Oberlandesgericht Stuttgart:
Urteil vom 26. Juni 2008
Aktenzeichen: 7 U 15/08
(OLG Stuttgart: Urteil v. 26.06.2008, Az.: 7 U 15/08)
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 16.01.2008 (22 O 151/07) teilweise abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger Euro 11.293,94 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab 11.12.2007 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Berufung beider Kläger zurückgewiesen.
2. Für beide Instanzen gilt: Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Klägerin 27%, der Kläger 50% und die Beklagte 23%. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen diese 54%, die Beklagte 46%. Der Kläger trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert: bis Euro 25.000.-
Gründe
Die Parteien streiten um den Umfang des Deckungsschutzes aus einer Rechtsschutzversicherung.
Zwischen der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten bestand bis zum 31.12.2002 ein Mieter-Rechtsschutzversicherungsvertrag mit Geltung der ARB 1994 (Bl. 19/22 d.A.). Durch diesen Vertrag war der Ehemann der Klägerin, der Kläger mitversichert. Dieser ist Rechtsanwalt.
Mit ihrer Klage begehren die Kläger Zahlung in Bezug auf folgende Verfahren:
- AG Rheinberg 11 C 612/02, umgestellt auf 13 C 59/04
- LG Kleve 6 S 168/05
- AG Rheinberg 11 H 16/02
- AG Rheinberg 9/04 - LG Kleve 6 T 47/05
- AG Rheinberg 1/05 - LG Kleve 6 T 41/05
- AG Rheinberg 4/05 - LG Kleve 6 T 44/05
- AG Rheinberg 5/04 - LG Kleve 6 T 45/05
Sämtliche Verfahren betrafen Mängel des von beiden Klägern bewohnten Hauses. Die Verfahren wurden jeweils vom Kläger allein als Kläger/Antragsteller eingeleitet. Dieser vertrat sich dabei als Rechtsanwalt in den Verfahren selbst. In den beiden erstgenannten Verfahren (bei dem zweiten handelt es sich um das in der Berufungsinstanz fortgeführte erstgenannte Verfahren) wurde von den Prozessgegnern Widerklage auf Räumung erhoben, die zudem auf die Klägerin als Drittwiderbeklagte erstreckt wurde.
Im zeitlichen Zusammenhang mit der Erhebung der Klage bzw. des Antrags in den ersten 3 Verfahren hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Deckungszusagen K14 (= Bl. 173), K17 (= Bl. 176) und K15 (=Bl. 174) erteilt, auf die Bezug genommen wird. Die bezeichnete Widerklage ist von den Deckungszusagen nicht umfasst. Die Deckung für die weiteren Verfahren war Gegenstand des beigezogenen Verfahrens LG Stuttgart 22 O 298/05. Das dieses Verfahren abschließende Urteil, auf das Bezug genommen wird, verurteilte die Rechtsvorgängerin der Beklagten in eingeschränkter Weise zur Gewährung von Rechtsschutz.
Wegen der in den Verfahren ergangenen Kostengrundentscheidungen sowie den dort angefallenen Kosten wurden von den Parteien die Anlagen K2-K11, Bl. 303-316 und B6-B7 eingereicht. Die Beklagte hat auf die Forderungen der Kläger insgesamt Euro 6.379,04 geleistet.
