Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Oktober 2007
Aktenzeichen: 7 W (pat) 301/05
(BPatG: Beschluss v. 17.10.2007, Az.: 7 W (pat) 301/05)
Tenor
Das Patent 102 36 757 wird widerrufen.
Gründe
I Gegen die am 12. August 2004 veröffentlichte Erteilung des Patents 102 36 757 mit der Bezeichnung "Verfahren zur Herstellung eines Hohlblocks aus metallischem Material" ist am 12. November 2004 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist auf die Behauptung gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei. Zum Stand der Technik ist u. a. die bereits im Prüfungsverfahren in Betracht gezogene EP 0 940 193 A2 (D2) genannt worden.
Die Patentinhaberin hat mit Schriftsatz vom 29. August 2005, eingegangen am 31. August 2005, neugefaßte Patentansprüche 1 bis 6 gemäß Hauptantrag und 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag vorgelegt und geltend gemacht, dass der Gegenstand des Patents in der neuen Fassung eine patentfähige Erfindung darstelle.
Mit Schriftsatz vom 19. März 2007 hat die Einsprechende ihren Einspruch zurückgenommen.
In einer Zwischenverfügung des Berichterstatters des Senats vom 20. April 2007 ist der Patentinhaberin mitgeteilt worden, dass im Hinblick auf den Stand der Technik nach der EP 0 940 193 A2 der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag nicht als neu und der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag nicht als Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit anzusehen sein dürften und dass daher mit dem Widerruf des Patents gerechnet werden müsse. Die Patentinhaberin hat danach mit Schriftsatz vom 18. September 2007 mitgeteilt, dass sie den anberaumten Termin für eine mündliche Verhandlung nicht wahrnehmen werde und um Entscheidung nach Aktenlage gebeten.
Die Patentinhaberin beantragt sinngemäß (Schriftsatz vom 29. August 2005), das Patent unter Zugrundelegung der Patentansprüche 1 bis 6 gemäß Hauptantrag vom 29. August 2005 aufrecht zu erhalten, hilfsweise das Patent unter Zugrundelegung der Patentansprüche 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag vom 29. August 2005 aufrecht zu erhalten.
Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:
"Verfahren zur Herstellung eines Hohlblocks aus metallischem Material, bei dem zylindrisch geformtes Ausgangsmaterial in einem Schrägwalzwerk unter Einsatz eines axial feststehenden Lochdorns zu einem rohrförmigen Hohlblock umgeformt wird, wobei der Hohlblock aus Wälzlagerstahl des Typs 100 Cr 6 gefertigt wird, wobei das Ausgangsmaterial aus nicht vorumgeformtem Material besteht, das durch Direktstrangguss hergestellt wird, wobei das Ausgangsmaterial vor der Zuführung in das Schrägwalzwerk keinem Vorwalzgang unterzogen wird undwobei das Ausgangsmaterial ohne Vorreduktion in einem Drei-Walzen-Schrägwalzwerk zum Hohlblock umgeformt wird."
Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass an dessen Ende folgendes Merkmal angefügt ist:
"wobei die Querschnittsabnahme des Ausgangsmaterials während des Lochungsvorgangs im Schrägwalzwerk maximal 71 % bei konvergentem Lochen und maximal 60 % bei divergentem Lochen beträgt."
Laut Beschreibung soll die Aufgabe gelöst werden, ein Verfahren zu schaffen, mit dem sich Hohlblöcke aus Wälzlagerstahl durch das Schrägwalzverfahren ökonomisch herstellen lassen und mit dem insbesondere das Vormaterial für die Herstellung von Rohren als Ausgangsprodukt für die Fertigung von Lagerringen preiswerter werden soll (Abs. 0008).
Die Patentansprüche 2 bis 6 nach Hauptantrag und 2 bis 5 nach Hilfsantrag sind auf Merkmale gerichtet, mit denen die Gegenstände der jeweiligen Patentansprüche 1 weiter ausgebildet werden sollen.
II 1. Der Einspruch ist durch das Patentgesetz § 147 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 1 in der Fassung des Kostenbereinigungsgesetzes Art. 7 Nr. 37 vom 13. Dezember 2001, geändert durch das Gesetz zur Änderung des Patentgesetzes und anderer Vorschriften des gewerblichen Rechtsschutzes Art. 1 Nr. 2 vom 9. Dezember 2004 dem Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zur Entscheidung zugewiesen.
