Oberlandesgericht Stuttgart:
Beschluss vom 18. Februar 2015
Aktenzeichen: 20 W 8/14
(OLG Stuttgart: Beschluss v. 18.02.2015, Az.: 20 W 8/14)
1. Auch nach der Neuregelung des Spruchverfahrensrechts durch das FGG-Reformgesetz ist eine Zwischenentscheidung über die Zulässigkeit des Spruchverfahrens analog § 280 ZPO zulässig.
2. Gegen die erstinstanzliche Zwischenentscheidung über die Zulässigkeit des Spruchverfahrens ist die Beschwerde nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft.
3. Ein Spruchverfahren betreffend ein im Rahmen eines Delisting abgegebenes Abfindungsangebot ist nicht statthaft. Dies gilt auch für vor der Entscheidung des BGH vom 08.10.2013 (ZIP 2013, 2254 - Frosta) eingeleitete Spruchverfahren.
Anträge auf Durchführung eines derartigen Spruchverfahrens sind deshalb auch dann als unzulässig zu verwerfen, wenn die Anträge vor der Entscheidung des BGH vom 08.10.2013 (ZIP 2013, 2254 - Frosta) gestellt wurden.
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Zwischenbeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 20.10.2014 über die Zulässigkeit des Spruchverfahrens (Az. 31 O 27/13 KfH SpruchG) aufgehoben.
2. Die Anträge auf Festsetzung einer angemessenen Barabfindung werden als unzulässig verworfen.
3. Die Antragsgegnerin trägt die Gerichtskosten beider Instanzen. Die Antragsteller und die Antragsgegnerin tragen in beiden Instanzen jeweils ihre eigenen außergerichtlichen Kosten.
4. Der Geschäftswert wird für beide Instanzen auf 200.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller des Spruchverfahrens begehren als Minderheitsaktionäre der X AG, E., die Festsetzung einer angemessenen Barabfindung wegen Verlustes der Börsenzulassung der Aktien am regulierten Markt (Delisting). Die Y Beteiligungsgesellschaft mbH (zwischenzeitlich verschmolzen auf die X AG) als Mehrheitsaktionärin hatte den Aktionären im Anhang der Einladung zu der Hauptversammlung vom 21.05.2012, bei der über den Rückzug der Gesellschaft von der Börse entschieden werden sollte, ein Angebot zum Kauf ihrer Aktien an der X AG zum Preis von 5,36 Euro je Aktie mit einer Annahmefrist von zwei Monaten ab Veröffentlichung des Widerrufs unterbreitet (Anlage AG 2, Bl. 222). Die Hauptversammlung der X AG beschloss am 21.05.2012, dass ihr Vorstand ermächtigt wird, den Antrag auf Widerruf der Zulassung der Aktien der Gesellschaft zum regulierten Markt der ... Wertpapierbörse zu stellen. Der Widerruf wurde am 06.09.2012 wirksam.
Der erste Antrag in dem Spruchverfahren ging am 04.07.2012 ein. Das Spruchverfahren richtet sich gegen die Y Beteiligungsgesellschaft mbH, die zwischenzeitlich auf die X AG verschmolzen wurde, weshalb das Rubrum entsprechend zu berichtigen war. Am 08.10.2013 entschied der Bundesgerichtshof unter Aufgabe der Grundsätze der Macrotron-Entscheidung vom 25.11.2002 (II ZR 133/01, ZIP 2003, 387), dass die Aktionäre bei einem Widerruf der Zulassung einer Aktie zum Handel im regulierten Markt auf Veranlassung der Gesellschaft keinen Anspruch auf eine Barabfindung haben (II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254 € Frosta).
Die Parteien streiten um die Frage, ob das Spruchverfahren durch diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs unzulässig geworden ist.
Das Landgericht Stuttgart hat mit Zwischenbeschluss vom 20.10.2014, Az. 31 O 27/13 KfH SpruchG, entschieden, dass das Spruchverfahren zulässig sei.
Die Entscheidung des BGH vom 08.10.2013 habe keine rückwirkende Kraft. Für das laufende Spruchverfahren gelte weiterhin die Macrotron-Entscheidung des BGH. Der BGH habe seine Rechtsprechung in Form einer richterlichen Rechtsfortbildung geändert. In der Macrotron-Entscheidung habe der BGH im Wege richterlicher Rechtsfortbildung die Pflicht zur Abgabe eines Erwerbsangebots einschließlich dessen Überprüfung im Spruchverfahren statuiert. Dieser Rechtsfortbildung sei nach Auffassung des BGH durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.07.2012 die Grundlage entzogen worden, weshalb der BGH sie aufgegeben habe. Hierdurch sei die durch Richterrecht geschaffene Pflicht zur Abgabe eines Erwerbsangebots entfallen. Es könne dahinstehen, ob eine echte oder eine unechte Rückwirkung vorliege, denn in beiden Fällen sprächen überwiegende Gründe des Vertrauensschutzes der antragstellenden Minderheitsaktionäre gegen eine Rückwirkung. Die Antragsteller hätten im Vertrauen auf den Fortbestand der Macrotron-Entscheidung den Weg der Nichtannahme des Pflichtangebots gewählt, weil sie davon ausgegangen seien, das Barangebot auf seine Angemessenheit durch ein gerichtliches Spruchverfahren überprüfen lassen zu können. Dem gegenüber hätten die X AG und die Antragsgegnerin kein schutzwürdiges Vertrauen darin, dass die Macrotron-Rechtsprechung aufgehoben würde. Die Interessen der Antragsteller würden deshalb überwiegen. Auch öffentliche Interessen würden keine Rückwirkung gebieten. Die Kammer räume deshalb der Rechtssicherheit den gewichtigeren Rang ein als der Einzelfallgerechtigkeit.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss des Landgerichts verwiesen.
Gegen die Zwischenentscheidung wendet sich die Antragsgegnerin, die hiergegen entsprechend der dem Beschluss angefügten Rechtsmittelbelehrung sofortige Beschwerde eingelegt hat.
Das Landgericht übersehe, dass die Frosta-Entscheidung des Bundesgerichtshofs bereits den Vertrauensschutz verneine. Der Bundesgerichtshof habe in der Entscheidung festgestellt, dass die Antragsteller in Spruchverfahren nicht auf die Macrotron-Entscheidung vertrauen dürften. Er habe den Antragstellern in dem von ihm entschiedenen Verfahren gerade keinen Vertrauensschutz gewährt und die Wirkung der Entscheidung gerade nicht auf künftige Spruchverfahren beschränkt. Dem entsprechend könne auch hier kein Vertrauensschutz gewährt werden, weil dies zu einem willkürlichen Ergebnis € kein Vertrauensschutz im Frosta-Verfahren, Vertrauensschutz dagegen im vorliegenden Verfahren € führen würde.
Zutreffend habe das Landgericht München I mit Beschluss vom 28.05.2014 einen Vertrauensschutz verneint. Die im angegriffenen Beschluss vorgebrachten Überlegungen zu einem Vertrauensschutz griffen dagegen nicht durch. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen sei ausschließlich der Schluss der mündlichen Verhandlung. Da eine analoge Anwendung des Spruchverfahrensgesetzes in Delisting-Fällen nicht mehr in Betracht komme, sei das Spruchverfahren kein statthafter Rechtsbehelf mehr.
Unzutreffend gehe das Landgericht davon aus, dass die Frage der Rückwirkung einer Rechtsprechungsänderung sich grundsätzlich nach den Regeln der Rückwirkung für Gesetze richte. Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof stellten dagegen Gesetzes- und Rechtsprechungsänderungen gerade nicht gleich. Rechtsprechungsänderungen wirkten vielmehr grundsätzlich ab sofort. Eine geänderte Rechtsprechung sei grundsätzlich auf alle zur Entscheidung anstehenden Fälle anzuwenden, sofern das erkennende Gericht nicht ausnahmsweise eine Übergangslösung wähle. Die deutlich geringeren Anforderungen gegenüber Gesetzesrückwirkungen ergäben sich daraus, dass höchstrichterliche Rechtsprechung € auch richterliche Rechtsfortbildung € kein Gesetzesrecht sei. Prozessbeteiligte könnten deshalb von vornherein nicht darauf vertrauen, dass ein Gericht eine bestimmte Rechtsauffassung vertrete und stets an ihr festgehalten werde. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG komme nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur in Betracht, wenn die Änderung der Rechtsprechung willkürlich sei. Nur dann seien Vertrauensschutzgesichtspunkte überhaupt zu prüfen. Hier liege schon keine willkürliche Rechtsprechungsänderung vor. Zudem sei kein relevanter Vertrauenstatbestand entstanden. Die Macrotron-Rechtsprechung sei keine besonders gefestigte und langjährige Rechtsprechung. Ein besonderer Vertrauensschutz der Antragsteller, denen es um eine mögliche Optimierung ihrer Finanzen, nicht aber um eine Existenzbedrohung ging, sei nicht geboten.
