Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. April 2008
Aktenzeichen: 24 W (pat) 64/06
(BPatG: Beschluss v. 29.04.2008, Az.: 24 W (pat) 64/06)
Tenor
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Wortmarke Bellaveist unter der Nummer 302 59 396 für die Waren
"Wattestäbchen für kosmetische Zwecke, Watte für kosmetische Zwecke; Kosmetiktücher aus Zellstoff, Kosmetikpads aus Zellstoff"
in das vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register eingetragen und am 20. Juni 2003 veröffentlicht worden.
Gegen die Eintragung der vorgenannten Marke hat die Inhaberin der prioritätsälteren, für die Waren
"Klasse 3: Watte, Wattekissen und Wattestäbchen für kosmetische Zwecke.
Klasse 5: Watte, Wattekissen und Wattestäbchen für medizinische und gesundheitliche Zwecke; Baumwolle für medizinische Zwecke, insbesondere aseptische und antiseptische Baumwolle; Verbandmaterial insbesondere Verbandwatte"
am 2. Mai 2001 eingetragenen Gemeinschaftsmarke (Wortmarke) 1 176 270 BELLAWA Widerspruch erhoben.
Mit Beschluss vom 29. März 2006 hat die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 3 des DPMA die Löschung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 1 176 270 gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG angeordnet, weil zwischen den Marken Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bestehe. Die beiderseitigen Waren seien teils identisch, teils hochgradig ähnlich. Unter Berücksichtigung von normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke müsse die angegriffene Marke folglich zum Ausschluss einer Verwechslungsgefahr einen erheblichen Abstand von der Widerspruchsmarke einhalten, der in klanglicher sowie in schriftbildlicher Hinsicht nicht gewahrt sei. Die beiden Marken unterschieden sich phonetisch nur in den Auslauten ("a"/"e"), da der Konsonant "v" in der jüngeren Marke üblicherweise wie "w" gesprochen werde. Selbst bei einer Betonung der jeweils dreisilbigen Fantasiewörter auf den Endsilben und einer - unterstellten - Kennzeichnungsschwäche des gemeinsamen Anfangsbestandteils "Bella-", sei die Abweichung angesichts der sonstigen Klangübereinstimmung zu gering, um beachtliche Verwechslungen der Markenwörter - zudem aus der oft undeutlichen Erinnerung heraus - zu verhindern. Ebenfalls bestünde schriftbildlich eine deutliche Übereinstimmung der Markenwörter. Insoweit handle es sich bei "W/w" und "V/v" in den Endsilben um ähnlich gestaltete Buchstaben und auch die Endbuchstaben "e" und "a" wichen in Normalschrift nicht sonderlich voneinander ab. Der Akzent auf dem "e" in der angegriffenen Marke werde von den allgemeinen Verkehrskreisen nur wenig beachtet und leicht übersehen. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass der Verkehr den Wortanfängen regelmäßig mehr Aufmerksamkeit schenke als den Wortenden und auch kennzeichnungsschwache Wortteile einer einheitlichen Marke bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr nicht von vornherein unberücksichtigt bleiben dürften. Die von der Inhaberin der jüngeren Marke geltend gemachten Begriffsanklänge ihrer Marke an "bel" (franz. = schön) und "lave" (von franz. "laver" = waschen) werde der Verkehr nicht erkennen, da er nicht zu einer Zergliederung von Marken neige und die Bedeutung französischer Wortteile überwiegend nicht kenne.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke. Sie hat am 19. Dezember 2006 im anhängigen Beschwerdeverfahren die Einrede der mangelnden Benutzung der Widerspruchsmarke erhoben. Nach Vorlage von Unterlagen zur Glaubhaftmachung einer rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für diverse (Kosmetik-)Watteprodukte seitens der Widersprechenden, hat die Inhaberin der angegriffenen Marke in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Benutzung nicht mehr bestritten werde. Im Übrigen trägt sie zur Begründung ihrer Beschwerde im Wesentlichen vor, dass die Marken - entgegen der Auffassung der Markenstelle - in jeder Hinsicht einen zum Ausschluss einer Verwechslungsgefahr ausreichenden Abstand voneinander einhielten. Die ersten beiden Silben der Vergleichsmarken "Bella-/BELLA-" bildeten ein geläufiges italienisches Wort "bella" (ital. = schön), welches im Kosmetikbereich häufig als Hinweis auf Schönheitspflege verwendet werde, wie die in der mündlichen Verhandlung überreichte Google-Recherche zu "bella kosmetik" zeige. Als solches sei der Eingangswortteil kennzeichnungsschwach und trage nicht zur Unterscheidung der Marken bei. Die übrigen Markenbestandteile, auf die sich die Verbraucher konzentrierten, wiesen demgegenüber genügend Abweichungen in phonetischer und schriftbildlicher Hinsicht auf. Die Schlusssilben würden durch ihre unterschiedlichen Vokale "e" und "a" geprägt. Zudem weiche der Sprech- und Betonungsrhythmus der Markenwörter deutlich voneinander ab. Während die jüngere Marke wegen der aus ähnlichen französischen Wörtern bekannten Endung auf "e" auf der letzten Silbe betont werde, liege die Betonung der Widerspruchsmarke auf der zweiten Silbe. Im Schriftbild wichen die Buchstaben "V/v" und "W/w" auffällig voneinander ab, ebenso die Buchstaben "E/e" und "A/a", wobei in Kleinschreibung noch der Akzent auf dem "e" zur Unterscheidung beitrage.