Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 5. Mai 2011
Aktenzeichen: 3 StR 458/10

(BGH: Beschluss v. 05.05.2011, Az.: 3 StR 458/10)

Tenor

Der Senat legt die Sache nach § 132 Abs. 4 GVG dem Großen Senat für Strafsachen zur Entscheidung folgender Fragen vor:

1. Handelt ein niedergelassener, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassener Arzt bei Wahrnehmung der ihm in diesem Rahmen übertragenen Aufgaben (§ 73 Abs. 2 SGB V; hier: Verordnung eines Hilfsmittels) als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB€

2. Hilfsweise für den Fall der Verneinung von Frage 1: Handelt ein niedergelassener, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassener Arzt bei Wahrnehmung der ihm in diesem Rahmen übertragenen Aufgaben (§ 73 Abs. 2 SGB V; hier: Verordnung eines Hilfsmittels) im Sinne des § 299 StGB als Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen€

Gründe

Das Landgericht hat den Antrag der Staatsanwaltschaft, gegen die P. GmbH (im Folgenden: Verfallsbeteiligte) in einem selbstständigen Verfallsverfahren Wertersatz in Höhe von 350.225 € für verfallen zu erklären, nach mündlicher Verhandlung durch das angefochtene Urteil "als unzulässig" verworfen. Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft die Verletzung der §§ 261, 244 Abs. 2 StPO und des materiellen Rechts. 1 Der Senat beabsichtigt, der Revision auf die Sachrüge stattzugeben. Er legt die Sache indes vorab gemäß § 132 Abs. 4 GVG dem Großen Senat für Strafsachen zur Entscheidung über die aus der Beschlussformel ersichtlichen Rechtsfragen vor, deren Beantwortung für den Urteilsspruch des Senats ausschlaggebend ist. Diese Fragen haben grundsätzliche Bedeutung; ihre Klärung durch den Großen Senat für Strafsachen ist zur Fortbildung des Rechts erforderlich.

A. I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Die Verfallsbeteiligte handelte mit sog. TENS-Geräten. Dies sind kompakte, batteriegetriebene Geräte, die etwa bei der Schmerzbehandlung, der Muskelstimulation sowie der Behandlung von Harninkontinenz zum Einsatz kommen; sie werden den Patienten zur häuslichen Eigenanwendung zur Verfügung gestellt. Es handelt sich um Hilfsmittel im Sinne der sozialrechtlichen Bestimmungen über die gesetzliche Krankenversicherung.

Die Rechtsvorgängerin der Verfallsbeteiligten schloss am 1. November 2000 mit der Allgemeinen Ortskrankenkasse Niedersachsen (im Folgenden: AOKN) eine Vereinbarung nach § 127 SGB V über die Versorgung der Versicherten mit TENS-Geräten, in welche die Verfallsbeteiligte eintrat. In dem Vertrag war u.a. bestimmt, dass die Verfallsbeteiligte das freie Wahlrecht der Versicherten unter den zugelassenen Leistungserbringern zu beachten hatte und Verordnungen nur unmittelbar vom Versicherten oder einer von diesem beauftragten Person entgegennehmen sollte. Die Geräte standen im Eigentum der AOKN; sie wurden von der Verfallsbeteiligten verwahrt und den Versicherten leihweise überlassen. Hierfür erhielt die Verfallsbeteiligte von der AOKN ein festgelegtes Entgelt. Außerdem war bestimmt, dass die Verfallsbeteiligte vor 2 der Leistungserbringung die Genehmigung der AOKN oder der von dieser benannten Stelle einholen musste. In § 11 der Vereinbarung hieß es: "Versicherte dürfen nicht motiviert oder beeinflusst werden, bestimmte Verordnungen von Vertragsärzten zu fordern. Gleichfalls darf der Leistungserbringer von sich aus den Vertragsarzt in seiner Verordnungsweise nicht beeinflussen."

Zum 1. April 2007 wurde diese Vereinbarung durch einen neuen Vertrag ersetzt. Danach wurde das Eigentum an den Geräten der AOKN lediglich sicherungshalber übertragen. Die Vergütung der Verfallsbeteiligten für die Überlassung der Geräte an die Versicherten richtete sich nach Versorgungspauschalen. Auch in diesem Vertrag war bestimmt, dass die Verfallsbeteiligte vor der Abgabe eines Geräts an einen Versicherten die Bewilligung der AOKN einzuholen hatte. Schließlich lautete § 18 Abs. 1 der Vereinbarung: "Der Leistungserbringer darf nicht Ärzte oder Versicherte zur Stellung von Anträgen auf Bewilligung von Hilfsmitteln oder Versorgungspauschalen motivieren oder beeinflussen oder in einer anderen personenbezogenen Weise werben. Zahlungen des Leistungserbringers für die vorgenannten Zwecke an verordnende Ärzte sind unzulässig."

Die Verfallsbeteiligte bediente sich für den Vertrieb ihres Warensortiments diverser Handelsvertreter, die als Vergütung für von ihnen vermittelte Geschäfte eine Provision erhielten. Der Geschäftsführer der Verfallsbeteiligten gab den Handelsvertretern ein Geschäftsmodell vor. Dieses sah vor, dass einem niedergelassenen Arzt, der ein hochwertiges medizinisches Gerät für seine Praxis von der Verfallsbeteiligten mietete oder leaste, das hierfür zu zahlende Entgelt anteilig erstattet oder vollständig erlassen wurde, wenn er im Gegenzug Verordnungen für den Bezug eines TENS-Gerätes ausstellte und der Verfallsbeteiligten zukommen ließ. Die Ärzte erhielten spezielle Briefkuverts, mit denen die in der Arztpraxis ausgestellten und dort gesammelten Verordnungen 6 an die Verfallsbeteiligte übersandt werden konnten. Abhängig von der Art des dem Arzt überlassenen Gerätes mussten für dessen kostenfreie Nutzung monatlich 15 bis 30 Verordnungen über ein TENS-Gerät ausgestellt werden; einer Verordnung wurde der Gegenwert von zehn Euro beigemessen. Im Zeitraum vom 1. September 2004 bis zum 26. November 2008 gingen der Verfallsbeteiligten insgesamt 70.045 verrechnungsfähige Verordnungen von niedergelassenen Ärzten aus dem gesamten Bundesgebiet zu. Belegbare Anhaltspunkte dafür, dass von den Ärzten auch in solchen Fällen Verordnungen ausgestellt wurden, in denen hierfür keine medizinische Indikation bestand, ergaben sich nicht.

Das Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer der Verfallsbeteiligten wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und Bestechung wurde im Dezember 2009 von der Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 StPO mit der Begründung eingestellt, dass dieser bei der Wertung, ob das von ihm initiierte Geschäftsmodell einen Straftatbestand verletzt, einem unvermeidbaren Verbotsirrtum unterlegen sei.

Auf der Grundlage dieser Feststellungen scheidet nach der Auffassung des Landgerichts eine selbstständige Verfallsanordnung aus, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 2 StGB) bzw. der Bestechung (§ 334 StGB) nicht verwirklicht worden seien. Die gesetzlichen Krankenkassen seien zwar geschäftliche Betriebe im Sinne des § 299 StGB; der dort weiter vorausgesetzte Vorteil liege in der Verrechnung des Entgelts, welches von den Ärzten für die Überlassung von medizinischen Geräten zu entrichten war, mit den von ihnen ausgestellten Verordnungen für den Bezug von TENS-Geräten. Die Vertragsärzte seien jedoch nicht als Angestellte oder Beauftragte der Krankenkassen anzusehen. Der Einordnung des Vertragsarztes als Beauftragter der Krankenkasse stehe hier entgegen, dass dieser bei der Verordnung von Hilfsmitteln - im Gegensatz zur Rechtslage 8 bei Arzneimitteln, wo er regelmäßig das konkrete Medikament festlege - durch das Ausstellen der Verordnung kein für die Krankenkasse verbindliches Votum abgeben könne, welcher Anbieter zum Zuge komme; es fehle somit die erforderliche "Letztentscheidungszuständigkeit". Die AOKN habe auf diese Prüfung auch nicht im Vorhinein verzichtet; sie habe sich vielmehr in den Verträgen mit der Verfallsbeteiligten eine Prüfung im Einzelfall vorbehalten, mithin die Entscheidungsbefugnis nicht vorab aus der Hand gegeben. Eine Strafbarkeit nach § 334 StGB scheitere daran, dass der Vertragsarzt kein Amtsträger sei. Die Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB seien nicht erfüllt. Der erforderliche öffentlichrechtliche Bestellungsakt könne nicht in dem Zulassungsbeschluss des Zulassungsausschusses nach § 95 SGB V gesehen werden. Dieser führe nicht zu einer Anbindung des Vertragsarztes an die gesetzlichen Krankenkassen in der Form, dass der Vertragsarzt bei einer Gesamtbetrachtung als "verlängerter Arm des Staates" erscheine. Dieser sei vielmehr nur Mitglied der kassenärztlichen Vereinigung. Er entscheide allein über die medizinische Notwendigkeit einer Krankenbehandlung und sei einem beliebigen Leistungserbringer gleichzusetzen, dessen sich die gesetzliche Krankenkasse zur Erfüllung ihrer Leistungspflicht gegenüber dem Versicherten bediene.

