Verwaltungsgericht Regensburg:
Urteil vom 20. Februar 2014
Aktenzeichen: RN 5 K 12.1115
(VG Regensburg: Urteil v. 20.02.2014, Az.: RN 5 K 12.1115)
Tenor
I. Der Bescheid des Landratsamts Straubing-Bogen vom 20.6.2012 und der Widerspruchsbescheid der Regierung von Niederbayern vom 7.11.2012 werden insoweit aufgehoben, als dem Beigeladenen insgesamt 6 Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft, 2 vom Landratsamt erstattete Strafanzeigen sowie 1 Kontrollbericht der Spezialeinheit des Landesamtes für Lebensmittelsicherheit und Gesundheit (LGL) bekannt gegeben werden sollen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin 7/10 und der Beklagte 3/10. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Kläger- und die Beklagtenseite können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem einem Antrag des Beigeladenen auf Informationsgewährung nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) in der bis zum 31.8.2012 geltenden Fassung zum Betrieb der Klägerin, der Geflügel schlachtet und verarbeitet, stattgegeben wurde.
Mit Schreiben vom 12.1.2012 beantragte der Beigeladene beim Beklagten, ihm Informationen aus den Jahren 2009, 2010 und 2011 betreffend den Betrieb der Klägerin in ... B..., die § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG unterfallen, zu erteilen.
Im Rahmen der vom Landratsamt Straubing-Bogen zu dem Antrag durchgeführten Anhörung der Klägerin äußerte diese sich dahingehend, dass der Antrag abzulehnen sei. Der Beigeladene befinde sich in Strafhaft. Er sei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 16 Jahren, 9 Monaten und 3 Wochen verurteilt worden, die er noch bis Ende 2013 absitze. Danach sei Sicherungsverwahrung angeordnet. Der Beigeladene nehme somit am gesellschaftlichen Leben nicht teil und habe nicht die Möglichkeit, einzukaufen. Er benötige die Informationen somit nicht, um eine eigenverantwortliche Kaufentscheidung zu treffen. Eine Nachfrage bei der JVA B..., wo der Beigeladene einsitze, habe ergeben, dass dort keine Produkte der Klägerin an die Gefangenen abgegeben würden, so dass kein Interesse des Beigeladenen an den begehrten Informationen erkennbar sei. Der Beigeladene sei ein Anhänger der sogenannten Tierrechtsorganisation P..., an die er die Informationen weiterleiten wolle. Der P... e.V. führe seit einiger Zeit über Internet und ausgewählte Medien eine Kampagne gegen die Klägerin, im Rahmen derer die Handelspartner der Klägerin aufgerufen würden, wegen angeblicher extrem tierquälerischer Zustände in den Betrieben der Klägerin keine Produkte der Klägerin mehr zu vertreiben. Das eigentliche Ziel des Antrags des Beigeladenen gehe dahin, den Ruf der Klägerin zu schädigen, weshalb der Antrag als rechtsmissbräuchlich anzusehen sei.
Abgesehen davon würden auch die Voraussetzung für die Auskunftserteilung nach § 1 Abs. 1 VIG nicht vorliegen. Die Vorschrift begründe einen Anspruch über Verstöße gegen das Lebensmittelrecht sowie behördliche Maßnahmen die im Zusammenhang mit solchen Verstöße getroffen worden seien. Verstöße in diesem Sinne seien nur solche, die in einem Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren rechtskräftig festgestellt worden seien. Derartige Informationen befänden sich jedoch nicht in den Akten des Landratsamtes.
Im Übrigen würden einem Auskunftsanspruch die besonderen Ablehnungsgründe nach § 2 Satz 1 Nrn. 1 b), 2 a) und 2 c) VIG entgegenstehen.
Mit Bescheid vom 22.3.2012 lehnte das Landratsamt Straubing-Bogen den Antrag des Beigeladenen ab. Zwar sei der Antrag nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil der Antragsteller die Produkte der Klägerin nicht beziehen könne. Auf Nachfrage habe die JVA B... nämlich mitgeteilt, dass dort grundsätzlich die Möglichkeit des Gefangeneneinkaufs über ein von der JVA beauftragtes Unternehmen bestehe. Es sei nicht auszuschließen, dass der Kläger über diesen Weg möglicherweise Produkte der Klägerin beziehen könne.
Gleichwohl sei der Antrag rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 3 Abs. 4 VIG, da der Antrag aus sachfremden Motiven heraus erfolge, was sich aus vom Beigeladenen im Internet veröffentlichten Textpassagen ergebe. Dort äußere sich der Beigeladene eindeutig negativ zu den Produkten der Firma der Klägerin, weshalb offensichtlich sei, dass für ihn als Verbraucher Produkte der Klägerin von vorne herein nicht in Frage kämen. Somit gehe es ihm nicht um eine Hilfestellung bei der Kaufentscheidung, welche die Regelungen des VIG bezweckten.
Aufgrund einer Eingabe des Beigeladenen äußerte das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit die Rechtsauffassung, dass das Verbraucherinformationsgesetz keine Beschränkungen im Umgang mit den erhaltenen Informationen vorsehe. Gerade der Informationsaustausch unter den Verbrauchern trage dem Gesetzeszweck Rechnung. Im konkreten Fall würden daher keine Gründe für eine rechtsmissbräuchliche Antragstellung gesehen.
Daraufhin hob das Landratsamt Straubing-Bogen den Bescheid vom 22.3.2012 am 31.5.2012 auf und erließ am 20.6.2012 folgenden Bescheid:
1. Dem Antrag wird statt gegeben. Die Informationsgewährung wird nach Bestandskraft dieses Bescheides wie folgt durchgeführt:
Der Antragsteller erhält Ablichtungen von Dokumenten zu dem Landratsamt Straubing-Bogen bekannten Verstößen der Fa. W..., Zweigniederlassung der L..., ..., ... mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten (Namen, Adressen, Geburtsdaten etc.) unkenntlich gemacht werden.
