Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Juni 2005
Aktenzeichen: 7 W (pat) 57/03, 7 W (pat) 56/03

(BPatG: Beschluss v. 22.06.2005, Az.: 7 W (pat) 57/03, 7 W (pat) 56/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F16J des Deutschen Patentund Markenamts vom 27. Februar 2003 aufgehoben und die Sache zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patentund Markenamt zurückverwiesen. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

Die Patentanmeldung 102 06 728.7-12 mit der Bezeichnung -in der geltenden Fassung der Anmeldungsunterlagen -

Hohlkolben und Verfahren zu dessen Herstellung durch Sinternist von der Prüfungsstelle für Klasse F16J des Deutschen Patentund Markenamts mit Beschluss vom 27. Februar 2003 zurückgewiesen worden. Zur Begründung ist angegeben, dass eine erfinderische Tätigkeit zum Auffinden des Anmeldungsgegenstandes nicht gegeben sei, da es sich dem Fachmann geradezu aufdränge, zur Lösung der ihm gestellten Aufgabe das Diffusionsschweißverfahren bei einem Hohlkolben nach der DE 101 09 596 A1, DE 26 53 867 oder DE 196 20 167 C1 anzuwenden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie überreicht in der mündlichen Verhandlung neue Unterlagen (18 Patentansprüche, 13 Seiten Beschreibung), macht geltend, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik neu und erfinderisch sei und beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu erteilen mit den am 22. Juni 2005 neu überreichten Unterlagen und 2 Blatt Zeichnungen (Figuren 1 bis 6 vom 12. April 2002). Außerdem beantragt sie die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

Hohlkolben für eine Axialkolbenmaschine mit einem Hauptkörper, in welchem eine Ausnehmung zumindest über einen Teil der axialen Länge des Hauptkörpers ausgebildet ist, und einem Deckel, welcher die Ausnehmung gegen eine Umgebung des Hohlkolbens abschließt, dadurch gekennzeichnet, daß der durch Sintern hergestellte Deckel mit dem durch Sintern hergestellten Hauptkörper des Hohlkolbens durch Sintern verbunden ist.

Der als selbständiger Patentanspruch formulierte Patentanspruch 16 hat folgende Fassung:

Verfahren zur Herstellung eines Hohlkolbens für eine Axialkolbenmaschine mit folgenden Verfahrensschritten:

- Herstellen eines Hauptkörpers des Hohlkolbens, in welchemeine Ausnehmung zumindest über einen Teil der axialen Länge des Hohlkolbens ausgebildet ist,

- Herstellen eines Deckels, und -Verbinden des Hauptkörpers mit dem Deckel zur Herstellung eines Verbundes zwischen dem Hauptkörper und dem Deckel, wobei die Herstellung des Hauptkörpers und des Deckels sowie deren Verbindung durch Sintern erfolgt.

Die Patentansprüche 2 bis 15 sind auf Merkmale gerichtet, die den Hohlkolben nach Patentanspruch 1, die Patentansprüche 17 und 18 sind auf Merkmale gerichtet, die das Verfahren nach Patentanspruch 16 weiter ausgestalten sollen.

Im Prüfungsverfahren sind zum Stand der Technik die DE 101 09 596 A1 DE 196 48 260 A1 DE 26 53 867 A1 DE 196 20 167 C1 US 3 815 219 genannt worden.

Für weitere Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die fristund formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Sie hat dazu geführt, dass die Sache zur weiteren Prüfung an das Patentamt zurückverwiesen wird.

Auf den Vorhalt des erkennenden Senats, dass es durch das in der Deutschen Offenlegungsschrift 196 48 260 beschriebene Verfahren nahegelegt ist, für die Herstellung eines Kolbens in Verbundbauweise das Diffusionsschweißen anzuwenden, hat die Anmelderin neue Patentansprüche 1 bis 18 vorgelegt. In Patentanspruch 1 und auch in Patentanspruch 16 wird nunmehr ua das Sintern zum Verbinden des durch Sintern hergestellten Deckels mit dem durch Sintern hergestellten Hohlkolben beansprucht. Damit ist mit dem Anspruchsbegehren ein Sachverhalt in den Vordergrund gerückt, der im Prüfungsverfahren noch nicht in ausreichendem Maße Gegenstand der Prüfung gewesen ist, denn zwar hat die Prüfungsstelle mit dem einzigen Prüfungsbescheid darauf verwiesen, Sintern als Verbindungstechnik bei einem gattungsgemäßen Kolben sei der Deutschen Offenlegungsschrift 101 09 596 als bekannt zu entnehmen -allerdings gibt der Offenbarungsgehalt dieser Druckschrift das nicht her, denn bei jenem bekannten Kolben werden zwar einzelne Bauteile gesintert, anschließend aber nicht durch Sintern verbunden. Bei dieser Sachlage bleibt offen, ob der Stand der Technik bezüglich der beanspruchten Merkmale vollständig ermittelt worden ist.

