Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 12. Juli 2012
Aktenzeichen: I-27 U 12/10

(OLG Hamm: Urteil v. 12.07.2012, Az.: I-27 U 12/10)

Tenor

für R e c h t erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 06.11.2009 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 275.434,95€ nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszins seit dem 22.07.2006 zu zahlen.

Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin weitere 472.373,28€ nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über Basiszins seit dem 22.07.2006 zu zahlen.

Die Beklagten sind zur Zahlung nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Klägerin gegen T nebst Sicherungsrechten verpflichtet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden wie folgt verteilt:

Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 63%, die Beklagten als Gesamtschuldner zu 20% und der Beklagte zu 1) zu weiteren 17%. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) trägt die Klägerin zu 55%. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) trägt die Klägerin zu 80%. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagten als Gesamtschuldner zu 20% und der Beklagte zu 1) zu weiteren 17%. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz werden wie folgt verteilt:

Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 36%, die Beklagten als Gesamtschuldner zu 34% und der Beklagte zu 1) zu weiteren 30%. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) trägt die Klägerin zu 7%. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) trägt die Klägerin zu 66%. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagten als Gesamtschuldner zu 34% und der Beklagte zu 1) zu weiteren 30%. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages leistet.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten zu 1) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages leistet.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten zu 2) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zu 2) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages leistet.

Gründe

A.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten, die mehrere Jahre für sie als Vorstandsmitglieder tätig waren, Schadensersatz wegen Kreditvergaben in den Jahren 2002 bis 2004. Wegen der Einzelheiten des Sachvortrags in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der Kreditvergaben „T“ stattgegeben und hinsichtlich der Kreditvergaben „H/T2“ festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in Höhe von 486.312,56€ erledigt hat. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:

Hinsichtlich der „Kreditvergaben T“ bestehe eine Haftung beider Beklagten aus § 93 AktG. Die Kreditvergaben seien nicht auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Klägerin erfolgt. Dabei könne dahinstehen, ob die Bewilligung des Erstkredits noch vertretbar gewesen sei. Jedenfalls seien die Aufstockungen des Kredits nicht mehr vertretbar gewesen, nachdem entgegen der Vereinbarung T die zum 31.12.2002 fällige Lebensversicherung nicht zur Rückzahlung des Darlehens verwandt hätte. Es sei nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage die Beklagten davon ausgegangen seien, T werde die Kredite bedienen können, und auf eine Absicherung der Klägerin verzichteten. Die Kreditvergabe ohne Bestellung von Sicherheiten entspreche nicht der Banküblichkeit. Für den aus sämtlichen Kreditvergaben entstandenen Schaden von 756.000,-€ hafteten beide Beklagten vollumfänglich als Gesamtschuldner. Der Beklagte zu 2) habe durch seine spätere Zustimmung auch die vorhergehenden Kreditvergaben gebilligt. Beide Beklagten könnten sich nicht mit dem Hinweis entlasten, der finanzielle Zusammenbruch T sei nicht absehbar gewesen, da die regelmäßig zu fordernden Sicherheiten gerade dieses Risiko abdeckten.

Hinsichtlich der Kreditvergaben „H/T2“ habe sich der Rechtsstreit im Umfang von an die Klägerin geflossenen 486.312,56€ erledigt. Für diese Kreditvergaben hafteten die Beklagten grundsätzlich ebenfalls nach § 93 AktG. Es sei pflichtwidrig gewesen, die Kredite ohne Bestellung von Sicherheiten zu vergeben.

Soweit die Klägerin hinsichtlich der Kreditvergaben „H/T2“ und „T3“ weitere Ansprüche geltend mache, sei die Klage unbegründet.

Wegen der Einzelheiten der Begründung des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses Urteil wenden sich (ausschließlich) die Beklagten mit der Berufung.

Der Beklagte zu 1) trägt zur Begründung der Berufung im Wesentlichen vor:

Das Landgericht habe die wesentlichen Voraussetzungen für die Haftung von Bankvorständen verkannt. Soweit sich das Landgericht auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) veröffentlicht in ZIP 2002, 213 und 2005, 981 stütze, werde nicht berücksichtigt, dass diese Entscheidungen zu Genossenschaftsbanken ergangen seien und für Banken in der Rechtsform der Aktiengesellschaft nicht vollständig übertragen werden könnten. Unter Berücksichtigung von § 18 KWG seien die Kreditvergaben nicht als pflichtwidrig einzustufen. Die Kredite „T“ hätten behutsam zurückgeführt werden können, wenn nicht die schwere Erkrankung des Kreditnehmers dies verhindert hätte, was als schicksalhaft zu bewerten sei. Deshalb könne die Vergabe der Kredite ohne Sicherheiten nicht als pflichtwidrig bewertet werden. Es sei nicht erforderlich, eine Sicherung zu verlangen, wenn die Vermögensverhältnisse einer subtilen Prüfung unterzogen worden seien. Jeder Kredit berge ein Risiko im Rahmen der unternehmerischen Ermessensentscheidung. Das werde bestätigt durch die Prüfberichte der L, die vier Jahre lang das Kreditengagement „T“ für unbedenklich gehalten hätte. Darauf habe sich der Beklagte zu 1) verlassen dürfen. Diese Berichte müssten von der Klägerin vorgelegt werden. Auch darüber hinaus würden von der Klägerin Unterlagen vorenthalten, weshalb der Beklagte zu 1) sich nicht ordnungsgemäß verteidigen könne.

Der Beklagte zu 2) trägt zur Begründung der Berufung im Wesentlichen vor:

Die Feststellung zur Erledigung der Klage hinsichtlich der Kreditvergaben „H/ T2“ sei nicht rechtmäßig, da das Landgericht nicht festgestellt habe, dass bei Klageerhebung ein Anspruch der Klägerin dem Grunde und der Höhe nach über 506.000,-€ bestanden habe. Bei Klageerhebung hätte allenfalls eine Vermögensgefährdung im Umfang von 455.000,-€ vorgelegen. Hinsichtlich der Kreditvergaben „T“ habe das Landgericht einen unzutreffenden Haftungsmaßstab herangezogen. Die vom Landgericht herangezogenen Entscheidungen des BGH beträfen Genossenschaftsbanken und könnten nicht auf Vorstandsmitglieder einer Geschäftsbank übertragen werden. Die Rechtsprechung verbiete keinesfalls die Vergabe von Krediten ohne Bestellung von Sicherheiten. Der Höhe nach habe das Landgericht die Berechtigung der geltend gemachten 755.950,75€ nicht hinreichend geprüft. Insbesondere fehle eine nachvollziehbare Forderungsaufstellung. Zudem habe das Landgericht fehlerhaft einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Handeln des Beklagten zu 2) und einem Schaden der Klägerin bejaht. Der Beklagte zu 2) sei ab März 2003 in die Kreditvergabe eingebunden gewesen; er könne allenfalls für Auszahlungen nach dem 04.04.2003 haften. Ab diesem Zeitpunkt sei es zunächst um eine Legalisierung bereits geduldeter Überziehungen gegangen. Darüber hinaus sei es dem Beklagten zu 2) nicht möglich gewesen, Kreditvergaben zu verhindern, u.a. schon deshalb, weil T über ein Aufsichtsratsmitglied empfohlen worden sei und ein Votum gegen die Vorstellungen des Aufsichtsrats nicht möglich gewesen wäre. Schließlich erhebt der Beklagte zu 2) die Einrede der Verjährung. Eine unzulässige Klage hemme jedenfalls dann nicht die Verjährung, wenn die Unzulässigkeit darauf beruhe, dass ein dazu nicht befugtes Organ der Klägerin die Klage erhoben habe.

Der Beklagte zu 1) beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 2) beantragt,

das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen;

hilfsweise, das angefochtene Urteil und das diesem zugrunde liegende Verfahren aufzuheben und die Sache an das Landgericht Bielefeld zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufungen der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und führt zur Begründung im Wesentlichen aus: Den Beklagten seien die Kreditakten vollumfänglich zur Verfügung gestellt worden. Daraus ergebe sich keine Rechtfertigung, die Kreditvergaben „T“ ohne Sicherheiten bewilligt zu haben. Die geplante Erweiterung des Privatkundengeschäftes sei als Rechtfertigungsgrund untauglich. Angesichts der behaupteten Vermögenssituation wäre die Bestellung von Sicherheiten ohne weiteres möglich gewesen. Die Beklagten hätten deshalb bei den Kreditvergaben pflichtwidrig gehandelt, wie der BGH im Zusammenhang mit der Haftung des Vorstandes von Genossenschaftsbanken entschieden habe. Diese Rechtsprechung sei ohne weiteres auf eine Geschäftsbank in der Rechtsform der Aktiengesellschaft zu übertragen. Damit seien beide Beklagte vollständig in der Haftung. Der Beklagte zu 2) habe im Nachhinein alle Kreditvergaben gebilligt. Dem Beklagten zu 2) sei es zudem möglich gewesen, die Kreditvergaben zu stoppen. Der Vorstand habe, was unstreitig ist, in dem für diesen Fall wesentlichen Zeitrahmen ausschließlich aus den Beklagten bestanden. Regelungen zur Herbeiführung eines Konsenses bei Differenzen zwischen den Beklagten hätten nicht bestanden, was ebenfalls unstreitig ist.