Ebenfalls unkenntlich gemacht werden Passagen in den Ablichtungen, soweit diese Verstöße Vorschriften betreffen, die nicht vom Lebensmittelrecht umfasst sind.
Die Übersendung der Ablichtungen erfolgt innerhalb einer Woche nach Bestandskraft dieses Bescheides.
2. Für diesen Bescheid werden keine Kosten erhoben.
Hinsichtlich der Begründung wird auf den Inhalt des Bescheids Bezug genommen.
Der Klägerin wurden mit der Bekanntgabe des Bescheids am 25.6.2012 auch Ablichtungen der zur Weitergabe an den Beigeladenen vorgesehenen Unterlagen übersandt.
Am 20.7.2012 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid ein, der mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Niederbayern vom 7.11.2012 zurückgewiesen wurde. Der Widerspruch sei nach Art. 15 Abs. 2 AGVwGO unzulässig, da das Verfahren keinen in Art. 15 Abs. 1 AGVwGO aufgelisteten Rechtsbereich betreffe.
Bereits am 23.7.2012 erhob die Klägerin darüber hinaus fristgemäß Anfechtungsklage und kündigte an, für den Fall der Beiziehung der streitgegenständlichen Informationen durch das Gericht, ein Verfahren gemäß § 99 Abs. 2 VwGO analog durchzuführen.
Zur Begründung der Klage wiederholt sie ihre bereits im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Ausführungen zur Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrags. Im Übrigen fehle es dem Auskunftsanspruch bereits an einer verfassungsrechtlichen Grundlage. Der hier einschlägige § 1 Abs. 1 VIG a.F. (§ 2 Abs. 1 VIG n.F.) sei unverhältnismäßig und daher verfassungswidrig. Es fehle eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die dort geregelten Informationsgewährungen. Die Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 VIG a.F. sei unbestimmt gewesen. Der Gesetzgeber habe nicht normiert, unter welchen Voraussetzungen von einem Verstoß im Sinne dieser Vorschrift auszugehen sei. Das Gebot der Normenklarheit sei verletzt. Jedenfalls verbiete sich eine Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 VIG a.F. dahingehend, dass der Auskunftsausspruch sich auch auf die nicht in einem Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren rechtskräftig festgestellten Verstöße erstrecken solle. Es gelte die Garantie der Unschuldsvermutung. Das Verbraucherinformationsgesetz verstoße auch gegen die verfassungsrechtlich gewährleistete Rechtsweggarantie und den Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Denn die Klägerin sei wegen der Beteiligung des Beigeladenen im Verfahren daran gehindert, ihre betroffenen Belange im Zusammenhang mit Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen und personenbezogenen Daten vorzutragen, geschweige denn den entsprechenden Vortrag unter Beweis zu stellen. Denn dadurch würden diese Belange dem Beigeladenen bekannt. Hinzuweisen sei zudem darauf, dass das Landratsamt über die vom Beigeladenen begehrten Informationen gar nicht verfüge. Jedenfalls seien behördliche Hinweise oder behördliche mündliche Belehrungen keine Verstöße oder Abweichungen im Sinne des Gesetzes. Auch würden durch die Erteilung der Informationen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Klägerin offenbart werden. Die Erteilung von Informationen in der beabsichtigten Art und Weise sei nicht möglich, ohne dass der Beigeladene Informationen über Organisation, Betriebsabläufe, von der Klägerin eingesetzte Techniken und Einzelheiten aus dem Produktionsprozess erlange. Des Weiteren scheide der Auskunftsanspruch aufgrund privater Belange der Klägerin sowie hinter der Klägerin stehender und am Verwaltungsverfahren beteiligter natürlicher Personen aus. Es würden gesetzeswidrig personenbezogene Daten veröffentlicht. Die Schriftstücke, die dem Beigeladenen in Kopie versandt werden sollen, enthielten die Firmenbezeichnung der Klägerin. Diese und auch die bei der Klägerin beschäftigten natürlichen Personen müssten damit rechnen, mit rufschädigenden Unterstellungen und Angriffen konfrontiert zu werden. Es habe bereits Drohungen und Sachbeschädigungen gegeben.
Auch der Widerspruchsbescheid sei rechtswidrig. Nach Art. 15 Abs. 3 Satz 2 AGVwGO würden § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 VwGO sowie sonstige abweichende Regelungen in anderen Gesetzen und Rechtsverordnungen unberührt bleiben. Hier gelte § 4 Abs. 4 VIG a.F., wonach im Falle einer Entscheidung über einen Antrag auf Informationszugang ein Vorverfahren auch dann stattfinde, wenn die Entscheidung von einer obersten Bundes- oder Landesbehörde erlassen worden sei. Hieraus ergebe sich, dass ein Widerspruchsverfahren durchgeführt werden könne. Diese Schlussfolgerung habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls in einer Entscheidung vom 5.8.2009 (Az. 11 CS 09.2081 <juris>) zu der inhaltsgleichen Regelung des § 55 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) gezogen.
Am 15.1.2013 hat der Berichterstatter den Beklagten aufgefordert, abstrakt zu beschreiben, welche Informationen dem Beigeladenen erteilt werden sollen. Sodann habe das Gericht aufgrund dieser Informationen über die Möglichkeit eines Beweisbeschlusses zur Aktenvorlage zu entscheiden.