Die Antragsteller halten dem gegenüber die Beschwerde teilweise bereits für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet und die Entscheidung des Landgerichts für zutreffend. Sie verweisen überwiegend zur Begründung auf die Gründe der landgerichtlichen Entscheidung. Mehrere Antragsteller sind der Auffassung, dass das Spruchverfahren im Hinblick auf § 39 Abs. 2 Satz 2 BörsG iVm § 46 BörsO der ... Wertpapierbörse statthaft sein müsse, weil auf Grund der Verkürzung der Widerrufsfrist von 6 Monaten auf 3 Monate (Bl. 1434) der Schutz der Aktionäre nur durch ein Spruchverfahren gewahrt sei. Der Bundesgerichtshof habe in der Frosta-Entscheidung ausgeführt, dass der Schutz der Anleger dann nicht hinter dem Schutz durch ein Barabfindungsangebot zurückbleibe, wenn der in § 39 Abs. 2 Satz 2 BörsG vorgesehene Schutz eingehalten werde. Der BGH stelle damit insbesondere auf die den Anlegern zur Verfügung stehende Zeit von sechs Monaten für die Entscheidung über eine Deinvestition ab. Die ... Wertpapierbörse habe dem entsprechend nach § 46 Abs. 2, 3 BörsO angeordnet, dass die Fristverkürzung nur unter der Maßgabe erfolge, dass die Höhe der Barabfindung im Spruchverfahren überprüft werde. Die Aktionäre hätten mit Einräumung einer Abfindung, die ausdrücklich unter das Diktat eines Spruchverfahrens gestellt worden sei, ein vollständiges Recht erworben, das ihnen nicht rückwirkend entzogen werde könne.
Zwei Antragsteller machen zudem geltend, dass auch die Antragsgegnerin immer von der Statthaftigkeit des Spruchverfahrens ausgegangen sei und erstmals mit Schriftsatz vom 15.11.2013, also über ein Jahr nach Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine angebliche Unzulässigkeit gerügt habe. Einige Antragsteller verweisen darauf, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des Spruchverfahrensgesetzes nur deshalb nicht auf das Delisting erweitert habe, weil dieses bereits gerichtlich so entschieden worden sei. Eine vom Gesetzgeber ausdrücklich bestätigte, gefestigte Rechtsprechung könne nicht mit Wirkung in die Vergangenheit widerrufen werden.
Der gemeinsame Vertreter hält die Entscheidung des Landgerichts für zutreffend. Er äußert zudem erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Jedenfalls sprächen überwiegende Gründe des Vertrauensschutzes für die Zulässigkeit der bereits eingeleiteten Spruchverfahren. Eine Vielzahl von Aktionären habe das Angebot nicht angenommen in dem Vertrauen, den Abfindungsbetrag gerichtlich überprüfen zu können. Zwischenzeitlich sei das Kaufangebot abgelaufen und die Aktionäre hätten keine Möglichkeit mehr, das Angebot anzunehmen. Der Sachverhalt sei mit dem Ablauf der Drei-Monats-Frist für die Aktionäre, die das Angebot nicht angenommen haben, abgeschlossen. Die Anwendung der geänderten Rechtsprechung stelle eine echte Rückwirkung dar, die verfassungsrechtlich unzulässig sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig (hierzu unter 1.) und begründet (hierzu unter 2.).
1.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist als einfache Beschwerde zu behandeln und als solche zulässig.
Nach überwiegender Ansicht ist jedenfalls in Spruchverfahren auch nach der Neuregelung des Verfahrensrechts durch das FGG-Reformgesetz (BGBl. I S. 2586, 2587) weiterhin eine Zwischenentscheidung über die Zulässigkeit des Spruchverfahrens zulässig und hiergegen die Beschwerde nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft (vgl. Spindler/Stilz/Drescher, AktG, 2. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 25; Bürgers/Körber/Ederle/Theusinger, AktG, 3. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 1; Kölner KommAktG/Wilske, 3. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 14; Schmidt/Lutter/Klöcker, AktG, 2. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 3; Lutter/Mennicke, UmwG, 5. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 5; Preuß, NZG 2009, 961, 965; Heidel/Krenek, AktG, 1. Aufl., § 11 SpruchG Rn. 7, der allerdings die sofortige Beschwerde nach §§ 567 ff. ZPO für statthaft hält; a. A.: Kölner KommAktG/Puskajler, 3. Aufl., § 11 SpruchG Rn. 8; zögerlich Emmerich/Habersack/Emmerich, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl., § 3 SpruchG Rn. 2a).
Der Senat teilt die Auffassung der überwiegenden Ansicht und hält jedenfalls in Spruchverfahren weiterhin die analoge Anwendung von § 280 ZPO für zutreffend. Die erstinstanzliche Zwischenentscheidung über die Zulässigkeit des Spruchverfahrens ist analog § 280 Abs. 2 ZPO in Betreff der Rechtsmittel als Endentscheidung anzusehen, so dass hiergegen die Beschwerde nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft ist.
Eine analoge Anwendung des § 280 ZPO auf das Spruchverfahren ist auch nach der Neuregelung des Verfahrensrechts durch das FGG-Reformgesetz zulässig und sachgerecht. Es liegen sowohl eine planwidrige Regelungslücke als auch eine vergleichbare Interessenlage vor:
Bis zum Inkrafttreten des FGG-Reformgesetzes am 1. September 2009 fand gegen Verfügungen des Gerichts erster Instanz nach § 19 Abs. 1 FGG a.F. die einfache Beschwerde statt. Als Verfügung im Sinne von § 19 Abs. 1 FGG a.F. wurden insbesondere auch Zwischenentscheidungen über die Zulässigkeit des Spruchverfahrens angesehen, die demnach nach allgemeiner Auffassung mit der einfachen Beschwerde nach § 19 Abs. 1 FGG a.F. anfechtbar waren (vgl. Spindler/Stilz//Drescher, AktG, 2. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 23 mN zur Rechtsprechung in FN 81; Simon/Simon, SpruchG, 1. Aufl., § 12 Rn. 5). Eine sofortige Beschwerde nach § 12 SpruchG a.F. war dagegen nur gegen die Endentscheidungen nach § 11 SpruchG, also die die Instanz abschließenden Entscheidungen über das Spruchverfahren, statthaft.
Durch das FGG-Reformgesetz wurde § 12 SpruchG dahingehend geändert, dass nunmehr die Beschwerde, nicht mehr die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidungen nach § 11 SpruchG gegeben ist. Weiterhin bezieht sich § 12 SpruchG grundsätzlich nur auf die Anfechtung der Endentscheidung nach § 11 SpruchG, nicht also auf Zwischenentscheidungen (allg. Ansicht, vgl. nur Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl., § 305 Anh. § 12 SpruchG Rn. 1). Die über § 17 FamFG anwendbare allgemeine Vorschrift über Beschwerden im FamFG, § 58 FamFG, regelt nunmehr, dass die Beschwerde nur gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen statthaft ist, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Nach § 58 Abs. 2 FamFG unterliegen auch die nicht selbständig anfechtbaren Entscheidungen, die der Endentscheidung vorausgegangen sind, der Beurteilung durch das Beschwerdegericht.
