Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 13. Januar 2009
Aktenzeichen: 7 O 182/08
(LG Düsseldorf: Urteil v. 13.01.2009, Az.: 7 O 182/08)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn diese nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihr durch den Kauf und späteren Wiederverkauf von Aktien der Beklagten entstanden ist.
Die Beklagte ist ein Kreditinstitut in Form einer Aktiengesellschaft, deren Kunden hauptsächlich mittelständische Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungsgewerbe sind.
Seit 2001 gründete die Beklagte eine Reihe von Zweckgesellschaften, die in einem Verbund, dem "Rhineland Funding Capital Corporation Conduit", kurz P, zusammengefasst waren. Einen Großteil seiner Erträge erwirtschaftete das P durch Investments in verbriefte internationale Forderungsportfolien, welche auch Forderungen aus dem US-Hypothekenmarkt beinhalteten. Zur Refinanzierung des Erwerbs der Forderungsportfolien gab das Conduit seinerseits sogenannte "Q" (R) heraus, welche am Kapitalmarkt platziert und gehandelt wurden.
Die Beklagte beteiligte sich an diesen Geschäften, indem sie den Zweckgesellschaften Liquiditätslinien zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen zur Verfügung stellte.
Im Geschäftsjahr ......#/......erzielte die Beklagte ein operatives Ergebnis von 263 Mio. € gegenüber 232,5 Mio. € im Jahr zuvor.
Am 20.07.2007 veröffentlichte die Beklagte ihr vorläufiges Quartalsergebnis (1. April - 30. Juni) in Form einer Pressemitteilung. Darin bestätigte sie die Erwartungen eines operativen Jahresergebnisses von 280 Millionen € und erklärte, dass insoweit die Unsicherheiten am US-Hypothekenmarkt "praktisch keine Auswirkungen" haben würden. Die Veröffentlichung des vollständigen Quartalsberichts kündigte sie für den 14.08.2007 an. Wegen des genauen Inhalts der Mitteilung wird auf die Anlage K 9 Bezug genommen.
Ende Juli brach der Markt für R infolge der Probleme auf dem US-Hypothekenmarkt vollständig zusammen. Das P konnte daraufhin seine Geschäfte mit den verbrieften Forderungsportfolien nicht refinanzieren, so dass die Beklagte aus den Liquiditätslinien, die sie zugunsten der P vergeben hatte, in Anspruch genommen wurde.
Um ihrerseits eine Refinanzierung sicher zu stellen, wandte sich die Beklagte an einen ihrer wichtigen und langjährigen Geschäftspartner. Dieser lehnte jedoch die Einräumung der Handelslinie am 27.07.2007, einem Freitag, ab. Die Beklagte war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in der M, sich selbst uneingeschränkt zu refinanzieren.
Nach einer Krisensitzung am Wochenende des 28. und 29.07.2007 veröffentlichte die Beklagte am Montag, den 30.07.2007, um 1.49 Uhr eine Adhoc-Mitteilung mit einer Gewinnwarnung auf Grund ihres Engagements am US-Immobilienmarkt. Sie teilte unter anderem mit, dass ihre Bonität in Frage gestellt sei und dass das prognostizierte Jahresergebnis deutlich niedriger als 280 Millionen € ausfallen werde.
Die Klägerin erwarb am 25.07.2007 von ihrer Hausbank "T" 600 Stück Aktien der Beklagten zu einem Kurs von 23,68 € und damit zu einem Gesamtpreis in Höhe von 14.364,45 € (Anlage K 3). Sie veräußerte diese am 30.11.2007 zu einem Gesamtpreis von 5.046,00 €. Den damit einhergehenden Verlust in Höhe von 9.318,45 € macht sie als Schadensersatz gegen die Beklagte geltend.