II. Die - insoweit vom Generalbundesanwalt vertretene - Revision ist der Auffassung, die niedergelassenen Vertragsärzte seien als Beauftragte der Krankenkassen im Sinne des § 299 StGB anzusehen. Dies gelte auch bei der Verordnung von Hilfsmitteln. Eine "Letztentscheidungsbefugnis" des Beauftragten sei nicht erforderlich. Sie meint zudem, die Vertragsärzte seien auch Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB. Die gesetzlichen Krankenkassen erfüllten Aufgaben der öffentlichen Verwaltung und bedienten sich hierzu der Vertragsärzte; es sei deshalb nicht notwendig, den einzelnen Vertragsarzt als "verlängerten Arm des Staates" anzusehen. Die Vertragsärzte sei-10 en auch dazu bestellt, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung vorzunehmen; der Bestellungsakt liege in der Zulassung nach § 95 SGB V. Diese Zulassung führe zu einer Einbindung des Vertragsarztes in das System der gesetzlichen Krankenversicherung und damit auch zu einer organisatorischen Eingliederung des Arztes in die Struktur der jeweiligen Krankenkasse. Es ergebe sich für den Vertragsarzt ein verbindlich vorgegebener Rahmen, innerhalb dessen er bei der Erfüllung der den gesetzlichen Krankenkassen obliegenden öffentlichen Aufgabe der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung mitwirke.

B.

Der Senat hält die Revision der Staatsanwaltschaft für zulässig und - mit der Sachrüge - für begründet. Nach seiner Auffassung handelt ein niedergelassener, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassener Arzt bei der Verordnung von Hilfsmitteln (§ 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V) als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB, so dass die Zuwendung ihm im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit gewährter Vorteile den Tatbestand der Vorteilsgewährung (§ 333 StGB) oder den der Bestechung (§ 334 StGB) erfüllen kann. Die weiteren Voraussetzungen für die selbstständige Anordnung von Wertersatzverfall gegen die Verfallsbeteiligte sind nach den bisherigen Feststellungen zumindest nicht ausgeschlossen. Im Einzelnen:

I. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist zulässig. Zwar hat das Landgericht nach mündlicher Verhandlung den Antrag der Staatsanwaltschaft durch Urteil "als unzulässig" verworfen, während § 441 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 StPO eine solche Form der Entscheidung an sich nur bei zulässigen Anträgen der Staatsanwaltschaft vorsieht. Dies bedeutet indes nicht, dass es sich bei dem Erkenntnis des Landgerichts der Sache nach um einen Beschluss gemäß 11 § 441 Abs. 2 StPO handelt, gegen den nach dieser Bestimmung als statthaftes Rechtsmittel allein die sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht eröffnet wäre (zum zulässigen Rechtsmittel bei fehlerhafter Bezeichnung der anzufechtenden Entscheidung vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 296 Rn. 12 mwN).

Dabei kann dahinstehen, ob der Auffassung des Landgerichts zu folgen ist, das nach § 76a Abs. 1 StGB für die selbstständige Anordnung des Wertersatzverfalls erforderliche Vorliegen einer Straftat sei nicht nur materiellrechtliche Voraussetzung dieser Maßnahme, sondern auch eine in jeder Lage des Verfahrens zu beachtende Prozessvoraussetzung für das selbstständige Verfallsverfahren. Das Landgericht, das den Antrag zunächst für zulässig erachtet hat, war nach § 441 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 StPO befugt, eine mündliche Verhandlung anzuordnen. Diese hätte es - wenn sich die von ihm angenommene Unzulässigkeit des Antrags vor der mündlichen Verhandlung herausgestellt hätte - zwar wieder absetzen und durch Beschluss entscheiden können (LR/Gössel, StPO, 26. Aufl., § 441 Rn. 11; KK/Schmidt, 6. Aufl., § 441 Rn. 7; SK-StPO/Weßlau, Stand Dezember 2007, § 441 Rn. 6). Nach deren Durchführung war es jedoch aus den von ihm dargelegten zutreffenden Gründen rechtlich zumindest nicht daran gehindert, durch Urteil zu entscheiden, nachdem sich nunmehr - aus seiner Sicht - die Unzulässigkeit des Antrags herausgestellt hatte (aA LR/Gössel, StPO, 26. Aufl., § 441 Rn. 22).

II. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist nach Auffassung des Senats auch begründet.

1. Die Voraussetzungen, unter denen ein selbstständiges Verfallsverfahren nach den § 440 Abs. 1, § 442 Abs. 1 StPO i.V.m. § 76a StGB zulässig ist, liegen vor. 13 a) Die Einziehung und der Verfall können nach § 76a Abs. 1 StGB dann selbstständig angeordnet werden, wenn wegen einer Straftat aus tatsächlichen Gründen keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden kann. Dabei kommen grundsätzlich nur solche Hinderungsgründe in Betracht, welche die materielle Strafbarkeit der Tat als solche ebenso wie auch ihre verfahrensrechtliche Verfolgbarkeit unberührt lassen und lediglich ihre faktische Sanktionierung unmöglich machen. Dies trifft vor allem dann zu, wenn der Täter nicht ermittelt oder nicht erreicht werden kann, etwa weil er sich verborgen hält oder sich unerreichbar im Ausland befindet. Die selbstständige Anordnung kommt dagegen grundsätzlich nicht in Betracht, wenn der Verfolgung einer Person rechtliche Gründe entgegenstehen (OLG Celle, Beschluss vom 24. Oktober 1994 - OJs 47/92, NStZ-RR 1996, 209; S/S-Eser, StGB, 28. Aufl., § 76a Rn. 5).

Handelt der Täter schuldlos, so steht nach diesen Maßgaben seiner Verurteilung kein tatsächliches, sondern ein rechtliches Hindernis entgegen. Der Wortlaut des § 76a StGB legt es deshalb zwar zunächst nahe, dass in solchen Fällen ein selbstständiges Verfallsverfahren ausscheidet. Dem steht allerdings entgegen, dass der Verfall nach § 73 Abs. 1 StGB schon bei einer rechtswidrig begangenen Anknüpfungstat angeordnet werden kann; ein schuldhaftes Handeln des Täters ist insoweit nicht erforderlich. Wollte man deshalb bei einer ohne Schuld begangenen Straftat das selbstständige Verfallsverfahren nach § 76a StGB ausschließen, so käme jedenfalls in den Fällen, in denen - wie hier - die Schuldlosigkeit bereits im Ermittlungsverfahren zu Tage tritt und die Staatsanwaltschaft deshalb an der Erhebung der Anklage gehindert ist, die Anordnung des Verfalls nicht in Betracht, obwohl die materiellen Voraussetzungen hierfür gegeben sind. Dies widerspräche indes dem Regelungsgehalt des § 76a Abs. 1 StGB; denn die Norm will die Anordnung des Verfalls gerade ohne Rücksicht auf die persönliche Verfolgbarkeit des Täters ermöglichen, wenn die Voraussetzungen der Maßnahme vorliegen. Deshalb ist die 16 Regelung bei angemessener Berücksichtigung ihres Sinns und Zwecks dahin zu verstehen, dass beim Verfall das schuldlose Handeln des Täters einem tatsächlichen Verfolgungshindernis gleich steht. Hieraus folgt, dass die Anordnung des Verfalls im selbstständigen Verfahren auch dann in Betracht kommt, wenn der Täter bei Begehung der Tat etwa schuldunfähig ist oder einem unvermeidbaren Verbotsirrtum unterliegt (Fischer, StGB, 58. Aufl., § 76a Rn. 10; S/S-Eser, StGB, 28. Aufl., § 76a Rn. 7; SSW-StGB/Burghart, § 76a Rn. 8).

b) Es ist davon auszugehen, dass die Durchführung eines subjektiven Verfahrens hier unmöglich war. Dabei kann dahinstehen, ob das Gericht die Nichtverfolgbarkeit einer bestimmten Person als Verfahrensvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, also auch noch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen im Wege des Freibeweises nachzuprüfen hat (OLG Hamm, Urteil vom 30. Juni 1953 - (1) 2 Ss 300/53, NJW 1953, 1683, 1684; OLG Düsseldorf, Urteil vom 16. März 1967 - (1) Ss 840/66, NJW 1967, 1142, 1143; LR/Gössel, StPO, 26. Aufl., § 440 Rn. 17; KK-Schmidt, StPO, 6. Aufl., § 440 Rn. 3), oder ob die Entscheidungskompetenz darüber, ob eine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden kann, nach der Grundkonzeption des Strafprozessrechts auch in diesem Zusammenhang der Staatsanwaltschaft zusteht mit der Folge, dass das Gericht deren Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Verfallsverfahrens nur dann als unzulässig verwerfen kann, wenn sich aus der Begründung des Antrags oder aus den Akten ohne Weiteres ergibt, dass die Annahme der Staatsanwaltschaft aus tatsächlichen Gründen nicht zutrifft oder auf einem Rechtsirrtum beruht (OLG Celle, Beschluss vom 11. Juli 1958 - 2 Ws 169/58, NJW 1958, 1837; OLG Hamm, Urteil vom 11. Juni 1970 - 2 Ss 51/70, NJW 1970, 1754, 1755; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 440 Rn. 8; Radtke/Hohmann/Kiethe, StPO, § 440 Rn. 10). Denn der Senat hat sich im Wege des Freibeweises davon überzeugt, dass die Staatsanwaltschaft vor dem Hintergrund, dass die nahezu allgemeine Auffassung in Rechtsprechung und Lite-18 ratur zur Tatzeit dahin ging, dass das hier angewandte Geschäftsmodell straflos sei, zu Recht davon ausgegangen ist, dass der anwaltlich entsprechend beratene Geschäftsführer der Verfallsbeteiligten einem Verbotsirrtum unterlegen war, den er nicht vermeiden konnte.