Mit Schreiben vom 4.2.2013 beschrieb das Landratsamt Straubing-Bogen die Informationen, die dem Beigeladenen erteilten werden sollen, wie folgt:
- Feststellungen zu irreführenden Bezeichnungen von Produkten im Sinne von § 11 LFGB (Deklarationsmängel)
- Kontrollbericht zu Feststellungen von Mängeln in Bezug auf den baulichen Zustand sowie die Betriebs- und Prozesshygiene und die Dokumentation
- Anordnungen wegen der Feststellung von Mängeln
- Sanktionierungen nach dem OWiG
- Anwendung von Zwangsmitteln nach dem VwZVG zur Umsetzung getroffener Anordnungen
Am 19.3.2013 hat der Berichterstatter der zur Entscheidung berufenen Kammer folgenden Beweisbeschluss erlassen:
Zum Beweis dafür, dass die beim Beklagten vorliegenden und vom Beigeladenen begehrten Verbraucherinformationen schützenswerte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie schützenswerte personenbezogene Daten der Klägerin enthalten, ist Beweis zu erheben durch Vorlage des beim Landratsamt Straubing-Bogen befindlichen, die Verbraucherinformationen enthaltendenden Aktengehefts. Das Landratsamt hat das Aktengeheft ab dem 16.4.2013 vorzulegen.
Die Frage, ob die Akten des Landratsamts Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie personenbezogene Daten enthalten, die den Anspruch des Beigeladenen ausschließen (vgl. § 2 Satz 1 Nrn. 2 a) und 2 c) VIG a.F.) sei entscheidungserheblich, da die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin nicht greifen würden. Die bereits mitgeteilten €abstrakten€ Informationen würden als Entscheidungsgrundlage zur Prüfung dieser Frage nicht ausreichen. Ferner könne nur anhand der Akten geprüft werden, ob die vom Beklagten vorgenommenen Streichungen ausreichend seien, um personenbezogene Daten zu schützen.
Daraufhin beantragte die Klägerin die Durchführung eines Zwischenverfahrens gemäß § 99 Abs. 2 VwGO beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit der vom Verwaltungsgericht beschlossenen Aktenvorlage feststellen zu lassen.
Mit Beschluss vom 2.7.2013 (Az. G 13.1 <juris>) lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Antrag auf Entscheidung nach § 99 Abs. 2 VwGO ab. Der Antrag sei (derzeit) unzulässig, da das Gericht der Hauptsache die Beweiserheblichkeit der betreffenden Akten bejahen müsse. Erforderlich sei insoweit eine förmliche Verlautbarung der Kammer. Ein Beweisbeschluss des Berichterstatters genüge nicht. Deshalb fehle es an einem tauglichen Antragsgegenstand. Die im Beweisbeschluss angeforderten Unterlagen müssten nicht zwingend entscheidungserheblich für die Feststellung sein, wie weit der vom Beigeladenen geltend gemachte Informationsanspruch reiche und ob materielle Geheimhaltungsgründe des Fachrechts entgegenstehen. Dies gelte zunächst für die zwischen den Beteiligten streitigen Fragen in Bezug auf die Vereinbarkeit der Regelungen des Verbraucherinformationsgesetzes mit höherrangigem Recht. Ferner könne auch ohne Akten abstrakt entschieden werden, wie weit der Begriff €Versto߀ im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG a.F. auszulegen sei. Ähnliches gelte € bei einem weiten Verständnis des Begriffs €Versto߀ € für sich anschließende Folgefragen in Bezug auf einem Auskunftsanspruch entgegenstehende Belange. Diese Fragen seien zunächst durch den zuständigen Spruchkörper des Gerichts zu klären, gegebenenfalls nach weiterer Umschreibung der freigegebenen Auskünfte durch das Landratsamt und unter Differenzierung zwischen den streitigen Einzelinformationen. Hinsichtlich der Begründung im Übrigen wird auf den Inhalt des Beschlusses verwiesen.
Daraufhin betonte die Klägerin, dass die im streitgegenständlichen Aktengeheft enthaltenen Informationen Ordnungswidrigkeiten gegen Privatpersonen (Angestellte der Klägerin) betreffen und nicht solche gegen die Klägerin.
Gegen die Klägerin geführte Ordnungswidrigkeitenverfahren seien mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden, weshalb das Tatbestandsmerkmal des €Verstoßes€ für einen Informationsanspruch nicht erfüllt sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Bescheid des Landratsamtes Straubing-Bogen vom 20.6.2012 sowie den Widerspruchsbescheid der Regierung von Niederbayern vom 7.11.2012 aufzuheben und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Antrag des Beigeladenen sei nicht rechtsmissbräuchlich, da der Beigeladene theoretisch die Möglichkeit habe, über den Gefangeneneinkauf Produkte der Klägerin zu beziehen. Kontakte des Beigeladenen mit dem Verein P... seien insoweit für das Verfahren unerheblich, da ein Informationsaustausch unter Verbrauchern gesetzlich nicht verboten sei. Das VIG a.F. sei ersichtlich auch nicht verfassungswidrig. Verstöße im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 VIG a.F. beinhalteten nicht nur Verstöße gegen das Lebensmittelrecht, die im Rahmen eines Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren rechtskräftig festgestellt worden seien. Das Landratsamt verfüge auch über die begehrten Informationen. Schutzwürdige personenbezogene Daten würden unkenntlich gemacht. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Sinne von § 2 Satz 1 Nr. 2 c) VIG a.F. seien nach Auffassung des Landratsamtes nicht betroffen. Auch Art. 7 VO (EG) Nr. 882/2004 stehe der Informationsgewährung nicht entgegen.
Der Beigeladene hat sich ohne eigene förmliche Antragstellung geäußert. Er hat insbesondere mit Schreiben vom 5.7.2013 mitgeteilt, dass er nun in Sicherungsverwahrung in der JVA F... sitze und sich dort Lebensmittel zusenden lassen könne. Um eine informierte Kaufentscheidung im Hinblick auf die Produkte der Klägerin treffen zu können, benötige er die von ihm beantragten Informationen über die Klägerin.