Die Klägerin behauptet: Bereits zum Zeitpunkt der Pressemitteilung vom 30.07.2007 habe festgestanden, dass die US-Immobilienkrise größere Auswirkungen auf das Unternehmen habe als mitgeteilt. Im Zusammenhang mit dem am 20.07.2007 vorgelegten Quartalszahlen und der 10 Tage später folgenden Gewinnwarnung müsse davon ausgegangen werden, dass der Vorstand der Beklagten den Kapitalmarkt grob fahrlässig oder sogar vorsätzlich falsch über die tatsächliche M der Bank informiert habe. Der Vorstand habe bereits gut ein Jahr vor Ausbruch der Krise, am 29.11.2006, beim US-Versicherer S wegen einer Absicherung von 7 Milliarden Dollar angefragt. Auch sei der Vorstand der Beklagten im Hinblick über die Probleme mit zweitklassigen US-Krediten nicht seiner Informationspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat nachgekommen. Dieses Verhalten des Vorstandes sei der Beklagten zuzurechnen.
Weiterhin behauptet die Klägerin: Sie habe sich Anfang Juli von Frau N, Autorin des Bestsellers "Keine Angst vor Aktien", telefonisch beraten lassen und diese habe einen Kauf der IKB-Aktie empfohlen. Daraufhin habe sich die Klägerin am 24.07.2007 bei ihrer Hausbank, der "T", über das Unternehmen der Beklagten informiert und habe von ihrem Berater eine Presseinformation von "U" erhalten, welche die Pressemitteilung der Beklagten vom 20.07.2007 wiedergebe und in welcher die Analysten des Bankhaus "Lampe" ihre "kaufen"-Empfehlung bestätigten. Darüber hinaus habe sie sich die Kursentwicklung in Zahlen ausdrucken lassen, wonach ein stetiger Gewinn der Aktie ausgewiesen gewesen sei. Die Kaufentscheidung beruhe auf den Angaben zur positiven Kursentwicklung und der eigenen guten Prognose der Beklagten in der Pressemitteilung vom 20.07.2007. Der Klägerin sei es um eine sichere Anlage gegangen. Sie hätte die Aktien der Beklagten nicht erworben, wenn es keine so positiven Berichte über die Geschäftsentwicklung der Beklagten gegeben hätte.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 9.318,45 € nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 891,31 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht: Die Klägerin habe die erforderliche Kausalität zwischen ihrer Kaufentscheidung und den angeblich falschen - tatsächlich nach dem damaligen Kenntnisstand aber richtigen - Informationen nicht dargelegt. Vielmehr habe sie bewusst trotz stark fallender Kurse in die Aktien der Beklagten investiert und das Risiko eines weiteren Kursrückgangs in Kauf genommen.
Die Beklagten behauptet des Weiteren: Der völlige Zusammenbruch des Marktes für Wertpapiere, die strukturierte Forderungsportfolien verbriefen, sei für sie zum damaligen Zeitpunkt nicht vorhersehbar gewesen. Im Einklang mit der gesamten Branche habe die Beklagte das Risiko für sehr gering gehalten und auf hohe Ratings der zugrunde liegenden Forderungen geachtet. Etliche andere Bankhäuser, vor allem die amerikanische Citigroup, seien von der Krise massiv betroffen. Die streitigen Geschäfte seien seit dem Jahr 2001 unter Hinzuziehung externer Experten und in Abstimmung mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), der Deutschen Bundesbank und dem Aufsichtsrat vorbereitet und durchgeführt worden. Über die Umsetzung der festgelegten Strategie für das Segment Verbriefung sei regelmäßig, korrekt und in notwendigem und angemessenem Umfang intern und extern berichtet worden. Dies ergebe sich aus den Geschäftsberichten. Auch der Vorstand der Beklagten habe sich in jeder Hinsicht korrekt und pflichtgemäß verhalten.
Die herausgegebenen Presseinformationen seien korrekt gewesen. Interne Überprüfungen hätten bei der Beklagten zu der Einschätzung geführt, dass sie von den Veränderungen nur sehr geringfügig, nämlich lediglich im mittleren einstelligen Millionenbereich betroffen sei. Die Beklagte habe daher zum damaligen Zeitpunkt das Ausfallrisiko als sehr gering eingeschätzt und die Liquiditätslinien für unproblematisch gehalten. Um - nach damaliger eigener Ansicht - unzutreffende Gerüchte auszuräumen habe man sich nach umfassender interner Beratung zu der Pressemitteilung vom 20.07.2007 entschlossen
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte haftet der Klägerin aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt auf Ersatz desjenigen Schadens, den sie durch den An- und späteren Verkauf der Aktien der Beklagten erlitten hat.