Das FamFG enthält an verschiedenen Stellen Sondervorschriften für Zwischenentscheidungen, die mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind (vgl. mit entsprechender Auflistung der geregelten Fälle: Musielak/Borth, FamFG, 4. Aufl., § 58 Rn. 2; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 18. Aufl. § 58 Rn. 93). Grundsätzlich kann eine Zwischenentscheidung nach der Intention des Gesetzgebers in anderen als diesen ausdrücklich geregelten Fällen nicht isoliert angefochten werden (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 203). Sinn der Regelung ist es insbesondere, ein geordnetes und zügiges Verfahren bis zur Hauptsachenentscheidung zu ermöglichen, was durch die Möglichkeit, jede Zwischenentscheidung, die nur der Vorbereitung dieser Hauptsachentscheidung dient, anzufechten, verhindert würde (vgl. MünchKomm FamFG/Fischer, 2. Aufl., § 58 Rn. 49). Dem entsprechend wurden in der Rechtsprechung seit Inkrafttreten des FamFG Beschwerden in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gegen Zwischenentscheidungen für unzulässig gehalten, weil sie nicht ausdrücklich zugelassen waren (vgl. BGH XII ZB 227/10, NJW-RR 2011, 577 für die Abgabeentscheidung nach §§ 4 S. 1, 273 S. 1 FamFG; OLG Frankfurt 21 W 29/11, AG 2012, 42 für die Entscheidung über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nach § 6 Abs. 1 SpruchG; OLG Düsseldorf I-26 W 19/12 (AktE), 26 W 19/12 (AktE), AG 2013, 226 für einen Beweisbeschluss und die Vorschussanforderung in Spruchverfahren). Für zulässig erachtet wurde dagegen auf Grund der Besonderheiten der Entscheidung über die internationale Zuständigkeit die Beschwerde gegen eine Zwischenentscheidung über die internationale Zuständigkeit in einer Familiensache (OLG Stuttgart 17 UF 60/14, BeckRS 2014, 09719).
Für Zwischenentscheidungen über die Zulässigkeit enthält das FamFG keine gesonderte Regelung. Nach allgemeiner Ansicht ist in Familienstreitsachen über die allgemeine Verweisung in § 113 Abs. 1 FamFG die Regelung des § 280 Abs. 2 ZPO analog anwendbar (vgl. OLG Oldenburg 4 WF 82/12, BeckRS 2012, 19151). Eine derartige allgemeine Verweisungsnorm fehlt für den sonstigen Anwendungsbereich des FamFG, insbesondere auch für Spruchverfahren. Dies schließt aber jedenfalls für Spruchverfahren eine analoge Anwendung von § 280 Abs. 2 ZPO nicht aus. Die Neuregelung des Verfahrensrechts der freiwilligen Gerichtsbarkeit steht nicht grundsätzlich einer analogen Heranziehung von Vorschriften des ZPO entgegen, vielmehr können die Vorschriften der ZPO insbesondere in echten Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit wie dem Spruchverfahren auch weiterhin zur Schließung bestehender Regelungslücken herangezogen werden, sofern das FamFG bzw. die speziellen Verfahrensvorschriften wie das SpruchG keine Regelung enthalten und die Grundsätze des Verfahrensrechts der freiwilligen Gerichtsbarkeit dem nicht entgegenstehen (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 18. Aufl., § 1 Rn. 36; MünchKomm FamFG/Ulrici, 2. Aufl., Vorbemerkung zu §§ 23 ff. Rn. 4; für das Spruchverfahren: Spindler/Stilz/Drescher, AktG, 2. Aufl., § 17 SpruchG Rn. 2; Preuß, NZG 2009, 961).
Diese Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 280 ZPO liegen jedenfalls für das Spruchverfahren vor. Weder besteht eine ausdrückliche Regelung diesbezüglich in FamFG oder Spruchverfahrensgesetz, noch sind die Regelungen des FamFG und des Spruchverfahrensgesetzes insoweit abschließend und schließen nach ihren Grundsätzen eine derartige Analogie aus. Im Gegenteil ergibt sich aus der Begründung des Gesetzgebers zur Neuregelung des § 58 FamFG, dass der Gesetzgeber die bisherige Anfechtbarkeit von Zwischen- und Nebenentscheidungen entsprechend dem damals geltenden Recht regeln wollte und durch die Neuregelungen einen Beitrag zur Vereinheitlichung der Prozessordnungen leisten wollte (BT-Drucks. 16/6308, S. 166 und S. 203). Die Änderungen des Beschwerderechts im Spruchverfahren werden in der Gesetzesbegründung nur als Folgeänderungen bezeichnet (BT-Drucks. 16/6308, S. 330). Dafür, dass der Gesetzgeber die bisherige unstreitige Zulässigkeit einer Zwischenentscheidung über die Zulässigkeit eines Spruchverfahrens und die bisher unstreitig statthafte Beschwerde hiergegen ändern wollte, bestehen demnach keine Anhaltspunkte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass insoweit gerade keine Änderung der bestehenden Rechtslage bewirkt werden sollte. Anders als bei den sonstigen Zwischenentscheidungen, die aus Gründen der Verfahrensökonomie nicht selbständig anfechtbar sein sollen, hat die Zwischenentscheidung über die Zulässigkeit einen eigenen Regelungsgehalt im Hinblick auf die Hauptsache, indem über einen Teil des Verfahrens mit Auswirkung auf die Hauptsachentscheidung abschließend, wenn auch nicht verfahrensabschließend, entschieden wird. Insoweit kommen die Argumente, die einen Ausschluss der Beschwerde gegen Zwischenentscheidungen stützen, hier nicht zum Tragen. Deshalb wird auch für echte Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit insgesamt eine analoge Anwendung von § 280 ZPO befürwortet (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 18. Aufl., § 38 Rn. 7; Bork/Jakoby/Schwab/Elzer, FamFG, 2. Aufl., § 38 Rn. 3.), jedenfalls aber für das Spruchverfahren, das als Randgebiet nicht im Fokus des Gesetzgebers des FGG-Reformgesetzes stand (ebenso Preuß, NZG 2009, 961; KölnerKommAktG/Wilske, 3. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 14).
Auch die für eine Analogiebildung erforderliche vergleichbare Interessenlage liegt vor. Ebenso wie im Zivilprozess besteht auch in Spruchverfahren als echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein Bedürfnis für Zwischenentscheidungen über die Zulässigkeit. Die Streitigkeit über Zulässigkeitsfragen, insbesondere auch über die Statthaftigkeit des Spruchverfahrens, ist mit den entsprechenden Streitigkeiten in Zivilprozessen vergleichbar. Gerade die Prüfung der Begründetheit von Spruchverfahren sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Begründetheit sind häufig zeit- und kostenintensiv und in vielen Fällen mit Kosten eines Sachverständigen oder zumindest des sachverständigen Prüfers verbunden. Es wäre deshalb auch in Spruchverfahren nicht prozessökonomisch, erst eine Entscheidungsreife bezüglich der Begründetheit herbeizuführen, um dann im Beschwerdeverfahren auch über die Statthaftigkeit des Spruchverfahrens zu entscheiden, ggf. mit dem Ergebnis, dass das Spruchverfahren bereits unzulässig ist.
§ 280 ZPO ist mithin analog anwendbar. Dies führt dazu, dass die Entscheidung über die Zulässigkeit in Betreff auf Rechtsmittel als Endentscheidung anzusehen ist und somit die Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG statthaft ist. Eine Anwendung der Regelungen über die sofortige Beschwerde nach §§ 567 ff. ZPO scheidet dagegen aus, auch wenn das FamFG bei den Vorschriften, die ausnahmsweise ein Rechtsmittel gegen Zwischenentscheidungen vorsehen, auf diese Vorschriften über die sofortige Beschwerde verweist. Die Zivilprozessordnung orientiert sich für Zwischenentscheidungen über die Zulässigkeit an den Rechtsmitteln, die gegen die Endentscheidung statthaft sind. Diese Wertung gilt mithin auch bei einer analogen Heranziehung des § 280 ZPO (ebenso: Spindler/Stilz/Drescher, AktG, 2. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 25; Bürgers/Körber/Ederle/Theusinger, AktG, 3. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 1; Kölner KommAktG/Wilske, 3. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 14; Schmidt/Lutter/Klöcker, AktG, 2. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 3; Lutter/Mennicke, UmwG, 5. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 5; Preuß, NZG 2009, 961, 965; a. A. Heidel/Krenek, AktG, 1. Aufl., § 11 SpruchG Rn. 7, der die sofortige Beschwerde nach §§ 567 ff. ZPO für statthaft hält).