Mit Schreiben vom 17.2.2014 hat das Landratsamt Straubing-Bogen die Dokumente, die in Kopie an den Beigeladenen weitergegeben werden sollen, nochmals in Form abstrakter Beschreibungen wie folgt präzisiert:
- 1 Strafanzeige
- 5 Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft
- 5 Bußgeldbescheide gegen Beschäftigte in Leitungsfunktion (zugehörig zu den 5 Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft nach Abgabe an das Landratsamt zur weiteren Verfolgung als Ordnungswidrigkeit) € jeweils rechtskräftig
- 1 Strafanzeige
- 1 Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft nach § 153 StPO (Begründung: geringe Schuld, Fahrlässigkeit)
- 2 Anordnungen zur Mängelbeseitigung mit Zwangsgeld (rechtskräftige Bescheide)
- 2 Zwangsgeldfestsetzungen
- 2 erneute Zwangsgeldandrohungen (rechtskräftige Bescheide)
- 1 Kontrollbericht der Spezialeinheit des Landesamts für Lebensmittelsicherheit und Gesundheit (LGL)
- 1 Anordnung zur Mängelbeseitigung mit Zwangsgeld (rechtskräftiger Bescheid) auf Basis des Kontrollgerichtes des LGL
- 1 Zwangsgeldfestsetzung
- 1 erneute Zwangsgeldandrohung (rechtskräftige Bescheide)
- 1 Bußgeldbescheid gegen einen Beschäftigten in Leitungsfunktion (rechtskräftiger Bescheid).
In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht die Sach- und Rechtslage unter Zugrundelegung der Beschreibung der Informationen durch das Landratsamt ausführlich erörtert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und hier insbesondere auf die Sitzungsniederschrift vom 20.2.2014 sowie auf die Akten des Beklagten, die dem Gericht vorgelegen haben, Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet, soweit der Beklagte beabsichtigt, dem Beigeladenen insgesamt sechs Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft, zwei vom Landratsamt erstattete Strafanzeigen sowie einen Kontrollbericht der Spezialeinheit des Landesamtes für Lebensmittelsicherheit und Gesundheit bekanntzugeben. Die Bekanntgabe dieser Informationen ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
1. Die zur Entscheidung berufene Kammer ist in der Lage, über die Klage zu entscheiden, ohne dass ihr der konkrete Akteninhalt der beim Landratsamt geführten und die Klägerin betreffenden Akten bekannt ist. Die aufgeworfenen Fragen können aufgrund der vorliegenden abstrakten Beschreibungen der Informationen, die nach Angaben des Beklagten an den Beigeladenen weitergegeben werden sollen, entschieden werden (vgl. dazu: BayVGH vom 2.7.2013, Az. G 13.1 <juris>).
2. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist es anerkannt, dass sich der maßgebliche Zeitpunkt der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes nicht nach dem Prozessrecht, sondern nach dem jeweiligen materiellen Recht richtet (BVerwG v. 14.12.1994, BVerwGE 97, 214). Danach ergibt sich für die Anfechtungsklage im Allgemeinen, dass die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich ist, es sei denn, das materielle Recht regelt etwas abweichendes (BVerwG vom 11.7.2011, Az. 8 C 12/10 <juris> sowie vom 28.7.1989, BVerwGE 82, 260). Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass das Verbraucherinformationsgesetz in der vom 15.12.2010 bis zum 31.8.2012 gültigen Fassung (VIG a.F.) anzuwenden ist; denn das Landratsamt gab dem Antrag vom 12.1.2012 am 20.6.2012 statt. Bereits am 23.7.2012 ließ die Klägerin Anfechtungsklage gegen den Bescheid erheben.
Keine Rolle spielt es nach Auffassung der Kammer dagegen, dass die Regierung von Niederbayern am 7.11.2012 € also bereits unter Geltung des novellierten Verbraucherinformationsgesetzes, das zum 1.9.2012 in Kraft getreten ist (vgl. BGBl I S. 476 ff.) € einen Widerspruchsbescheid erlassen hat. In diesem Zusammenhang ist einerseits zu bedenken, dass die Klage zu diesem Zeitpunkt bereits anhängig war. Vor allem aber hat die Regierung von Niederbayern im Widerspruchsverfahren keine Sachentscheidung getroffen, da sie den Widerspruch als unzulässig angesehen hat.
3. Rechtsgrundlage für den seitens der Klägerin angegriffenen Bescheid des Beklagten ist § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG a.F. Danach hat jeder nach Maßgabe des VIG a.F. Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten über Verstöße gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, gegen die aufgrund des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches erlassenen Rechtsverordnungen und gegen unmittelbar geltende Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs sowie Maßnahmen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit solchen Verstößen getroffen worden sind, die bei einer Stelle i.S.d. Abs. 2 unabhängig von der Art ihrer Speicherung vorhanden sind. Da es sich beim Landratsamt Straubing-Bogen um eine Stelle im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 VIG a.F. handelt, besteht ein entsprechender Informationsanspruch, wenn die beim Landratsamt vorliegenden Daten dem Informationsbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG a.F. unterfallen, der Beigeladene zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehört und dem Informationszugang weder öffentliche noch private Belange im Sinne des § 2 VIG a.F. entgegenstehen. Ferner ist ein Antrag auf Informationszugang nach § 3 Abs. 4 Satz 1 VIG a.F. abzulehnen, wenn der Antrag missbräuchlich gestellt ist.