I.
Die Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 826 BGB liegen nicht vor.
1.
Ein Anspruch der Klägerin aus § 826 BGB scheitert bereits daran, dass die Beklagte nicht vorsätzlich handelte.
In subjektiver Hinsicht erfordert § 826 BGB bedingten Vorsatz, das heißt, der Schädiger muss so leichtfertig gehandelt haben, dass er eine Schädigung des anderen Teils in Kauf genommen haben muss (Palandt/Sprau, BGB, 67. Auflage 2008, § 826 Rn. 9). Ein derartig leichtfertiges Vorgehen kann der Beklagten, auch nach dem Vortrag der Klägerin, nicht zur Last gelegt werden. Die Ausführungen der Klägerin beschränken sich im Wesentlichen auf die allgemeine Behauptung, dass die Beklagte bereits am 20.07.2007 von den Risiken aufgrund der US-Immobilienkrise gewusst haben muss. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der Klägerin mangels Einblick in die internen Vorgänge der Beklagten ein konkreterer Vortrag kaum möglich ist. Der der Beklagten aus diesem Grund in Bezug auf die Beweggründe für die Pressemitteilung vom 20.07.2007 obliegenden sekundären Darlegungslast ist diese hinreichend nachgekommen. So hat die Beklagte im Einzelnen nachvollziehbar vorgetragen, dass ihre finanzielle Krise vor dem 27.07.2007 nicht erkennbar war. Hierzu führt die Beklagte aus, dass sie aufgrund interner Analysen vom 11. und 19.07.2007 zu dem Schluss gekommen sei, durch die US-Immobilienkrise lediglich in Höhe eines mittleren einstelligen Millionenbetrages betroffen zu sein, so dass sich die Beklagte aus ihrer damaliger Sicht unproblematisch refinanzieren konnte. Ferner verweist die Beklagte darauf, dass die Existenz bedrohende M erst eingetreten ist, nachdem ein wichtiger und langjähriger Geschäftspartner der Beklagten im Interbankenmarkt am 27.07.2007 überraschend seine Kreditlinie gekündigt hat, zur gleichen Zeit der RR-Markt zusammengebrochen und dadurch eine Refinanzierung für die Beklagte unmöglich geworden ist. Diese Umstände hat die Beklagte am frühen Morgen des 30.07.2007 und damit im Hinblick auf das zwischen dem 27. und dem 30.07.2007 liegende Wochenende unverzüglich veröffentlicht. Gründe für eine frühere Veröffentlichung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten bestanden nicht.
2.
Des Weiteren fehlt es für einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 826 BGB auch am Merkmal der sittenwidrigen Schädigung.
Eine sittenwidrige Schädigung erfordert ein Handeln, das gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (st. Rspr. seit RGZ 48, 114, 124). Dafür genügt im Allgemeinen die bloße Tatsache, dass der Täter eine gesetzliche Vorschrift verletzt, ebenso wenig wie der Umstand, dass sein Handeln bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss es sich um ein besonders verwerfliches Vorgehen handeln, wobei sich die Verwerflichkeit aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urteile vom 19.07.2004, Az. II ZR 271/03, NJW 2004, 2668, 2670 und Az. II ZR 402/02, NJW 2004, 2971, 2973 - "Infomatec"). Das Verhalten der Beklagten erfüllt die beschriebenen Anforderungen nicht. Dies ergibt der Vergleich mit den Fällen, in denen eine Haftung von Vorstandsmitgliedern für fehlerhafte Adhoc-Mitteilungen nach § 826 BGB angenommen wurde. So hatte der Vorstand in den oben zitierten "Infomatec"-Fällen wiederholt bewusst unzutreffende Adhoc-Mitteilungen veröffentlicht, beispielsweise über den Erhalt eines Großauftrags, der in Wirklichkeit ein wesentlich geringeres Auftragsvolumen aufwies. Darüber hinaus verfolgten die Vorstandsmitglieder in diesen Fällen mit der Herausgabe der falschen Meldungen auch in jedenfalls objektiv unlauterer Weise "eigene Zwecke". Denn sie besaßen im Millionenumfang Aktien ihres Unternehmens und profitierten auf diesem Wege zumindest mittelbar von eventuellen Kurssteigerungen. Vergleichbares ist der Beklagten nicht vorzuwerfen. Weder hat sie wiederholt nachweisbar falsche Meldungen veröffentlicht, noch ist - wie im Rahmen des Vorsatzes schon ausgeführt wurde - davon auszugehen, dass sie bei den streitgegenständlichen Erklärungen den Kapitalmarkt bewusst getäuscht hat.