Die € entsprechend der Rechtsmittelbelehrung € eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin kann als einfache Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG ausgelegt werden, da davon auszugehen ist, dass die Antragstellerin das statthafte Rechtsmittel einlegen wollte und zudem für die einfache Beschwerde eine längere Frist von 1 Monat gilt, die die Antragsgegnerin mit Einlegung ihrer sofortigen Beschwerde eingehalten hat.
2.
Die Beschwerde ist begründet.
Die Anträge der Antragsteller auf Durchführung eines Spruchverfahrens im Hinblick auf das Abfindungsangebot der Antragsgegnerin an die Aktionäre der X Aktiengesellschaft vom 10.04.2012 (AG 2) sind unzulässig und deshalb zu verwerfen.
Ein Spruchverfahren betreffend dieses im Rahmen eines Delisting abgegebene Abfindungsangebot ist nicht statthaft. In Übereinstimmung mit der ganz überwiegend vertretenen Auffassung hält der Senat die Heranziehung der Frosta-Rechtsprechung auch für laufende Spruchverfahren für zulässig und geboten (vgl. OLG München 31 Wx 292/14, ZIP 2015, 270; OLG Düsseldorf I-26 W 20/12, ZIP 2015, 123; LG München I 5 HK O 19239/07, ZIP 2014, 1429; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl., § 305 Anh. § 1 SpruchG Rn. 7; Glienke/Röder, BB 2014, 899, 905; Roßkopf, ZGR 2014, 487, 502; Arnold/Rothenburg, DStR 2014, 150, 155; Schockenhoff, ZIP 2013, 2429; Linnerz, EWiR 2014, 709; Paschos/Klaaßen, AG 2014, 33; Bungert/Wettich, EWiR 2014, 3; Wieneke, NZG 2014, 22; a. A. Lochner/Schmitz, AG 2014, 489, 491 f.)
a.
Die Zulässigkeit des Antrags auf Durchführung eines Spruchverfahrens ist von Amts wegen und in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (vgl. OLG München 31 Wx 292/14, ZIP 2015, 270; Spindler/Stilz/Drescher, AktG, 2. Aufl., § 10 SpruchG Rn. 5; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl., § 305 Anh. § 10 SpruchG Rn. 8). Die Zulässigkeitsvoraussetzungen sind nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen nach dem Stand im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. bei Verfahren ohne mündliche Verhandlung im Zeitpunkt der Entscheidung zu beurteilen (vgl. für alle MünchKomm ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl., vor § 253 Rn. 16; für das Spruchverfahren: OLG München 31 Wx 292/14, ZIP 2015, 270; Glienke/Röder, BB 2014, 899, 904). Vor diesem Hintergrund greift auch der Einwand von Antragstellerseite, die Zulässigkeitsrüge sei nach §§ 7 Abs. 2, 9 Abs. 3 SpruchG präkludiert, nicht.
Unter Berücksichtigung der nach Verfahrenseinleitung ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 08.10.2013 (II ZB 26/12, ZIP 2013, 2254 € Frosta), der der Senat folgt, ist das Spruchverfahren im Hinblick auf das Abfindungsangebot der Antragsgegnerin wegen des Delisting der X AG nicht statthaft.
Gesetzlich geregelt ist die Anwendung des Spruchverfahrensrechts für die Fälle des Delisting nicht. § 1 SpruchG zählt das Delisting nicht als mögliche Anwendungsfallgruppe auf und es existiert keine normative Grundlage, die für das Delisting auf das Spruchverfahrensgesetz verweist. Über die gesetzlich geregelten Anwendungsfälle hinaus kommt allerdings die analoge Anwendung der Bestimmungen über das Spruchverfahren in Betracht (vgl. Kölner KommAktG/Wasmann, 3. Aufl., § 1 SpruchG Rn. 16 f. mN; Hoffmann, Festschrift für Stilz, 2014, S. 267, 268 ff.). Die entsprechende Anwendung des Spruchverfahrensgesetzes auf die Fälle des Delisting hatte der Bundesgerichtshof in der Macrotron-Entscheidung (II ZR 133/01, ZIP 2003, 387) bejaht vor dem Hintergrund, dass nach dieser Entscheidung den Minderheitsaktionären mit dem Beschlussantrag über ein Delisting ein Pflichtangebot über den Kauf ihrer Aktien zum Anteilswert vorgelegt werden musste. Die analoge Anwendung des Spruchverfahrensgesetzes war die konsequente Folge hieraus, dient das Spruchverfahren doch gerade der Überprüfung eines Pflichtangebots auf Abfindung oder Ausgleich auf dessen Angemessenheit.
Die Grundlage für die analoge Anwendung des Spruchverfahrensrechts auf das Delisting ist bei Zugrundelegung der Frosta-Rechtsprechung entfallen. Der Senat folgt dieser Entscheidung und deren Begründung. Bedarf ein Delisting hiernach weder eines Hauptversammlungsbeschlusses noch eines Pflichtangebots an die außenstehenden Aktionäre, besteht auch kein Angebot mehr, das im Wege des Spruchverfahrens zu überprüfen ist, so dass keine eine Analogie rechtfertigende vergleichbare Sachlage zu den sonstigen Strukturmaßnahmen, auf die das Spruchverfahren Anwendung findet, gegeben ist.b.
Auch die Überprüfung des von der Antragsgegnerin bereits vor Aufgabe der Macrotron-Entscheidung abgegebenen Angebots im Spruchverfahren scheidet aus. Das Angebot wurde € wie sich aus der Angebotsunterlage (AG 2) ergibt € zwar im Hinblick auf die Macrotron-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgegeben. Auf diese Rechtsprechung und das dort aufgestellte Erfordernis eines Pflichtangebots wird auf Seite 2 des Abfindungsangebots hingewiesen und ausgeführt, dass es sich um ein solches Angebot handelt. Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, war das Angebot schon von vornherein nicht erforderlich. Dies ist auch für die Beurteilung der vergangenen Sachverhalte heranzuziehen mit der Folge, dass die noch unter Geltung der ursprünglichen Rechtsprechung abgegebenen Pflichtangebote als freiwillige Angebote zu behandeln sind (vgl. Roßkopf, ZGR 2014, 488, 502).
Wird die in der Frosta-Entscheidung vertretene Auffassung € wie von dem Senat € geteilt, so ist sie auf alle nicht abgeschlossenen Fälle anzuwenden. Es handelt sich bei der Frosta-Entscheidung nicht um eine Gesetzesänderung für die Zukunft, sondern um eine Rechtsprechungsänderung. Entgegen der von Antragstellerseite vorgetragenen Auffassung läge auch dann kein Gesetzesrecht vor, wenn der Gesetzgeber die bisherige Rechtsprechung ausdrücklich gebilligt haben sollte. Abgesehen davon ergibt sich aus dem Gesetzgebungsverfahren zur Novellierung des Umwandlungsgesetzes, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf die noch offene Diskussion zum Delisting gerade keine gesetzliche Regelung hierzu treffen wollte: In dem Gesetzgebungsverfahren wurde eine Erweiterung des § 1 SpruchG um das Delisting abgelehnt, weil der Gesetzgeber keine vorschnelle Antwort auf die noch nicht abgeschlossene Diskussion in Wissenschaft und Praxis über die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Delisting geben wollte (BT-Drucks. 16/2919, S. 28).
Verfassungsrechtliche Gründe und Vertrauensschutzgesichtspunkte auf Seiten der Antragsteller stehen der Heranziehung der Frosta-Rechtsprechung für den vorliegenden Fall nicht entgegen.
Auch wenn der Entscheidung des BGH selbst € entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin € für die Frage ihrer rückwirkenden Anwendung auf Delisting-Fälle keine Aussage entnommen werden kann, weil die Entscheidung zu einem Downgrading und gerade nicht zu einem Delisting erging, ergibt sich die Anwendbarkeit der Entscheidung auf laufende Spruchverfahren aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen.
