungen erstreckenden interessenausgleichpflichtigen Personalabbau stand.

3.1.4. Weitere Voraussetzung ist, daß der gekündigte Arbeitnehmer "im" Interessenausgleich, der schriftlich abgeschlossen sein muß (§ 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG), namentlich bezeichnet ist (LAG Potsdam v. 19.02.1998 - 8 Sa 847/97, LAGE § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 8; LAG Hamm v. 02.09.1999 - 4 Sa 962/99, a.a.O.). Die bloße Bezugnahme auf eine lediglich als Anlage zum Interessenausgleich "lose” beigefügte Namensliste, die von den Betriebspartnern nicht unterzeichnet ist, reicht zur Wahrung der Schriftform nicht aus (LAG Rheinland-Pfalz v. 17.10.1997 - 9 Sa 401/97, LAGE § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 2 = InVo 1998, 70 = ZAP ERW 1998, 19 [Berscheid]). Wird ein Interessenausgleich mit Namensliste eingereicht, so muß letztere ein äußeres Merkmal aufweisen, das sie als Bestandteil des Interessenausgleichs ausweist. Dafür genügt nicht der einseitige Hinweis im Interessenausgleich auf eine "Anlage 3", ebensowenig die Verwahrung in einer Plastikhülle innerhalb eines Ordners, weil die Namensliste unter solchen Umständen problemlos ausgetauscht werden könnte (BAG v. 20.05.1999 - 2 AZR 278/98, ZInsO 2000, 351). Vielmehr ist grundsätzlich eine feste Verbindung der Namensliste mit dem Interessenausgleich (z.B. mittels Heftmaschine) erforderlich (BAG v. 07.05.1998 - 2 AZR 55/98, a.a.O.). Besteht der Text des Interessenausgleichs selbst aus mehreren Blättern, so liegt eine einheitliche Urkunde i.S.d. § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB allerdings schon dann vor, wenn sich aus dem Inhalt der Blätter deren Einheit - etwa aus fortlaufender Paginierung, fortlaufender Numerierung der einzelnen Bestimmungen, einheitlicher graphischer Gestaltung, inhaltlichem Zusammenhang des Textes oder vergleichbarer Merkmale - deren Zusammenhang zu einem einheitlichen Ganzen ergibt. Ist dies der Fall, so bedarf es zur Wahrung der Schriftform des § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht zusätzlich der körperlichen Verbindung der einzelnen Blätter der Vereinbarung; die Unterschrift auf dem letzten Blatt der Vertragsurkunde genügt (so zur Schriftform beim Mietvertrag gemäß § 566 BGB OLG Naumburg v. 28.01. 1997 - 11 U 11/96, NJ 1997, 543; BGH v. 24.09.1997 - XII ZR 234/95, NJW 1998, 58 = MDR 1998, 31 [Sternel]). Auch eine fehlende feste Verbindung einer mehrseitigen Namensliste mit dem Interessenausgleich mittels Heftmaschine führt jedenfalls dann nicht zur Unwirksamkeit einer Kündigung nach § 1 Abs. 5 KSchG a.F. [1996], wenn die einzelnen Seiten der Namensliste von den den Interessenausgleich unterzeichnenden Personen jeweils paraphiert worden sind und auch die Namensliste selbst von den Betriebspartnern unterzeichnet worden ist. Da sowohl der Interessenausgleich als auch die Namensliste jeweils Seite für Seite paraphiert und am Ende unterzeichnet worden sind, sind sie formgültig und bilden eine wirksame Gesamturkunde.

3.1.5. Soweit der Kläger bestreitet, daß die Betriebsvereinbarung aufgrund eines ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschlusses vom Betriebsratsvorsitzenden unterzeichnet worden sei, und sich darauf beruft, daß die Beschlußfassung - wenn überhaupt - erst nach der Unterschriftsleistung des Betriebsratsvorsitzenden erfolgt sei, ist dieses Vorbringen unbeachtlich. Es ist anerkannt, daß eine Einigungsstellensitzung vor Unterzeichnung einer Betriebsvereinbarung nicht in jedem Falle unterbrochen werden muß, um eine Beschlußfassung des Betriebsrats mit den in der Sitzung der Einigungsstelle nicht anwesenden Betriebsratsmitgliedern herbeizuführen (BAG v. 24.02.1999 - 8 AZR 180/99, NZA 2000, 785 = ZInsO 2000, 466). Auch ohne Unterbrechung ist ein Handeln des Betriebsratsvorsitzenden im Rahmen der vom Betriebsrat gefaßten Beschlüsse (§ 26 Abs. 3 Satz 1 BetrVG) möglich. Es spricht eine gesetzliche Vermutung dafür, der Betriebsratsvorsitzende habe aufgrund und im Rahmen eines ordnungsgemäßen Beschlusses gehandelt. Die Darlegungs- und Beweislast liegt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BAG v. 24.02.1999 - 8 AZR 180/99, a.a.O.) mithin bei demjenigen, der ein unbefugtes Handeln des Betriebsratsvorsitzenden geltend macht (§ 292 ZPO). Daß die Beschlußfassung erst nach der Unterschriftsleistung des Betriebsratsvorsitzenden erfolgt sei, hat der Kläger vorsorglich unter Beweis durch das Zeugnis von sieben Betriebsratsmitglieder gestellt. Diesem Beweisantritt war jedoch nicht nachzugehen. Die interne Willensbildung des Betriebsrats betrifft nicht allein dessen Risikosphäre, wenn der Arbeitgeber bei Interessenausgleichsverhandlungen keine Kenntnis von einer fehlenden Vollmacht des Betriebsratsvorsitzenden hat. Erklärungen, die der Vorsitzende unbefugt abgibt, sind zwar rechtsunwirksam, können jedoch (nachträglich) genehmigt werden (BAG v. 24.02.1999 - 8 AZR 180/99, a.a.O., m.w.N.). Vorliegend erweist sich der Einwand des Klägers, die Beschlußfassung zum Interessenausgleich sei erst nach der Unterschriftsleistung des Betriebsratsvorsitzenden erfolgt, als nicht schlüssig. Die vom Kläger geforderte ordnungsgemäße Beschlußfassung vor Unterzeichnung wäre nur erforderlich gewesen, wenn vorher kein Beschluß des Betriebsrats gefaßt worden oder der Betriebsratsvorsitzende hiervon abgewichen wäre. Es ist hier jedoch davon auszugehen, daß sich der Betriebsratsvorsitzende bei der Unterschriftsleistung am 20.08.1998 im Rahmen der vorher herbei geführten Beschlußfassung des Betriebsrats gehalten hat. Hierfür spricht das von der Beklagten vorgelegte Protokoll über die außerordentliche Betriebsratssitzung vom 20.08.1998. Darin heißt es wörtlich:

Nach Diskussion über den am Vormittag unterschriebenen Interessenausgleich/Sozialplan nebst der ablösenden Tarifvereinbarungen und zusätzlich durchgeführter Belegschaftsversammlung wird folgender Beschluß gefaßt:

Der Betriebsrat stimmt den vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigungen (s. Namensliste) im Rahmen des § 102 BetrVG zu.