Der Senat hält sich für die Entscheidung im vorliegenden Einspruchsverfahren auch nach der - mit Wirkung vom 1. Juli 2006 erfolgten - Aufhebung der Übergangsvorschriften des § 147 Abs. 3 PatG noch aufgrund des Grundsatzes der "perpetuatio fori" gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO analog i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG analog für zuständig (insoweit dem Beschluss des 23. Senats vom 19. Oktober 2006 folgend, Aktenzeichen 23 W (pat) 327/04).
Nach Rücknahme des Einspruchs ist das Verfahren von Amts wegen ohne die Einsprechende fortzusetzen, PatG § 147 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 61 Abs. 1 Satz 2.
2. Der zulässige Einspruch ist begründet. Der Gegenstand des Patents stellt weder in der nach Hauptantrag noch in der nach Hilfsantrag verteidigten Fassung eine patentfähige Erfindung i. S. d. PatG § 1 bis § 5 dar.
Als Fachmann ist hier ein Ingenieur des Maschinenbaus oder des Eisenhüttenwesens mit Erfahrungen auf dem Gebiet der Rohrherstellung durch Walzen anzusehen.
Laut Beschreibung des angefochtenen Patents liegt der Kern der Erfindung darin, standgegossenes Ausgangsmaterial zur Herstellung nahtloser Rohre in einem Schrägwalzwerk zu verwenden, ohne es vorher einem Vorwalzprozess zu unterziehen (Abs. 0011). Wenn in den Patentansprüchen und an mehreren Stellen der Beschreibung davon die Rede ist, dass keine Vorreduktion und keine Massivreduktion stattfindet, ist damit, wie sich aus dem Gesamtinhalt der Patentschrift ergibt, gemeint, dass das Ausgangsmaterial nicht umgeformt bzw. vorreduziert wird, bevor es dem Drei-Walzen-Schrägwalzwerk zugeführt wird, das es zum Hohlblock umformt. In diesem Walzwerk selber findet jedoch eine Massivumformung vor dem eigentlichen Lochen statt. Dies ergibt sich z. B. aus der Beschreibung (Absätze 0030 und 0031) und aus der Zeichnung, wonach die Walzen auf der Einlaufseite Abschnitte aufweisen, mit denen das Walzmaterial im Durchmesser reduziert wird, und zwar bereits bevor die Spitze des Lochdorns erreicht wird.
Das Verfahren nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist gegenüber dem aus der EP 0 940 193 A2 bekannten Stand der Technik nicht neu.
In dieser Druckschrift ist nämlich ein Verfahren zur Herstellung eines Hohlblocks aus zylindrischem metallischen Ausgangsmaterial in einem Schrägwalzwerk unter Einsatz eines axial feststehenden Lochdorns zu einem rohrförmigen Hohlblock beschrieben. Bei dem Material handelt es sich um Wälzlagerstahl des Typs 100 Cr 6, das durch Direktstrangguss hergestellt wird (Absätze 0001, 0002 und 0011). Das Material soll unmittelbar vor dem Lochen einer Massivreduktion unterzogen werden, wobei die Massivreduktion und das Lochen in einem Schritt durchgeführt werden können (Abs. 0014, Fig. 1). In diesem Fall wird das Ausgangsmaterial vor der Zuführung in das Schrägwalzwerk keinem Vorwalzgang unterzogen und nicht vorumgeformt. Somit ist aus der EP 0 940 193 A2 ein Verfahren mit allen im Patentanspruch 1 nach Hauptantrag angegebenen Merkmalen bekannt.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Soweit die in diesem Anspruch angegebenen Merkmale mit denen des Anspruchs 1 nach Hauptantrag übereinstimmen, sind sie, wie vorstehend ausgeführt wurde, aus der EP 0 940 193 A2 bekannt. In dieser Druckschrift ist die maximale Querschnittsabnahme beim Lochvorgang nicht angegeben. Diese Querschnittsabnahme so zu wählen, dass ein einwandfreies Walzergebnis erzielt wird, ist aber dem routinemäßigen Handeln des Fachmanns zuzurechnen. Das Verfahren nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag ergibt sich somit für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
Da somit weder dem Hauptantrag noch dem Hilfsantrag stattgegeben werden kann, war das Patent zu widerrufen.
Tödte Eberhard Dr. Pösentrup Hilber Cl
BPatG:
Beschluss v. 17.10.2007
Az: 7 W (pat) 301/05
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