Höchstrichterliche Rechtsprechung ist kein Gesetzesrecht und erzeugt damit keine vergleichbare Rechtsbindung. Das Abweichen der Rechtsprechung von einer früher vertretenen Rechtsauffassung verstößt grundsätzlich nicht gegen Art. 20 Abs. 3 GG. Es bedarf nicht des Nachweises, dass sich tatsächliche Verhältnisse oder allgemeine Anschauungen in einer bestimmten Weise geändert hätten. Gerichtliche Entscheidungen wirken regelmäßig auf einen in der Vergangenheit liegenden, noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt ein. Diese sogenannte unechte Rückwirkung ist grundsätzlich rechtlich unbedenklich. Die Regeln über die Begrenzung rückwirkender Änderungen von Gesetzen können auf die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht ohne weiteres übertragen werden (BGH IX ZR 153/95, juris Rn. 25 mN zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; vgl. BVerfG 2 BvR 2044/07, juris Rn. 85 € Rügeverkrümmung; BVerfG 1 BvR 1557/01, juris Rn. 9 € Diplomchemiker jeweils mwN). Die Änderung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes grundsätzlich dann unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält (BVerfG 2 BvR 2044/07, juris Rn. 85 mwN).
Schranken der Rückwirkung können sich allenfalls aus Vertrauensschutzgesichtspunkten bei gefestigter langjähriger Rechtsprechung ergeben (vgl. BVerfGE 126, 369, juris Rn. 79 mwN), wenn die von der Rückwirkung betroffene Partei mit der Fortgeltung der bisherigen Rechtslage rechnen durfte und dieses Interesse bei einer Abwägung mit den Belangen der Gegenpartei und den Anliegen der Allgemeinheit vorrangig ist. Bei der hiernach zu treffenden Abwägung ist zu beachten, dass die materielle Gerechtigkeit einen dem Grundsatz der Rechtssicherheit mindestens ebenbürtigen Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips begründet (BGH IX ZR 153/95, juris Rn. 26 mN zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; BVerfG 1 BvR 2378/10, juris Rn. 50: Unechte Rückwirkung nur ausnahmsweise unzulässig, wenn kein angemessener Ausgleich zwischen dem Vertrauen auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage, der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für die Allgemeinheit und der grundrechtsgemäßen Ausgewogenheit zwischen den Beteiligten des Arbeitsverhältnisses erfolgt). In privatrechtlichen Streitigkeiten hat eine Partei grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass das Gericht nach dem geltenden materiellen Recht entscheidet und ihr ist es nur dann zuzumuten, ein ihr ungünstiges Urteil hinzunehmen, obwohl sie nach gegenwärtiger höchstrichterlicher Erkenntnis das Recht auf ihrer Seite hat, wenn die daraus für den Gegner erwachsenden Folgen unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes zu unbilligen, ihm nicht zumutbaren Härten führen würden (BGH, IX ZR 153/95, juris Rn. 27). Die unechte Rückwirkung durch eine Rechtsprechungsänderung wurde demnach in der Regel nur in Fällen eingeschränkt, wo es um den Fortbestand eines Dauerschuldverhältnisses ging und die Rückwirkung für den davon Betroffenen möglicherweise existenzbedrohende Auswirkungen hatte (so BGH, IX ZR 153/95, juris Rn. 28 mit Verweis u.a. auf BVerfGE 74, 129, juris Rn. 76 ff.; BGHZ 114, 127, 136 f.). Im Rahmen der Abwägung zwischen materieller Gerechtigkeit und Rechtssicherheit ist allerdings zu beachten, dass die durch Rechtsfortbildung aufgestellten Grundsätze dem Gesetzesrecht näher liegen als die reine Gesetzesanwendung, so dass bei einer rechtsfortbildenden Rechtsprechung dem Gedanken der Rechtssicherheit größeres Gewicht zukommt als bei einer rein rechtsanwendenden Rechtsprechung (vgl. Goette, Festschrift für Stilz, 2014, S. 159, 167).
Die Anwendung dieser Grundsätze führt in der vorliegenden Konstellation dazu, dass die aus Sicht des Senats zutreffende geänderte Rechtsauffassung zu den Voraussetzungen eines Delisting rückwirkend auch in den Fällen anzuwenden ist, in denen zwar über das Delisting bereits durch die Hauptversammlung beschlossen und dieses bereits durchgeführt wurde unter Abgabe eines Abfindungsangebots für die Aktien der Minderheitsaktionäre, das Verfahren insoweit aber noch nicht abgeschlossen ist, als ein Spruchverfahren zur Überprüfung der Angemessenheit der Höhe der Abfindung anhängig ist. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Macrotron-Entscheidung die Voraussetzungen für das Delisting nicht in Auslegung bestehenden Gesetzesrechts, sondern rechtsfortbildend aufstellte (vgl. Goette, Festschrift für Stilz, 2014, S. 159).
Entgegen der Auffassung einiger Antragsteller liegt keine echte Rückwirkung vor, sondern allenfalls eine zulässige unechte Rückwirkung (ebenso OLG München 31 Wx 292/14, ZIP 2015, 270). Die Anwendung der geänderten Rechtsprechung führt nicht dazu, dass ein bereits entstandener Anspruch der Antragsteller rückwirkend aufgehoben würde (a. A. mit nicht überzeugender Argumentation Lochner/Schmitz, AG 2014, 489, 491). Ein Anspruch der Aktionäre auf Zahlung der angebotenen Abfindung entsteht erst mit der Annahme des Abfindungsangebots. Soweit Aktionäre das Abfindungsangebot bereits angenommen haben, ist ein schuldrechtlicher Vertrag zwischen der Antragsgegnerin und diesen Aktionären zu Stande gekommen, dessen Wirksamkeit durch die geänderte Rechtsprechung nicht berührt wird (vgl. Arnold/Rothenburg, DStR 2014, 150, 154; Roßkopf, ZGR 2014, 487, 501 f. jeweils auch zutreffend mit Ablehnung eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage). Soweit Aktionäre aber € wie die Antragsteller € das Angebot nicht angenommen haben, ist auch kein Anspruch dieser Aktionäre gegen die Antragsgegnerin auf Übernahme ihrer Aktien gegen Zahlung des angebotenen Betrags entstanden, so dass kein bereits entstandener Anspruch berührt wird. Vielmehr war im Zeitpunkt der Rechtsprechungsänderung durch die Einleitung des Spruchverfahrens der Sachverhalt insoweit noch nicht abgeschlossen, als die Angemessenheit der Abfindung noch zu überprüfen und daraufhin die Entscheidung über die Annahme des ggf. erhöhten Abfindungsangebots zu treffen war.
Die Anwendung der neuen Rechtsprechung führt nunmehr dazu, dass das Angebot der Antragsgegnerin als freiwilliges Angebot zu werten ist, das mit Ablauf der Angebotsfrist entfiel, so dass die Antragsteller keine Möglichkeit mehr haben, die Angemessenheit der Abfindung überprüfen zu lassen. Ihnen wird die Chance auf eine Erhöhung des Angebots durch Entscheidung des Gerichts und auf ein Ausscheiden gegen die möglicherweise erhöhte Abfindung genommen. Die Antragsgegner bleiben vielmehr Aktionäre der X AG.