2. Nach den bisherigen Feststellungen ist es entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht ausgeschlossen, dass der Geschäftsführer der Verfallsbeteiligten durch das von ihm über die Handelsvertreter betriebene Geschäftsmodell zumindest den Tatbestand der Vorteilsgewährung (§ 333 Abs. 1 StGB) rechtswidrig verwirklicht hat; demgemäß könnte der Wert des hierdurch von der Verfallsbeteiligten Erlangten gegen diese für verfallen erklärt werden (§ 73 Abs. 1 und 3, §§ 73a, 73b, 76a Abs. 1 StGB).

a) Die Vertragsärzte werden bei Erfüllung ihrer Verpflichtung zur vertragsärztlichen Versorgung der Patienten (hier: Verordnung von Hilfsmitteln, § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V) als Amtsträger im Sinne der § 333 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB tätig; denn sie sind insoweit dazu bestellt, im Auftrag einer sonstigen Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen (vgl. Pragal/Apfel, A&R 2007, 10, 16 f.; Neupert, NJW 2006, 2811; aA etwa Fischer aaO § 11 Rn. 22c; AnwK-StGB/Tsambikakis, § 11 Rn. 42; Geis, wistra 2007, 361, 363 ff.; Klötzer, NStZ 2008, 12, 16; Reese, PharmR 2006, 92, 94; Taschke, StV 2005, 406, 409).

aa) Die gesetzlichen Krankenkassen sind sonstige Stellen nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB.

(1) Unter einer sonstigen Stelle ist eine behördenähnliche Institution zu verstehen, die selbst zwar keine Behörde im verwaltungsrechtlichen Sinn, aber rechtlich befugt ist, bei der Ausführung von Gesetzen und bei der Erfüllung von öffentlichen Aufgaben mitzuwirken (BGH, Urteile vom 16. Juli 2004 - 2 StR 19 486/03, BGHSt 49, 214, 219; vom 19. Juni 2008 - 3 StR 490/07, BGHSt 52, 290, 293; vom 9. Juli 2009 - 5 StR 263/08, BGHSt 54, 39, 41; vom 18. April 2007 - 5 StR 506/06, NJW 2007, 2932, 2933). Zu den öffentlichen Aufgaben gehören dabei nicht nur solche der Eingriffs- und Leistungsverwaltung, sondern auch diejenigen der staatlichen Daseinsvorsorge (BGH, Urteil vom 29. Januar 1992 - 5 StR 338/91, BGHSt 38, 199, 201; Urteil vom 27. November 2009 - 2 StR 104/09, BGHSt 54, 202, 208).

(2) Dafür, dass die gesetzlichen Krankenkassen als derartige behördenähnliche Institutionen anzusehen sind, spricht bereits ihre Organisationsform. Sie sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§ 4 Abs. 1 SGB V). Dieser öffentlichrechtlichen Organisationsform kommt im Rahmen des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB zwar keine allein ausschlaggebende Aussagekraft zu; sie hat allerdings eine erhebliche indizielle Bedeutung (BGH, Urteile vom 9. Juli 2009 - 5 StR 263/08, BGHSt 54, 39, 41; vom 27. November 2009 - 2 StR 104/09, BGHSt 54, 202, 208).

Darüber hinaus wirken die Krankenkassen in der Sache bei der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe im Bereich der staatlichen Daseinsvorsorge mit. Nach § 1 Satz 1 SGB V kommt der gesetzlichen Krankenversicherung die Aufgabe zu, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu verbessern. Um diese Ziele zu erreichen, stellen die Krankenkassen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V den Versicherten - unter im SGB V näher bestimmten Voraussetzungen - bestimmte Leistungen zur Verfügung. Sie nehmen damit in dem gegliederten System der sozialen Sicherung in Deutschland im Rahmen der Gesundheitsfürsorge eine wesentliche Aufgabe wahr (zur Amtsträgereigenschaft eines Vorstands einer betrieblichen Krankenkasse vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2004 - 3 StR 460/03, NStZ 2005, 214). 23

(3) Es kann dahinstehen, ob die Krankenkassen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben derart einer staatlichen Steuerung unterliegen, dass sie bei einer Gesamtbetrachtung der sie kennzeichnenden Merkmale als "verlängerter Arm" des Staates erscheinen; denn für ihre Eigenschaft als sonstige Stelle im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB kommt es darauf nicht entscheidend an. Dieses Abgrenzungskriterium hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung für den Bereich der Tätigkeit privatrechtlich organisierter Einrichtungen und Unternehmen der öffentlichen Hand entwickelt, weil es in diesem Zusammenhang eines aussagekräftigen Unterscheidungsmerkmals von staatlichem und privatem Handeln bedarf. Auf die Erfüllung öffentlicher Aufgaben in Organisationsformen des öffentlichen Rechts ist es deshalb nicht übertragbar (BGH, Urteil vom 27. November 2009 - 2 StR 104/09, BGHSt 54, 202, 212).

(4) Die für die Begründung einer Amtsträgereigenschaft weiter erforderliche Bestellung der Vertragsärzte zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ist ebenfalls zu bejahen.

(a) Die Bestellung im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB setzt nach ihrem Wortsinn keinen förmlichen Akt voraus. Sie ergibt sich vielmehr aus der Art der übertragenen Tätigkeiten und ist in der Heranziehung zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben zu sehen, wenn diese mit einer auf eine gewisse Dauer angelegten Eingliederung verbunden ist. Das Tatbestandsmerkmal der Bestellung ist deshalb nicht durch besondere formelle Voraussetzungen, sondern durch die hierdurch bewirkte Einbeziehung in die Organisation der öffentlichen Verwaltung bestimmt. Es beschreibt die Beauftragung einer Person mit der Erledigung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung (BGH, Urteile vom 15. Mai 1997 - 1 StR 233/96, BGHSt 43, 96, 101 ff.; vom 19. Juni 2008 25

- 3 StR 490/07, BGHSt 52, 290, 299; vom 9. Juli 2009 - 5 StR 263/08, BGHSt 54, 39, 42 f.).

(b) Nach diesem Maßstab erfüllt die Zulassung der Ärzte zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 SGB V die Voraussetzungen einer Bestellung nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB.

(aa) Diese Zulassung ergeht in der Form eines Verwaltungsakts und damit als hoheitliche Maßnahme. Über sie entscheidet nach § 96 SGB V ein durch die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Landesverbände der Krankenkassen sowie die Verbände der Ersatzkassen errichteter Zulassungsausschuss, dem Vertreter der Ärzte und der Krankenkassen in gleicher Zahl angehören (§ 96 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Aufgrund dieses über die allgemeinen Anforderungen hinausgehend sogar ausdrücklichen, formalisierten Bestellungsakts werden die mit der vertragsärztlichen Zulassung verbundenen besonderen Kompetenzen und Verhaltenspflichten ohne Weiteres nach außen deutlich (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2001 - 5 StR 454/00, BGHSt 46, 310, 313).

(bb) Die Zulassung bewirkt zunächst, dass der Vertragsarzt Mitglied der für seinen Kassenarztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung wird (§ 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Die Bildung von Kassenärztlichen Vereinigungen nach § 77 SGB V durch die Vertragsärzte zur Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben der vertragsärztlichen Versorgung hat zur Folge, dass Rechtsbeziehungen regelmäßig zwischen den Krankenkassen sowie den Kassenärztlichen Vereinigungen und nur in Ausnahmefällen direkt zwischen Vertragsarzt sowie Krankenkasse bestehen (vgl. Quaas/Zuck, Medizinrecht, 2. Aufl., § 17 Rn. 25 f.; Becker/Kingreen, SGB V, 2. Aufl., § 69 Rn. 28 f.; Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Aufl., § 2 Rn. 39, § 3 Rn. 57; Schnapp in Festschrift Herzberg, 2008, S. 795, 801; vgl. auch die schematischen Darstellungen bei 28 Krauskopf/Sproll, SGB V, Stand Juni 2010, § 72 Rn. 12; Kasseler Kommentar/Hess, Sozialversicherungsrecht, SGB V, Stand April 2008, § 72 Rn. 16). Jedoch greift der vor diesem Hintergrund von Teilen des Schrifttums gezogene Schluss zu kurz, die Zulassung bewirke allenfalls eine für die Begründung der Amtsträgereigenschaft des Vertragsarztes nicht ausreichende organisatorische Anbindung an die Kassenärztliche Vereinigung, nicht aber eine solche an die Krankenkasse (vgl. Klötzer, NStZ 2008, 12, 16). Die Kassenärztlichen Vereinigungen handeln mit den Krankenkassen Gesamtvergütungen (§ 85 SGB V) für die Leistungen ihrer Mitglieder aus und verteilen diese Vergütung an die Mitglieder. Die Einbindung der Vertragsärzte in diese Organisation betrifft somit in erster Linie den Teilbereich ihrer Vergütung. Die Wirkungen der kassenärztlichen Zulassung erschöpfen sich aber nicht in der Herstellung dieser Verbindung; sie gehen vielmehr weit darüber hinaus.

