Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. November 2004
Aktenzeichen: 30 W (pat) 121/03

(BPatG: Beschluss v. 29.11.2004, Az.: 30 W (pat) 121/03)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Am 1. August 2001 eingetragen und am 30. August 2001 unter der Nummer 300 64 598 veröffentlicht worden ist die Wort-Bildmarkesiehe Abb. 1 am Ende Das Warenverzeichnis enthält zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 6, 20, 21 und 40 ua "Möbel, Spiegel; Gartenbänke; Geräte und Behälter für Haushalt und Küche, nicht aus Edelmetall und nicht plattiert, insbesondere Kochgeräte (nicht elektrisch)".

Widerspruch erhoben hat am 30. November 2001 die Inhaberin folgender international registrierter Marken:

-IR 511680 Abb. 2 international registriert für Waren der Klassen 11, 16, 20,21 und 28; deren Schutzbewilligung für die Bundesrepublik Deutschland umfasst ua "Meubles, glaces (miroirs). Petits utensiles et appareils pour le menage et la cuisine entraînes manuellement (ni en metaux precieux ni en plaque);

-IR 511861 Abb. 3 ebenfalls international registriert für Waren der Klassen 11, 16, 20, 21 und 28; auch deren Schutzbewilligung für die Bundesrepublik Deutschland umfasst ua "Meubles, glaces (miroirs)". Petits utensiles et appareils pour le menage et la cuisine entraînes manuellement (ni en metaux precieux ni en plaque);

-IR R 404189 Abb. 4 international registriert für Waren der Klassen 16, 20 und 21; dieser Marke ist in der Bundesrepublik Deutschland Schutz für "Meubles, glaces. Petits utensiles et recipients portatifs pour le menage et la cuisine en matières plastiques" bewilligt worden.

Die Benutzung aller Widerspruchsmarken ist bereits im Verfahren vor dem Deutschen Patentamt bestritten worden. Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung sind von der Widersprechenden im Patentamtsverfahren wie auch im Beschwerdeverfahren vorgelegt worden.

Die Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Widersprüche wegen nicht ausreichender Glaubhaftmachung der Benutzung zurückgewiesen.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Sie hält insbesondere im Hinblick auf die weiterer vorgelegten Unterlagen die Benutzung der Widerspruchsmarken für glaubhaft gemacht und angesichts identischer bzw hochgradig ähnlicher Waren und durch den Bestandteil "Flair" allein geprägter Marken Verwechslungsgefahr für gegeben.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß der Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Februar 2003 aufzuheben und wegen der Gefahr von Verwechslungen die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Eine Äußerung zur Sache ist seitens des Inhabers der angegriffenen Marke im Beschwerdeverfahren nicht zu den Akten gelangt. Im patentamtlichen Verfahren hat er Verwechslungsgefahr nicht für gegeben erachtet, weil dem Wort "flair" wegen seines beschreibenden Charakters keine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung zukomme. Daraus ergebe sich auch eine geringe Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig. Sie ist in der Sache aber nicht begründet. Aufgeworfene Benutzungsfragen können dahingestellt bleiben. Es besteht nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von §§ 9 Abs 1 Nr 2, 107, 116 MarkenG. Es bleibt bei der Zurückweisung der Widersprüche.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wechselbeziehung zueinanderstehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, so daß ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen hohen Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (ständige Rechtsprechung zB BGH WRP 2004, 1037, 1038 - EURO 2000; BGH WRP 2004, 1173, 1174 - URLAUB DIREKT; BGH GRUR 2004, 594, 596 - Ferrari-Pferd; BGH GRUR 2004, 598 - Kleiner Feigling).

Ob der Widersprechenden die Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarken gelungen ist, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn zu Gunsten der Widersprechenden davon ausgegangen wird, dass alle Widerspruchsmarken für alle von der Schutzbewilligung umfassten Waren benutzt sind und sich identische bzw eng ähnliche Waren gegenüberstehen, ist selbst bei Unterstellung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken insgesamt eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr mit der jüngeren Marke auszuschließen.

Insoweit weist der Inhaber der angegriffenen Marke zu Recht darauf hin, dass das Wort "flair" eine für die registrierten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehende allgemein verständliche Sachangabe enthält.

Das ursprünglich aus der der französischen Sprache stammende Wort "flair" ist als Fremdwort in die deutsche Sprache im Sinn von "positive Atmosphäre" eingegangen (vgl Duden, Das große Fremdwörterbuch, 3. Aufl 2003 S 463). Es wird im Deutschen in den unterschiedlichsten Zusammenhängen zur Bezeichnung einer besonderen Atmosphäre verwendet. Mit dieser Begründung hatte die Markenstelle des Deutschen Patentamts in dem die Schutzbewilligung der IR-Marke 511680 betreffenden Verfahren die Teilschutzverweigerung damit begründet, dass das Wort "flair" für die von der Teilversagung betroffenen Waren eine freihaltebedürftige, warenbeschreibende Angabe darstelle, weil auf die besondere Atmosphäre hingewiesen werden könne, die mit den jeweiligen Produkten verbunden sei. Im anschließenden Beschwerdeverfahren hat das Bundespatentgericht zur Aufhebung dieser Entscheidung ua ausgeführt (Beschluß vom 26. Februar 1992, 26 W (pat) 62/89):

"Die zu beurteilende IR-Marke erschöpft sich nämlich nicht nur in einer beziehungslosen Aneinanderreihung von Einzelbestandteilen...; vielmehr sind die Wörter "flair" und "plaisir" graphisch so ineinander verwoben, dass ihr Einzelcharakter aufgehoben ist und der Eindruck einer unlösbaren Gesamtheit entsteht, bei der kein Element selbständig hervortritt. Da somit nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein Wortbestandteil den Gesamteindruck der IR-Marke prägt..., vermag aus keinem der beiden Markenbestandteile ein selbständiges Verbietungsrecht hergeleitet zu werden...".