Eine echte Rückwirkung liegt € entgegen dem Vorbringen von Antragstellerseite und des gemeinsamen Vertreters € auch nicht deshalb vor, weil das Delisting mit dem Widerruf der Zulassung abgeschlossen ist und die Antragsteller das Angebot der Antragsgegnerin nicht mehr annehmen können. Die Änderung der Rechtsprechung wirkt sich auf die Wirksamkeit des abgeschlossenen Delisting nicht aus. Der Widerruf der Zulassung und dessen Wirksamkeit bleiben hiervon unberührt. Keine Veränderung ergibt sich auch insoweit, als das ursprüngliche Angebot der Antragsgegnerin von den Antragstellern nicht mehr angenommen werden kann, da dessen Annahmefrist abgelaufen ist. Auch insoweit wirkt die Rechtsprechungsänderung nicht rückwirkend auf einen abgeschlossenen Sachverhalt ein. Auswirkungen hat die Entscheidung aber insoweit, als den Antragstellern die Chance genommen wird, eine höhere Abfindung im Wege des Spruchverfahrens zu erreichen, und als ihnen möglicherweise auch die Möglichkeit genommen wird, das ursprüngliche Angebot nach Entscheidung über das Spruchverfahren doch noch anzunehmen. Dies greift aber gerade nicht in einen abgeschlossenen vergangenen Sachverhalt ein, sondern bezieht sich auf den durch die Einleitung des Spruchverfahrens offen gehaltenen Sachverhalt. Den Antragstellern werden ansonsten noch offene Chancen und Gestaltungsmöglichkeiten genommen, was bei der Prüfung der Zulässigkeit einer unechten Rückwirkung im Rahmen der Abwägung (hierzu unter cc) zu berücksichtigen ist.
Diese Folgen sind für die Antragssteller allerdings hinnehmbar und nicht unter Vertrauensschutzgesichtspunkten zu korrigieren. Die Voraussetzungen, unter denen eine Heranziehung der Rechtsprechungsänderung für laufende Verfahren abgelehnt werden könnte, liegen nicht vor. Es fehlt angesichts der bestehenden Diskussion zum Delisting und dessen Voraussetzungen bereits ein schützenswertes Vertrauen auf eine fortbestehende gefestigte Rechtsprechung (hierzu unter aa). Zudem war die Entscheidung des Bundesgerichtshofs sachlich gerechtfertigt, auf Grund der vorangegangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts folgerichtig und stellte keine willkürliche Rechtsprechungsänderung dar (hierzu unter bb). Letztlich entsteht den Antragstellern auch kein unzumutbarer Nachteil, der es rechtfertigen würde, von der Anwendung des nunmehr geltenden Rechts abzusehen (hierzu unter cc).
aa.
Es fehlt bereits ein schützenswertes Vertrauen in den Fortbestand der Macrotron-Rechtsprechung. Die Macrotron-Rechtsprechung stellt keine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung dar, auf die sich ein schützenswertes Vertrauen hätte gründen können (ebenso OLG München 31 Wx 292/14, ZIP 2015, 270).
Jedenfalls wenn eine Rechtsprechungslösung € nicht nur vereinzelt € angegriffen wird und umstritten ist und bleibt, kann sich kein schutzwürdiges Vertrauen in deren Fortbestand ergeben, da damit gerechnet werden muss, dass die Rechtsprechungslinie auf Grund dieser Kritik von dem Bundesgerichtshof überdacht wird (vgl. Goette, Festschrift für Stilz, 2014, S. 159, 168).
Dies ist hier der Fall. Die Macrotron-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war von vornherein umstritten (vgl. jeweils mit ausführlichen Nachweisen Kölner KommAktG/Wasmann, 1. Aufl., § 1 SpruchG Rn. 27 ff.; Roßkopf, ZGR 2014, 487, 493; Arnold/Rothenburg, DStR 2014, 150, 155). Der Bundesgerichtshof hatte in der Macrotron-Entscheidung in einem obiter dictum erklärt, dass die gravierenden wirtschaftlichen Nachteile durch den Wegfall des Marktes auch nicht durch die Einbeziehung der Aktien in den Freihandel ausgeglichen werden können (vgl. BGH II ZR 133/01, juris Rn. 24), was dafür spricht, dass nach seinen Vorstellungen auch das Downgrading denselben Voraussetzungen unterliegen sollte. Diese Rechtsprechung wurde durch die Oberlandesgerichte überwiegend insoweit nicht fortgesetzt, als diese eine Anwendung der Macrotron-Grundsätze für ein Downgrading in den Bereich der Qualitätssegmente des Freihandels, die allerdings erst nach der Macrotron-Entscheidung entstanden, verneinten (vgl. OLG München 31 Wx 62/07, BB 2008, 1303; KG 2 W 119/08, BB 2009, 1496; OLG Bremen 2 W 25/12, NZG 2013, 749; OLG Frankfurt 21 W 8/11, ZIP 2012, 371: obiter dictum). Diese Entscheidungen zeigten auf, dass die Macrotron-Rechtsprechung jedenfalls nicht für alle Fälle des Rückzugs von dem geregelten Markt Geltung hat und die gesamte Rechtsentwicklung im Bereich Delisting und Downgrading noch im Fluss war.
Der Gesetzgeber lehnte im Zuge der Novellierung des Umwandlungsgesetzes eine Erweiterung des § 1 SpruchG um das Delisting ab, weil er keine vorschnelle Antwort auf die noch nicht abgeschlossene Diskussion in Wissenschaft und Praxis über die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Delisting geben wolle (BT-Drucks. 16/2919, S. 28).
Die Rechtslage zu Delisting und Downgrading war demnach seit der Macrotron-Rechtsprechung nicht gefestigt, wenn sich auch die Praxis und die Instanzgerichte für den Bereich des Delisting hieran orientierten. Die Entwicklung war aber im Fluss und offensichtlich noch nicht abgeschlossen, so dass eine gefestigte Rechtsprechung, von deren dauerhaftem Fortbestand ausgegangen werden konnte und die ein schützenswertes Vertrauen erwecken konnte, nicht anzunehmen ist (ebenso OLG München 31 Wx 292/14, ZIP 2015, 270; Glienke/Röder, BB 2014, 899, 905; Roßkopf, ZGR 2014, 487, 502; Arnold/Rothenburg, DStR 2014, 150, 155; a. A. Lochner/Schmitz, AG 2014, 489, 491 f.). Schon deshalb bestehen gegen die Heranziehung der Frosta-Entscheidung für laufende Spruchverfahren keine Bedenken, vielmehr scheint diese geboten.
Die weitere Entwicklung bestätigt die fehlende Verfestigung der Macrotron-Rechtsprechung, ohne dass dies hier noch entscheidungserheblich wäre. So befasste sich das Bundesverfassungsgericht auf eine Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des OLG München (31 Wx 62/07) mit dem Downgrading in den qualifizierten Freiverkehr und auf eine Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des KG (2 W 14/06) mit dem Delisting, was allgemein bekannt und auch im Rahmen einer Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 16.12.2011 (PM Nr. 79/20119), in dem die mündliche Verhandlung angekündigt wurde, publik gemacht wurde. In diesen Verfahren ging es entscheidend um die Eigentumsverletzung durch den Rückzug von dem geregelten Markt und damit um die Grundlage der Macrotron-Rechtsprechung. Die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden erging am 11.07.2012 und war maßgeblicher Grund für die Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung die Rechtsfortbildung hinsichtlich der Voraussetzungen des Delisting für zulässig gehalten hat, hat es mit der Entscheidung, dass das Delisting keine Eigentumsverletzung darstelle, der Argumentation der Macrotron-Entscheidung die Grundlage entzogen.
bb.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs war zudem sachlich gerechtfertigt sowie auf Grund der vorangegangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts folgerichtig und stellte keine willkürliche Rechtsprechungsänderung dar.
Die Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gründet in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Delisting (1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE 132, 99), wonach der Widerruf der Börsenzulassung für den regulierten Markt auf Antrag des Emittenten den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts nicht berührt. Hierdurch wurde der Macrotron-Rechtsprechung die Grundlage entzogen, da sich diese maßgeblich auf den verfassungsrechtlichen Schutz des Aktieneigentums stützte. Der Bundesgerichtshof begründet seine Rechtsprechungsänderung deshalb folgerichtig mit Bezug auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BGH II ZB 26/12, juris Rn. 3). Eine willkürliche, den gebotenen Vertrauensschutz verletzende Rechtsprechungsänderung liegt somit nicht vor.
cc.
Schon auf Grund des fehlenden schutzwürdigen Vertrauens, zudem auch auf Grund der Willkürfreiheit der Rechtsprechungsänderung ist die Heranziehung der Frosta-Rechtsprechung für laufende Spruchverfahren bedenkenfrei. Auf eine Interessenabwägung kommt es somit nicht an. Nur ergänzend sei deshalb angemerkt, dass das Interesse der Antragsteller bei einer Abwägung mit den Belangen der Gegenpartei und den Anliegen der Allgemeinheit nicht überwiegen würde. Die aus der Anwendung der Rechtsprechungsänderung für die Antragsteller erwachsenden Folgen führen nicht zu unbilligen, ihnen nicht zumutbaren Härten.