Zum Umfang des Schadens aus den Kreditvergaben „T“ beruft sich die Klägerin auf Forderungsaufstellungen, die sie im Berufungsverfahren vorlegt (Anlagen 1 und 3 zum Protokoll vom 26.07.2011, Bl. 753-758. 763 d.A.). Der Beklagte zu 1) bestreitet die Richtigkeit der sich aus der Forderungsaufstellung ergebenden Buchungsvorgänge nicht. Der Beklagte zu 2) hat die Berechtigung der Buchungsvorgänge vom 21.05.2003, 23.05.2003 und 03.06.2003 betreffend „Übertrag gem. Verein T3“ zunächst bestritten. Nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen I im Termin am 12.06.2012 (siehe Berichterstattervermerk zu diesem Termin) hat der Beklagte zu 2) die Forderungsaufstellung ebenfalls unstreitig gestellt.

Der Senat hat mit Beschluss vom 16.11.2010 darauf hingewiesen, dass die Klägerin nicht durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrats, sondern durch den Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit vertreten werde. Dieser Mangel könne aber durch eine Genehmigung der bisherigen Prozessführung des Aufsichtsratsvorsitzenden durch den gesamten Aufsichtsrat geheilt werden. Die Klägerin hat daraufhin erklärt, sie werde nunmehr durch sämtliche Mitglieder des Aufsichtsrats vertreten, und hat den Beschluss des Aufsichtsrats vom 30.11.2010 über die Genehmigung der Prozessführung vorgelegt.

Der Senat hat die Beklagten im Termin vom 26.07.2011 persönlich angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf den Berichterstattervermerk zum Termin verwiesen (versehentlich überschrieben „zur Sitzung am 19.07.2011“ statt 26.07.2011).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze einschließlich des Schriftsatzes Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2) vom 26.06.2012 verwiesen.

B.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Die Klage ist zulässig (I.). Sie ist hinsichtlich der Kreditvergabe „T“ fast vollständig begründet, soweit sie sich gegen den Beklagten zu 1) richtet (II.), und zum Teil begründet, soweit sie sich gegen den Beklagten zu 2) richtet (III.). Die Klage ist unbegründet, soweit die Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in Bezug auf die Kreditvergabe „H/T2“ begehrt wird (IV.).

I. Zulässigkeit der Klage

Die Klage ist zulässig. Die Klägerin wird nach § 112 AktG durch den Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit vertreten. Soweit die Klägerin ursprünglich nicht durch den Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit, sondern durch den Aufsichtsratsvorsitzenden vertreten war, ist dieser Mangel durch den Beschluss des Aufsichtsrats vom 30.11.2010 zu TOP 10 geheilt.

II. Begründetheit der Klage gegen den Beklagten zu 1) betreffend Kreditvergabe „T“

Die Klage gegen den Beklagten zu 1) zur Kreditvergabe „T“ ist im Umfang von 747.808,23€ aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG begründet. Der Beklagte zu 1) handelte bereits bei der Bewilligung des Erstkredits (Dispositionskredit über 200T€) vom 14.11.2002 schuldhaft pflichtwidrig und ist deshalb für den Gesamtschaden der Klägerin verantwortlich. Diese Schadensersatzpflicht ist weder durch ein Mitverschulden der Klägerin gemindert noch verjährt. Im Einzelnen:

1.

Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG sind Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft, die ihre Pflichten verletzen, der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Der Pflichtenmaßstab ergibt sich aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG. Danach haben Vorstandsmitglieder bei der Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Eine Pflichtverletzung in diesem Sinne liegt nicht vor (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG, der zum 01.11.2005 in Kraft getreten ist, ohne dass damit eine Inhaltsänderung verbunden wäre, Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 93 Rz. 4a), wenn der Vorstand bei einer unternehmerischen Entscheidung auf der Grundlage angemessener Information annehmen durfte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.

Diesen Haftungstatbestand hat der BGH für Vorstände von Genossenschaftsbanken konkretisiert. Danach ist für die Ausübung unternehmerischen Ermessens erst Raum, wenn die Entscheidungsgrundlagen sorgfältig ermittelt sind und das Für und Wider abgewogen wird (BGH NJW-RR 2009, 332). Liegen diese Voraussetzungen vor, besteht im Rahmen des unternehmerischen Ermessens ein weiter Handlungsspielraum, der erst die Grenze zur Pflichtwidrigkeit überschreitet, wenn ein hohes Risiko unabweisbar ist (Kreditvergabe ohne übliche Sicherheiten oder Nichtbeachtung der Beleihungsobergrenzen) und kein vernünftiger Grund besteht, das Risiko gleichwohl einzugehen (BGH MDR 2005, 1061). Ist vor diesem Hintergrund ein Kredit bewilligt, besteht eine Pflicht zur laufenden Kontrolle des Kreditrisikos. Auf eine Bonitätsverschlechterung ist mit einer Kündigung oder der Anforderung von Sicherheiten zu reagieren (BGH NJW 2009, 850, 852).