Die Zulassung führt nach § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V ebenfalls dazu, dass der Vertragsarzt zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet wird. Dies hat zwar nicht zur Folge, dass zwischen dem Vertragsarzt und den Krankenkassen oder den kassenärztlichen Vereinigungen ein Dienstverhältnis begründet wird; es bewirkt jedoch, dass der Vertragsarzt in ein "subtil organisiertes öffentlichrechtliches System" (BVerfG, Urteil vom 23. März 1960 - 1 BvR 216/51, BVerfGE 11, 30, 39 f.) einbezogen wird. Im Rahmen dieses Systems übt der Vertragsarzt mit der Behandlung der Versicherten eine ihm im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung übertragene öffentliche Aufgabe aus (vgl. BVerfG, aaO 39). Dabei ist er in einer für die Begründung einer Amtsträgerstellung ausreichenden Weise in die öffentlichrechtliche Organisation der Krankenkassen eingegliedert. 31

(aaa) Der Vertragsarzt nimmt zunächst einen wesentlichen Teil der Aufgaben wahr, die den Krankenkassen und damit der öffentlichen Verwaltung im Rahmen des deutschen Gesundheitssystems zugewiesen sind.

Er übernimmt u.a. die Pflicht, die gesetzlichen Leistungsansprüche der Versicherten gegen die Krankenkassen auf ärztliche Behandlung (§ 11 i.V.m. § 27 SGB V) zu befriedigen. Nach § 19 Satz 1 SGB IV werden die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nur auf Antrag erbracht, soweit sich aus dem SGB V nichts anderes ergibt. Nach den § 27 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3, § 33 SGB V haben die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung einen Anspruch auf Krankenbehandlung, u.a. in der Form der Versorgung mit Hilfsmitteln. Die entsprechenden Leistungen werden den Versicherten von den Krankenkassen zur Verfügung gestellt (§ 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Satz 3 SGB V), und zwar grundsätzlich als Naturalleistungen und nicht als Geldleistungen in der Form der (nachträglichen) Kostenerstattung (§ 2 Abs. 2 Satz 1, § 13 Abs. 1 SGB V). Da die Krankenkassen die Sach- und Dienstleistungen nicht selbst vorhalten, bedienen sie sich zu ihrer Erbringung dritter Personen und/oder Institutionen (Leistungserbringer) und schließen mit diesen auf Grund der sog. Leistungsverschaffungspflicht (vgl. BSG, Urteil vom 7. August 1991 - 1 RR 7/88, BSGE 69, 170, 173) Verträge über die Erbringung der Leistungen (§ 2 Abs. 2 Satz 3, §§ 69 ff. SGB V; BSG, Urteil vom 14. März 2001 - B 6 KA 54/00 R, BSGE 88, 20, 26 f.; vgl. auch Becker/Kingreen/Joussen, SGB V, 2. Aufl., § 95 Rn. 5; Kasseler Kommentar/Hess, Sozialversicherungsrecht, SGB V, Stand Januar 2010, § 95 Rn. 76). Als Bestandteil der Krankenbehandlung sind auch Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmittel als Sachleistung zu erbringen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Ein derartiger Sachleistungsanspruch kann grundsätzlich nur dadurch begründet werden, dass ein Vertragsarzt das Arznei- oder Hilfsmittel auf Kassenrezept verordnet und damit die Verantwortung für die Behandlung übernimmt; denn die §§ 31 ff. SGB V gewähren keine unmittelbar durchsetzba-32 ren Ansprüche auf "Versorgung" mit von dem Versicherten gewählten Arznei- oder Hilfsmitteln, sondern ausfüllungsbedürftige Rahmenrechte. Ein bestimmtes Arznei- oder Hilfsmittel kann der Versicherte daher erst dann beanspruchen, wenn es ihm als ärztliche Behandlungsmaßnahme in Konkretisierung des gesetzlichen Rahmenrechts vom Vertragsarzt verordnet wird. Dem korrespondieren die Regelungen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in den §§ 72 ff. SGB V. Der Umfang der vertragsärztlichen Versorgung ist dabei in § 73 Abs. 2 SGB V näher umschrieben; diese umfasst nach § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V auch die hier relevante Verordnung von Hilfsmitteln.

Somit hat ausschließlich der jeweils vom Versicherten frei gewählte Vertragsarzt die Kompetenz, die medizinischen Voraussetzungen des Eintritts des Versicherungsfalls der Krankheit für den Versicherten und die Krankenkasse verbindlich festzustellen. Diese Rechtsmacht erstreckt sich - soweit in Vorschriften des Leistungserbringungsrechts (§§ 69 ff. SGB V i.V.m. nachrangigem Recht) nichts Abweichendes bestimmt ist - ferner darauf, im Rahmen und in den Formen der kassenärztlichen Versorgung (§ 73 Abs. 2, § 92 SGB V) mit rechtlicher Bindungswirkung für die zuständige Krankenkasse (nur) im Leistungsverhältnis zum Versicherten festzusetzen, welche nach Zweck oder Art bestimmten Dienste oder Sachen zur Krankenbehandlung medizinisch notwendig zu erbringen sind (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 1993 - 4 RK 5/92, BSGE 73, 271, 278).

Dieses sozialrechtliche Regelungsgefüge weist dem Vertragsarzt bei der Sicherstellung der Versorgung der Versicherten insbesondere im Rahmen der Verordnungstätigkeit eine Schlüsselstellung zu. Dies gilt unabhängig davon, ob man mit der früheren Rechtsprechung den Vertragsarzt bei der Verordnung einer Sachleistung als Vertreter der Krankenkasse ansieht, der im Regelfall mit Wirkung für und gegen diese eine Willenserklärung zum Abschluss eines Ver-34 trages abgibt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2003 - 4 StR 239/03, BGHSt 49, 17, 19; BSG, Urteil vom 17. Januar 1996 - 3 RK 26/94, BSGE 77, 194, 200), oder ob man mit der neueren, jedenfalls den Bereich der Arzneimittel betreffenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch bei der Verordnung von Hilfsmitteln die Konstruktion eines in jedem Einzelfall abzuschließenden, den Versicherten begünstigenden Vertrages für entbehrlich hält und statt dessen eine öffentlichrechtliche Leistungsberechtigung und -verpflichtung der Beteiligten direkt aus den Vorschriften des SGB V, insbesondere § 129 SGB V, herleitet (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 13/08 R, BSGE 105, 157, 161 f.). Denn die durch das Bundessozialgericht vorgenommene dogmatische Neubestimmung der Rechtsgrundlage ändert nichts daran, dass die vertragsärztliche Verordnung das gesetzliche Rahmenrecht des Versicherten auf Versorgung mit Arznei- und Hilfsmitteln konkretisiert. Mithin kommt der Verordnungstätigkeit des Vertragsarztes auch nach der neuen Ausrichtung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine zentrale Funktion im Bereich der Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung mit Arznei- und Hilfsmitteln zu (so ausdrücklich BSG aaO S. 163; vgl. auch Frister/Lindemann/Peters, Arztstrafrecht, 2011, S. 303 f., Rn. 355; aA Manthey GesR 2010, 601).

Mit Blick auf diese Schlüsselposition hat bereits die bisherige Rechtsprechung sowohl des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 25. November 2003 - 4 StR 239/03, BGHSt 49, 17, 18 f.) als auch des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteile vom 16. Dezember 1993 - 4 RK 5/92, BSGE 73, 271, 277 f., 280 f.; vom 17. Januar 1996 - 3 RK 26/94, BSGE 77, 194, 199 f.; vom 23. Oktober 1996 - 4 RK 2/96, BSGE 79, 190, 194) - nach Auffassung des Senats zu Recht - den Vertragsarzt als einen mit öffentlichrechtlicher Rechtsmacht "beliehenen" Verwaltungsträger bezeichnet. Hieran anschließend wird auch in der Literatur verschiedentlich eine Beleihung des Vertragsarztes mit Hoheits-36 rechten angenommen (vgl. Schnapp/Wigge/Neumann, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Aufl., § 13 Rn. 17; Spickhoff/Schuhr, Medizinrecht, StGB § 266 Rn. 29; Schwerdtfeger, NZS 1998, 97, 101; Becker/Kingreen/Axer, SGB V, 2. Aufl., § 31 Rn. 11; Spellbrink, NZS 1999, 1, 2, spricht insofern vom "Quasi-Amtswalter"; aA Hess, Bitburger Gespräche Jahrbuch 1996, 67, 77; Steege in Festschrift Bundessozialgericht, 2004, 517, 524 f.).