Folge der rückwirkenden Anwendung der Rechtsprechungsänderung ist, dass die Antragsteller die Chance verlieren, die angebotene Abfindung gerichtlich überprüfen zu lassen und möglicherweise gegen eine höhere Abfindung als ursprünglich angeboten aus der Gesellschaft auszuscheiden. Der Verlust dieser Chance stellt keine unzumutbare Beeinträchtigung der Antragsteller dar, die im Verhältnis zu dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit und dem berechtigten Interesse der Antragsgegnerin, dem geltenden Recht entsprechend behandelt zu werden, überwiegen würde. Im Gegenteil beeinträchtigt der Wegfall der Chance zur Überprüfung des Angebots die Antragsteller nicht in geschützten Rechtspositionen, insbesondere nicht in ihrem Eigentumsrecht.
Folge der rückwirkenden Anwendung der Rechtsprechungsregeln ist weiter, dass die Antragsteller, die das nunmehr als freiwillig zu wertende Angebot auf Abfindung nicht angenommen haben, Aktionäre der X AG geblieben sind. Auch insoweit sind sie aber nicht gravierend in ihren Rechten verletzt. Ihnen ist die Rechtsposition verblieben, die sie vor Einleitung des Spruchverfahrens und auch vor dem Delisting hatten. Wie das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, beeinträchtigt der Wegfall der Zulassung zum regulierten Markt das Eigentumsrecht der Antragsteller nicht (vgl. 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08, BVerfGE132, 99). Eine grundrechtlich relevante Rechtsverletzung entsteht somit durch die rückwirkende Anwendung der Rechtsprechungsänderung nicht. Vielmehr bleibt ihnen ihr Eigentum in vollem Umfang erhalten, in Form der von ihnen selbst erworbenen Aktien. Keine für die aufgeworfene Frage entscheidende Beeinträchtigung stellt es dar, dass sie auf Grund der Rechtsprechungsänderung und der damit verbundenen Unzulässigkeit des Spruchverfahrens nicht mehr in der Lage sein dürften, das Angebot anzunehmen (hierzu LG Frankfurt 3-05 O 212/13, ZIP 2014, 320), während bei Statthaftigkeit des Spruchverfahrens auch ohne dessen Erfolg nach der Entscheidung über das Spruchverfahren noch Gelegenheit gewesen wäre, auch gegen Abfindung in ursprünglich angebotener Höhe aus der Gesellschaft auszuscheiden (zur Rechtskonstruktion diesbezüglich vgl. OLG Frankfurt 15 U 125/08, juris Rn. 23 ff.). Die Antragsteller hielten die angebotene Abfindung offensichtlich für zu niedrig, da sie diese ansonsten angenommen hätten. Ein Interesse ihrerseits an der Annahme dieses Angebots bestand somit grundsätzlich nicht, da sie € wie die Einleitung des Spruchverfahrens zeigt € der Auffassung waren, dass die angebotene Abfindung dem Wert ihrer Aktien nicht entspricht. Es beeinträchtigt die Antragsteller deshalb auch nicht in einer den geltend gemachten Vertrauensschutz rechtfertigenden Weise, wenn sie durch die Rechtsprechungsänderung nicht mehr in der Lage sind, dieses von ihnen für unangemessen gehaltene Angebot anzunehmen. Wäre es ihnen entscheidend darauf angekommen, aus der Gesellschaft auszuscheiden, und hätte dies ihrem Willen auch im Falle der Nichterhöhung durch das Spruchverfahren entsprochen, hätten sie dies sichern können, indem sie das Angebot nach Antragstellung im Spruchverfahren annahmen oder jedenfalls für alle Aktien bis auf eine Aktie annahmen. Hierdurch wäre ihnen sowohl die Durchführung des Spruchverfahrens und die Teilhabe an einer eventuellen erhöhten Abfindung gesichert gewesen als auch das Ausscheiden aus der Gesellschaft jedenfalls zu dem angebotenen Betrag. Das Unterlassen dieser Sicherung zeigt auf, dass die Annahme des Angebots zu dem angebotenen Preis für die Antragsteller jedenfalls nicht entscheidend war.
Auch die Tatsache, dass die sechsmonatige Frist des § 45 Abs. 2 S. 3 der Börsenordnung der ... Wertpapierbörse für die Wirksamkeit des Widerrufs der Zulassung auf drei Monate verkürzt wurde, führt nicht zu einem überwiegenden Vertrauensschutz, der die Heranziehung der neuen Rechtsprechung für den vorliegenden Fall unzulässig machen würde. Zwar war Voraussetzung dieser Verkürzung nach § 45 Abs. 3 der Börsenordnung, dass den Aktionären ein Kaufangebot unterbreitet wird, dessen Höhe im Wege eines gesonderten Verfahrens (z.B. Spruchverfahren) überprüft werden kann. § 45 Abs. 3 der Börsenordnung der ... Wertpapierbörse greift damit offensichtlich die bisherige Macrotron-Rechtsprechung auf und hält eine kürzere Frist für die Wirksamkeit des Widerrufs für ausreichend, wenn die Aktionäre die Möglichkeit haben, die Aktien an die Emittentin bzw. den Großaktionär zu verkaufen und das Angebot auf Angemessenheit überprüft werden kann. Diese Voraussetzung ist bei Anwendung der geänderten Rechtsprechung insoweit nicht mehr gegeben, als das Kaufangebot nicht mehr im Wege des Spruchverfahren überprüft werden kann. Wäre dies bereits im Zeitpunkt des Widerrufs bekannt gewesen, wäre der Widerruf erst nach sechs Monaten wirksam geworden; die Antragsteller hätten demnach sechs Monate Zeit gehabt, über eine freiwillige Deinvestition zu entscheiden. Allerdings kann dabei auch nicht außer Acht gelassen werden, dass dann schon kein Kaufangebot seitens der Antragsgegnerin unterbreitet worden wäre, die Antragsgegnerin also von vornherein nur die Möglichkeit gehabt hätten, die Aktien binnen sechs Monaten € bis zur Wirksamkeit des Widerrufs € zu veräußern oder zu behalten. Durch das im Nachhinein betrachtet überobligatorische Angebot hatten die Aktionäre dagegen die Möglichkeit, das Angebot entsprechend der in der Angebotsunterlage angegebenen Frist bis zwei Monate nach Veröffentlichung der Widerrufsentscheidung anzunehmen (vgl. Angebotsunterlage AG 2) und damit als Verkaufspreis den nach Umsätzen gewichteten durchschnittlichen Börsenkurs der letzten drei Monate vor Bekanntgabe der Widerrufsabsicht zu erhalten (vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Wertes für das konkrete Angebot Angebotsunterlage AG 2, Seite 6). Sie hatten aber auch die Möglichkeit, binnen drei Monaten nach Veröffentlichung der Widerrufsentscheidung € also bis zum Wirksamwerden des Widerrufs - die Aktien über die Börse zu verkaufen. Indem die Antragsteller keine dieser Optionen wahrnahmen, zeigten sie, dass der Verkauf der Aktien zum Börsenkurs oder dem durchschnittlichen gewichteten Börsenkurs der vergangenen drei Monate für sie keine Option darstellte, sie vielmehr den Wert der Aktien höher schätzten als den erzielbaren Verkaufspreis. Die Beeinträchtigung der Antragsteller dadurch, dass sie auf Grund der im Nachhinein nicht mehr erfüllten Anforderungen des § 45 Abs. 3 der Börsenordnung der ... Wertpapierbörse nur drei und nicht sechs Monate Zeit hatten, über die freiwillige Deinvestition durch Verkauf über die Börse nachzudenken, stellt angesichts dessen keine gravierende Beeinträchtigung dar.
Sind demnach schon keine gewichtigen Interessen der Antragsteller berührt, die eine Rückwirkung für die Antragsteller als unzumutbar oder auch nur erheblich beeinträchtigend erscheinen lassen, führt dies zu einem Überwiegen der materiellen Gerechtigkeit und des Interesses der Antragsgegnerin, nach dem im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Recht behandelt zu werden.
c.