a) Voraussetzung für den Anspruch auf Informationszugang ist damit zunächst, dass es sich um Informationen über lebensmittelrechtliche Verstöße handelt. Nach Auffassung der zur Entscheidung berufenen Kammer liegt ein Verstoß nicht erst dann vor, wenn die von den Behörden festgestellte Abweichung von lebensmittelrechtlichen Vorschriften in einem Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren geahndet worden ist. Mit dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Beschluss vom 22.12.2009, Az. G 09.1 <juris>) geht das Gericht davon aus, dass ein Verstoß gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) stets dann vorliegt, wenn ein Vorgang nicht mit den darin festgelegten Vorschriften in Einklang steht. Diese Auslegung entspricht der europarechtlichen Definition eines Verstoßes. Ein Verstoß ist danach €die Nichteinhaltung des Futtermittel- oder Lebensmittelrechts und der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz€ (VO-EG-Nr. 882/2004 vom 29.4.2004, Art. 2 Nr. 10). Eine Ahndung des Verstoßes in einem Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren wird damit nicht gefordert. Auch dem Verbraucherinformationsgesetz in der hier anwendbaren Fassung ist eine derartige Einschränkung nicht zu entnehmen. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG a.F. differenziert vielmehr zwischen Verstößen sowie Maßnahmen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit den Verstößen getroffen worden sind. Zu den Maßnahmen und Entscheidungen im Sinne dieser Vorschrift zählen u.a. auch die Einleitung von Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren. Ferner steht der mit dem Verbraucherinformationsgesetz bezweckte Verbraucherschutz der Einengung des Informationsanspruchs auf sanktionierte Verstöße entgegen (so ausdrücklich: BayVGH vom 22.12.2009, Az. G 09.1 <juris>; VGH BW vom 13.9.2010, NVwZ 2011, 443; Schulz in: PdK-Bund, § 2 VIG n. F. Nr. 5.1.2).
In einem nächsten Schritt stellt sich dann allerdings die Frage, ob bereits eine Abweichung eines Untersuchungsergebnisses von Rechtsvorschriften im Sinne einer auf naturwissenschaftlich-analytischen Erkenntnissen beruhenden Abweichung (sog. €Beanstandung€) für die Annahme eines Verstoßes ausreicht oder ob diese naturwissenschaftlich-analytische Feststellung noch einer juristisch-wertenden Einordnung durch die Überwachungsbehörde bedarf.
Nach Auffassung der entscheidenden Kammer ist letzteres der Fall. Ein Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften setzt nämlich notwendig eine Subsumtion der mit naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethoden gefundenen Erkenntnisse unter geltende Rechtsvorschriften voraus, wobei diese Subsumtion von der zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörde vorgenommen worden sein muss (so Schulz in: PdK-Bund, § 2 VIG n.F., Nr. 5.1.1). Gestützt wird dieses Ergebnis durch § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG n.F., wonach jetzt klargestellt ist, dass sich der Informationszugang auf von den nach Bundes- oder Landesrecht zuständigen Stellen festgestellte nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen des Lebensmittelrechts bezieht.
- Unter dem so verstandenen Begriff des Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften fallen somit nicht die sechs Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft, welche der Beklagte beabsichtigt an den Beigeladenen herauszugeben. Aufgabe der Staatsanwaltschaft ist allein die Strafverfolgung und nicht die Lebensmittelüberwachung, weshalb sie nicht die zur Feststellung von Verstößen gegen das Lebensmittelrecht zuständige Behörde i.S.d. VIG a.F. ist. Für ihren Zuständigkeitsbereich hat die Staatsanwaltschaft darüber hinaus gerade zum Ausdruck gebracht, dass ein sanktionierungswürdiges Fehlverhalten der Klägerin nicht vorliegt.
- Auch auf die vom Landratsamt erstatteten zwei Strafanzeigen erstreckt sich der Anspruch auf Informationszugang nicht. Das Landratsamt hat insoweit in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, die Strafanzeigen hätten sich auf Produkte im Sinne des Lebensmittelrechts bezogen. Im Ergebnis handelt es sich damit bei den Strafanzeigen grundsätzlich um Maßnahmen, die das Landratsamt aufgrund eines Verstoßes ergriffen hat. Das Landratsamt war aufgrund seiner juristischen Bewertung des Sachverhalts nämlich der Auffassung, dass ein strafrechtlich ahndungswürdiger Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften vorlag.
Diese Einschätzung hat sich jedoch als falsch erwiesen, da € wie sich in der mündlichen Verhandlung ergeben hat € die Verfahren durch die Staatsanwaltschaft eingestellt worden sind. Zum Teil wurden die Verstöße dann jedoch durch das Landratsamt im Wege eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens weiterverfolgt. Aus Sicht der entscheidenden Kammer ist es daher nur geboten, dem Beigeladenen den Inhalt der vom Landratsamt erlassenen Bußgeldbescheide zugänglich zu machen. Aufgrund der Einstellungsverfügungen durch die Staatsanwaltschaft wurde nämlich letztlich eine Neubewertung der lebensmittelrechtlichen Verstöße durch das Landratsamt erforderlich. Die Bewertung durch das Landratsamt, wonach eine ahndungswürdige Straftat im Raum stand, erwies sich aufgrund der Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft als unzutreffend. Nimmt man in diesem Zusammenhang die Vorschrift des § 5 Abs. 3 Satz 2 VIG a.F. in den Blick, so folgt daraus nach Auffassung der Kammer, dass der Inhalt der Strafanzeige nicht an den Beigeladenen weiter gegeben werden darf. Nach der genannten Vorschrift muss die informationspflichtige Stelle nämlich ihr bekannte Hinweise auf Zweifel an der Richtigkeit bestimmter Informationen dem Antragsteller mitteilen. Hieraus folgt, dass erfolglos verlaufende Strafanzeigen nicht der Auskunftspflicht unterfallen; denn letztendlich hat sich die Beurteilung der Lebensmittelüberwachungsbehörde, wonach ein strafrechtlich ahndungswürdiges Fehlverhalten vorliegt, nicht bestätigt. Damit bestehen aber nicht nur Zweifel im Hinblick auf die €Richtigkeit€ der Strafanzeigen, sondern es steht nunmehr sogar fest, dass eine Strafverfolgung nicht erfolgt und dass mithin strafwürdiges Fehlverhalten nicht gegeben war. In einem derartigen Fall ist das Schutzbedürfnis des betroffenen Unternehmens bzw. der von der Strafanzeige betroffenen Personen höher einzustufen als das Interesse an der Erlangung der Information über die Einleitung eines (erfolglos verlaufenen) Strafverfahrens. Eine wesentliche Beeinträchtigung der Rechte des antragstellenden Verbrauchers wird dadurch nicht hervorgerufen, da € wie der vorliegende Fall zeigt € die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde nach einer Neubeurteilung des Sachverhalts erneut zum Ergebnis gelangen kann, dass ein lebensmittelrechtlicher Verstoß vorliegt, der Maßnahmen € wie etwa ein Ordnungswidrigkeitenverfahren € nach sich ziehen kann. Auf die dann von der zuständigen Behörde ergriffenen Maßnahmen erstreckt sich der Anspruch auf Informationszugang. Allerdings wird so vermieden, dass durch die dann zugänglich gemachte Information der Eindruck erweckt wird, es habe ein strafbares Verhalten vorgelegen, was der Fall wäre, wenn die erfolglos verlaufene Strafanzeige dem Anspruch auf Informationszugang unterfallen würde.