(bbb) Daneben bestehen weitere Rechtsbeziehungen zwischen dem Vertragsarzt und den Krankenkassen. So müssen etwa nach § 43b Abs. 1 Satz 1 SGB V die Leistungserbringer Zahlungen, die Versicherte zu entrichten haben, einziehen und mit ihrem Vergütungsanspruch gegenüber der Krankenkasse verrechnen. Zuzahlungen nach § 28 Abs. 4 SGB V ("Praxisgebühr") hat der Leistungserbringer gemäß § 43b Abs. 2 SGB V einzubehalten; sein Vergütungsanspruch reduziert sich entsprechend. Nach § 294 SGB V hat der Vertragsarzt als Leistungserbringer "die für die Erfüllung der Aufgaben der Krankenkassen sowie der Kassenärztlichen Vereinigungen notwendigen Angaben" aufzuzeichnen und mitzuteilen. Im Regelfall werden - sofern keine Selektivverträge ohne Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigungen geschlossen sind -Daten gemäß § 295 SGB V vom Vertragsarzt an die Kassenärztliche Vereinigung und von dort an die Krankenkassen übermittelt. Aus § 36 Abs. 1 Satz 1 BMV-Ä ergibt sich zudem die Pflicht des Vertragsarztes, "die zur Durchführung der Aufgaben der Krankenkassen erforderlichen schriftlichen Informationen [...] auf Verlangen den Krankenkassen zu übermitteln". Die Krankenkassen überwachen (neben den Kassenärztlichen Vereinigungen) nach § 106 Abs. 1 SGB V die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratung und Prüfungen. Dazu bilden die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen Prüfungsstellen sowie einen paritätisch besetzten Beschwerdeausschuss. Soweit der Vertragsarzt gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat, kommen als Rechtsfolge eine gezielte Beratung oder Honorarkürzungen in 37 Betracht. Unter den Voraussetzungen des § 106 Abs. 3a SGB V steht einer Krankenkasse ein direkter Schadensersatzanspruch gegen den Vertragsarzt zu. Ferner ist ein Vertragsarzt zur "peinlich genauen Abrechnung" verpflichtet, da ansonsten das entsprechende Vertrauen der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen gestört wird (BSG, Urteil vom 24. November 1993 - 6 RKa 70/91, BSGE 73, 234, 237; vgl. auch Pawlita in jurisPK-SGB V, § 95 Rn. 383). Nach § 106a Abs. 1 SGB V prüft neben der Kassenärztlichen Vereinigung auch die Krankenkasse die Rechtmäßigkeit und Plausibilität in der vertragsärztlichen Versorgung. Gemäß § 106a Abs. 3 SGB V erstreckt sich der Prüfungsumfang der Krankenkassen u.a. auf das Bestehen ihrer Leistungspflicht sowie die Plausibilität von Art und Umfang der abgerechneten Leistungen.

(ccc) Angesichts dieser engen Verbindungen zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten spricht nicht entscheidend gegen deren Amtsträgereigenschaft, dass nach dem Wortlaut des § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB V die Krankenkassen und u.a. die Ärzte zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung der Patienten zusammenwirken (aA Taschke, StV 2005, 406, 409). Diese Formulierung des Gesetzes vermag die aufgezeigten vielfältigen Rechtsbeziehungen zwischen Vertragsärzten und Krankenkassen nicht in Frage zu stellen. Vor deren Hintergrund ist die Verordnungstätigkeit des Vertragsarztes auch nicht lediglich als aus dem Bereich hoheitlicher Aufgaben ausgegliederte, organisatorische Bewältigung der medizinisch notwendigen Behandlung des Versicherten einzuordnen (aA Klötzer, NStZ 2008, 12, 16).

(cc) Der Umstand, dass der Vertragsarzt mit der Zulassung potentiell mit einer Vielzahl von Krankenkassen - und damit nicht nur mit einer einzigen sonstigen Stelle - in Beziehung tritt, hindert die Annahme seiner Amtsträgereigenschaft im Ergebnis nicht. Diese Besonderheit ist letztlich Folge der historischen 38 Entwicklung des Systems der gesetzlichen Krankenkassen. Während das Verhältnis zwischen den Ärzten und den Krankenkassen ursprünglich durch den Abschluss einzelner privatrechtlicher Verträge geprägt war, wurde die Zulassung später nicht mehr zu einer einzelnen Krankenkasse, sondern zu allen RVO-Kassen vorgenommen (vgl. etwa Verordnung über die kassenärztliche Versorgung vom 14. Januar 1932; RGBl. I S. 19; zur geschichtlichen Entwicklung BVerfG, Urteil vom 23. März 1960 - 1 BvR 216/51, BVerfGE 11, 30, 31 ff.). Mit der Zulassung wird der Vertragsarzt mithin von jeder einzelnen Krankenkasse beauftragt - und ist auch ihr gegenüber verpflichtet -, an der vertragsärztlichen Versorgung mitzuwirken. Dabei wird dieses Rechtsverhältnis nicht mehr durch einzelvertragliche Regelungen, sondern durch das Gesetz und die in dessen Rahmen abgeschlossenen Kollektivverträge zwischen den Krankenkassen und den kassenärztlichen Vereinigungen (bzw. deren jeweiligen Zusammenschlüssen) ausgestaltet, die für den Vertragsarzt mit seiner Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung verbindlich werden (§ 95 Abs. 4 Satz 2 SGB V).

(dd) Soweit es weiter für erforderlich gehalten wird, dass die Bestellung zu einer über den einzelnen Auftrag hinausgehenden längerfristigen Tätigkeit führt (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 1997 - 1 StR 233/96, BGHSt 43, 96, 105; zweifelnd etwa SIS-Eser, StGB, 28. Aufl., § 11 Rn. 20, 25 mwN), ist dieses Kriterium bei der auf Dauer angelegten Zulassung eines Vertragsarztes ohne Weiteres zu bejahen.

(ee) Die Amtsträgereigenschaft eines Vertragsarztes wird nach alldem auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass dieser seine Tätigkeit freiberuflich und bezüglich der Behandlungs- und Verordnungstätigkeit weisungsunabhängig ausübt (aA Geis, wistra 2007, 361, 364; Taschke, StV 2005, 406, 409); denn die freiberufliche Ausübung der übertragenen Aufgaben steht der Amts-40 trägereigenschaft jedenfalls dann nicht entgegen, wenn im Übrigen die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB erfüllt sind (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 1998 - 1 StR 64/97, NJW 1998, 2373: freiberuflich tätiger Bauingenieur). Maßgebend ist deshalb auch insoweit, dass die Vertragsärzte durch ihre Zulassung in relevanter Weise in die öffentlichrechtlichen Strukturen der kassenärztlichen Versorgung der Versicherten eingebunden werden.

b) Auch die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 333 Abs. 1 StGB sind erfüllt.

aa) Den Vertragsärzten wurden im Rahmen des praktizierten Geschäftsmodells mit den vereinbarten Zuwendungen Vorteile gewährt.

bb) Dies geschah für deren Dienstausübung. Nach den Feststellungen wurden die Zuwendungen zwar nicht dafür geleistet, dass die Vertragsärzte die Verordnungen über die TENS-Geräte ausstellten (§ 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V), sondern dafür, dass sie diese anschließend der Verfallsbeteiligten zukommen ließen. Sie bildeten deshalb keine unmittelbare Gegenleistung für eine Tätigkeit, die den Vertragsärzten im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung der Versicherten übertragen ist, sondern für eine solche, die hiermit in einem engen Zusammenhang steht. Dies reicht indes aus.

Zur Dienstausübung sind zunächst jedenfalls Handlungen zu zählen, die der Amtsträger in Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben wahrnimmt, d.h. Handlungen, die zu den dienstlichen Obliegenheiten gehören und in amtlicher Eigenschaft vorgenommen werden (BGH, Urteil vom 10. März 1983 - 4 StR 375/82, BGHSt 31, 264, 280). Darüber hinaus fallen unter das Tatbestandsmerkmal der Dienstausübung aber auch solche Tätigkeiten, die ihrer Natur nach zu dem Amt oder dem Dienst des Amtsträgers in einer inneren Beziehung stehen und nicht völlig außerhalb seines Aufgabenbereiches liegen (BGH, Ur-42 teile vom 5. September 1952 - 4 StR 885/51, BGHSt 3, 143, 145; vom 19. Dezember 1957 - 4 StR 485/57, BGHSt 11, 125, 127; vom 3. Februar 1960 - 4 StR 437/59, BGHSt 14, 123, 125; vgl. auch BGH, Urteil vom 22. Juni 2000 - 5 StR 268/99, NStZ 2000, 596, 598).

Nach diesem Maßstab wird auch das Sammeln der Verordnungen und Weiterleiten an die Verfallsbeteiligte erfasst. Diese Tätigkeit stellt zwar keine unmittelbare Amtshandlung dar; sie stand jedoch mit der Verordnung der Hilfsmittel in einem engen Zusammenhang. Sie war die Voraussetzung dafür, dass die Vertragsärzte im Anschluss die Verordnungen der Verfallsbeteiligten zukommen ließen; sie wurde ihnen somit gerade durch ihre amtliche Stellung ermöglicht und stellt keine außerhalb des Aufgabenbereichs des Amtsträgers liegende Privathandlung dar.

cc) Eine Unrechtsvereinbarung liegt ebenfalls vor; denn den Vertragsärzten wurden die Vorteile vereinbarungsgemäß gerade als Gegenleistung für die beschriebene Dienstausübung gewährt.

c) Damit ist dem Grunde nach die Möglichkeit eröffnet, gegen die Verfallsbeteiligte den Verfall von Wertersatz anzuordnen.

aa) Der Geschäftsführer der Verfallsbeteiligten handelte im Sinne des § 73 Abs. 3 StGB für die Verfallsbeteiligte.

bb) Die Verfallsbeteiligte hat auch etwas erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1, 3 StGB. Erlangt ist der Wert des mit dem Zugang der Verordnung des TENS-Geräts erlangten "Auftrags", für die Krankenkasse ein derartiges Gerät an den jeweiligen Patienten auszuleihen (vgl. § 33 Abs. 5 Satz 1 SGB V), mithin der zum Zeitpunkt der "Auftragserteilung" hieraus zu erwartende wirtschaftliche Gewinn (BGH, Urteile vom 2. Dezember 2005 - 5 StR 119/05, BGHSt 50, 46 299, 310; vom 29. Juni 2006 - 5 StR 482/05, NStZ-RR 2006, 338; Fischer aaO § 73 Rn. 11 mwN auch zur Gegenansicht). Das neue Tatgericht wird diesen Wert nach einer Zurückverweisung der Sache gegebenenfalls gemäß § 73b StGB zu schätzen haben. Es wird in diesem Zusammenhang ebenfalls ergänzende Feststellungen etwa zu den Vereinbarungen bezüglich der neben der AOKN involvierten Krankenkassen sowie dazu zu treffen haben, ob die Verfallsbeteiligte alle Verordnungen, welche die Vertragsärzte ihr zukommen ließen, aufgrund des von ihr betriebenen Geschäftsmodells erlangte.