3.
Schließlich dürfte auch die haftungsbegründende Kausalität zwischen der Pressemitteilung der Beklagten sowie der Entscheidung der Klägerin, 600 Aktien der Beklagten zu erwerben, nicht gegeben sein.
Zur Vermeidung einer uferlosen Ausweitung des offenen Tatbestandes der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB muss für fehlerhafte Adhoc-Mitteilungen stets der Nachweis des konkreten Kausalzusammenhangs zwischen der fehlerhaften Meldung und der individuellen Anlageentscheidung geführt werden, selbst wenn die Kapitalmarktinformation vielfältig und extrem unseriös gewesen ist (BGH, Urteil vom 04.06.2007, Az. II ZR 173/05, Rz. 16 zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 04.06.2007, Az. II ZR 147/05, Rz. 16 zitiert nach juris). Dies hat seinen Grund darin, dass die Anlageentscheidung eines potentiellen Aktienerwerbers einen durch vielfältige rationale und irrationale Faktoren, insbesondere teils durch spekulative Elemente beeinflussten, sinnlich nicht wahrnehmbaren individuellen Willensentschluss darstellt, so dass es grundsätzlich keinen Anscheinsbeweis für sicher bestimmte Verhaltensweisen von Menschen in bestimmten Lebenslagen gibt (BGH, aaO, jeweils Rz. 13 zitiert nach juris). Das Vorbringen der Klägerin kommt diesen Anforderungen nicht hinreichend nach. Zur Begründung der Kausalität trägt die Klägerin vor, dass sie sich von einer Buchautorin beraten lassen habe und aufgrund deren Empfehlung bei ihrer Hausbank Informationen über die Beklagte eingeholt habe. Diese Informationen hätten zum einen die positive Prognose der Beklagten aus ihrer Pressemitteilung vom 20.07.2007 enthalten. Zum anderen habe sie einen Ausdruck der Kursentwicklung der Aktie bekommen, welcher in einen stetigen Gewinn ausgewiesen habe. Beide Auskünfte hätten sie zu der Überzeugung geführt, dass es sich um eine sichere Anlage handele und sie dadurch zum Kauf veranlasst. Dieses Vorbringen der Klägerin ist nicht ganz nachvollziehbar. Denn aus der von ihr selbst vorgelegten Übersicht über den Kursverlauf ergibt sich, dass sich der Kurs der Aktie der Beklagten bereits seit Anfang Juli 2007 im Fall befand. Dies steht im Widerspruch zu der Behauptung der Klägerin, die Kursentwicklung habe einen stetigen Gewinn ausgewiesen. Auf einen entsprechenden Hinweis der Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 09.12.2008 erklärte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin, dass es jener vorrangig auf die langfristige Entwicklung der Aktien der Beklagten angekommen sei. Bei Betrachtung einer Zeitspanne seit dem Jahr 2002 sei durchaus ein stetiger Kursgewinn zu erkennen. Nach dieser Klarstellung ist zwar der Widerspruch zwischen dem klägerischen Vortrag und der von der Klägerin vorgelegten Kursübersicht beseitigt. Damit stellt sie aber gleichzeitig in Abrede, dass die Pressemitteilung der Beklagten für den Aktienerwerb ursächlich geworden ist. Wenn für die Klägerin, wie sie in der mündlichen Verhandlung ausführen ließ, in erster Linie die Entwicklung der Beklagten über mehrere Jahre für die Anlageentscheidung maßgeblich war, so ist nicht hinreichend deutlich, dass gerade die Presseerklärung vom 20.07.2007 ursächlich für die Kaufentscheidung war.