Diese Rechtsprechung des BGH zu Genossenschaftsbanken ist auf Geschäftsbanken in der Rechtsform der AG zu übertragen. Die genannten Grundsätze lassen sich unmittelbar aus dem (seit 01.11.2005 gültigen) Text von § 93 Abs. 1 Satz 1 und 2 AktG ableiten (s. insbesondere „auf der Grundlage angemessener Information“ - das galt inhaltlich bereits vor der zum 01.11.2005 in Kraft getreten Neufassung, Hüffer, AktG 9. Aufl. 2010, § 93 Rz. 4a). Die sorgfältige Schaffung einer Entscheidungsgrundlage ist für jedes unternehmerische Handeln eine Selbstverständlichkeit. Genauso selbstverständlich ist für jede Bank, das Risiko eines ungesicherten Kredits nur einzugehen, wenn das wirtschaftlich gerechtfertigt werden kann. Das zeigt auch ein Vergleich mit § 18 KWG in der vom 01.07.2002 bis 27.05.2005 gültigen Fassung. Danach durfte ein Kredit von insgesamt mehr als 250T€ nur gewährt werden, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse offengelegt wurden (§ 18 Satz 1 KWG). Darauf konnte nur unter Berücksichtigung gestellter Sicherheiten oder Mitverpflichteter abgesehen werden (§ 18 Satz 2 KWG). Der Standard, sich für die Kreditbewilligung ein klares Bild von den Risiken zu verschaffen, galt zudem auch unterhalb der der in § 18 KWG normierten Grenze von 250T€ (Schwennicke/Auerbach-Döser, KWG, 2009, § 18 Rz. 3; Boos-Bock, KWG, 3. Aufl. 2008, § 18 Rz. 5; Luz pp - Gießler, KWG, 2009, § 18 Rz. 58).

2.

Vor dem Hintergrund des dargestellten Haftungsmaßstabs handelte der Beklagte zu 1) bereits bei der Vergabe des Erstkredits pflichtwidrig, da er als verantwortlicher Vorstand die Entscheidungsgrundlagen nicht sorgfältig ermittelt hatte bzw. ermitteln ließ. Auf die Frage, ob die Kreditvergabe sich jenseits des Handlungsspielraums im Rahmen unternehmerischen Ermessens erfolgte, kommt es nicht an. Diese Wertung beruht auf folgenden Erwägungen:

Der Kredit sollte ohne Sicherheiten vergeben werden. Es kam deshalb wesentlich darauf an, ob T über Mittel verfügte, den Kredit zurückzuführen. Diese Feststellung konnte grundsätzlich nur unter Einbeziehung der aktuellen Einkommensverhältnisse getroffen werden. Das Kreditprotokoll beinhaltete Aussagen über die Einnahmen von 1998 bis 2000 betreffend die Sozietät. Die von der D am 13.11.2002 eingeholte Auskunft enthielt die zusätzliche Information über die Jahresumsätze der Kanzlei von 1999 bis 2001. Der zum 31.12.2001 zu erstellende Jahresabschluss für 2001 in Verbindung ggf. mit einer Gewinnverwendung zugunsten von T lag nicht vor. Über das Jahr 2002 war ebenfalls nichts bekannt. Und schließlich war unbekannt, welche Einnahmen aus den verschiedenen Beteiligungen entsprechend der Vermögensaufstellung generiert werden konnte. Das war eine wichtige Frage. Denn aus der Vermögensaufstellung ergaben sich Passiva von ca. 3,6Mio€. Prognostisch aus der Sicht des Beklagten zu 1) unterstellt, Zinsen und Tilgung betrugen zusammen 7%, führte dies zu einer jährliche Belastung von ca. 250T€, die die Einkünfte aus der Sozietät erschöpften. Es lagen deshalb erhebliche Informationsdefizite vor, die einer Entscheidungsfindung entgegenstanden.

Dieses Defizit ist nicht kompensiert worden - im Gegenteil:

In dem Kreditprotokoll wird auf S. 3 unten auf eine Anweisung an die Lebensversicherer verwiesen, den „RKW“ (Rückkaufwert) an die Klägerin zu überweisen. Diese „Anweisung“ konkretisiert sich im Schreiben des Versicherers vom 22.10.2002. Daraus lässt sich aber nur herleiten, dass keine im Sinne von § 13 Abs. 2 ALB unwiderrufliche Bezugsberechtigung eingeräumt wurde. Der Erhalt der Rückkaufwerte war daher eine bloße Hoffnung, die das Informationsdefizit nicht beseitigen konnte.