C.

Die Voraussetzungen für eine Vorlage der Sache an den Großen Senat für Strafsachen nach § 132 Abs. 4 GVG sind gegeben.

Die Beantwortung der Frage, ob ein niedergelassener, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassener Arzt bei Wahrnehmung der ihm in diesem Rahmen übertragenen Aufgaben, hier konkret bei der Verordnung eines Hilfsmittels (§ 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V) als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB handelt, ist von grundsätzlicher Bedeutung. Sie ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher nicht geklärt und kann sich in einer Vielzahl von Verfahren erneut stellen. Ihre Beantwortung wirkt deshalb richtungsweisend für die Rechtsanwendung im Bereich der strafrechtlichen Verfolgung des sog. Pharmamarketing. Dabei ist mit Blick auf die erheblichen Auswirkungen eine möglichst einheitliche, sich an entsprechenden Vorgaben des Großen Senats für Strafsachen orientierende Handhabung der Praxis geboten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. März 2001 - GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 324 f.; vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 128). 51 Die Vorlage ist zur Fortbildung des Rechts erforderlich. Sie zielt auf die Festlegung neuer Auslegungsgrundsätze, als deren Folge sich ein geändertes Verständnis der Stellung des Vertragsarztes im Verhältnis zu den Krankenkassen ergibt.

D.

Sollte der Große Senat für Strafsachen entgegen der Ansicht des vorlegenden Senats die Amtsträgereigenschaft des niedergelassenen Vertragsarztes bei der Verordnung von Hilfsmitteln verneinen, so hängt der Erfolg der Revision der Staatsanwaltschaft davon ab, ob der Geschäftsführer der Verfallsbeteiligten durch das von ihm praktizierte Geschäftsmodell tatbestandlich und rechtswidrig zumindest Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 2 StGB) begangen hat (zur Subsidiarität des § 12 UWG aF, der Vorgängervorschrift des § 299 StGB, gegenüber den Amtsdelikten vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 1952 - 1 StR 670/51, BGHSt 2, 396, 403; Beschluss vom 10. Februar 1994 - 1 StR 792/93, NStZ 1994, 277), und daher auf dieser Grundlage die selbstständige Anordnung von Wertersatzverfall gegen die Verfallsbeteiligte in Betracht kommt. Auch dies wäre nach Auffassung des vorlegenden Senats zu bejahen. Indes handelt es sich bei der Frage, ob der niedergelassene Vertragsarzt insoweit als Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen anzuerkennen ist, ebenfalls um eine solche von grundsätzlicher Bedeutung, die der Senat zur Fortbildung des Rechts dem Großen Senat für Strafsachen hilfsweise für den Fall unterbreitet, dass dieser die hauptsächlich gestellte Vorlegungsfrage verneint. 53 I. Handeln Vertragsärzte bei der Verordnung von Hilfsmitteln nicht als Amtsträger, so werden sie insoweit jedenfalls als Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen im Sinne des § 299 StGB tätig.

Beauftragter nach dieser Vorschrift ist nach gefestigter, ständiger Rechtsprechung und allgemeiner Auffassung in der Literatur, wer, ohne Geschäftsinhaber oder Angestellter zu sein, für einen Geschäftsbetrieb befugtermaßen tätig wird und dabei aufgrund seiner Stellung berechtigt und verpflichtet ist, auf Entscheidungen des Betriebes, die den Waren- oder Leistungsaustausch betreffen, Einfluss zu nehmen (BGH aaO, BGHSt 2, 396, 401; LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 299 Rn. 16 mwN). Diese Voraussetzungen liegen vor. Hierzu gilt im Einzelnen:

1. In der strafrechtlichen Literatur hat - soweit ersichtlich - erstmals Pragal (NStZ 2005, 133) die Meinung vertreten, die Vertragsärzte seien als Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen anzusehen, und dies in Anlehnung an die Rechtsprechung zur Stellung der Vertragsärzte im Rahmen des Untreuetatbestands nach § 266 StGB (BGH, Beschlüsse vom 25. November 2003 - 4 StR 239/03, BGHSt 49, 17; vom 27. April 2004 - 1 StR 165/03, NStZ 2004, 568, 569) insbesondere damit begründet, sie seien bei der Ausstellung einer Verordnung als Vertreter der Kassen tätig. Diese Auffassung hat im Schrifttum in der Folgezeit überwiegend Kritik hervorgerufen (Bernsmann/Schoß, GesR 2005, 193, 195 f.; Geis, wistra 2005, 369; ders., GesR 2006, 345, 347; ders., wistra 2007, 361; Klötzer, NStZ 2008, 12; Kölbel, wistra 2009, 129, 132; Reese, PharmR 2006, 92, 96 ff.; Sahan, ZIS 2007, 69; Taschke, StV 2005, 406, 410 f.), wird mittlerweile jedoch von einer wachsenden Zahl von Autoren im Ergebnis geteilt (Fischer, StGB, 58. Aufl., § 299 Rn. 10b ff.; LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 299 Rn. 18; NK-StGB-Dannecker, § 299 Rn. 23c; Böse/Mölders, MedR 2008, 585, 586 ff.; Frister in Lindemann/Ratzel, Brennpunkte des Wirt-55 schaftsstrafrechts im Gesundheitswesen 2010, 99; Frister/Lindemann/Peters, Arztstrafrecht 2011, S. 293 ff. Rn. 348 ff.; wohl auch S/S-Heine, StGB, 28. Aufl., § 299 Rn. 8; offen Badle, NJW 2008, 1028, 1033). Ihr hat sich in neuerer Zeit das Oberlandesgericht Braunschweig (Beschluss vom 23. Februar 2010 - Ws 17/10, NStZ 2010, 392) - wenn auch für die konkrete Entscheidung nicht tragend und ohne nähere Begründung - angeschlossen. Diese Entscheidung ist teilweise auf Zustimmung (Dannecker, GesR 2010, 281; Schmidt, NStZ 2010, 393; Frister/Lindemann/Peters, Arztstrafrecht 2011, S. 299 Rn. 353), wohl überwiegend jedoch auf Ablehnung (Brockhaus/Dann/Teubner/Tsambikakis, wistra 2010, 418; Dieners, PharmR 2010, 232; Geis, wistra 2010, 280; Schneider, StV 2010, 366; ders., HRRS 2010, 241, 245 ff.; Sobotta, GesR 2010, 471; Steinhilper, MedR 2010, 499; Warntjen/Schelling, PharmR 2010, 509; Weidhaas, ZMGR 2010, 199) gestoßen.

2. Die Beauftragteneigenschaft des niedergelassenen Vertragsarztes im Verhältnis zu den gesetzlichen Krankenkassen bei der Verordnung von Hilfsmitteln ergibt sich maßgebend aus einer sachgerechten Bewertung der Bedeutung, die einer solchen Verordnung nach dem sozialrechtlichen Regelungsgefüge zukommt:

Wie bereits dargelegt hat der Vertragsarzt bei der Verordnung eines Arznei- oder Hilfsmittels eine zentrale Stellung inne. Seine Verordnung ist für die Begründung des Sachleistungsanspruchs des Versicherten "conditio sine qua non" und damit sowohl für diesen als auch für die betreffende Krankenkasse von essentieller Bedeutung. Bereits diese Schlüsselstellung rechtfertigt den Schluss, dass der Vertragsarzt mit dem Ausstellen einer Verordnung über ein Arznei- oder Hilfsmittel auf die Entscheidung der Krankenkasse, dem Versicherten eine derartige Sachleistung zu gewähren, kraft der ihm durch das Kas-58 senarztrecht verliehenen Kompetenzen in ganz wesentlicher Weise Einfluss nimmt und somit die Voraussetzungen einer Beauftragtenstellung erfüllt.

3. Entgegen der Auffassung des Landgerichts scheitert die Einordnung des Vertragsarztes als Beauftragter bei der Verordnung von Hilfsmitteln nicht daran, dass der die Verordnung ausstellende Arzt regelmäßig nicht letztverbindlich über die Gewährung einer bestimmten Sachleistung entscheidet.

Der Strafkammer ist zwar dahin zuzustimmen, dass nach dem SGB V die Frage, ob eine Sachleistung der vorherigen Beantragung bei und Bewilligung durch die zuständige Krankenkasse bedarf, in der Weise geregelt ist, dass die vorherige Beantragung und Bewilligung der Leistung die Regel und das Absehen hiervon die Ausnahme ist. Falls nichts anderes bestimmt oder etwa durch einen Vertrag zwischen dem Leistungserbringer und der gesetzlichen Krankenkasse nach § 127 SGB V vereinbart ist, muss der Versicherte deshalb die Verordnung bei der Krankenkasse einreichen und diese darüber entscheiden, ob sie das verordnete Hilfsmittel bewilligt. Bis zu dieser Bewilligung ist der Versicherte nicht berechtigt, die Verordnung bei einem Leistungserbringer einzureichen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 8. Dezember 2009 - L 11 KR 5031/09 ER-B, Rn. 31 f. - zitiert nach juris).