Der Mangel eines konkreten Kausalzusammenhangs lässt sich nicht mit Hilfe eines Anscheinsbeweises nach den Grundsätzen der durch einen Emissionsprospekt ausgelösten "positiven Anlagestimmung" überwinden. Ein Anscheinsbeweis gilt zum einen nur für typische Geschehensabläufe, bei denen ein bestimmter Sachverhalt nach der Lebenserfahrung auf das Hervorrufen einer bestimmten Folge schließen lässt. Die Anlageentscheidung eines potentiellen Aktienkäufers stellt jedoch, wie bereits ausgeführt wurde, einen durch vielfältige rationale und irrationale Faktoren beeinflussten individuellen Willensentschluss dar, bei dem es daher keinen Anscheinsbeweis für sicher bestimmbare Verhaltensweisen von Menschen in bestimmten Lebenslagen geben kann (BGH, Urteil vom 19.07.2004, II ZR 218/03, Rz. 42 zitiert nach juris). Zum anderen liegt hier weder ein Emissionsprospekt noch eine positive Anlagestimmung vor. Denn zum Zeitpunkt des Erwerbes der 600 Aktien durch die Klägerin befand sich der Kurs der Aktie der Beklagten bereits seit mehreren Tagen in einer stetigen Abwärtsbewegung.
II.
Eine Haftung der Beklagten ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG.
1.
Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist, dass ein Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrates oder ein Abwickler die Verhältnisse der Gesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenen Unternehmen in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand, in Vorträgen oder Auskünften in der Hauptversammlung unrichtig wiedergibt oder verschleiert. Ein Schadensersatzanspruch erfordert also, dass die Pressemitteilung der Beklagten vom 20.07.2007 als Darstellung oder Übersicht über den Vermögensstand anzusehen ist. Dies verlangt einen Bericht, der den Vermögensstand umfassend wiedergibt, so dass er ein Gesamtbild über die wirtschaftliche M ermöglicht und den Eindruck der Vollständigkeit erweckt (BGH, Urteil vom 09.05.2005, Az. II ZR 287/02, NJW 2005, 2450, 2451; Kropf, in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Auflage 2006, § 400 Rn. 21). Ein solcher Bericht kann auch ein Quartalsbericht sein. Denn der Quartalsbericht ist gekennzeichnet durch den Anspruch auf vollständige Information der Adressaten über die Unternehmenssituation im Berichtszeitraum (BGH, Urteil vom 16.12.2004, Az. 1 StR 420/03, NZG 2005, 132, 135). Diese Anforderungen sind bei der Erklärung der Beklagten nicht erfüllt. Denn Bestandteil eines Quartalsberichts sind zwingend Zahlenangaben über Umsatzerlöse und das Ergebnis vor und nach Steuern bzw. eine Gewinn- und Verlustrechnung (BGH, Urteil vom 16.12.2004, Az. 1 StR 420/03, NZG 2005, 132, 135). Die Mitteilungen der Beklagten enthält diese Angaben jedoch nicht. In der Pressemitteilung vom 20.07.2007 heißt es unter der Überschrift "Vorläufiges Quartalsergebnis", dass angesichts der guten Entwicklungen das operative Ergebnis im 1. Quartal voraussichtlich um 15 % gegenüber dem gleichen Vorjahrsquartal auf 63 Mio. € gesteigert werden könne. Ferner findet sich in der Mitteilung der Hinweis, dass der vollständige Quartalsbericht am 14. August veröffentlicht werde. In der Erklärung der Beklagten ist also lediglich von Erwartungen und vorläufigen Ergebnissen die Rede. Endgültige Zahlenangaben sind hingegen nicht enthalten, sondern werden ausdrücklich für einen späteren Zeitpunkt angekündigt. Zudem erwecken die erteilten Informationen nicht den Eindruck der Vollständigkeit. Vielmehr wird klargestellt, dass eine vollständige Übersicht der Vermögensverhältnisse noch herausgegeben wird.
2.