- Zuletzt wird auch der Kontrollbericht der Spezialeinheit des Landesamtes für Lebensmittelsicherheit und Gesundheit nicht vom Anspruch auf Informationsgewährung umfasst. Diesbezüglich hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, der Kontrollbericht sei unter alleiniger Verantwortung des LGL erstellt worden. Er basiere auf einer gemeinsamen Kontrolle des Landratsamts Straubing Bogen und des LGL. Aufgrund des Kontrollberichts sei dann seitens des Landratsamts eine Anordnung zur Mängelbeseitigung erlassen worden, deren Herausgabe an den Beigeladenen ebenfalls beabsichtigt sei. Hier wird deutlich, dass der Kontrollbericht des LGL lediglich eine Bestandsaufnahme der anlässlich der Kontrolle vorgefundenen Situation darstellt. Eine juristische Bewertung durch die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde € also durch das Landratsamt Straubing-Bogen € enthält er nicht. Diese juristische Bewertung wurde erst im Rahmen der Anordnung zur Mängelbeseitigung durchgeführt, weshalb nur der Inhalt dieser Anordnung vom Anspruch des Beigeladenen auf Informationsgewährung umfasst wird.
- Die übrigen Informationen, welche der Beklagte beabsichtigt, an den Beigeladenen herauszugeben, unterfallen dem Begriff des Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften. Dies gilt unzweifelhaft für die insgesamt 6 Bußgeldbescheide gegen leitende Beschäftigte der Klägerin. Deren Inhalt würde auch unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Klägerin einen Verstoß darstellen. Darüber hinaus unterfallen auch die drei Anordnungen zur Mängelbeseitigung dem Informationsanspruch. Es handelt sich hierbei um Maßnahmen, die aufgrund von der zuständigen Stelle festgestellter Verstöße, die den Anordnungen zugrunde liegen, getroffen worden sind. Entsprechendes gilt für drei Zwangsgeldfestsetzungen (gemeint sind wohl Zwangsgeldfälligstellungen) sowie für die drei Zwangsgeldandrohungen, deren Inhalt an den Beigeladenen weiter gegeben werden soll.
b) Der Beigeladene gehört nach Auffassung der Kammer auch zum Personenkreis, der einen Anspruch auf die begehrten Verbraucherinformationen hat. Insoweit ist schon fraglich, ob ein um Informationen nachsuchender Antragsteller tatsächlich die Möglichkeit haben muss, das Lebensmittel, über welches er Informationen begehrt, käuflich zu erwerben, wie dies der Beklagte meint. Allein der Gesetzeswortlaut legt dies jedenfalls nicht nahe; denn eine potenzielle Erwerbsmöglichkeit wird im Verbraucherinformationsgesetz nicht gefordert. Vielmehr hat nach § 1 Abs. 1 Satz 1 VIG a.F. €jeder€ nach Maßgabe des Gesetzes Anspruch auf Informationszugang. Gleichwohl liegt es nahe, ein irgendwie geartetes Rechtsschutzbedürfnis eines um Informationszugang nachsuchenden Antragstellers zu fordern. Das Gericht brauchte dem jedoch nicht weiter nachzugehen, da € wie der Beklagte dargelegt hat € der Beigeladene bereits zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses theoretisch die Möglichkeit hatte, Produkte der Klägerin in der JVA B... über den Gefangeneneinkauf zu erwerben. Er war somit bereits zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses ein potenzieller Verbraucher, weshalb ihm ein Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden kann.
c) Der Anspruch auf Informationszugang ist auch nicht wegen entgegenstehender öffentlicher (§ 2 Satz 1 Nr. 1 VIG a.F.) oder privater Belange (§ 2 Satz 1 Nr. 2 VIG a.F.) ausgeschlossen.
- Die Klägerin hat insoweit zunächst vorgetragen, dass dem Informationsanspruch der öffentliche Belang des § 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) VIG a.F. entgegenstehe. Danach besteht der Informationsanspruch nicht, während der Dauer eines Verwaltungsverfahrens, wobei bestimmte Verwaltungsverfahren ausgenommen sind. Vorliegend ist jedoch nicht ersichtlich, dass ein derartiges Verfahren noch im Gang ist. Auch in der mündlichen Verhandlung hat sich diesbezüglich nichts ergeben.