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, den Beschluss der Markenstelle vom 29. März 2006 aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung hat die Markenstelle im Hinblick auf die identischen bzw. hochgradig ähnlichen Waren, die durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und den geringen klanglichen wie schriftbildlichen Abstand der Marken zu Recht eine Verwechslungsgefahr bejaht. Insoweit stützt sie vollinhaltlich die Gründe des angefochtenen Beschlusses. Das Vorbringen der Inhaberin der angegriffenen Marke zur Kennzeichnungsschwäche des gemeinsamen Markenbestandteils "Bella-/BELLA-" hält sie nicht für überzeugend. "Bella" i. S. v. "schön" sei für Watteprodukte nicht beschreibend. Die überreichten Internet-Seiten zeigten zudem überwiegend einen markenmäßigen Gebrauch des Wortes. Auch trete "Bella-/BELLA-" in den Markenwörtern nicht in abtrennbarer Weise hervor. Aus dem unsicheren Erinnerungsvermögen des Verkehrs heraus verschwämmen die geringen phonetischen und schriftbildlichen Unterschiede in den Gesamtwörtern, weshalb insoweit eine relevante Verwechslungsgefahr bestehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sache keinen Erfolg. Auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen den Vergleichsmarken jedenfalls in klanglicher Hinsicht eine markenrechtlich beachtliche Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Die Markenstelle hat daher die Löschung der angegriffenen Marke zu Recht angeordnet (§ 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG).
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend vorzunehmen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren-/Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr., vgl. u. a. EuGH GRUR 1998, 387, 389 (Nr. 22) "Sabèl/Puma"; GRUR Int. 1999, 734, 736 (Nr. 18-21) "Lloyd"; GRUR Int. 2000, 899, 901 (Nr. 40) "Marca/Adidas"; GRUR 2005, 1042, 1044 (Nr. 27) "THOMSON LIFE"; BGH GRUR 2005, 513, 514 "MEY/Ella May"; GRUR 2006, 859, 860 (Nr. 16) "Malteserkreuz").
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat ihre zunächst im Beschwerdeverfahren zulässig gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG erhobene Nichtbenutzungseinrede nach Vorlage von Glaubhaftmachungsunterlagen nicht weiter aufrechterhalten, weshalb für die Widerspruchsmarke von den im Register eingetragenen Waren auszugehen ist. Insoweit erfassen insbesondere die in der Klasse 3 eingetragenen Waren "Watte, Wattekissen und Wattestäbchen für kosmetische Zwecke" die von der angegriffenen Marke beanspruchten kosmetischen Watte- und Zellstoffprodukte sämtlich im Identitäts- bzw. engsten Ähnlichkeitsbereich.
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hat die Markenstelle zutreffend als durchschnittlich beurteilt. Das Markenwort "BELLAWA" stellt in seiner Gesamtheit ein Kunstwort ohne einen erkennbaren warenbeschreibenden Bezug dar. Für eine Erhöhung der Kennzeichnungskraft infolge intensiver Benutzung ist nichts vorgetragen und geben auch die eingereichten Benutzungsunterlagen keinen Anhalt.
Angesichts dieser die Gefahr von Kollisionen positiv beeinflussenden Faktoren genügen zur Vermeidung einer markenrechtlich relevanten Verwechslungsgefahr geringfügige Abweichungen in den Marken nicht. Vielmehr ist hierfür ein deutlicher Markenabstand erforderlich, der auch nach Auffassung des Senats jedenfalls im Klangeindruck der Vergleichswörter nicht eingehalten ist.
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit ist maßgeblich auf den von den Marken hervorgerufenen Gesamteindruck unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente abzustellen. Entscheidend kommt es insoweit darauf an, wie die Marken auf den Durchschnittsverbraucher der jeweiligen Waren wirken, der eine Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl. EuGH a. a. O. (Nr. 23) "Sabèl/Puma", a. a. O. (Nr. 25) "Lloyd"; GRUR Int. 2004, 843, 845 (Nr. 29) "MATRATZEN"; BGH GRUR 2006, 60, 62 (Nr. 17) "coccodrillo").