Die Kläger machten nach Erweiterung und Umstellung sowie teilweiser Erledigungserklärung ihrer Klage geltend, sämtliche Ansprüche des Klägers seien an die Klägerin abgetreten worden. Des Weiteren sei diese ermächtigt worden, Rechte des Klägers im eigenen Namen einzuklagen. Um die Diskussion um die Frage der Aktivlegitimation abzukürzen sei der Kläger selbst dem Rechtsstreit beigetreten. Er sei mitversichert und könne daher alle Rechte aus dem Vertrag selbst geltend machen. Auch stünde ihm für die in eigener Sache geleistete Tätigkeit als Rechtsanwalt Vergütung zu. Dies ergebe sich aus § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO. Zudem könne sich die Beklagte auf Grund der in den streitgegenständlichen sowie in früheren Verfahren erteilten Deckungszusagen und Handhabungen nicht auf ein anderweitiges Verständnis ihrer Rechtsschutzbedingungen berufen. Seine Ehefrau, die Klägerin, sei ebenfalls Mieterin gewesen. Die Entscheidung, diese nicht als Klägerin bzw. Antragstellerin in die Verfahren einzubeziehen, sei lediglich prozesstaktisch motiviert gewesen, um diese als Zeugin zu haben. Für die Beratung mit dieser, deren Rechtsfälle es jeweils ebenfalls gewesen seien, sei daher sowohl eine Besprechungsgebühr als auch eine Erhöhungsgebühr gemäß BRAGO bzw. RVG angefallen. Ein Teil des Rechtsstreits habe sich erledigt, nachdem sich an Hand des Schriftverkehrs rekonstruieren habe lassen, dass die Beklagte insgesamt Euro 6.379,04 bezahlt habe. Die Verfahrenskosten bzgl. dieses erledigten Teiles habe die Beklagte zu bezahlen, weil diese durch falsche Angaben in ihren Schriftsätzen und dem Text ihrer Überweisungen in der Buchhaltung des Klägers Verwirrung verursacht habe.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin. Diese sei - mit Ausnahme der nicht von der Deckungszusage umfassten - Widerklage nicht Partei der rechtlichen Streitigkeiten gewesen. Eine Abtretung sei gemäß § 17 Abs. 7 ARB (94) ohne schriftliches Einverständnis der Beklagten unwirksam. Das Abtretungsverbot könne auch nicht durch eine Prozessstandschaft umgangen werden. Des Weiteren stünden dem Kläger auch keine Anwaltsgebühren für dessen Tätigkeit in eigenen Prozessen zu. Eine Besprechung mit der Klägerin, die eine Besprechungs- oder Erhöhungsgebühr rechtfertigen könnte, werde bestritten. Zudem wären die Kosten der Beweissicherungsverfahren nicht in der geltend gemachten Höhe entstanden, wenn der Kläger nur 1 an Stelle von 4 Beweisverfahren eingeleitet hätte.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dem Kläger stünden weder Anwaltsgebühren in eigener Sache, noch Erhöhungsgebühren, Besprechungsgebühren, Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder zu. In Bezug auf die restlichen, dem Kläger zustehenden Kosten ergäbe sich eine Überzahlung der Kläger.
Hiergegen richtet sich die die Berufung beider Kläger, die unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihre Klage weiterverfolgen. Sie beantragen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zu 1 und 2 als Gesamtgläubiger Euro 23.771,72 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz auf Euro 1.002.34 seit dem 05.01.2003, auf 2.429,22 seit dem 08.02.2003, auf Euro 3.216,44 seit dem 12.09.2005, auf Euro 21.402,31 seit dem 20.02.2007 und auf Euro 23.771,72 seit dem 05.04.2007 zu zahlen.
2. Der Rechtsstreit wird in Höhe eines Betrages von 6.379,04 gemäß Schriftsatz der Kläger vom 25.09.2007 in der Hauptsache für erledigt erklärt und insoweit beantragt, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreites aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Kläger kostenpflichtig zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Akten des Verfahrens LG Stuttgart 22 O 298/05 wurden beigezogen.
Der Senat hat am 05.06.2008 mündlich verhandelt. Die dem Urteil angefügte Berechnung war dabei auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Die Berufung beider Kläger ist zulässig. Während die Berufung des Klägers unbegründet ist, führt die Berufung der Klägerin teilweise zur Abänderung.
1. Die Berufung des Klägers ist unbegründet, da dieser zwar wohl einen Anspruch hat, in Bezug auf diesen jedoch nicht selbst verfügungsbefugt ist.