- Dem Informationsanspruch steht auch nicht der private Belang des § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) VIG a.F. entgegen. Danach besteht der Informationsanspruch nicht, soweit Zugang zu personenbezogenen Daten beantragt wird, es sei denn, das Informationsinteresse der Verbraucherin oder des Verbrauchers überwiegt das schutzwürdige Interesse der oder des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs oder die oder der Dritte hat eingewilligt. Hinsichtlich der Definition der personenbezogenen Daten kann mangels besonderer Regelungen im Verbraucherinformationsgesetz auf die Definition des § 3 Abs. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) zurückgegriffen werden. Danach sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Hierzu gehören u.a. der Name, die Adresse, Telefonnummern, Bankdaten, aber auch Angaben über körperliche Merkmale wie Größe, Gewicht, Haarfarbe und geistige Zustände, wie Einstellungen, Motive, Wünsche sowie politische, religiöse und sexuelle Einstellungen oder Präferenzen (vgl. Schulz in: PdK Bund, § 3 VIG n.F., Nr. 5 unter Hinweis auf Semitis, § 3 BDSG, Rd.Nrn. 4 ff.). Derartige personenbezogene Daten beabsichtigt der Beklagte aber auch nicht, an den Beigeladenen herauszugeben. Vielmehr ist im streitgegenständlichen Bescheid ausdrücklich bestimmt, dass solche Daten vor der Herausgabe der Information an den Beigeladenen unkenntlich gemacht werden.
- Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht auf den entgegenstehenden privaten Belang des § 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) VIG a.F. berufen. Danach steht dem Anspruch auf Zugang zu Informationen ein privater Belang entgegen, soweit durch die begehrten Informationen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse oder sonstige wettbewerbsrelevante Informationen, die in ihrer Bedeutung für den Betrieb mit einem Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vergleichbar sind, offenbart würden. Allerdings bestimmt § 2 Satz 3 VIG a.F. ausdrücklich, dass Informationen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG a.F. € also Informationen über Verstöße gegen das Lebensmittelrecht € nicht unter einen privaten Belang im eben beschriebenen Sinn subsumiert werden können. Der Gesetzgeber geht damit davon aus, dass Verstöße gegen das Lebensmittelrecht per se keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse sein können. Deshalb kommt es auch nicht entscheidungserheblich darauf an, ob aus den an den Beigeladenen weiterzugebenden Informationen relevante Rückschlüsse auf bestimmte Produktionsmethoden oder -vorgänge gezogen werden können, wie dies von der Klägerin vorgetragen wird.
d) Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin handelt es sich auch nicht um einen missbräuchlich gestellten Antrag des Beigeladenen im Sinne des § 3 Abs. 4 VIG a.F. Hiernach ist ein missbräuchlich gestellter Antrag abzulehnen, wobei ein solcher Antrag insbesondere gegeben ist, wenn der Antragsteller über die begehrten Informationen bereits verfügt. Eine missbräuchliche Antragstellung kann nach Auffassung der Kammer nicht aus der Tatsache hergeleitet werden, dass der Antragsteller die von ihm erlangten Informationen gegebenenfalls beabsichtigt, an Dritte weiterzugeben. Einerseits entspricht es gerade der Zielsetzung des Verbraucherinformationsgesetzes, dass Verbraucherinformationen transparent gemacht werden. Deshalb kann die informationspflichtige Stelle nach § 5 Abs. 1 Satz 2 VIG a.F. (jetzt: § 6 Abs. 1 Satz 2 VIG n.F.) einen Informationszugang sogar ohne Antrag gewähren, indem sie die Informationen im Internet oder auf sonstige Weise öffentlich zugänglich macht. Daraus folgt, dass jedenfalls eine unverfälschte Weitergabe der erlangten Informationen nicht missbräuchlich sein kann.
Die Klägerin macht in diesem Zusammenhang geltend, dass der Beigeladene ihrer Auffassung nach beabsichtige, die ihm gewährten Informationen in rufschädigender Weise der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Hier schwingt die Befürchtung mit, der Beigeladene könnte die erhaltenen Informationen verkürzt, verfälscht oder in sonstiger Weise manipuliert publizieren, um den Ruf der Klägerin zu schädigen. Diesbezüglich ist jedoch darauf hinzuweisen, dass eine manipulierte Weitergabe der erhaltenen Informationen unter Umständen zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche auslösen sowie zu strafrechtliche Konsequenzen führen kann. Im Verfahren auf Informationsgewährung nach dem Verbraucherinformationsgesetz kann aber nicht von vorne herein unterstellt werden, dass ein Antragsteller beabsichtigt, die erhaltenen Informationen zu manipulieren, um dem betroffenen Lebensmittelunternehmen Schaden zuzufügen.
4. Das Gericht hat schließlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die hier anwendbaren Regelungen des Verbraucherinformationsgesetzes in der bis zum 31.8.2012 geltenden Fassung.
a) Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Gesetzes, welches insoweit einen grundsätzlich freien Zugang zu Informationen gewährt, liegt darin, dass eine Stärkung der eigenverantwortlichen Kaufentscheidungen von Verbraucherinnen und Verbrauchern ermöglicht werden soll. § 1 VIG n.F. führt nunmehr ausdrücklich aus, dass durch die Verbraucherinformationen der Markt transparenter gestaltet und hierdurch der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor gesundheitsschädlichen oder sonst unsicheren Erzeugnissen und Verbraucherprodukten sowie vor Täuschung beim Verkehr mit Erzeugnissen und Verbraucherprodukten verbessert werden soll.