Aus dem Umstand, daß der Betriebsrat "nach Diskussion über den am Vormittag unterschriebenen Interessenausgleich/Sozialplan" den Beschluß gefaßt hat, "den vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigungen (s. Namensliste) im Rahmen des § 102 BetrVG" zuzustimmen, ist zu schließen, die Beschlußfassung über den Inhalt des Interessenausgleichs/Sozialplans vorher erfolgt ist. Sollte man aus der Wendung "nach Diskussion" schließen wollen, daß dem Betriebsrat als Gremium erstmals der "am Vormittag unterschriebene Interessenausgleich/Sozialplan" vorgelegt worden sei, dann ist dieser mit der (weiteren) Beschlußfassung, daß "der Betriebsrat ... den vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigungen (s. Namensliste) im Rahmen des § 102 BetrVG" zustimmt, zumindest konkludent genehmigt worden. Denn die Zustimmung zu den beabsichtigten Kündigungen gemäß "Namensliste" macht keinen Sinn, wenn der Betriebsrat nicht zuvor oder wenigstens zugleich auch den "Interessenausgleich/Sozialplan" einschließlich der ausdrücklich in der (neuerlichen) Beschlußfassung in Bezug genommene Namensliste genehmigt. Der Kläger setzt sich weder mit dem Betriebsratsprotokoll vom 20.08.1998 noch mit dem diesbezüglichen Vorbringen der Beklagten auseinander, so daß seinem "vorsorglichen" Beweiserbieten nicht nachzugehen war.

3.2. Bei Zustandekommen eines Interessenausgleichs mit Namensliste kehrt sich im Kündigungsschutzprozeß, in dem nach bislang geltendem Recht der Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG für das Vorliegen von dringenden betrieblichen Erfordernissen darlegungs‑ und beweispflichtig war (BAG v. 23.03.1984 - 7 AZR 409/82, ZIP 1984, 1524, 1525), die Darlegungs‑ und Beweislast um (BAG v. 07.05. 1998 - 2 AZR 536/97, NZA 1998, 933 = ZIP 1998, 1809; BAG v. 02.12.1999 - 2 AZR 757/98, a.a.O.). Bei der Regelung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG a.F. [1996] handelt es sich zwar nur um eine widerlegliche Vermutung i.S.v. § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 292 Satz 1 ZPO, aber widerlegliche Vermutungen haben die Funktion von Beweislastregeln. Der bei widerleglichen Vermutungen offene Beweis des Gegenteils ist Hauptbeweis und erst dann geführt, wenn das Gericht vom Vorliegen eines Sachverhalts überzeugt ist, der das Gegenteil der Vermutung ergibt (ArbG Berlin v. 16.04.1997 - 69 Ca 49520/96, ZAP ERW 1998, 45 [Berscheid]).

3.2.1. Beim Zustandekommen eines Interessenausgleichs mit Namensliste hat der darin benannte Arbeitnehmer diesen Hauptbeweis zu führen und im Falle der Beendigungskündigung nachzuweisen (LAG Hamm v. 02.09.1999 - 4 Sa 962/99, a.a.O.), daß trotz der durchgeführten Betriebsänderung

• eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens zu unveränderten (gleichwertigen) Arbeitsbedingungen

• oder eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens zu geänderten (verschlechterten) Arbeitsbedingungen

besteht. Es braucht daher nicht mehr auf die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. bspw. BAG v. 29.03.1990 - 2 AZR 369/89, NZA 1991, 181 = SAE 1991, 203 [Pottmeyer]) zurückgegriffen zu werden (so ausdrücklich BAG v. 07.05.1998 - 2 AZR 536/97, a.a.O.), nach der der Arbeitgeber im Rahmen des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen freien vergleichbaren (gleichwertigen) Arbeitsplatz oder auf einem freien Arbeitsplatz zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen verpflichtet ist, wobei es beim Bestreiten des Vorhandenseins eines freien Arbeitsplatzes allerdings Sache des Arbeitnehmers ist, konkret aufzuzeigen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt (BAG v. 24.03.1984 - 2 AZR 21/82, SAE 1984, 43 [Löwisch] = ZIP 1983, 1105; BAG v. 10.01.1994 - 2 AZR 489/93, NZA 1994, 653 = WiB 1994, 559 [Braun] = ZIP 1994, 966).

3.2.2. Bei Zustandekommen eines Interessenausgleichs mit Namensliste kann der Arbeitnehmer der Kündigung auch mit dem Vortrag begegnen (siehe dazu LAG Hamm v. 02.09.1999 - 4 Sa 962/99, a.a.O.), daß

• die Betriebsänderung nicht wie geplant und im Interessenausgleich zugrunde gelegt durchgeführt wird oder

• sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat (§ 1 Abs. 5 Satz 3 KSchG a.F. [1996]).

Eine "wesentliche Änderung der Sachlage" im vorgenannten Sinne meint eine Änderung der Geschäftsgrundlage; sie ist nur wesentlich, wenn die Betriebspartner den Interessenausgleich ohne ernsthafte Zweifel nicht oder in einem entscheidungserheblichen Punkt nicht so abgeschlossen hätten (LAG Köln v. 01.08.1997 - 11 Sa 355/97, a.a.O.). Verbleibende Zweifel in einem der vorgenannten Punkte gehen zu Lasten des Arbeitnehmers (LAG Hamm v. 02.09.1999 - 4 Sa 962/99, a.a.O.). An den Vortrag des Arbeitnehmers sind die gleichen Maßstäbe anzulegen, die die Rechtsprechung (vgl. bspw. BAG v. 07.12.1978 - 2 AZR 155/77, NJW 1979, 1902 = SAE 1979, 141 [Herschel]) für die Substantiierung des Arbeitgebervorbringens zum Vorliegen eines dringenden betrieblichen Erfordernisses im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 1 und 4 KSchG aufgestellt hat (ArbG Wesel v. 28.05.1977 - 6 Ca 389/97, a.a.O.; LAG Hamm v. 02.09.1999 - 4 Sa 962/99, a.a.O.).