Nicht zu beanstanden ist die Feststellung der Markenstelle, dass in der Phonetik der Markenwörter insgesamt die Gemeinsamkeiten gegenüber den Abweichungen deutlich überwiegen. Nachdem das "v" in der jüngeren Marke am Eingang der Schlusssilbe vor dem Vokal "e" regelmäßig wie ein "w" gesprochen wird, stimmen die Wörter mit Ausnahme der Schlussvokale "a"/"e" in ihrer Lautfolge vollständig überein. Ferner weisen sie die gleiche Silbenzahl und -gliederung auf. Auch kann, entgegen der Meinung der Widersprechenden, nicht stets von einem unterschiedlichen Betonungs- und Sprechrhythmus ausgegangen werden. Eine bestimmte Betonung steht bei keiner der beiden Fantasiewortmarken fest. Zwar ist bei der jüngeren Marke "Bellave" wegen des Akzents über dem Schlussvokal entsprechend den französischen Ausspracheregeln eine Betonung auf der letzten Silbe nahegelegt. Da die französische Sprache im Inland aber nicht allgemein verbreitet ist, müssen auch andere mögliche Betonungen des Wortes, insbesondere auf der ersten Silbe, mit in die Betrachtung einbezogen werden. Bei dem Markenwort "BELLAWA" hingegen, das eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Sprache nicht erkennen lässt, ist eine Betonung auf der ersten oder der letzten Silbe ebenso wahrscheinlich wie eine auf der zweiten Silbe. Demzufolge muss in entscheidungsrelevantem Umfang auch mit einer gleichen Betonung der Markenwörter gerechnet werden.
Die Berufung der Widersprechende auf eine Kennzeichnungsschwäche der beiden übereinstimmenden vorderen Silben "Bella-/BELLA-" als dem italienischen Wort für "schön, die Schöne" vermag demgegenüber die Verneinung einer markenrechtlich relevanten Verwechslungsgefahr nicht zu rechtfertigen. Soweit der Verkehr in den beiden einheitlichen geschlossenen Wortbildungen überhaupt das italienische Wort "bella" erkennen sollte, stellt sich ihm dieses in Bezug auf die hier betroffenen Watteerzeugnisse - anders als u. U. in Bezug auf Kosmetika - nicht als glatt beschreibende Angabe dar, die jeder Kennzeichnungskraft entbehrt. Doch selbst wenn man von einer gewissen Kennzeichnungsschwäche des klanglich übereinstimmenden Wortteils "Bella-/BELLA-" ausgeht, darf dieser als solcher nach der Rechtsprechung bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr nicht außer Acht gelassen werden. Denn trotz seiner Kennzeichnungsschwäche trägt er - zudem am regelmäßig stärker beachteten Wortanfang - zum Gesamteindruck der Markenwörter bei und ist deshalb in die Bestimmung der Markenähnlichkeit mit einzubeziehen (vgl. BGH GRUR 1996, 200, 201 "Innovadiclophlont"; GRUR 2004, 783, 785 "NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX"; BPatG GRUR 2004, 950, 953 "ACELAT/Acesal"). Nachdem vorliegend - wie dargelegt - die beiden Markenwörter auch in ihren Endsilben weitergehende phonetische Übereinstimmungen aufweisen, ist zu besorgen, dass der durchschnittlich aufmerksame Verbraucher die Marken aufgrund der starken Ähnlichkeit im klanglichen Gesamteindruck bei ihrer (fern)mündlichen Übermittlung nicht sicher auseinanderhalten kann und demzufolge miteinander verwechselt. Da für die Feststellung einer markenrechtlich beachtlichen Verwechslungsgefahr die Ähnlichkeit der Marken in einer Richtung genügt (vgl. BGH GRUR 2005, 326, 327 "il Padrone/Il Portone", GRUR 2006, 60, 62 (Nr. 17) "cocodrillo"), kann hier dahingestellt bleiben, ob die Ähnlichkeit der Marken darüber hinaus auch im Schriftbild eine Verwechslungsgefahr begründet.
Ein - abweichender - Sinngehalt, welcher der Gefahr von Verwechslungen entgegenwirken könnte, ist in den Wortmarken, wie die Markenstelle zutreffend dargelegt hat, nicht vorhanden bzw. sind die Anklänge an französische Begriffe in der jüngeren Marke für den inländischen Verkehr nicht sofort und ohne weiteres fassbar (vgl. EuGH GRUR 2006, 237, 238 (Nr. 20) "PICASSO"; GRUR 2006, 413, 415 (Nr. 35) "ZHIR/SIR"; BGH GRUR 2004, 600, 601 "dcfix/CD-FIX"; a. a. O. "il Padrone/Il Portone").
Es bestand kein Anlass, einer der Beteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aus Billigkeitsgründen aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 MarkenG).
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BPatG:
Beschluss v. 29.04.2008
Az: 24 W (pat) 64/06
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