Wegen der im Wort "flair" enthaltenen beschreibenden Sachangabe für die hier maßgeblichen Waren aus dem Bereich Heim, Haushalt und wohnen geht der Senat von fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG) des Wortes "flair" aus: alle Waren können entweder selbst eine positive Atmosphäre ausstrahlen oder zu einer positiven Atmosphäre beitragen. Dass, wie die Widersprechende meint, Merkmale der Waren mit dem Begriff "flair" nicht konkret angegeben seien, führt zu keiner anderen Beurteilung. Eine nur begriffliche Unbestimmtheit steht einer Schutzversagung prinzipiell nicht entgegen (vgl BGH BlPMZ 2000, 331, 332 - Bücher für eine bessere Welt). Es liegt in der Natur der Sache, dass eine recht allgemein gehaltene Bezeichnung mit einem Abstraktionsgehalt - hier "flair" - einen Bedeutungsspielraum in sich trägt. Dies kann jedoch kein Kriterium für deren Schutzfähigkeit sein, da sonst sogar allgemein gehaltene, glatt anpreisende Sachangaben nur deshalb dem markenrechtlichen Schutz zugänglich wären, weil ihnen kein fest umrissener Aspekt für eine derartige Hervorhebung entnommen werden könnte.

Im Hinblick auf die fehlende Unterscheidungskraft des Wortes "flair" beschränkt sich der Schutzumfang der Widerspruchsmarken auf diejenigen Elemente, die nicht zur Darstellung der beschreibenden Angabe erforderlich sind, hier also auf die (besondere) grafische Gestaltung der Marken (vgl BGH GRUR 2000, 608, 610 - ARD-1; BGH GRUR 2003, 1040, 1043 - Kinder; BGH aaO - EURO 2000, S 1039; BGH aaO - URLAUB DIREKT). Sie liegt bei den Marken 511861 und 404189 im eigentümlichen Schrifttyp und einem besonders angeordneten großen Punkt, bei der Marke 511680 in einer grafisch verwobenen Darstellung der in eigentümlichen und unterschiedlichen Schrifttypen gestalteten Wörter "flair" und "Plaisir" und einem großen Punkt.

Diese schutzbegründenden Elemente der Widerspruchsmarken finden in der angegriffenen Marke keine Entsprechung. Sie zeigt demgegenüber in einer ovalen Umrandung in einer grafisch gestalteten Schreibschrift schräg und untereinander angeordnet die Wörter "Home Flair" sowie die in Druckschrift im unteren Bereich der Linie des Ovals folgend die Wörter "EDLE PRODUKTE FÜR HAUS. HOF & GARTEN".

Eine Verwechslungsgefahr beim Vergleich der Marken insgesamt ist damit auszuschließen.

Entgegen der Auffassung der Widersprechenden kann eine Verwechslungsgefahr nicht aus der weitgehenden Übereinstimmung der in den beiden Marken enthaltenen Wortbestandteile "Flair" und "flair" bzw "FLAIR" hergeleitet werden.

Zwar ist bei der Feststellung des - klanglichen - Gesamteindrucks von Wort-Bildmarken regelmäßig von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass der Wortbestandteil den Gesamteindruck prägt, weil er die einfachste Möglichkeit bietet, die Marke zu benennen (vgl BGH aaO URLAUB DIREKT; BGH aao EURO 2000). Dies setzt allerdings die Feststellung voraus, dass dem Wortbestandteil für sich genommen nicht wegen Bestehens absoluter Schutzhindernisse jeglicher Markenschutz zu versagen wäre. Ein nicht unterscheidungskräftiger oder beschreibender freihaltebedürftiger Bestandteil kann nämlich - ohne Verkehrsdurchsetzung - aus Rechtsgründen keine Prägung des Gesamteindrucks bewirken (vgl BGH aaO - Kinder). Einem solchen Bestandteil kann für den Schutzumfang einer aus mehreren Bestandteilen gebildeten Marke nicht ein solcher Einfluß zukommen, dass eine Übereinstimmung (lediglich) in den schutzunfähigen Bestandteilen eine Verwechslungsgefahr begründen würde (vgl BGH aaO -ARD-1; aaO EURO 2000). Nachdem, wie oben festgestellt, das Wort "flair" keine Unterscheidungskraft besitzt, ist dieser Wortbestandteil der Widerspruchsmarken demnach aus Rechtsgründen nicht geeignet, deren Gesamteindruck zu prägen und kann damit eine Verwechslungsgefahr nicht begründen. Im Hinblick auf die auffällige grafische Gestaltung der Widerspruchsmarken bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend ausnahmsweise dennoch eine selbstständig kollisionsbegründende Bedeutung des Wortbestandteils in Betracht kommen könnte (hierzu Ströbele/Hacker aaO § 9 Rdn 347 mwN).

Andere Arten der Verwechslungsgefahr liegen nicht vor; auch die von der Widersprechenden geltend gemachte mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens ist zu verneinen. Der für die Annahme einer mittelbaren Verwechslungsgefahr erforderliche Hinweischarakter des gemeinsamen Bestandteils "flair" steht dessen oben dargelegte fehlende Unterscheidungskraft entgegen (vgl Ströbele/Hacker MarkenG 7. Aufl § 9 Rdn 484).

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlass (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Dr. Buchetmann Winter Hartlieb Hu Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4






BPatG:
Beschluss v. 29.11.2004
Az: 30 W (pat) 121/03


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