Ein vertraglicher Anspruch auf Durchführung eines Spruchverfahrens besteht nicht. Die Frage, ob ein Spruchverfahren statthaft ist, steht nicht zur Disposition der Parteien, sondern richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften über die Statthaftigkeit von Spruchverfahren (vgl. Spindler/Stilz/Drescher, AktG, 2. Aufl., § 1 SpruchG Rn. 30). Die Statthaftigkeit des Spruchverfahrens ergibt sich deshalb € entgegen der Auffassung einiger Antragsteller € weder daraus, dass die Antragsgegnerin selbst in ihrem Angebot auf das Spruchverfahren verwiesen hat, noch daraus, dass die X AG nach dem Vortrag einiger Antragsteller bei der Wertpapierbörse ... die Verkürzung der Frist für die Wirksamkeit des Widerrufs nach § 46 Abs. 3 der Börsenordnung für die ... Wertpapierbörse beantragt hat im Hinblick auf die Überprüfbarkeit des Angebots in einem Spruchverfahren. Da die Statthaftigkeit des Spruchverfahrens von Amts wegen zu prüfen ist, kann der Antragsgegnerin entgegen der Auffassung einiger Antragsteller auch nicht der Vorwurf des €venire contra factum proprium€ gemacht werden.
3.
Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Nach § 68 Abs. 3 FamFG bestimmt sich das Beschwerdeverfahren nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Ob im Beschwerdeverfahren eine mündliche Verhandlung durchzuführen ist, bestimmt sich somit grundsätzlich nach den Vorschriften des ersten Rechtszugs, ergänzt um die zusätzliche Möglichkeit des Absehens von einer mündlichen Verhandlung nach § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG (vgl. Prütting/Helms/Abramenko, FamFG, 3. Aufl., § 68 Rn. 26; Bork/Jacoby/Schwag/Müther, FamFG, 2. Aufl. § 68 Rn. 13). Wenn demnach schon in der ersten Instanz keine mündliche Verhandlung geboten war, ist sie dies auch in zweiter Instanz nicht. So liegt es hier. Nach § 8 Abs. 1 SpruchG soll das Gericht auf Grund mündlicher Verhandlung entscheiden. Eine Ausnahme wird allgemein und zu Recht angenommen, wenn nur über die Zulässigkeit der Anträge entschieden werden muss (vgl. Spindler/Stilz/Drescher, AktG, 2. Aufl., § 8 SpruchG Rn. 20; Bürgers/Körber/Ederle/Theusinger, AktG, 3. Aufl., § 8 SpruchG Rn. 1: wenn der Antrag offensichtlich unzulässig ist; KölnerKommAktG /Puszkajler, 3. Aufl., § 8 SpruchG Rn. 4: wenn kein zulässiger Antrag vorliegt; Schmidt/Lutter/Klöcker, AktG, 2. Aufl., § 8 SpruchG Rn. 1). Kann demnach eine Endentscheidung über das Spruchverfahren durch Zurückweisung der Anträge als unzulässig ohne mündliche Verhandlung ergehen, gilt dies erst recht für eine nicht verfahrensabschließende Zwischenentscheidung über die Zulässigkeit der Anträge. Aus § 280 Abs. 1 ZPO ergibt sich nichts anderes. Zwar ist in Verfahren nach der ZPO über die Zulässigkeit des Verfahrens bei beabsichtigter Zwischenentscheidung hierüber regelmäßig mündlich zu verhandeln (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 280 Rn. 4). Dies ist vor dem Hintergrund, dass auch über die Klage an sich € auch bei Abweisung als unzulässig € nur auf Grund mündlicher Verhandlung entschieden werden kann, zu verstehen. Für die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf das Spruchverfahren gilt dies nicht. Anders als in den Verfahren der Zivilprozessordnung können nach der Spezialvorschrift des § 8 SpruchG Anträge ohne mündliche Verhandlung als unzulässig zurückgewiesen werden, so dass dies auch für die die Zulässigkeit feststellende Zwischenentscheidung gelten muss.
Nachdem somit schon in erster Instanz zulässigerweise auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet wurde, ist auch in zweiter Instanz keine mündliche Verhandlung durchzuführen.
4.
Die Anträge der Antragsteller auf Durchführung eines Spruchverfahrens sind mithin unzulässig. Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg. Die Anträge sind als unzulässig zu verwerfen (vgl. BGH NJW 2008, 373, juris Rn. 17; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 280 Rn. 8).
5.
Die Antragsgegnerin hat die Gerichtskosten des Spruchverfahrens in beiden Instanzen zu tragen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 SpruchG a.F. für das erstinstanzliche Verfahren und § 23 Nr. 14 GNotKG für das Beschwerdeverfahren; zur Übergangsvorschrift vgl. § 134 GNotKG). Eine Billigkeitsentscheidung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 SpruchG a.F. bzw. § 15 Abs. 1 SpruchG n.F. zulasten der Antragsteller kommt nicht in Betracht. Hiernach können zwar die Gerichtskosten einem Antragsteller ausnahmsweise auferlegt werden, wenn sein Antrag bei einer Beurteilung ex ante offensichtlich von vornherein ohne Erfolgsaussichten war (vgl. BGH NZG 2012, 191, juris Rn. 23). Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor. Im Zeitpunkt der Antragstellung konnten die Antragsteller noch von der Zulässigkeit eines Spruchverfahrens ausgehen, so dass es nicht der Billigkeit entspräche, den Antragstellern die Kosten aufzuerlegen (so auch BGH, II ZB 26/12 € Frosta, juris Rn. 17).
Nach § 15 Abs. 4 SpruchG a.F. bzw. § 15 Abs. 2 SpruchG n.F. tragen die Antragsteller ihre außergerichtlichen Kosten grundsätzlich selbst, sofern nicht die Kostentragungspflicht des Antragsgegners der Billigkeit entspricht (vgl. Spindler/Stilz/Drescher, AktG, 2. Aufl., § 15 SpruchG Rn. 20). Der Senat hält es nicht für angezeigt, der Antragsgegnerin die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller aufzuerlegen. Die Antragsgegnerin hat in dem Verfahren Erfolg. Allein die Tatsache, dass dies auf einer Änderung der Rechtsprechung beruht, führt nicht dazu, dass sie die Kosten zu tragen hätte. Ob und inwieweit das Verfahren ohne die Rechtsprechungsänderung erfolgreich gewesen wäre, ist nicht absehbar. Angesichts dessen verbleibt es bei der grundsätzlichen Kostentragungspflicht der Antragssteller für ihre eigenen Kosten (so auch die Kostenentscheidung in BGH, II ZB 26/12 € Frosta).
Die entstandenen außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin können den Antragstellern nicht auferlegt werden, da eine Erstattung der Kosten des Antragsgegners in § 15 SpruchG nicht vorgesehen ist und § 15 SpruchG die Kostenerstattung für die außergerichtlichen Kosten abschließend regelt (vgl. BGH, NZG 2012, 191, juris Rn. 11 ff.).
6.
Da gegenüber der angebotenen Abfindung kein zusätzlicher Betrag festgesetzt wird, ist der Geschäftswert des Verfahrens für beide Instanzen mit 200.000 Euro anzusetzen (§ 15 Abs. 1 SpruchG).
7.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht (§ 79 Abs. 2 FamFG). Es entspricht € wie oben ausgeführt € nahezu einhelliger Auffassung, dass auf Grund der Änderung der Macrotron-Rechtsprechung bereits anhängige Spruchverfahren betreffend ein Delisting unzulässig werden. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage, also eine Rechtsfrage, zu der verschiedene Auffassungen vertreten werden und über die noch keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt, liegt demnach nicht vor. Eine vereinzelte andere Literaturauffassung ändert hieran nichts (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl,, § 543 Rn. 11). Gleiches gilt für die Frage der Zulässigkeit einer Zwischenentscheidung sowie einer dagegen gerichteten Beschwerde.
OLG Stuttgart:
Beschluss v. 18.02.2015
Az: 20 W 8/14
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