3.2.3. Danach genügt es nicht, daß der Arbeitnehmer das Vorbringen des Arbeitgebers erschüttert, sondern er muß hinsichtlich der gesetzlichen Vermutung den Gegenbeweis erbringen. Die Beklagte hat dargelegt, einen interessenausgleichs‑ und sozialplanpflichtigen Personalabbau vorgenommen zu haben. Die Entscheidung des Arbeitgebers, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, gehört zu den sog. unternehmerischen Maßnahmen, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen und damit den entsprechenden Beschäftigungsbedarf entfallen lassen können. Eine solche unternehmerische Entscheidung kann in aller Regel von den Gerichten für Arbeitssachen nicht auf ihre Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit, sondern darf nur daraufhin nachgeprüft werden, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG vom 30.04.1987 - 2 AZR 184/86, NZA 1987, 776 = ZIP 1987, 1274). Wenn seine Organisationsentscheidung und sein Kündigungsentschluß ohne nähere Konkretisierung praktisch deckungsgleich sind, dann kann allerdings die von der Rechtsprechung hier bisher angenommene Vermutung, die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht von vornherein greifen (BAG vom 17.06.1999 - 2 AZR 141/99, MDR 1999, 1389 = NZA 1999, 1098 = ZIP 1999, 1721). Ohne Vorliegen eines Interessenausgleichs mit Namensliste ist eine solche Unternehmerentscheidung im Kündigungsschutzprozeß hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich des Begriffs "Dauer" zu verdeutlichen, um den Gerichten für Arbeitssachen im Hinblick auf die in diesen Fällen gesetzlich dem Arbeitgeber auferlegte Darlegungslast (§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG) eine Überprüfung zu ermöglichen, ob die Kündigung nicht offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG vom 17.06.1999 - 2 AZR 522/98, NZA 1999, 1095 = ZIP 1999, 1729). Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluß rückt, um so mehr muß der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag verdeutlichen, daß ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist (BAG vom 17.06.1999 - 2 AZR 522/98, a.a.O.; BAG vom 17.06.1999 - 2 AZR 141/99, a.a.O.). Ist bei einer Betriebsänderung (§ 111 BetrVG) ein Interessenausgleich mit Namensliste zustande gekommen (§ 1 Abs. 5 KSchG a.F. [1996]) zustande gekommen, so führt auch hier die Umkehr der Beweislast dazu, daß der Arbeitnehmer die Undurchführbarkeit der unternehmerischen Entscheidung oder den Fortbestand des Beschäftigungsbedürfnisses dartun muß.

3.2.4. Dazu reicht das Vorbringen des Klägers nicht aus. Mit der Behauptung, bei der Beklagten würden von der Belegschaft (die ja bereits größer sei, als die zum 01.09.1998 geplante) monatlich 6.400 (seit je her der höchste Stand!) Überstunden verfahren (gegenüber einer bereits hohen Planung von 2.000 Überstunden) nach ihren eigenen Angaben ca. 5.000 bis 6.000 Überstunden pro Monat gefahren und dieses Beschäftigungsvolumen mache ca. 35 bis 40 Mitarbeiter aus, kann der Kläger nicht gehört werden. Aus seinem Vorbringen ist nicht zu erkennen, daß in seinem Tätigkeitsbereich Überstunden anfallen und durch deren Abbau sein Arbeitsplatz erhalten würde. Gleiches gilt für das weitere Vorbringen, statt die "Kostenstrukturen zu verbessern" und weiter zu Rationalisierung, habe der zusätzlich der Fremdfirmeneinsatz auf über 2.500 Arbeitsstunden (gegenüber 1.500 "Soll") ausgedehnt werden müssen. Auch hier ist nicht zu erkennen, daß der Tätigkeitsbereich des Klägers betroffen ist. Gleiches gilt für seine Behauptung, die Beklagte habe im Februar 1999 zehn Arbeiter neu eingestellt und später nochmals zehn neue Arbeiter beschäftigt. Auch wenn insoweit nicht unmittelbar von der Namensliste abgewichen worden sei, ergäbe sich daraus jedoch ebenfalls eine Änderung der Geschäftsgrundlage (Wegfall von 157 Arbeitsplätzen), die der Namensliste die Vermutungsbasis entzöge. Dem vermag das Berufungsgericht nicht zu folgen. Auf die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG a.F. [1996] kann sich der Arbeitgeber zwar nicht berufen, "soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat", jedoch müssen die wesentlichen Änderungen der Sachlage in der Zeit zwischen Abschluß des Interessenausgleich und Zugang der Kündigung eintreten, denn danach gelten die Grundsätze des Wiedereinstellungsanspruchs. Außerdem müssen die Neueinstellungen den Tätigkeitsbereich des entlassenen Arbeitnehmers betreffen. Unabhängig davon, ob ein Wiedereinstellungsanspruch überhaupt gegeben ist, wenn sich die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit erst nach Ablauf der Kündigungsfrist ergibt (siehe dazu einerseits BAG, Urt. v. 06.08.1997 - 7 AZR 557/96, MDR 1998, 422 = NZA 1998, 254, und andererseits BAG v. 04.12.1997 - 2 AZR 140/97, a.a.O.), braucht die Problematik hier nicht vertieft zu werden, da der Kläger einen Wiedereinstellungsantrag nicht gestellt hat und die behaupteten Neueinstellungen den Arbeiterbereich betreffen, der Kläger aber Angestellter und damit mit den neu eingestellten Arbeitern nicht vergleichbar und austauschbar ist. An der Betriebsbedingtheit seiner Kündigung, für deren Wirksamkeit auf den Zeitpunkt ihres Zugangs abzustellen ist, ändern die Neueinstellungen nichts.

4. Dringende betriebliche Erfordernisse bedingen die Kündigung einer bestimmten Zahl von Arbeitnehmern, besagen aber noch nicht, welchen von mehreren in Betracht kommenden Arbeitnehmern zu kündigen ist. Stehen mehrere Arbeitnehmer für eine betriebsbedingte Kündigung zur Wahl, so ist auch bei Kündigungen im Insolvenzverfahren unter den in Betracht kommenden Arbeitnehmern eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten zu treffen (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG), also zu prüfen, welcher Arbeitnehmer durch die Kündigung weniger hart getroffen wird, d.h. welcher Arbeitnehmer auf seinen Arbeitsplatz am wenigsten angewiesen ist (BAG v. 19.04.1979 - 2 AZR 425/77, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 11 [Herschel]).