Desweiteren wird auf S. 3 unten des Kreditprotokolls auf 400T€ fälligen Termingeldes verwiesen, das Mitte Dezember fällig war. Belegt wurde dies mit dem Kontoauszug vom 16.10.2002. Aus S. 2 unten des Kreditprotokolls folgt aber, dass aus dem Termingeld keine Rückzahlung erfolgen soll. Dies wäre aber ebenfalls nur eine Hoffnung gewesen, die zudem zu Nachfragen hätte anregen müssen: Wenn Mitte Dezember ein solcher Betrag fällig wird, warum dann der neue Dispositionskredit€ Wenn es darum gegangen sein sollte, einen Monat zu überbrücken, warum hat sich dafür T nicht mit seiner Hausbank in Verbindung gesetzt€

Schließlich lagen der Kontoauszug zum 08.11.2002 für das Konto „T persönlich“ bei der Bank I vor. Daraus folgt ein Kontostand von 172T€. Das ist ein erheblicher Vermögegensgegnstand, erklärt aber erst recht nicht, warum bei der Klägerin ein neuer (weiterer€) Dispositionskredit benötigt wurde.

Hinzu kommt, dass sich aus der am 13.11.2002 eingeholten Schufa-Auskunft ein vertragswidriges Verhalten von T ergibt. Ein zum 06.08.2001 fälliger Kredit über 224T€ wurde erst am 06.12.2001 zurückgezahlt. Dieser Eintrag hätte zumindest Anlass geben müssen, sich die Hintergründe von T erläutern zu lassen und hinreichend die Einnahmesituation insgesamt zu klären.

Der Senat hat zu den Hintergründen den Beklagten zu 1) im Termin am 19.07.2011 persönlich befragt, ohne nachvollziehbare Erklärungen zu erhalten. Der Beklagte zu 1) war offensichtlich geblendet von „großartigen Vermögenswerten“ und einem „hochrangigen Wohnumfeld“, die den Blick auf die Wirklichkeit verstellten. Eine kritische Nachfrage und Prüfung fand nicht statt. Die verfügbaren Kontoguthaben sollten für die Reithalle der Tochter von T verwandt werden. Dann standen sie aber nicht für die Rückführung des Kredits bei der Klägerin zur Verfügung, was wiederum zu kritischen Nachfragen hätte führen müssen.

Damit fehlten dem Beklagten zu 1) die notwendigen Informationen, um das Für und Wider der Kreditvergabe abwägen zu können. Der Kredit vom 14.11.2002 hätte deshalb nicht vergeben werden dürfen.

Die Absicht, durch T andere, vermögende Kunden zu gewinnen, rechtfertigt die Pflichtverletzung nicht. Dies gilt schon allein deshalb, weil nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich ist, warum die Erhebung weiterer Informationen einem solchen Akquiseziel entgegengestanden hätten.

3.

Der Beklagte zu 1 hat bereits bei der Erstvergabe des Kredits pflichtwidrig gehandelt. Die weiteren Kreditvergaben, denen keine Informationen zugrunde lagen, die zugunsten des Beklagten zu 1) die Beurteilungslage ändern könnten, waren deshalb ebenfalls pflichtwidrig. Zwar wurde der Klägerin im Laufe des Jahres 2003 die BWA für 2002 vorgelegt, die Einnahmen von T in Höhe von ca. 250T€ auswies. Das reichte aber nicht aus, wie zu 2. dargestellt, weil die bereits vorhandenen Kredite zu bedienen waren und dies das Jahreseinkommen erschöpfte. Zudem war T Anfang 2003 bereits vertragsbrüchig geworden. Die Vereinbarung, den Kredit bis zum 30.01.2003 um 50T€ zurückzufahren, wurde nicht eingehalten. Trotz angenommener hoher Einnahmen und hoher Vermögenswerte geriet der Kredit - sofort ‑ in eine Schieflage. Der Beklagte zu 1) verfügte daher im Laufe des Jahres 2003 oder danach über keine Informationen, die für die gesamte Kreditvergabe eine verlässliche Grundlage darstellten.

Dieses Ergebnis wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass nach dem Vortrag des Beklagten zu 1) die Kreditakte nicht vollständig ist. Denn die gerügte Unvollständigkeit bezieht sich auf Bemühungen Ende 2003 und Anfang 2005 sowie auf Unterlagen aus 2004, die keinen Bezug haben zu der Frage, ob sich der Beklagte zu 1) eine hinreichende Tatsachengrundlage schuf.