Die Klägerin ist Versicherungsnehmerin, der Kläger ist mitversicherte Person. Bei dieser Mitversicherung handelt es sich um eine typische "Versicherung für fremde Rechnung", die in den §§ 74 ff VVG geregelt ist (Buschbell/Hering, Handbuch Rechtsschutzversicherung, 3. Aufl., § 6, Rn. 115). Unabhängig davon, dass die Abtretung (vom Kläger an die Klägerin) wegen § 17 Abs. 7 ARB (94) wohl keine Wirksamkeit entfaltet, ist die Klägerin gemäß §§ 75 Abs. 2, 76 Abs. 1 VVG allein verfügungsbefugt und zur gerichtlichen Geltendmachung der Versicherungsforderung berechtigt. Von dieser der Klägerin zugewiesenen gesetzlichen Prozessstandschaft hat die Klägerin auch Gebrauch gemacht, indem sie selbst die streitgegenständlichen Ansprüche verfolgt.
Zweck der dem Versicherungsnehmer unter Anderem mit der Prozessstandschaft eingeräumten starken Stellung ist es, den Versicherer davor zu bewahren, sich mit einer Vielzahl von Personen auseinandersetzen zu müssen, die die Versicherungsleistung fordern (Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl. §§ 75, 76, Rn. 2). Mit § 75 Abs. 2 VVG soll vermieden werden, dass der Versicherer gleichzeitig und nebeneinander vom Versicherungsnehmer und vom Versicherten in Anspruch genommen werden kann (Römer aaO., Rn. 17). Damit wäre es unvereinbar, dem Kläger die Möglichkeit zu einer (hier allenfalls konkludent erteilten) Zustimmung einzuräumen, die Versicherungsforderung neben der Klägerin gerichtlich geltend zu machen. Eine vielmehr nur mögliche Zustimmung zur alleinigen Geltendmachung durch den Kläger i.S.v. § 75 Abs. 2 VVG ist nicht anzunehmen, da die Klägerin ihre Ansprüche selbst gerichtlich weiterverfolgen will.
2. Die Berufung der Klägerin ist teilweise begründet und führt insoweit zur Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung.
a. Die Klägerin ist berechtigt, Leistung zu verlangen. Zwar dürfte die Abtretung wegen § 17 Abs. 7 ARB (94) nicht wirksam geworden, die Klägerin also nicht Inhaberin der streitgegenständlichen Versicherungsforderung geworden sein. Inhaber des Leistungsanspruchs ist vielmehr nach wie vor der Kläger, in dessen Person der Versicherungsfall eingetreten (§ 75 Abs. 1 S. 1 VVG). Die Klägerin ist aber gemäß § 76 Abs. 1 VVG verfügungsbefugt, kann dessen Rechte also im eigenen Namen geltend machen.
Von der Frage der Aktivlegitimation zu trennen ist die Frage, an wen die Zahlung zu erfolgen hat. Grundsätzlich ergibt sich aus dem Recht zur Geltendmachung im eigenen Namen (§ 76 Abs. 1 VVG), dass die Klägerin grundsätzlich Zahlung an sich selbst als Versicherungsnehmerin verlangen könnte. § 76 Abs. 2 legt jedoch Fälle fest, in denen der Versicherungsnehmer an die Zustimmung des Versicherten gebunden sein soll. Hier hat die Klägerin Zahlung an beide Kläger als Gesamtgläubiger beantragt, ihre Stellung gegenüber dem materiell berechtigten Kläger insoweit also freiwillig zurückgenommen. Anders als im Falle einer Abtretung stehen mögliche Interessen der Versicherung einer solchen Zahlung nicht entgegen, zumal sich die Versicherung durch Einbindung beider Kläger in jedem Fall sicher sein kann, befreiend leisten zu können. Es ist daher kein Grund ersichtlich, den gewählten Klageantrag zu beanstanden.
b. Nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen (ARB 1994) steht dem Kläger kein Anspruch auf Gewährung einer Vergütung für seine rechtsanwaltliche Tätigkeit in einer eigenen Angelegenheit zu.