Darüber hinaus fehlt es, aus den bereits oben erörterten Gründen, wiederum an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Handeln der Beklagten und dem bei der Klägerin eingetretenen Schaden sowie an dem erforderlichen Verschulden. Aufgrund der Strafnormqualität des § 400 AktG setzt letzteres Tatbestandsmerkmal - wie § 826 BGB - ebenfalls vorsätzliches Handeln voraus.
III.
Schließlich scheidet auch ein Anspruch aus § 37 b Abs. 1 Nr. 1 WpHG aus.
1.
Der Beklagten lag vor dem Aktienkauf der Klägerin am 25.07.2007 keine Insiderinformation vor, deren unverzügliche Veröffentlichung sie unterlassen hat.
Eine Legaldefinition von Insiderinformationen findet sich in § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG. Danach ist eine Insiderinformation eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen und die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktwert der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen. Als Umstände gelten nach § 13 Abs. 1 S. 3 WpHG auch solche, bei denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie in Zukunft eintreten werden. Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet dabei, dass aufgrund konkreter Anhaltspunkte zumindest eine überwiegende Eintrittswahrscheinlichkeit, das heißt eine Wahrscheinlichkeit von über 50 %, vorliegen muss (BGH, Beschluss vom 25.02.2008, Az. II ZB 9/07, Rz. 25 zitiert nach juris). Einen solchen Umstand hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin nicht dargetan. Ihr Vortrag beschränkt sich im Wesentlichen auf den Vorwurf, dass die Beklagte bereits am 20.07.2007 von den Risiken aufgrund der US-Immobilienkrise gewusst haben muss. Wie im Zusammenhang mit dem Tatbestandsmerkmal einer vorsätzlichen Schädigung im Sinne des § 826 BGB bereits erläutert, beruhten die finanziellen Probleme der Beklagten und damit der Wertverfall ihrer Aktien auf dem Zusammentreffen des vollständigen und dauerhaften Zusammenbruchs des RR-Marktes und der Kappung der Handelslinie am 27.07.2007 durch einen wichtigen Geschäftspartner der Beklagten. Beide Umstände waren für die Beklagte nach ihrem damaligen Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Presseveröffentlichung nicht voraussehbar. Von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung ihrer Bonität musste die Beklagte also vor dem Aktienerwerb der Klägerin am 25.07.2007 nicht ausgehen. Vielmehr führten erst die Geschehnisse am 27.07.2007 zu einer Gefährdung der Zahlungsfähigkeit der Beklagten und damit zu einer Pflicht zur unverzüglichen Adhoc-Mitteilung. Mit der Veröffentlichung am frühen Morgen des 30.07.2007 ist die Beklagte dieser Verpflichtung nachgekommen. Mangels Vorliegen einer Insiderinformation im Sinne des § 13 Abs. 1 WpHG im Zeitraum vor dem 27.07.2007 kann mithin die Frage, ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit in dem oben beschriebenen Sinne für § 13 Abs. 1 S. 3 WpHG ausreicht, oder ob sogar eine erhöhte Wahrscheinlichkeit notwendig ist, dahinstehen (ebenfalls offen gelassen durch BGH, Beschluss vom 25.02.2008, Az. II ZB 9/07, Rz. 25 zitiert nach juris).
2.
Weiterhin kann dem Vortrag der Klägerin aus den zu Ziff. I.1 ausgeführten Gründen nicht entnommen werden, dass sie von einem Erwerb der Aktien der Beklagten abgesehen hätte, wenn sie zuvor von der Gefährdung der Bonität der Beklagten in einer Adhoc-Mitteilung erfahren hätte. Die auch für § 37 b Abs. 1 Nr. 1 WpHG notwendige Kausalität zwischen dem Verstoß gegen die Veröffentlichungspflicht und dem beim Anspruchsteller eingetretenen Schaden ist damit nicht hinreichend dargetan, so dass ein Schadensersatzanspruch der Klägerin auch insoweit ausscheidet.
IV.
Mangels Begründetheit der Klageforderung kann die Klägerin ebenfalls nicht Erstattung der ihr entstandenen außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 891,31 € verlangen.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 und 2 ZPO.
Der Streitwert wird auf 9.318,45 € festgesetzt.
LG Düsseldorf:
Urteil v. 13.01.2009
Az: 7 O 182/08
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