4.1. Gegenüber einer Auswahlrichtlinie in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung, die Rahmencharakter hat, stellt der Interessenausgleich nach § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG a.F. [1996] die sozialverträgliche Umsetzung einer einzelnen Betriebsänderung dar. Kommt bei einer Betriebsänderung (§ 111 BetrVG) ein Interessenausgleich mit namentlicher Benennung der zu kündigenden Arbeitnehmer zustande, dann kann die soziale Auswahl nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Inzwischen haben sich hier mehrere Meinungen zur Tragweite der gesetzlichen Regelungen herausgebildet. Danach kann sich die Beschränkung der Überprüfung der vom Arbeitgeber getroffenen Sozialauswahl beziehen:

• allein auf den letzten Schritt, d.h. darauf, ob die Betriebspartner bei der Auswahl der betroffenen Arbeitnehmer die sozialen "Grund‑ oder Kerndaten" nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ordnungsgemäß gewichtet haben (ArbG Bonn v. 05.02.1997 - 2 Ca 3268/96, EzA § 1 KSchG Interessenausgleich Nr. 1 = ZAP ERW 1997, 109 [Berscheid]; Grunsky/Moll, Arbeit und Arbeitsrecht, 1997, Rz. 285; U. Preis, NJW 1996, 3369, 3372; Stahlhacke/Preis, WiB 1996, 1025, 1032),

• auf die Gewichtung der sozialen "Grund‑ oder Kerndaten" nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG und die Herausnahme betriebswichtiger Arbeitnehmer nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG (Giesen, ZIP 1998, 46, 49; wohl auch Ascheid, RdA 1997, 333, 343),

• auf die Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer, die Bewertung der sozialen "Grund‑ oder Kerndaten" und die Nichteinbeziehung in die Sozialauswahl zumindest insoweit, als es um eine angemessene Personalstruktur geht (ArbG Darmstadt v. 20.07.1997 - 2 Ca 462/96, ZAP ERW 1998, 68 [Berscheid]),

• auf sämtliche Bestandteile der Sozialauswahl, nämlich auf den auswahlrelevanten Personenkreis, auf die Nichteinbeziehung von Arbeitnehmern, auf die Bildung von Altersgruppen und auf die Gewichtung der sozialen "Grund‑ oder Kerndaten" (LAG Köln v. 01.08.1997 - 11 Sa 355/97, a.a.O.; Berscheid, BuW 1997, 672, 677; Neef, NZA 1997, 65, 69; Schiefer, DB 1997, 1518, 1520).

Die letztgenannte Ansicht dürfte zutreffend sein, denn die "Langfassung" des § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO bestimmt ausdrücklich, daß "die soziale Auswahl der Arbeitnehmer  im Hinblick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und Unterhaltspflichten  nachgeprüft werden (kann); sie ist nicht als grob fehlerhaft anzusehen, wenn eine ausgewogene Personalstruktur erhalten bzw. geschaffen wird". Damit sind nicht nur die sozialen Grunddaten des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG erwähnt, sondern mit der "ausgewogenen Personalstruktur" ist auch eines der Kriterien für die Herausnahme aus der Sozialauswahl ausdrücklich angesprochen. Es würde zu Wertungswidersprüchen führen, wenn die übrigen Kriterien i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG bei Vorliegen eines Interessenausgleichs mit Namensliste weiterhin voll nachgeprüft werden müßte (LAG Hamm v. 02.09.1999 - 4 Sa 962/99, a.a.O.). Die Festlegung des auswahlrelevanten Personenkreises der austauschbaren und damit vergleichbaren Arbeitnehmer ist der Grundstein für eine ordnungsgemäße Sozialauswahl. Demzufolge bezog sich bisher die Unsicherheit im Betrieb weniger auf die Wertung der drei Auswahlkriterien, sondern welche Tätigkeiten miteinander vergleichbar waren.

4.2. Grobe Fehlerhaftigkeit ist bei einem Interessenausgleich mit Namensliste anzunehmen (siehe dazu LAG Hamm v. 02.09.1999 - 4 Sa 962/99, a.a.O.), wenn die Betriebspartner

• den auswahlrelevanten Personenkreis der austauschbaren und damit vergleichbaren Arbeitnehmer willkürlich bestimmt oder nach unsachlichen Gesichtspunkten eingegrenzt haben,

• die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen der herauszunehmenden Arbeitnehmer nicht nach sachlichen Gesichtspunkten konkretisiert haben,

• Altersgruppen, innerhalb derer die Sozialauswahl durchgeführt werden soll, in völlig wahllos aufeinander folgenden Zeitsprüngen (bspw. wechselnd in 12er, 8er und 10er Jahresschritten) gebildet haben,

• eines der drei Sozialdaten überhaupt nicht berücksichtigt oder ihm ein völlig ungenügendes Gewicht oder zusätzlichen Auswahlkriterien eine überhöhte Bewertung beigemessen haben.

Die Darlegungs‑ und Beweislast für die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl liegt auch bei Massenentlassungen gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 Hs. 1 KSchG beim Arbeitnehmer, und zwar selbst dann, wenn diese die Folge einer Betriebsänderung nach §§ 111, 112a BetrVG sind. Zu beachten ist aber, daß der Arbeitgeber nicht nur bei Einzelkündigungen, sondern auch bei Massenentlassungen dem Arbeitnehmer auf dessen Verlangen hin die Gründe anzugeben hat, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 KSchG). Diese Auskunftspflicht führt zu einer abgestuften Verteilung der Darlegungslast zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (ArbG Senftenberg v. 05.02.1998 - 3 Ca 2923/97, AuA 1998, 328 = NZA-RR 1998, 299; zust. Berscheid, ZInsO 1999, 511, 512): Zur Erfüllung seiner substantiierten Darlegungslast, die er ohne Auskunft des Arbeitgebers erfüllen kann, muß der Arbeitnehmer unter Angabe der Sozialdaten die oder den Arbeitnehmer (namentlich) benennen, dem oder denen an seiner Stelle hätte gekündigt werden müssen (BAG v. 18.10.1984 - 2 AZR 543/83, NZA 1985, 423 = ZIP 1985, 953). Soweit der Arbeitnehmer nicht in der Lage ist, zur sozialen Auswahl Stellung zu nehmen und er deswegen den Arbeitgeber zur Mitteilung der Gründe auffordert, die ihn zu der Auswahl veranlaßt haben, hat der Arbeitgeber als Folge seiner materiellen Auskunftspflicht gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 KSchG substantiiert auch im Prozeß vorzutragen (ArbG Hamburg v. 06.07. 1998 - 21 Ca 65/98, NZA-RR 1999, 29). Erst wenn der Arbeitgeber seiner Auskunftspflicht ordnungsgemäß nachgekommen ist, trägt der Arbeitnehmer wieder die volle Darlegungslast für die Fehlerhaftigkeit der vorgenommenen Sozialauswahl (BAG v. 10.02.1999 - 2 AZR 716/98, a.a.O.). Der Prüfungsmaßstab der groben Fehlerhaftigkeit gem. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG a.F. [1996] ändert daran nichts, denn "dieser Prüfungsmaßstab könnte erst dann Bedeutung erlangen, wenn es aufgrund entsprechenden Sachvortrags ... überhaupt etwas zu prüfen gäbe" (BAG v. 10.02.1999 - 2 AZR 715/98, a.a.O.). Erst wenn der Arbeitgeber seiner durch die Aufforderung des Arbeitnehmers gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 KSchG ausgelöste Auskunftspflicht nachgekommen ist, kann nach entsprechender (weiterer) Rüge durch den Arbeitnehmer geprüft werden, ob die Sozialauswahl einwandfrei ist oder ob ein festzustellender Mangel als ein leichter Fehler oder als grobe Fehlerhaftigkeit zu bewerten ist (ArbG Frankfurt/Main v. 10.09.1998 - 3 Ca 6701/97, AE 1999, 34).