Für eine solche Vergütung werden der Gesichtspunkt der freien Anwaltswahl (§ 17 Abs. 1 S. 1 ARB sowie die auch zivilprozessual erfolgende Kostenerstattung solcher Vergütungen (jetzt: § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO) ins Feld geführt. Dagegen sprechen allerdings Wortlaut und erkennbarer Sinn der maßgeblichen Bestimmungen der ARB. Letztere Gesichtspunkte überzeugen.
Den Vergütungsanspruch regelt § 5 Abs. 1 a) S. 1 ARB (94), dessen einschlägiger Absatz lautet:
Der Versicherer trägt
a) bei Eintritt des Rechtsschutzfalles im Inland die Vergütung eines für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwaltes bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung eines am Ort des Zuständigen Gerichtes ansässigen Rechtsanwaltes.&
Die Formulierung schließt eine "Personalunion" zwischen Versicherungsnehmer (bzw. hier genauer: der versicherten Person) und dem tätigen Rechtsanwalt zwar nicht explizit aus, zeigt jedoch, dass der Fall der Selbstvertretung einen "Sonderfall" darstellt, der von der Bestimmung in ihrer nächstliegenden Bedeutung jedenfalls nicht erfasst wird. Dass dieser Fall letztlich auch nicht gemeint ist, ergibt sich aus der allumfassenden Regelung zur Fälligkeit im nachfolgenden Absatz (Abs. 2 a) der Bestimmung):
Der Versicherungsnehmer kann die Übernahme der vom Versicherer zu tragenden Kosten verlangen, sobald er nachweist, dass er zu deren Zahlung verpflichtet ist oder diese Verpflichtung bereits erfüllt hat.
Sie führt dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer hinreichend deutlich vor Augen, dass ein Zahlungsanspruch gegen die Versicherung erst - und daher logisch auch nur - dann besteht, wenn Zahlungsansprüche gegen den Versicherungsnehmer (bzw. die mitversicherte Person) überhaupt im Raume stehen. Auch dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer muss daher klar sein, dass der Fall einer Selbstvertretung keine solchen Zahlungsansprüche auslöst und daher diesbezüglich auch keine Kostenübernahme durch die Versicherung stattfindet. Dabei wird zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen, dass das Verständnis des "durchschnittlichen Versicherungsnehmers" der richtige Auslegungsmaßstab ist, auch wenn von dieser Konstellation nur Rechtsanwälte, also Volljuristen betroffen sein können.
Entscheidend für dieses Verständnis ist jedoch letztlich der erkennbare Zweck der Rechtsschutzversicherung.
Er besteht darin, die durch einen bestimmten Schadensfall erlittenen Einbußen im Vermögen der versicherten Person zu kompensieren, nicht deren Hoffnungen auf Umsatz bzw. Gewinn zur Realisation zu verhelfen. Ein entsprechendes Verständnis liegt auch der Entscheidung des BGH (NJW 2005, 2228f., dort zu II 2 am Ende) zu Grunde, wonach die Leistungspflicht des Versicherers im Versicherungsfall auf den konkret eingetretenen Schaden beschränkt ist.
Bei dem so verstandenen Inhalt der Versicherungsbedingungen stellt sich die Frage nicht, ob ein Rechtsanwalt in eigenen Angelegenheiten in rechtsmißbräuchlicher Weise, sachfremd motiviert durch ein übersteigertes Erwerbsinteresse, besonders häufig gerichtliche Verfahren in Gang bringt.