Schließlich wird das Ergebnis nicht in Frage gestellt durch den L-Bericht vom 31.12.2003 zu § 18 KWG. Dieser kann sich kaum auf 2002 beziehen, weil die Grenze von 250T€ 2002 insgesamt noch nicht überschritten war. Davon unabhängig ist nicht wesentlich, welche Auffassung L vertritt, sondern ob der Maßstab des § 93 Abs. 1 AktG auf der Basis der Rechtsprechung beachtet wurde.

4.

Da der Beklagte bereits bei der Erstvergabe pflichtwidrig handelte, haftet er für den Schaden, der der Klägerin insgesamt durch die Kreditvergabe „T“ entstanden ist. Die Klägerin ist so zu stellen, als wenn sie eine Kreditvergabe abgelehnt hätte. Dazu legt die Klägerin eine Forderungsaufstellung vor, die einen Schaden - bestehend aus Kreditvergaben, Kosten der Rechtsverfolgung gegen T und entgangenen Zinsen - von 747.808,23€ ausweist und auf welche die Klägerin ihre Forderung nunmehr allein stützt. Diese Forderungsaufstellung ist hinsichtlich der Vorgänge, die den Buchungen und deren Berechtigung zugrunde liegen, unstreitig. Die Forderungsaufstellung ist zudem rechtlich nicht zu beanstanden, soweit die Klägerin ihren Zinsschaden als entgangenen Gewinn mit 5%-Punkten über Basiszins berechnet (§ 252 BGB, § 287 ZPO). Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BGH, dass eine Bank in diesem Umfang ihr Geld anlegen und deshalb ihren Schaden berechnen kann (BGH ZIP 1998, 1063; BGHZ 180, 123; BGHZ 172, 147).

Der Umstand, dass die Höhe des Schadens möglicherweise durch Erkrankungen des Kreditnehmers T und dessen Familie beeinflusst ist, hindert die volle Haftung des Beklagten zu 1) nicht. Auch dann ist der Schaden vom Schutzzweck der Pflicht des Beklagten zu 1) erfasst und zurechenbar.

Für ein Mitverschulden der Klägerin zur Schadenshöhe (§ 254 BGB) sieht der Senat keinen Anhaltspunkt. Es ist nicht erkennbar, wie die Klägerin - ohne Sicherheiten zu haben - im Rahmen der Verwertung des Vermögens von T besser hätte abschneiden können.

5.

Der Beklagten zu 1) handelte fahrlässig, da er die ihm obliegende Sorgfalt bereits bei der Erstvergabe außer Acht gelassen hat. Spätere Prüfberichte der L sind daher bereits im Ansatz nicht geeignet, den Beklagten zu 1) zu entlasten. Zudem liegt der Hinweis des Beklagten zu 1) auf BGH NJW 2007, 2119 neben der Sache. Denn der Beklagte zu 1) benötigte aufgrund seiner eigenen Ausbildung und Stellung in der Klägerin keinen externen Rat, um fehlende Sachkenntnis auszugleichen.

6.

Die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 93 Abs. 6 AktG ist durch die Klageerhebung 2006 gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Die Klage ist wirksam erhoben, da die Voraussetzungen des § 253 ZPO beachtet wurden. Die Klage war aber unzulässig, da die Klägerin nicht ordnungsgemäß vertreten war. Die ordnungsgemäße Vertretung einer juristischen Person betrifft die Frage der Prozessfähigkeit. Auch eine so unzulässige Klage hemmt aber die Verjährung (BGH MDR 1974, 388, 389 und NJW 1998, 3486, 3488; Palandt-Ellenberger, 71. Aufl. 2012, § 204 Rz. 5).

III. Begründetheit der Klage gegen den Beklagten zu 2) betreffend Kreditvergabe „T“

Die Klage gegen den Beklagten zu 2) zur Kreditvergabe „T“ ist im Umfang von 275.434,95€ aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG begründet. Der Beklagte zu 2) haftet nur für die Kreditvergaben, die nach dem 04.04.2003 erfolgten. Im Einzelnen:

1.

Der Beklagte zu 2) haftet nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 1) für die weitere Kreditvergabe an T ab dem 04.04.2003. Er wurde, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 26.07.2011 eingeräumt hat, aufgrund einer Vorlage vom 10.03.2003 mit dem Kreditengagement befasst und stimmte der Erweiterung zu, wie diese dann anschließend in dem Kreditprotokoll vom 04.04.2003 festgehalten wurde.