4.3. Vorliegend hat der Kläger in der Klageschrift die Beklagte "zur Auskunft über ihre Entscheidung zur Sozialauswahl" aufgefordert. Die Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 30.12.1998 detailliert geschildert, welche Kriterien zur Sozialen Auswahl unter Ziff. 5.1. der Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan von den Betriebspartnern festgelegt worden seien und nach welchem Punkteschema sie die Sozialpunkte berechnet habe. Sie desweiteren offen gelegt, daß sie im Angestelltenbereich insgesamt 54 Gruppen gebildet habe, in denen betriebs(teil)übergreifend alle Arbeitnehmer nach ihrer Tätigkeit erfaßt worden seien. Sie hat auf eine Liste "Zusammenstellung der Gruppen der vergleichbare Arbeitnehmern nach Betrieben" verwiesen, die angeblich in Fotokopie dem Schriftsatz vom 30.12.1998 beigelegen haben soll, aber zu den Gerichtsakten nicht gelangt ist. Ferner hat sie erläutert, daß der Kläger der Gruppe 44 - Sachbearbeitung Verkauf - zugeordnet worden sei und daß für ihn nur 66,0 Sozialpunkte hätten ermittelt werden können. Mit weiterem Schriftsatz vom 08.02.1999 hat die Beklagte die sog. SAP-Liste "Gehaltsempfänger" auszugsweise, nämlich betreffend die Gruppe 44 - Sachbearbeitung Verkauf - vorgelegt. Dieser Gruppe gehören 13 Arbeitnehmer an, von denen die letzten 4 entlassen worden sind. In einer der sechs Spalten am äußerst rechten Rand der Tabelle sind diese Arbeitnehmer mit dem Vermerk "E" gekennzeichnet. Zweitinstanzlich hat die Beklagte die SAP-Liste "Gehaltsempfänger" komplett vorgelegt und zusätzlich die Liste "Soziale Auswahl Gehalt" eingereicht sowie die Liste "Zusammenstellung der Gruppen der vergleichbare Arbeitnehmern nach Betrieben" nachgereicht. Die Rüge der Klägers, dies sei verspätet und die Beklagte könne das erstinstanzlich nicht erfüllte Auskunftsbegehren zweitinstanzlich nicht nachholen, ist angesichts des Geschehensablaufs nicht recht verständlich. Das Fehlen der erstinstanzlich in Bezug genommen Fotokopie der Liste "Zusammenstellung der Gruppen der vergleichbare Arbeitnehmern nach Betrieben" hätte der Kläger rügen müssen. Gleiches gilt bezüglich der Berechnung der Sozialpunkte, von der in der SAP-Liste "Gehaltsempfänger" unter der Gruppe 44, also der mit dem Kläger vergleichbaren Arbeitnehmern, nur das Ergebnis festgehalten ist. Soweit der Kläger sich darauf beruft, er habe anhand der vorgelegten Urkunden nicht einmal nachvollziehen können, ob die Sozialpunkte richtig addiert worden seien, geschweige denn, ob die der Berechnung zugrunde liegenden sozialen Verhältnisse zuträfen, hätte er dies erstinstanzlich beanstanden müssen. Seine insoweit unterlassene Rüge kann nicht dazu führen, daß die Beklagte zweitinstanzlich mit weiterem Vorbringen ausgeschlossen wird. Sie ist vielmehr ihrer Auskunftspflicht nachgekommen, so daß den Kläger (wieder) die volle Darlegungslast für die Fehlerhaftigkeit der vorgenommenen Sozialauswahl trifft.

4.4. Zutreffend weist der Kläger daraufhin, daß wegen der Auskunftspflicht eine bloße Namensliste im Interessenausgleich zum (alleinigen) Nachweis einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl nicht genügt. Es sind vielmehr - wie bei einer Auswahlrichtlinie nach § 95 BetrVG (BAG v. 15.06.1989 - 2 AZR 580/88, NZA 1990, 226 = ZIP 1990, 1223; BAG v. 18.01.1990 - 2 AZR 357/89, MDR 1990, 953 = NZA 1990, 729) - die Auswahlgesichtspunkte i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG und ihre Bewertung mit oder ohne Punkteschema

• entweder im Interessenausgleich selbst niederzuschreiben oder

• im Kündigungsschutzprozeß mit allen Beweisrisiken offenzulegen.

Gleiches gilt für die berechtigten betrieblichen Interessen für die Herausnahme aus dem Auswahlkreis im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG a.F. [1996] (Berscheid, BuW 1997, 672, 678; ähnl. Schiefer, NZA 1997, 915, 918). Desweiteren sind die Altersgruppen festzuhalten, innerhalb derer die Sozialauswahl durchgeführt werden soll, und es ist anzugeben, welcher Personenkreis überhaupt als auswahlrelevant angesehen worden ist. Nur dann kann überprüft werden, ob die Sozialauswahl ordnungsgemäß oder "grob fehlerhaft" ist, wobei die Beschränkung auf grobe Fehlerhaftigkeit nur hinsichtlich der im Interessenausgleich geregelten Punkte eintritt (Berscheid, MDR 1998, 942, 946).