Obergerichtliche Entscheidungen zur Frage, ob ein sich selbst vertretender Rechtsanwalt die Erstattung der gesetzlichen Vergütung bei fehlender Kostenerstattungspflicht des Gegners von seiner Rechtsschutzversicherung verlangen kann, fehlt soweit ersichtlich bisher. Die überwiegend amtsgerichtliche Rechtsprechung befasst sich mit der (strafrechtlichen) Selbstverteidigung von Rechtsanwälten. Die h.M. in der Literatur verneint eine Leistungspflicht des Versicherers in Bezug auf rechtsanwaltliche Gebühren in eigener Sache (dagegen: Prölss/Martin, 27. Aufl., VVG, § 2 ARB (75) Rn. 6; van Bühren/Plote, ARB, Rn. 136; Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 7.Aufl. § 2 ARB (75), Rn. 43; dafür: Buschbell/Hering, Handbuch Rechtsschutzversicherung, 3. Aufl., § 10, Rn. 45 u. 75; differenzierend Harbauer, 6. Auflage, § 2 ARB (75) Rn. 43). Dem schließt sich der Senat an.
c. Der Beklagten ist es auch unter dem Aspekt von Treu und Glauben (hier Gesichtspunkt eines "venire contra factum proprium") grundsätzlich nicht verwehrt, sich auf die fehlende Verpflichtung zur Vergütung der Tätigkeit des Klägers zu berufen.
Unstreitig hat die Beklagte zwar in zumindest 2 Fällen (nach Darstellung des Klägers sollen es sechs gewesen sein) Gebühren des Klägers bezahlt, obwohl dieser selbst Partei des Rechtsstreites war. Auch in einem Teil der vorliegenden Verfahren wurden entsprechende Deckungszusagen abgegeben und die diesbezüglichen Honorarvorschussrechnungen des Klägers jeweils von der Beklagten beglichen. Aus der Sicht der Kläger konnte daher der Eindruck entstehen, dass sich die Versicherung nicht an der Personalunion zwischen Rechtsanwalt einerseits und versicherter Person andererseits stört, also ihrem Regulierungsverhalten eine andere, der versicherten Person günstigere und rechtlich vertretbare Auffassung zu den Versicherungsbedingungen zu Grunde legt und in gleichartigen künftigen Fällen zu Grunde legen wird.
Rechtlich steht es den Beteiligten eines Vertrages - hier konkret also auch der beklagten Versicherung - im Grundsatz aber zu, ihre Rechtsansichten zu ändern. Rechtsmissbräuchlich ist nach ständiger Rechtsprechung widersprüchliches Verhalten erst dann, wenn dadurch für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl BGH, ständige Rspr, z.B. NJW 1997, 3377,3379; NJW 2005, 716,718).
Dies ist entgegen der Auffassung der Kläger nicht der Fall. Soweit die Kläger darauf verweisen, dass es in Betracht gekommen wäre, die Klägerin auch in den streitgegenständlichen Verfahren als Klägerin/Antragsstellerin auftreten zu lasen, ist festzuhalten, dass die Klägerin - jedenfalls in der maßgeblichen Vorstellung der Kläger (vgl. Ziff. 1 des Schriftsatzes vom 09.06.2008) - nicht Mietvertragspartei war, diese somit auch keine Ansprüche aus dem Mietvertrag hatte. Deren Auftreten als - alleinige oder zusätzliche - Klägerin war somit aus der Sicht der Kläger nicht zielführend möglich; vielmehr war ein (alleiniges) Auftreten des Klägers geboten.
Dahinstehen kann daher, ob die Klägerin entgegen ihrem Vortrag nicht nur in der Vorstellung der Kläger sondern auch objektiv nicht Mietvertragspartei war (so die vorliegenden Urteile des AG Rheinberg (13 C 59/04), dort 2. Satz des Tatbestandes und 3. Absatz auf der letzten Urteilsseite, und des Urteils des LG Kleve, dort S. 14 zur Widerklage, 1. Absatz).
d. Die Beklagte schuldet jedoch eine Vergütung des Klägers insoweit, als sie diese ausdrücklich zugesagt hat.