b) Die Regelungen des Verbraucherinformationsgesetzes verstoßen nach Auffassung des Gerichts nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da das Gesetz sowohl die Interessen der Verbraucher an größtmöglicher Transparenz als auch die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmer in angemessenem Umfang berücksichtigt (ebenso VG Ansbach vom 9.6.2011, Az. AN 16 K 10.2612 <juris>). Im Interesse der betroffenen Unternehmer enthält das Gesetz in § 2 eine Reihe von Ausschluss- und Beschränkungsgründen, bei deren Vorliegen ein Informationsanspruch nicht besteht.
c) Auch vermag die Kammer keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG zu erkennen; denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 26.6.2002, BVerfGE 105, 252) schützt Art. 12 Abs. 1 GG nicht vor der Verbreitung von inhaltlich zutreffenden und unter Beachtung des Gebots der Sachlichkeit sowie mit angemessener Zurückhaltung formulierten Informationen durch einen Träger hoheitlicher Gewalt. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber auch eine zeitliche Beschränkung in das Verbraucherschutzgesetz aufgenommen hat. Nach § 3 Satz 1 Nr. 1 e) VIG a.F. besteht der Informationsanspruch wegen entgegenstehender öffentlicher Belange bei Informationen der vorliegenden Art in der Regel nicht, bei Informationen, die vor mehr als fünf Jahren seit der Antragstellung entstanden sind.
d) Soweit die Klägerin vortragen lässt, es verstoße gegen die verfassungsrechtlich gewährleistete Rechtsweggarantie und den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, wenn sie wegen der Beteiligung des Beigeladenen im Verfahren daran gehindert sei, ihre betroffenen Belange in Zusammenhang mit Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen und personenbezogenen Daten vorzutragen, geschweige den entsprechenden Vortrag unter Beweis zu stellen, so ist auf § 4 Abs. 1 Satz 1 VIG a.F. hinzuweisen. Danach gibt die zuständige Behörde Dritten, deren Belange durch den Antrag auf Informationszugang betroffen sind, vor ihrer Entscheidung über die Gewährung des Informationszugangs schriftlich Gelegenheit zur Stellungnahme, was vorliegend auch geschehen ist. Im Rahmen dieser Stellungnahme konnte die Klägerin ihre Einwände gegen eine Weitergabe der Informationen geltend machen. Darüber hinaus kann der betroffene Dritte gegen die Gewährung des Informationszugangs € wie vorliegend geschehen € Anfechtungsklage erheben. Im gerichtlichen Verfahren besteht dann die Möglichkeit der Durchführung eines Zwischenverfahrens, sofern das zur Entscheidung berufene Verwaltungsgericht die Beiziehung der die Informationen enthaltenden Akten für seine Entscheidung über den Anspruch auf Informationszugang für erforderlich hält.
5. Ferner vermag das Gericht auch keine Europarechtswidrigkeit des Verbraucherinformationsgesetzes in der hier anwendbaren Fassung zu erkennen. Insoweit ist darauf zu verweisen, dass sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 22. Dezember 2009 (Az. G 09.2 <juris>) mit maßgeblichen Aspekten der Vereinbarkeit des Verbraucherinformationsgesetzes in der hier anwendbaren Fassung mit dem Gemeinschaftsrecht auseinandergesetzt und keinen Verstoß erkannt hat.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Darüber hinaus war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären. Entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung im angegriffenen Bescheid und der Auffassung der Regierung von Niederbayern im Widerspruchsbescheid war ein Widerspruchsverfahren statthaft. Zwar wurde in Bayern das Widerspruchsverfahren durch Art. 15 Abs. 1 und 2 AGVwGO in weiten Bereichen abgeschafft. Nur in den Art. 15 Abs. 1 AGVwGO bezeichneten Rechtsgebieten ist noch ein fakultatives Widerspruchsverfahren möglich. Andererseits bestimmt aber Art. 15 Abs. 3 Satz 2 AGVwGO ausdrücklich, dass sonstige abweichende Regelungen in anderen Gesetzes und Rechtsverordnungen unberührt bleiben. Um eine solche abweichende Regelung handelt es sich bei der bundesrechtlichen Vorschrift des § 4 Abs. 4 Satz 1 VIG a.F. Danach findet im Fall einer Entscheidung über den Antrag auf Informationszugang ein Vorverfahren auch dann statt, wenn die Entscheidung von einer obersten Bundes- oder Landesbehörde erlassen worden ist. Durch das Wort €auch€ brachte der Gesetzgeber seinen Willen zum Ausdruck, dass auf dem Gebiet des Verbraucherinformationsgesetzes ein Widerspruchsverfahren unabhängig davon stattfinden soll, auf welcher Stufe im Verwaltungsaufbau die Behörde angesiedelt ist, die den anzufechtenden Verwaltungsakt erlassen hat oder die zum Erlass eines Verwaltungsakts verpflichtet werden soll. Hat der Bundesgesetzgeber in einem Fachgesetz aber festgelegt, dass auf einem bestimmten Rechtgebiet ausnahmslos jeder Verwaltungsakt der Nachprüfung in einem Vorverfahren zugeführt werden soll, so liegt eine Regelung im Sinne des Art. 15 Abs. 3 Satz 2 AGVwGO vor, die durch die Abschaffung des Widerspruchsverfahren auf Landesebene nicht berührt wird (so: BayVGH vom 22.12.2009, Az. 11 CS 09.2081 <juris> zur vergleichbaren Vorschrift des § 55 PBefG; VG Giesen vom 13.11.2007, Az. 6 G 44/07 <juris>).
Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, ist er kein Kostenrisiko eingegangen (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Deshalb hat er seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen, da es in diesem Fall unbillig wäre, diese dem Kläger aufzuerlegen, §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO.
7. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
Da der Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwerts bietet, hat die Kammer den Regelstreitwert festgesetzt, § 52 Abs. 2 GKG.
VG Regensburg:
Urteil v. 20.02.2014
Az: RN 5 K 12.1115
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