4.4.1. Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Beklagten hinsichtlich der Gewichtung der Sozialdaten, denn sie hat offen gelegt, welche Kriterien für die soziale Auswahl der vom Personalabbau betroffenen Belegschaftsmitglieder die Betriebspartner unter Ziff. 5.1 der "Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan" vereinbart haben. Die Grundsätze für die "Zusammenstellung der Gruppen der vergleichbaren Arbeitnehmer" sind unter Ziff. 5.2 im Interessenausgleich geregelt. Daß die 16 Gruppen für die Lohnempfänger und die 54 Gruppen für die Gehaltsempfänger nicht im Interessenausgleich aufgeführt worden sind, ist unschädlich. Die zwischen den Betriebspartnern inhaltlich abgestimmten Listen "Soziale Auswahl Lohn" und "Soziale Auswahl Gehalt" stellen die Umsetzung der Ziff. 5.2 des Interessenausgleichs dar und können nicht hinweg gedacht werden, denn sie stellen "Ergebnislisten" der Sozialauswahl dar. Mit anderen Worten, ohne Auswahlgruppen wäre die vereinbarte Namensliste nicht denkbar. Anders verhält es sich hinsichtlich der übrigen Auswahlgesichtspunkten. Auch wenn es unter Ziff. 5.3 des Interessenausgleichs wörtlich heißt:

"In die Sozialauswahl sind die Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, ... zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.",

hat eine Altersgruppenbildung tatsächlich nicht stattgefunden, so daß dieses Kriterium außer Acht gelassen werden muß. Hinsichtlich der Herausnahme aus der Sozialauswahl heißt es unter Ziff. 5.3 des Interessenausgleichs

"In die Sozialauswahl sind die Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen ... im berechtigten betrieblichen Interesse liegt."

Hier genügt es nicht, daß die Betriebspartner die "Herausnahmekriterien" nicht im Interessenausgleich festgehalten, sondern nur in den beiden nach der Rubrik "Soz-Pkt." folgenden beiden Rubriken "Schlüsselfunktion" und "Bemerkung/Zusatzkennz." der zwischen ihnen inhaltlich abgestimmten Listen "Soziale Auswahl Lohn" und "Soziale Auswahl Gehalt" vermerkt haben. Zwar können die Betriebspartner nach der hier vertretenen Auffassung in einem Interessenausgleich mit Namensliste

• den auswahlrelevanten Personenkreis der austauschbaren und damit vergleichbaren Arbeitnehmer näher bestimmen,

• die Nichteinbeziehung von Arbeitnehmern, deren Weiterbeschäftigung wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen im berechtigten betrieblichen Interesse liegt, konkretisieren,

• verbindlich Altersgruppen bilden, innerhalb derer die Sozialauswahl durchgeführt wird, und

• die sozialen "Grund‑ oder Kerndaten" gewichten und festlegen, ob weitere Auswahlkriterien zu berücksichtigen sind oder nicht.

Hinsichtlich aller vorgenannten Punkte tritt aber bei einem wirksam zustande gekommenen Interessenausgleich eine Beschränkung des gerichtlichen Prüfungsmaßstabes auf grobe Fehlerhaftigkeit nur dann ein, wenn und soweit die einzelnen Punkte im Interessenausgleich auch tatsächlich geregelt sind (Berscheid, MDR 1998, 942, 945). Die Sach‑ und Rechtslage ist im Falle der Nichtregelung nicht anders zu behandeln wie in den Fällen, in denen der Interessenausgleich mit Namensliste nicht formgültig zustande gekommen ist. Dann greift der schärfere Prüfungsmaßstab für die Sozialauswahl gem. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG a.F. [1996] nicht (vgl. dazu BAG v. 07.05.1998 - 2 AZR 536/97, a.a.O.) und es verbleibt bei der "normalen", abgestuften Darlegungs‑ und Beweislast (BAG v. 20.05.1999 - 2 AZR 278/98, a.a.O.), und zwar hier in Bezug auf die Herausnahme von sog. Leistungsträgern (Spezialisten).

4.4.2. Der Arbeitgeber kann die Herausnahme von Arbeitnehmern aus der Sozialauswahl mit deren besonderen, im Betrieb benötigten "Kenntnissen, Fähigkeiten und Leistungen" begründen. Insoweit tritt eine Konkretisierung ein, denn die Rechtsprechung (LAG Hamm v. 05.02.1987 - 10 Sa 1500/86, LAGE § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 2) hatte schon bisher die "vielseitigere Verwendbarkeit" von Arbeitnehmern und die insoweit höhere Qualifikation als berechtigtes betriebliches Bedürfnis anerkannt, allerdings die Anforderungen für das Bedingen recht hoch gesetzt. Wie bei der Betriebsratsanhörung (BAG v. 13.07.1978 - 2 AZR 717/76, MDR 1979, 434 = NJW 1979, 1677 = SAE 1979, 206 [v. Hoyningen-Huene]) reichen für den Vortrag des Arbeitgebers aber pauschale, floskel‑, schlag‑, stichwort‑ oder überschriftsartige Bezeichnungen nicht zum Nachweis der besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten aus (Berscheid, WiPra 1996, 354, 357; ders., BuW 1997, 632, 635; ebenso Berkowsky, Die betriebsbedingte Kündigung, 4. Aufl. 1997, § 9 Rz. 41). Die Tatbestände der gesetzlichen Neuregelung sind nicht abschließend, da § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG a.F. [1996] sie mit der Wendung "insbesondere " einführt (Berkowsky, a.a.O., § 9 Rz. 34, 47; Berscheid, BuW 1997, 632, 634; Giesen, ZfA 1997, 145, 152; Grunsky/Moll, a.a.O., Rz. 160; v. Hoyningen-Huene/Linck, DB 1997, 41, 43). In betrieblichen Krisensituationen können auch erheblich geringere krankheitsbedingte Ausfallzeiten bestimmter Arbeitnehmer ein berechtigtes betriebliches Interesse an der Weiterbeschäftigung begründen, ohne daß bei den Entlassenen auf die Grundsätze der krankheitsbedingten Kündigung zurückgegriffen werden müßte (Bader, NZA 1996, 1125, 1129). Zu beachten ist, daß der für den Betrieb angestrebte Vorteil nicht bloß unerheblich sein darf, denn die von "Bedürfnis" auf "Interesse" herabgesetzte Anforderung setzt voraus, soll die gesetzliche Regelung nicht inhaltsleer werden, daß der Arbeitgeber einen nachvollziehbaren Vorteil hat, der aus Sicht eines verständigen Dritten anerkennenswert ist und ohne die Weiterbeschäftigung des herausgenommenen Arbeitnehmers entweder überhaupt nicht oder nur in erheblich geringerem Maße erreicht wird (Grunsky/Moll, Arbeitsrecht und Insolvenz, 1. Aufl. 1997, Rz. 126; zust. Berscheid, BuW 1997, 632, 635). Die Unterschiede zwischen mehreren Arbeitnehmern sind im Rahmen der sozialen Auswahl demnach nur beachtlich (Bader, NZA 1996, 1125, 1129), wenn kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

- es werden überdurchschnittliche oder wesentliche spezielle Fähigkeiten oder Kenntnisse nachgewiesen und

- diese werden im Kündigungszeitpunkt im Betrieb aktuell benötigt.

So kann bspw. ein Drucker, der auch noch den Bleisatz beherrscht, gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG a.F. [1996] nicht mit dieser Zusatzqualifikation einem anderen Drucker vorgezogenen werden, der nur noch im Fotosatz arbeiten kann, wenn die Druckerei keine Bleisatzarbeiten mehr ausführt (Berscheid, BuW 1997, 632, 635).