Dies ist hinsichtlich der Verfahren AG Rheinberg 11 C 612/02 = 13 C 59/04, in der Berufung fortgesetzt durch LG Kleve 6 S 168/05 und auch in Bezug auf das selbständige Beweisverfahren AG Rheinberg 11 H 16/02 der Fall. So hat die Beklagte bei ihren Deckungszusagen für die erstgenannten Verfahren (K 14 = Bl. 173; K 17 = Bl. 176) in Kenntnis des maßgeblichen Sachverhaltes (Der hiesige Kläger war dort auch Kläger) in an den Kläger gerichteten Schreiben jeweils erklärt:
Unsere Leistung umfasst Ihre gesetzliche Vergütung bis zur Höhe eines am Ort des zuständigen Gerichtes ansässigen Rechtsanwaltes.
Weiter findet sich in diesen Schreiben sowie im weiteren Schreiben vom 16.12.2005 (K 15 = Bl. 174 d.A.), mit dem Deckungszusage für das (chronologisch erste) selbständige Beweisverfahren erteilt wurde, die Formulierung
Durch diese Erklärung erwerben Sie keinen Rechtsanspruch gegen uns. Dennoch können Sie ihr Honorar unmittelbar mit uns abrechnen.
Eine Deckungszusage stellt ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis zwischen der Versicherung einerseits und dem Versicherungsnehmer/der versicherten Person andererseits dar. Sie schließt spätere Einwendungen und Einreden des Rechtsschutzversicherers aus, die ihm bei deren Abgabe bekannt waren oder die er zumindest für möglich gehalten hat, bzw. mit denen er zumindest rechnete (Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 7. Aufl., § 16 ARB (75), Rn. 5a). Gleiches gilt, wenn der Rechtsschutzversicherer auf Grund des ihm bekannten Sachverhaltes die Einwendungen hätte kennen müssen (vgl. Harbauer aaO.).
Eine Angabe darüber, was die zugesagte Leistung der Versicherung im Einzelnen umfassen soll, stellt den konkretisierenden Bestandteil einer solchen Deckungszusage dar und nimmt daher an vorgenanntem Einwendungsausschluss teil. Gemessen an diesem Maßstab hat die Beklagte die Gebühren des Klägers für die in den Deckungszusagen K 14 und K17 bezeichneten Verfahren unabhängig davon zu begleichen, ob sich ein entsprechender Anspruch auch aus den Versicherungsbedingungen ergibt.
Gleiches gilt auch für die Zusage (K 15), in der angeboten wurde, das gesetzliche Honorar des Klägers - trotz dessen Selbstvertretung - direkt gegenüber der Beklagten abzurechnen.
e. Die von der Klage umfassten rechtlichen Streitigkeiten sind auch - mit Ausnahme der unstreitig erst nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses veranlassten Widerklage - vom Versicherungsschutz umfasst. Gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 ARB (94) ist der Versicherungsfall (Rechtsschutzfall) dann versichert, wenn er nach Beginn des Versicherungsschutzes und vor dessen Beendigung eingetreten ist. Der Versicherungsfall ist, wie sich aus der Systematik des Abs.1 S. 1 der Bestimmung ergibt, durch den die Streitigkeit verursachenden (behaupteten) Pflichtverstoß definiert. Für die hier maßgeblichen Streitigkeiten besteht - wie zum Teil durch Deckungszusagen anerkannt wurde, Im Übrigen durch das Urteil (LG Stuttgart 22 O 151/07) rechtskräftig festgestellt - Versicherungsschutz. Darauf, dass die hier geltend gemachten Kosten (konkret also die gerichtlichen oder außergerichtlichen Gebührentatbestände) erst nach Ablauf der Versicherung (31.12.2002) angefallen sind, kommt es nicht an.