Im Hinblick darauf war die Anmeldung zur Durchführung einer sachgerechten Prüfung auf Patentfähigkeit an das Deutsche Patentund Markenamt zurückzuverweisen (§ 79 Abs 3 Nr 1 PatG).

Die antragsgemäße Zurückzahlung der Beschwerdegebühr (§ 80 Abs 3 PatG; § 9 PatKostG) entspricht der Billigkeit. Dies ergibt sich daraus, dass die Prüfungsstelle die beantragte Anhörung abgelehnt hat, ohne dass die von ihr dafür genannten, oder auch andere Gründe dies rechtfertigen könnten.

Den mit dem einzigen Prüfungsbescheid geäußerten Bedenken der Prüfungsstelle gegen das Patentbegehren hat die Anmelderin schriftlich unter Angabe von Gründen im Einzelnen widersprochen, die Patentansprüche unverändert beibehalten und zugleich, für den Fall des Fortbestehens der Bedenken der Prüfungsstelle, die Anberaumung einer Anhörung beantragt.

Bei einem solchen Verfahrensstand ist eine Anhörung in der Regel sachdienlich, denn sie kann das Verfahren fördern, indem der Anmelderin und dem Prüfer die Möglichkeit geboten ist, ihre gegensätzlichen Auffassungen ausführlich in Rede und Gegenrede zu erörtern und ggf zu einem Einvernehmen bezüglich einer gewährbaren Anspruchsfassung zu gelangen.

Der beantragten Anhörung in diesem Fall allein deshalb die Sachdienlichkeit abzusprechen, weil schon aufgrund der eingetretenen Verfahrenssituation, insbesondere des Fehlens geänderter Ansprüche, zu erwarten sei, dass die gegensätzlichen Bewertungen lediglich noch einmal wiederholt werden würden, so dass sich das Verfahren unnötig verzögere, war nicht gerechtfertigt. Für die Vermutung einer unnötigen Verfahrensverzögerung bedürfte es weiterer Anhaltspunkte, die zB dann gegeben wären, wenn sich die Darlegungen im Schriftsatz der Anmelderin in offensichtlich Unhaltbarem erschöpften, so dass sie auch nicht im Geringsten geeignet wären, den Bedenken der Prüfungsstelle entgegen gestellt werden zu können. Vorliegend ist das nicht der Fall, denn die Anmelderin hat sich eingehend, ausführlich und auf technischen Sachverstand gestützt mit den Bedenken der Prüfungsstelle auseinander gesetzt und das geltende Patentbegehren verteidigt. Bei dieser Sachlage bestand für sie kein Anlass die Ansprüche zu ändern. Vielmehr konnte sie aus ihrer Sicht davon ausgehen, den Prüfer entweder zur Aufgabe seiner Bedenken bewegen zu können, oder aber die Gelegenheit zu erhalten, in einer Anhörung den Dialog mit dem Prüfer fortzuführen, um zu einer Annäherung der bisher gegensätzlichen Auffassungen zu gelangen, ggf auch durch Änderung ihres Antrags. Jedenfalls bietet das Verhalten der Anmelderin im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür, dass sie sich in einer Anhörung gegenüber geeigneten Argumenten des Prüfers verschlossen hätte und starr bei ihren Standpunkten verblieben wäre.

Der Senat hält fest an dem Grundsatz, dass eine einmalige Anhörung des Anmelders vor Abschluss des Prüfungsverfahrens in aller Regel sachdienlich ist, wenn noch Meinungsverschiedenheiten mit der Prüfungsstelle fortbestehen (BPatGE 18, 30).

Bei der Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs Sachdienlichkeit hat der Prüfer zwar einen Beurteilungsspielraum, der der gerichtlichen Nachprüfung entzogen ist (BPatGE 26, 44) -im vorliegenden Fall ist der Rahmen, in dem er sich dabei frei bewegen kann, allerdings verlassen worden. Der beantragten Anhörung war die Sachdienlichkeit nicht abzusprechen.

Tödte Eberhard Köhn Dr. Pösentrup Hu






BPatG:
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Az: 7 W (pat) 57/03, 7 W (pat) 56/03


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