4.4.3. Ziel der Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG a.F. [1996] ist es, die Anforderungsprofile der verbliebenen Arbeitsplätze und die Qualifikationsprofile der einzelnen Mitarbeiter in Übereinstimmung zu bringen. Dabei werden die arbeitsplatzorientierten Anforderungen betrieblich als Anforderungsprofile vorgegeben und sind als unternehmerische Entscheidung insoweit gerichtlich nicht nachprüfbar (BAG v. 10.11.1994 - 2 AZR 242/94, BB 1995, 1907 = NZA 1995, 566; BAG v. 07.11.1996 - 2 AZR 811/95, DB 1997, 581 = NZA 1997, 253). Daraus folgt auch, daß der Arbeitgeber nicht von der Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG Gebrauch machen muß, so daß ein entlassener Arbeitnehmer sich im Kündigungsschutzprozeß nicht darauf berufen kann, er sei aufgrund seiner Fähigkeiten, Kenntnisse und Leistungen im Betrieb unentbehrlich (Bader, NZA 1996, 1125, 1129; v. Hoyningen-Huene/Linck, DB 1997, 41, 43; Lakies, NJ 1997, 121, 124; Pauly, MDR 1997, 513, 516; Wlotzke, BB 1997, 414, 419; a.A. Buschmann, AuR 1996, 285, 288). Der gekündigte Arbeitnehmer kann jedoch geltend machen, daß der Arbeitgeber ihm deshalb zu Unrecht gekündigt habe, weil er einen anderen Arbeitnehmer fälschlicherweise nicht in die Sozialauswahl einbezogen habe (Berkowsky, a.a.O., § 9 Rz. 39; Berscheid, BuW 1997, 632, 635; Grunsky/Moll, a.a.O., Rz. 132). Nur wenn die Qualifikationsprofile der weiterbeschäftigten Mitarbeiter den Anforderungsprofilen der verbliebenen Arbeitsplätze entsprechen, ist die Nichteinbeziehung in die Sozialauswahl nicht fehlerhaft. Angaben über die Qualifikationen der Arbeitnehmer besagen, inwieweit diese den Anforderungen betrieblicher Arbeitsplätze entsprechen können und wollen (Berthel/Berscheid, WPrax 1996, 2, 8, m.w.N.). Die Feststellungen des Arbeitgebers bezüglich des Vorhandenseins personenorientierter Qualifikationen der einzelnen Mitarbeiter, die die verbliebenen Arbeitsplätze ausfüllen sollen, sind jedoch voll nachprüfbar (Berthel/Berscheid, WPrax 1996, 2, 8; Berscheid, BuW 1997, 632, 635). Vorliegend hat sich die Beklagte darauf berufen, daß die Arbeitnehmerin T... und der Arbeitnehmer C... im Zeitpunkt der Kündigung noch Sonderkündigungsschutz genossen hätten, weil erstere sich im August 1998 im Erziehungsurlaub befunden habe und letzterer Wahlbewerber zum Betriebsrat gewesen sei. Der Arbeitgeber muß Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis er aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nicht ordentlich kündigen kann, bei seiner Auswahlentscheidung nicht berücksichtigen, sondern er kann die Sozialauswahl auf die Arbeitnehmer beschränken, gegenüber denen der Ausspruch einer ordentlichen Kündigung möglich ist. Ein aus dringenden betrieblichen Erfordernissen gekündigter Arbeitnehmer ohne besonderen Kündigungsschutz kann daher nicht mit Erfolg geltend machen, ein Arbeitnehmer mit besonderem Kündigungsschutz sei bei Anwendung der in § 1 Abs. 3 KSchG genannten Auswahlkriterien sozial weniger schutzwürdig (LAG Berlin v. 24.03.1998 - 17 Sa 167/97, n.v.). Mithin schlägt die Rüge der fehlerhaften Sozialauswahl im Verhältnis zu diesen beiden Arbeitnehmern fehl.

4.4.4. Anders ist dies im Verhältnis zur Arbeitnehmerin Krämer. Hier hat sich die Beklagte lediglich darauf berufen, diese Arbeitnehmerin bekleide im Vertrieb eine Schlüsselfunktion durch die Wahrnehmung folgender Haupttätigkeiten:

- Vertriebssachbearbeitung für den drittgrößten Kunden (langjährige persönliche Kundenbeziehung),

- zusätzlich Vertretung und Unterstützung der Sachbearbeiter für den größten Kunden,

- selbständige Korrespondenz für die Auftragsbearbeitung in diesem Fachgebiet.