Eine derartige Letztentscheidungszuständigkeit, wie sie das Landgericht als erforderlich erachtet, ist indes nach der allgemeinen, in ständiger Rechtsprechung verwendeten Umschreibung nicht Voraussetzung für die Beauftragtenstellung nach § 299 StGB; vielmehr genügt es, dass der Beauftragte auf die Entscheidung des Betriebes über den Warenaustausch Einfluss hat. Es besteht kein Anlass, im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung hiervon abzugehen. Dies würde zu einer in der Sache nicht gerechtfertigten Privilegierung der Vertragsärzte führen, die zudem Sinn und Zweck der Norm widerspräche. Be-60 reits in der Rechtsprechung zu § 12 UWG, der Vorgängervorschrift des § 299 StGB, war es allgemein anerkannt, dass der Beauftragtenbegriff weit auszulegen ist, weil ihm innerhalb des Tatbestandes eine Auffangfunktion zukommen soll (BGH aaO, BGHSt 2, 396, 401; LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 299 Rn. 16). Mit der Verlagerung der Strafbestimmung in das Strafgesetzbuch durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August 1997 (BGBl. I S. 2038) war eine Einschränkung nicht verbunden. Der Gesetzgeber wollte vielmehr das Bewusstsein in der Bevölkerung schärfen, dass es sich auch bei Korruption im geschäftlichen Bereich um eine Kriminalitätsform handelt, die nicht nur die Wirtschaft selbst betrifft, sondern Ausdruck eines allgemeinen sozialethisch zu missbilligenden Verhaltens ist (BR-Drucks. 553/96, 32). Mit diesen Grundsätzen wäre die von der Strafkammer vertretene Restriktion nicht vereinbar.

4. Auch die weiteren, von Teilen des Schrifttums gegen eine Beauftragtenstellung ins Feld geführten Argumente führen im Ergebnis nicht zu einer anderen Bewertung:

a) Dies gilt zunächst, soweit darauf abgestellt wird, der niedergelassene Arzt übe eine freiberufliche Tätigkeit aus (vgl. etwa Bernsmann/Schoß, GesR 2005, 193, 195 f.; Brockhaus/Dann/Teubner/Tsambikakis, wistra 2010, 418, 421; Klötzer, NStZ 2008, 12, 14; Reese, PharmR 2006, 92, 97; Sobotta, GesR 2010, 471, 474; Taschke, StV 2005, 406, 410 f.); denn ein selbstständiges gewerbliches oder freiberufliches Tätigwerden steht der Einordnung des Betreffenden als Beauftragter ebenso wenig entgegen wie seiner Qualifizierung als Amtsträger. Für einen Beauftragten nach § 299 StGB ist es vielmehr geradezu typisch, dass er - im Gegensatz zum Angestellten - nicht in den geschäftlichen Betrieb eingegliedert ist, sondern mit der Wahrnehmung des Auftrags zugleich eine eigene geschäftliche oder freiberufliche Tätigkeit ausübt (LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 299 Rn. 16; Frister in Lindemann/Ratzel, Brennpunkte des 63 Wirtschaftsstrafrechts im Gesundheitswesen 2010, 99, 104; Schmidt, NStZ 2010, 393, 395). Während sich die Angestellteneigenschaft regelmäßig aus einem Arbeits- oder Dienstverhältnis ergibt, liegt der Beauftragung im Sinne des § 299 StGB typischerweise ein Geschäftsbesorgungs- oder Werkvertrag zugrunde. Als Beauftragte gelten deshalb z.B. selbstständige Handelsvertreter (BGH, Urteil vom 27. März 1968 - I ZR 163/65, NJW 1968, 1572, 1573) oder ein freiberuflich tätiger Prüf- und Planungsingenieur (BGH, Urteil vom 15. Mai 1997 - 1 StR 233/96, BGHSt 43, 96, 105). Auch freiberuflich tätige Architekten oder Unternehmensberater kommen als Beauftragte in Betracht (MünchKomm-StGB/Diemer/Krick, § 299 Rn. 5; Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 299 Rn. 2). In diesem Zusammenhang würde es somit ebenfalls eine in der Sache nicht gerechtfertigte Privilegierung darstellen, wollte man den Vertragsarzt aus dem Anwendungsbereich des § 299 StGB herausnehmen, weil er seine Tätigkeit freiberuflich ausübt.

b) Die Anwendung des § 299 StGB scheidet auch nicht deshalb aus, weil der Vertragsarzt regelmäßig Inhaber der eigenen ärztlichen Praxis und damit eines Betriebes im Sinne der genannten Vorschrift ist (aA Bernsmann/Schoß, GesR 2005, 193, 196). Denn der Betriebsinhaber kann sich wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr strafbar machen, wenn er zugleich für einen anderen geschäftlichen Betrieb tätig wird und für den Einfluss auf dessen Entscheidungen unberechtigte oder sachfremde Vorteile erhält (NK-StGB-Dannecker, § 299 Rn. 23b); von der Strafbarkeit ausgenommen ist lediglich die Vorteilsannahme eines Betriebsinhabers bezüglich seines eigenen Betriebes (Fischer, StGB, 58. Aufl., § 299 Rn. 10c).

c) Gegen die Einordnung des Vertragsarztes als Beauftragter im Sinne des § 299 StGB spricht weiter nicht, dass seine Befugnis, auf die Entscheidung des Betriebes Einfluss zu nehmen, nicht auf einem Rechtsgeschäft beruht. 65 Insbesondere der Wortlaut der Norm erfordert eine solche restriktive Interpretation des Tatbestandsmerkmals "Beauftragter" nicht (aA Sahan, ZIS 2007, 69, 72; vgl. auch Reese, PharmR 2006, 92, 98). Dies ergibt sich schon mit Blick auf § 266 StGB, der ausdrücklich von einem "behördlichen" Auftrag spricht (so zu Recht LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 299 Rn. 17). Eine Auslegung, die nicht nur die rechtsgeschäftliche Beauftragung erfasst, hält sich deshalb in den Grenzen des natürlichen Wortsinns und verstößt nicht gegen das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG.

Mit Blick vor allem auf das von § 299 StGB geschützte Rechtsgut sowie Sinn und Zweck der Norm ist die rechtliche Grundlage, auf der die Berechtigung beruht, nicht maßgebend (aA Brockhaus/Dann/Teubner/Tsambikakis, wistra 2010, 418, 419 f.; Reese, PharmR 2006, 92, 96). § 299 StGB ist als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet (S/S-Heine, StGB, 28. Aufl., § 299 Rn. 2 mwN) und schützt - zumindest vorrangig - den freien Wettbewerb (LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 299 Rn. 1 mwN). Dieser ist immer dann in Gefahr, wenn Personen die Befugnis haben, den Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen im geschäftlichen Verkehr zu beeinflussen, dessen wirtschaftliche Folgen nicht sie selbst treffen, sondern die ein anderer zu tragen hat. Demgegenüber ist es nicht von Bedeutung, auf welcher rechtlichen Grundlage die betreffenden Personen tätig werden. Entscheidend ist vielmehr, dass der Beauftragte die tatsächliche Möglichkeit hat, die betrieblichen Entscheidungen über den Erwerb von Waren oder Leistungen unmittelbar oder mittelbar zu beeinflussen und es ihm im Interesse des Betriebes verwehrt ist, Leistungen der anderen Vertragsseite anzunehmen (Böse/Mölders, MedR 2008, 585, 587). Auch außenstehende Personen können somit Beauftragte sein, wenn sie in der Lage sind, Entscheidungen für den Betrieb zu beeinflussen (vgl. Schmidt, NStZ 2010, 393, 394). Es kommt allein auf das unlautere Tätigwerden des Beauftragten für den Geschäftsherrn an, ohne dass dieses Verhalten dem Geschäfts-67 herrn zugerechnet werden muss (NK-StGB-Dannecker, § 299 Rn. 23a). Deshalb kommt neben der Beauftragung durch ein Rechtsgeschäft auch in Betracht, dass sich die Beauftragtenstellung - wie etwa bei einem Insolvenzverwalter (Fischer aaO § 299 Rn. 10a) - aus einer gerichtlichen Bestellung, einer gesetzlichen Regelung oder einem Verwaltungsakt ergibt. Somit genügt es, dass die Befugnis des Vertragsarztes im Verhältnis zu den gesetzlichen Krankenkassen auf der Zulassung durch den nach § 96 SGB V gebildeten Ausschuss gründet, dessen Mitglieder von den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen bestellt werden.

d) Aus den dargelegten Gründen erfordert der Tatbestand des § 299 StGB erst recht nicht, dass der Beauftragte ein ihm von dem Geschäftsherrn entgegen gebrachtes Vertrauen missbraucht (zutreffend Schmidt, NStZ 2010, 393, 394 f.; aA Geis, GesR 2006, 345, 347; ders., wistra 2005, 369, 370; Brockhaus/Dann/Teubner/Tsambikakis, wistra 2010, 418, 419 f.). Der Wortlaut des § 299 StGB gibt für eine derartige Einschränkung nichts her. Es widerspräche dem Wesen der Vorschrift als Straftat gegen den freien Wettbewerb, wollte man die Beauftragtenstellung nur bei einem derart engen persönlichen Verhältnis zwischen dem Beauftragten und dem Betriebsinhaber bejahen.