Damit verletzte er wie der Beklagte zu 1) seine Pflicht, nur auf der Grundlage hinreichender Informationen einen Kredit zu bewilligen. Der Beklagte zu 1) hätte gegen eine weitere Kreditvergabe stimmen müssen. Das hätte nach der Organisation des allein aus den Beklagten bestehenden Vorstandes dazu geführt, dass T keine Möglichkeit gehabt hätte, auf das für ihn bei der Klägerin geführte Konto weiter zuzugreifen.

Soweit der Beklagte zu 2) sich damit verteidigt, der Aufsichtsrat hätte eine Krediterweiterung gebilligt, ist das rechtlich nicht erheblich. Dem Aufsichtsrat können Maßnahmen der Geschäftsführung nicht übertragen werden (§ 111 Abs. 4 Satz 1 AktG). Der Aufsichtsrat kann deshalb Meinungsverschiedenheiten des Vorstandes nicht entscheiden (Schiessl, ZGR 1992, 64, 71; Münchener-Kommentar (AktG) - Mertens/Cahn, 3. Aufl. 2010, § 77 Rz. 49). Ein Nein des Beklagten zu 2) hätte selbst dann, wenn der Aufsichtsrat dies kritisiert hätte, weitere Kreditvergaben verhindert.

Der Beklagte zu 2) kann sich schließlich nicht mit dem Hinweis entlasten, es sei seiner Initiative zu verdanken, dass der Kredit „T“ durch Klarstellung des Verhältnisses zu dem Engagement „T3“ um 375.000,-€ am 06.05.2003 reduziert wurde. Denn diese Maßnahme hatte neben der gewünschten Klarstellung/Differenzierung keine inhaltlichen Auswirkungen auf weitere Kreditvergaben zugunsten von T. Der Beklagte zu 2 hat nichts Konkretes dafür dargetan und es auch sonst nichts dafür ersichtlich, dass die Genehmigung weiterer Kreditvergabe ab dem 04.04.2003 zur Sicherung der Rückführung der bisherigen Kredite geboten gewesen wäre.

2.

Der Beklagte zu 2) ist deshalb für den Schaden, der durch die Kreditvergaben nach dem 04.04.2003 entstanden ist, verantwortlich. Das betrifft zum einen weitere Darlehen im Umfang von 230.329,-€ und den Schaden der Klägerin wegen entgangenen Gewinns (zu den Grundlagen s. oben II, 4) in Höhe von 45.105,95€.

a)

Für den Schaden, der durch die weiteren Kreditvergaben entstanden ist, geht der Senat vom Kontostand zum 04.04.2003 von 442.962,80€ aus. Dieser Kontostand hätte sich, wären weitere Kreditvergaben unterblieben, durch die Erträge aus dem bei der Klägerin angelegtem Wertpapierdepot auf 378.755,54€ vermindert. Das betrifft die Dividenden vom 10.04.2003, 16.05.2003, 26.06.2003, 25.03.2004, 08.04.2004, 16.04.2004 und 17.06.2004 im Umfang von insgesamt 2.424,35€ sowie die Einnahmen aus der Verwertung des Depots vom 06.07.2004 und 30.07.2004 von insgesamt 61.782,91€.

Dagegen hätte sich der Kontostand nicht um weitere 375.000,-€ vermindert. Die Umbuchung dieses Betrages zu Lasten des Kontos „T3“ am 06.05.2003 wäre nicht erfolgt, hätte die Klägerin zum 04.04.2003 ihr Kreditengagement gestoppt.

Der Beklagte zu 2) haftet deshalb für die Differenz von 378.755,54€ zum Darlehensendbetrag vom 609.084,54€ = 230.329,-€.

b)

Die von dem Beklagten zu 1 zu vertretende Schaden wegen entgangenen Gewinns (Zinsschaden) errechnet sich wie folgt. Von dem geltend gemachten Gesamtzinsschaden bis 13.06.2006 in Höhe von 130.434,17€ (Anlage 1 zum Protokoll vom 26.07.2011) sind abzuziehen zum Einen der Zinsschaden aus der Zeit bis 04.04.2003 in Höhe von 6.720,68€ (Anlage 3 zum Protokoll vom 26.07.20011) und zum anderen die Summe der Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins (wie in Anlage 1 zum Protokoll vom 26.07.2001 angegeben) für die Zeit vom 05.04.2003 bis 13.06.2006 aus dem Betrag von 442.962,80 EUR, welchen die Klägerin am 04.04.2003 bereits ausgereicht hatte, unter Berücksichtigung der Erträge aus dem Wertpapierdepot, das sind 78.607,54€. Für diesen entgangenen Gewinn bezogen auf den am 04.04.2003 von der Klägerin bereits ausgereichten Betrag von 442.962,80€ haftet der Beklagte zu 2 nicht. Im Falle der Beendigung des Kreditengagements wäre T nicht in der Lage gewesen, den Kredit zurückzuzahlen.