f. Der Umfang der der Klägerin unter Berücksichtigung der vorgenannten Maßstäbe zu begleichenden Gebühren ergibt sich wie folgt:
A. AG Rheinberg 11 C 612/02 = 13 C 59/04 Streitwert: 22.000 - 65.000 (Bl. 86) 1. Gerichtskosten GKG1.067,52 Euro 3 Gebühren gemäß GKG aus bis 65.000.- Euro. Davon hat die Beklagte 64% zu erstatten, da 19% auf die Widerklage und 17% auf die Prozessgegner entfallen.2. eigene Anwaltsgebühren 10/10 Prozessgebühr:718,72 Euro Es wurde von je einer Gebühr von 1.123.- Euro ausgegangen.10/10 Verhandlungsgebühr:718,72 Euro Davon hat die Beklagte 64% zu erstatten, da 19% auf die Widerklage10/10 Beweisgebühr:718,72 Euro und 17% auf die Prozessgegner entfallen.Auslagenpauschale:12,80 Euro Ust:347,03 Euro 3. gegn. Anwaltsgebühren Bekl Ziff. 1+2 gemäß KfB III v. 1.3.072.817,56 Euro Es wurde von Gesamtgebühren von 4.402,43 Euro ausgegangen. Davon hat die Beklagte 64% zu erstatten, da 19% auf die Widerklage und 17% auf die Prozessgegner entfallen.B. LG Kleve 6 S 168/05 Streitwert: 50599,68 Euro 1. Gerichtskosten GKG1.284,36 Euro 3 Gebühren gemäß GKG aus bis 65.000.- Euro.SV Davon hat Beklagte 77% zu erstatten, da 23% auf die Widerklage entfallen. 2. eigene. Anwaltsgebühren 1,6 Verfahrensgebühr1.383,54 Euro Anwaltsgebühren gemäß RVG: 1,0 Gebühren = 1123.- Euro.1,2 Terminsgebühr1.037,65 Euro Davon hat Beklagte 77% zu erstatten, da 23% auf die Widerklage entfallen.Auslagenpauschale:15,40 Euro Ust:389,85 Euro 3. gegn. Anwaltsgebühren Bekl Ziff. 1+2 gemäß KfB III v. 1.3.073.478,30 Euro Es wurde von Gesamtgebühren von 4.517,27 Euro ausgegangen. C. Beweisverfahren 11 H 16/02 1. Gerichtskosten GKG + SV s. KFB III v. 1.3.071.170,83 Euro Es wurde von Gerichtskosten (einschl. SV) von 4683,30 Euro ausgegangen 2. eigene. Anwaltsgebühren gemäß KfB III v. 1.3.07408,03 Euro Es wird von Gesamtgebühren 1632,12 Euro ausgegangen, Davon hat Beklagte 25% zu erstatten,3. gegn. Anwaltsgebühren da 75% auf die Prozessgegner entfielen.nicht angemeldet0,00 Euro D. weitere Beweisverfahren fiktiver Streitwert 20.800.- Euro 1. Gerichtskosten GKG (1 Gebühr gemäß KV 1619)288,00 Euro 2. eigene. Anwaltsgebühren keine Erstattung0,00 Euro 3. gegn. Anwaltsgebühren1.765,96 Euro KFB vom 28.12.2006 13 H 4/05 (einschl. Beschwerde) + Erhöhung (s. Erläuterungen) E. Beschwerdeverfahren 1. Gerichtskosten (KV 1811)50,00 Euro 2. eigene. Anwaltsgebühren keine Erstattung0,00 Euro 3. gegn. Anwaltsgebühren0,00 Euro bereits im KFB berücksichtigt abzüglich geleistete Zahlungen-6.379,04 Euro Saldo11.293,94 Euro
Für die Verfahren AG Rheinberg 11 C 612/02=13 C 59/04 und LG Kleve 6 S 168/05 wurde jeweils nur teilweise Deckungsschutz (nämlich für die Klage) gewährt. Das daraus resultierende Aufteilungsproblem ist so zu lösen, dass auch nur streitwertanteilig eine Erstattung stattfindet (BGH NJW 2005, 2228f.). Der auf die (nicht versicherte, aber im Wesentlichen erfolgreiche) Widerklage entfallende Teil des Streitwerts wurde dadurch ermittelt, dass der Prozentsatz genommen wurde zu dem die - ja nur bzgl. Widerklage am Rechtsstreit beteiligte Klägerin (hiesigen Verfahrens) - gesamtschuldnerisch in die Kosten verurteilt wurde. Maßgeblich ist insoweit die - das erstinstanzliche Gericht abändernde - Kostenentscheidung des LG Kleve vom 09.03.2006 (K3 = BL. 92 d.A.). Der so ermittelte Prozentsatz ist nicht von der Beklagten zu erstatten. Des Weiteren wurde davon ausgegangen, dass die Beklagte insoweit im Ergebnis nicht erstattungspflichtig ist, als Kosten nach der Kostengrundentscheidung dem Prozessgegner auferlegt wurden.