e) Die Einordnung des Vertragsarztes als Beauftragter wird auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil dieser bei der Auswahl des Arznei- oder Hilfsmittels nicht nur die wirtschaftlichen Interessen der gesetzlichen Krankenkassen zu wahren, sondern sich vor allem am Wohl seines Patienten zu orientieren hat (aA Geis, wistra 2005, 369, 370; Sahan, ZIS 2007, 69, 73 f.; Schneider, StV 2010, 366, 367 f.). Zwar hat er diesen sachkundig zu beraten und dadurch in die Lage zu versetzen, sein Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich der Behandlung auszuüben. Jedoch ändert diese Verpflichtung des Vertragsarztes nichts 69 daran, dass er mit der Verordnung von Arznei- oder Hilfsmitteln - jedenfalls auch - Einfluss auf die Leistungsgewährung durch die gesetzliche Krankenversicherung nimmt und deshalb - insoweit vergleichbar einem als Insolvenzverwalter tätigen Rechtsanwalt - als deren Beauftragter handelt (NK-StGB-Dannecker, § 299 Rn. 23c; ders., GesR 2010, 281, 284).

f) Die Beauftragtenstellung der Vertragsärzte scheidet weiter ebenso wie ihre Amtsträgereigenschaft nicht wegen der Einschaltung der Kassenärztlichen Vereinigungen in das sozialrechtliche Versorgungssystem aus (Fischer, StGB, 58. Aufl., § 299 Rn. 10d f.; Dannecker, GesR 2010, 281, 284; aA SSW-StGB/Rosenau, § 299 Rn. 11; Brockhaus/Dann/Teubner/Tsambikakis, wistra 2010, 418, 420). Diese vermag an der die Beauftragteneigenschaft begründenden Schlüsselstellung der Vertragsärzte bei der Verordnung einer Sachleistung nichts zu ändern. Auch in anderen Fällen, etwa bei einem Testamentsvollstrecker oder Insolvenzverwalter, wird eine rechtliche Beziehung zwischen Beauftragtem und "Auftraggeber" nicht verlangt (BGH aaO, BGHSt 2, 396, 401; Dannecker, GesR 2010, 281, 284). § 299 StGB stellt insoweit lediglich auf den Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen ab. Somit kommt es ausschließlich darauf an, dass der Vertragsarzt durch die Verordnung des Hilfsmittels Einfluss auf die Entscheidung der Krankenkasse nimmt, dem Versicherten diese Leistung zu gewähren. Eine darüber hinausgehende Beziehung zwischen Vertragsarzt und gesetzlicher Krankenkasse ist unerheblich; insbesondere eine Weisungsbefugnis der Krankenkasse ist nicht erforderlich (so zu Recht etwa Böse/Mölders, MedR 2008, 585, 587).

g) Der Senat muss schließlich nicht entscheiden, ob ein Privatarzt bei der Verschreibung eines Arznei- oder Hilfsmittels als Beauftragter der privaten Krankenversicherung angesehen werden kann. Verneint man dies (vgl. hierzu NK-StGB-Dannecker, § 299 Rn. 23c mwN; Schneider, StV 2010, 366, 367 f.), 71 schiede in dieser Fallkonstellation trotz der Entgegennahme bzw. Gewährung von Vorteilen als Gegenleistung für eine unlautere Bevorzugung die Strafbarkeit der Beteiligten nach § 299 StGB aus. Die dann gegebene Ungleichbehandlung von Vertrags- und Privatärzten zeigt zwar möglicherweise bezüglich der Rechtslage bei der privatärztlichen Patientenversorgung eine strafrechtliche Lücke auf, die nur vom Gesetzgeber geschlossen werden kann; sie rechtfertigt es indes nicht, im Bereich der vertragsärztlichen Tätigkeit ein der Norm unterfallendes, den lauteren Wettbewerb gefährdendes Verhalten aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift herauszunehmen (Frister in Lindemann/Ratzel, Brennpunkte des Wirtschaftsstrafrechts im Gesundheitswesen 2010, 99, 108; aA Schneider, StV 2010, 366, 368; Steinhilper, MedR 2010, 499, 501).

II. Auch die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 299 Abs. 2 StGB wurden nach den Feststellungen in rechtswidriger Weise verwirklicht.

1. Die gesetzlichen Krankenkassen sind geschäftliche Betriebe im Sinne des § 299 StGB. Dieser Begriff umfasst jede auf gewisse Dauer ausgeübte Tätigkeit im Wirtschaftsleben, die sich durch Austausch von Leistungen und Gegenleistungen vollzieht. Rein wohltätigen oder sozialen Zwecken dienende Betriebe fallen ebenfalls unter die Norm, soweit sie wirtschaftliche Tätigkeiten entfalten. Dasselbe gilt für öffentliche Behörden, soweit sie sich am Wirtschaftsverkehr beteiligen (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 299 Rn. 4, 6; NK-StGB-Dannecker, § 299 Rn. 26). Danach werden auch die gesetzlichen Krankenkassen erfasst (vgl. schon RG, Urteil vom 29. Januar 1934 - 2 D 1293/33, RGSt 68, 70, 74; BGH, Urteil vom 13. Mai 1952 - 1 StR 670/51, BGHSt 2, 396, 402; LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 299 Rn. 19); denn sie können ihren Versorgungsauftrag gegenüber den Versicherten nur durch Leistungsaustausch ins-73 besondere mit Apotheken und Pharmaunternehmen erfüllen (vgl. Böse/Mölders, MedR 2008, 585, 586).

2. Durch die Verrechnung des Entgelts, das für die Überlassung von in der jeweiligen Praxis der Vertragsärzte eingesetzten medizinischen Geräten eigentlich an die Verfallsbeteiligte zu leisten gewesen wäre, mit den Verordnungen über die TENS-Geräte, wurde den betroffenen Ärzten im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs auf der Grundlage einer Unrechtsvereinbarung ein Vorteil als Gegenleistung dafür gewährt, dass sie die Verfallsbeteiligte bei dem Bezug von Waren in unlauterer Weise bevorzugten.

3. Der Tatbestand wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Zuwendungen nicht dafür geleistet wurden, dass die Vertragsärzte die Verordnungen über die TENS-Geräte ausstellten (§ 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V), sondern dafür, dass sie diese anschließend der Verfallsbeteiligten zukommen ließen. Die Beauftragung der Vertragsärzte umfasst zwar - soweit in diesem Zusammenhang von Belang - nur die Verordnung des Hilfsmittels als solche. Die hier nach dem praktizierten Geschäftsmodell honorierte Tätigkeit der Vertragsärzte stellt somit keine unmittelbare Ausführung ihres Auftrages dar. Die Erwägungen, die im Rahmen der Amtsdelikte dazu führen, dass zur Dienstausübung nicht nur diejenigen Tätigkeiten zählen, die der Amtsträger in Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben wahrnimmt (s. oben B. II. 2.b) bb)), gelten jedoch entsprechend. Nach Sinn und Zweck des § 299 StGB werden deshalb auch solche Tätigkeiten erfasst, die ihrer Natur nach zu dem Auftrag in einer inneren Beziehung stehen und nicht völlig außerhalb des durch die Beauftragung zugewiesenen Aufgabenbereichs liegen. Ein derart enger Zusammenhang ist hier gegeben. 75 4. Die Krankenkassen sind bei der gebotenen wirtschaftlichfaktischen Betrachtungsweise auch als Bezieher einer gewerblichen Leistung im Sinne des § 299 StGB anzusehen unabhängig davon, ob im jeweiligen Einzelfall aufgrund der ärztlichen Verordnung ein TENS-Gerät von der Verfallsbeteiligten überhaupt neu angeschafft werden musste und in das (Sicherungs-) Eigentum der AOKN überging oder ein bereits vorhandenes Gerät erneut verwendet werden konnte. Diese besteht in der nach Maßgabe der Verträge zwischen der Verfallsbeteiligten und der AOKN von dieser zu vergütenden Ausleihe des Geräts durch die Verfallsbeteiligte an den Patienten (vgl. § 33 Abs. 5 Satz 1 SGB V).

III. Damit ist auch insoweit dem Grunde nach die Möglichkeit eröffnet, gegen die Verfallsbeteiligte den Wertersatzverfall anzuordnen. Hierzu wird auf die Darlegungen unter B. II. 2. c) verwiesen.

IV. Auch die Frage, ob ein niedergelassener, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassener Arzt bei der Wahrnehmung der ihm in diesem Zusammenhang übertragenen Aufgaben, hier konkret der Verordnung eines Hilfsmittels (§ 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V) - so er dabei nicht ohnehin als Amtsträger handelt - als Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen tätig 77 wird, ist eine solche von grundlegender Bedeutung, für deren - hilfsweise - Beantwortung die Sache gemäß § 132 Abs. 4 GVG dem Großen Senat für Strafsachen zur Fortbildung des Rechts vorzulegen ist. Die Ausführungen unter C. gelten insoweit entsprechend.

Becker Pfister Hubert Schäfer Mayer






BGH:
Beschluss v. 05.05.2011
Az: 3 StR 458/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/bd4e179dbb37/BGH_Beschluss_vom_5-Mai-2011_Az_3-StR-458-10




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