c)

Für die Kosten der Rechtsverfolgung gegen T haftet der Beklagte zu 2) nicht, da diese grundsätzlich auch angefallen wären, hätte der Beklagte zu 2) seine Zustimmung zu weiteren Kreditvergaben verweigert, da T nicht in der Lage war, die zum 04.,04.2003 bereits ausgereichten Kredite zurückzuführen. Möglicherweise haben sich die Kosten der Klägerin für die Rechtsverfolgung durch die weitere Kreditvergabe erhöht. Das hat die Klägerin aber nicht vorgetragen.

d)

Soweit der Beklagte zu 2) meint, ihm könnten die Buchungsvorgänge vom 21.05.2003, 23.05.2003 und 03.06.2003 nicht zugerechnet werden, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Der Beklagte zu 2) ist für diese Vorgänge bereits deshalb mit verantwortlich, weil er Anfang April 2003 nicht das Gesamtengagement stoppte und damit weitere Zugriffe verhinderte.

3.

Hinsichtlich der weiteren Anspruchsvoraussetzungen gilt das II., 4. bis 6. Gesagte entsprechend.

4.

Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, der Beklagte zu 2) hafte ebenfalls für die vor April 2003 erfolgten Kreditvergaben, nicht.

a)

Der Beklagte zu 2) hat keine Überwachungspflichten verletzt.

Aus §§ 76 Abs. 1, 77 Abs. 1 Satz 1 AktG folgt, dass der Vorstand unabhängig von einer internen Zuständigkeitsregelungen insgesamt verantwortlich für die Geschäftsführung ist, d.h. jeder Vorstand grundsätzlich für die Tätigkeit insgesamt haftet. Die haftungsrechtliche Verantwortung ist aber in größeren Unternehmen beschränkt. Der einzelne Vorstand kann sich grundsätzlich darauf verlassen, dass der intern zuständige Kollege ordnungsgemäß handelt. Es bestehen aber Überwachungspflichten, die zum Eingreifen verpflichten, wenn das intern zuständige Vorstandsmitglied Pflichten erkennbar verletzt (BGH NJW 1995, 2850, 2851 und NJW 1997, 130, 132 für die GmbH; Hüffer § 93 AktG Rz. 13a). Diese Überwachungspflicht hat der Beklagte zu 2) nicht verletzt. Im November/Dezember 2002 war für ihn eine nicht ordnungsgemäße Geschäftsführung des Beklagten zu 1) nicht erkennbar.

b)

Der Beklagte zu 2) hat nicht die Pflicht verletzt, für eine (nachträgliche) Absicherung der bereits ausgereichten Kredite zu sorgen, da es für Erfolg versprechende Sicherungen nichts ersichtlich gab.

c)

Allein die - nach Auffassung des Landgerichts - Billigung der ersten Kreditvergaben durch den Beklagten zu 2) führte nicht zu einem Schaden und kann daher eine Haftung nicht begründen.

IV. Feststellung der Erledigung betreffend „H/T2“

Der Antrag der Klägerin auf Feststellung der Erledigung der Klage hinsichtlich der Kreditvergaben „H/T2“ ist unbegründet.

Die Feststellung der (teilweisen) Erledigung eines Rechtstreits setzt voraus, dass die Klage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war (Zöller-Vollkommer, § 91a Rz. 44). In dem Zeitpunkt der Erledigung war die Klage nicht zulässig, da die Klägerin nicht ordnungsgemäß vertreten und damit nicht prozessfähig war.

Soweit die Klägerin meint, durch die Heilung des Zulässigkeitsmangels sei die Klage rückwirkend zulässig geworden und deshalb der Feststellungsantrag begründet, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Die Rechtfertigung für die Feststellung der Erledigung und die damit verbundene Kostentragungspflicht der Beklagten liegt darin, dass die Beklagten sich trotz einer zulässigen und begründeten Klage auf den Rechtsstreit eingelassen und verteidigt haben. Dieser Grundgedanke greift nicht, wenn die Klage im Zeitpunkt der Erledigung unzulässig war. In diesem Fall hätte die Klage als unzulässig abgewiesen und der Klägerin die Kosten auferlegt werden müssen. Daran ändert die spätere Heilung des Zulässigkeitsmangels nichts.

V.

Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 286 Abs. 1, 288 Abs.1, 289 Satz 2 BGB.

VI.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat lässt die Revision nicht zu, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.






OLG Hamm:
Urteil v. 12.07.2012
Az: I-27 U 12/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/bcebbd40f666/OLG-Hamm_Urteil_vom_12-Juli-2012_Az_I-27-U-12-10




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