Mit diesen Kenntnissen und Fähigkeiten, insbesondere den Kundenbeziehungen, sei diese Arbeitnehmerin für sie, die Beklagte, unverzichtbar. Sie hat damit zwar detailliert geschildert, welche Spezialtätigkeiten die Arbeitnehmerin K------- verrichtet, es fehlt jedoch die Schilderung der bisher vom Kläger verrichteten Tätigkeiten. Ohne deren Kenntnis vermag das Berufungsgericht nicht zu beurteilen, inwieweit sich die Tätigkeiten unterscheiden und welche Fragen ggf. an einen Sachverständigen zu stellen sind. Eine konkrete Schilderung der Tätigkeiten des Klägers wäre schon im Hinblick auf dessen Vorbringen notwendig gewesen. Dieser hat sich nämlich darauf berufen, wenn die Beklagte hervorhebe, daß die Arbeitskollegin K------- jetzt zusätzlich die "Vertretung und Unterstützung der Sachbearbeiter für den größten Kunden" (= Deutsche Bahn AG) übernehmen müsse, treffe es zu, daß er, der Kläger, dazu nicht in der Lage wäre, denn er sei dieser Sachbearbeiter, könne sich also schlecht selbst vertreten und unterstützen, mit anderen Worten, er habe "für den größten Kunden", die Deutsche Bahn AG, bislang die Tätigkeiten ausgeübt, die nunmehr die Arbeitnehmerin K------- vertretungsweise und unterstützungshalber verrichten solle. Ebensowenig wie der Vortrag für die Herausnahme eines Arbeitnehmers als Leistungsträger aus dem Kreis der auswahlrelevanten Personen gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG a.F. [1996] ausreichend ist, der Arbeitnehmer sei "vielseitiger einsetzbar" als der gekündigte Arbeitnehmer, genügt der Arbeitgeber seiner Vortragslast, wenn er sich schlicht und einfach darauf beruft, der gekündigte Arbeitnehmer verfüge über "derartige" Kenntnisse und Fähigkeiten, wie sie in Bezug auf die weiterbeschäftigten Leistungsträger detailliert geschildert worden sind, nicht. Die vom Kläger benannte Sachbearbeiterin K------- war daher in die soziale Auswahl miteinzubeziehen. Nach der Liste "Soziale Auswahl Gehalt" haben der Kläger 66,0 Sozialpunkte und die Arbeitnehmerin K------- nur 53 Sozialpunkte, so daß der Kläger danach sozial schutzwürdiger wäre. Je höher die nach einer Punktetabelle zustande kommende Punktzahl, desto größer ist die soziale Schutzbedürftigkeit. Im Rahmen einer Interessenabwägung konnten bislang bei Arbeitnehmern, die nur ± 5 Punkte auseinander lagen, weitere Gesichtspunkte wie z.B. Gesundheitsbeeinträchtigungen des Arbeitnehmers oder seiner Familienangehörigen ausschlaggebend sein (Berscheid, AnwBl 1995, 8, 14; Berthel/Berscheid, WPrax 1996, 2, 6, m.w.N.). Eine solche einzelfallbezogene, wertende Gesamtabwägung ist bei Zustandekommen eines Interessenausgleichs nicht mehr notwendig (so aber Kittner, AuR 1997, 182, 186). Vielmehr greift der Bewertungsspielraum des Arbeitgebers durch, wenn die Arbeitnehmer bei Staffelungen innerhalb einer Fünf‑ bzw. Zehn-Punkte-Gruppe liegen (so zu § 125 InsO Berscheid, Kölner Schrift zur InsO, 2. Aufl. 1999, S. 1395, 1411, Rz. 37). Die Frage, ob bei einer Fünf‑ oder eine Zehn-Punkte-Gruppe ein Bewertungsspielraum des Arbeitgebers einsetzt, hängt von der maximal erreichbaren Punktzahl ab. Bei Punkteschemata, die eine Gesamtpunktzahl von über 100 Punkten ermöglichen, dürfte der Bewertungsspielraum des Arbeitgebers durchgreifen, wenn die Arbeitnehmer lediglich bis zu zehn Punkten auseinander liegen (so zu § 125 InsO Berscheid, Arbeitsverhältnisse in der Insolvenz, 1. Aufl. 1999, S. 219, Rz. 645). Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 KSchG a.F. [1996] ist nämlich die Kündigung wegen fehlerhafter Sozialauswahl nur dann sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers "nicht" oder "nicht ausreichend" berücksichtigt hat. "Nicht ausreichend" berücksichtigt hat der Arbeitgeber allerdings die Sozialdaten dann nicht, wenn er bei vergleichbaren Arbeitnehmern eine Arbeitnehmerin vorzieht, die mehr als zehn Sozialpunkte schwächer ist als der gekündigte Arbeitnehmer. In einem solchen Falle ist auch bei Zustandekommen eines Interessenausgleichs die getroffenen Sozialauswahl als "grob fehlerhaft" anzusehen. Mithin ist vorliegend die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers gemäß Schreiben der Beklagten vom 21.08.1998 als rechtsunwirksam anzusehen.

5. Dem Kläger steht auch ein Beschäftigungsanspruch gegen die Beklagte zu. Der Beschäftigungsanspruch ist ebenso wie der Vergütungsanspruch ein vollwertiger Anspruch, welcher im Wege der objektiven Klagehäufung nach § 260 ZPO neben einer Feststellungsklage verfolgt werden kann. Einem im Klagewege neben einer Feststellungsklage verfolgten Weiterbeschäftigungsantrag mangelt es nicht an einem Rechtsschutzinteresse. Die Klage über den Beschäftigungsanspruch kann nicht nach § 148 ZPO ausgesetzt werden; über die Feststellungsklage und den Beschäftigungsanspruch ist vielmehr gleichzeitig zu entscheiden. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf tatsächliche Beschäftigung folgt aus dem Arbeitsvertrag. Er bildet nach heutigem Verständnis zusammen mit dem Vergütungsanspruch eine Einheit. Es handelt sich bei diesen Berechtigungen in ihrer Bündelung um das, was den Hauptanspruch des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis ausmacht (LAG Hamm v. 05.05.1983 - 8 Sa 255/83, EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 52; LAG Hamm v. 11.03.1999 - 4 Sa 34/98, ZInsO 1999, 424; LAG Hamm v. 11.03.1999 - 4 Sa 966/98, ZInsO 1999, 424). Der Beschäftigungsanspruch besteht grundsätzlich während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses, ohne daß es eines besonderen Nachweises des Beschäftigungsinteresses des Arbeitnehmers bedarf. Bei der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses soll außerhalb der Regelung der §§ 102 Abs. 5 BetrVG, 79 Abs. 2 BPersVG die Ungewißheit über den Ausgang des Kündigungsprozesses ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsprozesses begründen. Dieses soll in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers bis zu dem Zeitpunkt, in dem im Kündigungsprozeß ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergeht, überwiegen. Solange ein solches Urteil besteht, soll die Ungewißheit des Prozeßausgangs für sich allein ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht mehr begründen können. Hinzu kommen müssen dann vielmehr zusätzliche Umstände, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen (BAG vom 27.02.1985 - GS 1/84, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht = AR-Blattei "Beschäftigungspflicht: Entsch. 15" [Buchner] = EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9 [Gamillscheg]). Solche Gründe liegen nach Abschluß der Tatsacheninstanz nur in seltenen Fällen vor. Sie sind vorliegend nicht gegeben, da die Beklagte - anders als im Beschluß vom 06.07.1999 über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 04.03.1999 (3 Ca 2107/98) angenommen - nur in wenigen Fällen unterlegen ist und mithin keine erneute Massenentlassung durchzuführen ist.

6. Nach alledem war die Berufung der Beklagten gegen das arbeitsgerichtliche Urteil in vollem Umfang zurückzuweisen.

6.1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

6.2. Der Wert des Streitgegenstandes war nach § 25 Abs. 1 GKG, § 9 BRAGO festzusetzen, und zwar gemäß § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG für den Feststellungsantrag auf das Vierteljahreseinkommen des Klägers und für den Weiterbeschäftigungsantrag gemäß §§ 3 ff. ZPO auf den doppelten Monatsverdienst. Die Addition der beiden Beträge ergibt den Gesamtstreitwert der Instanzen. Der Streitwertbeschluß hat mit der Urteilsformel verbunden werden können.

6.3. Die Revision war nach § 72 Abs. 1 ArbGG zuzulassen.






LAG Hamm:
Urteil v. 23.02.2000
Az: 4 Sa 910/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/bc649df11a68/LAG-Hamm_Urteil_vom_23-Februar-2000_Az_4-Sa-910-99




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