Besprechungsgebühren und/oder Erhöhungsgebühren (gemäß BRAGO oder RVG) sind nicht angefallen. Die Klägerin war wie bereits ausgeführt - jedenfalls aus der damaligen Sicht der Kläger - nicht selbst Mieterin und daher nicht selbst anspruchsberechtigt. In welchem Umfang der Kläger eigene Ansprüche als Mieter verfolgt, ging die Klägerin folglich - rechtlich gesehen - aus der damaligen Sicht der Kläger nichts an. Sie als Mandantin einzubinden, war daher nicht veranlasst.
Die Erstattung der Kosten eines zusammengefassten "fiktiven" (weiteren) selbständigen Beweisverfahrens ergibt sich aus dem rechtkräftigen Urteil des LG Stuttgart (22 O 298/05). Aus den Gründen des Urteils ergibt sich, dass die Erforderlichkeit für ein einziges gesammeltes, nicht aber für die Gesamtzahl der weiteren Beweisverfahren festgestellt wurde. Die Kosten eines Anwalts in eigener Sache können dabei nicht geltend gemacht werden (s.o.). Die gewährten Deckungszusagen beziehen sich auf diese (bzw dieses) Verfahren nicht.
Beim Ansatz der gegnerischen Kosten wurde der (höchste) KFB K9 zu Grunde gelegt, der bei Zusammenrechnung des Streitwertes mehrerer verloren gegangener Verfahren die Untergrenze darstellt. In Anbetracht des Streitwertes von 15.523.- Euro (Bl. 4) und der nicht vorgelegten Kostenfestsetzungsanträge kann lediglich angenommen werden, dass bei einem fiktiven Streitwert von 20.800 Euro die gegnerischen Kosten 167,04 Euro höher ausgefallen wären, also 1.765,96 Euro betragen hätten.
g. In Bezug auf den einseitig für erledigt erklärten Teil ist die Berufung nicht begründet.
Für eine Abänderung der Entscheidung diesbezüglich besteht keine Veranlassung. Mangels näherem Vortrag des Klägers hierzu ist davon auszugehen, dass die Zahlungen der Beklagten jeweils - wenn auch nur mit Hilfe des Schriftverkehrs - konkreten Forderungen zuzuordnen waren. Sie haben also jeweils zum Erlöschen von Forderungen des Klägers geführt. Folglich war die Klage insoweit von Anfang an unbegründet, so dass ein Fall der Erledigung nicht vorlag.
h. Der Anspruch auf Zinsen besteht im Umfang der gesetzlichen Prozesszinsen, §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB. Ein weitergehender Anspruch ist nicht dargelegt.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Revision war zuzulassen, da die Frage der Erstattung der gesetzlichen Gebühren eines in eigener Sache tätigen Rechtsanwaltes im Rahmen einer Rechtsschutzversicherung höchtstrichterlich klärungsbedürftig erscheint.
OLG Stuttgart:
Urteil v. 26.06.2008
Az: 7 U 15/08
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