Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. November 2006
Aktenzeichen: 9 W (pat) 388/03

(BPatG: Beschluss v. 13.11.2006, Az.: 9 W (pat) 388/03)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Die Einsprechende hat gegen das am 11. April 2001 angemeldete Patent mit der Bezeichnung

"Exzenter-Schneckenpumpe"

Einspruch eingelegt. Sie verweist zum Stand der Technik auf eine Vorbenutzung durch eine von ihr an die Firma A... GmbH & Co KG in B..., gelieferte Pumpe und auf das Gebrauchsmuster DE 71 17 490.

Sie führt zur Begründung ihres Einspruchs aus, dass demgegenüber der mit dem Patentanspruch 1 beanspruchte Gegenstand nicht patentfähig sei. Außerdem sei die im Patentanspruch 1 angegebene Lehre nicht ausführbar.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt sinngemäß, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen und das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:

Exzenter-Schneckenpumpe mit einem Stator, einem Rotor, einer Antriebswelle, einer Kupplungsstange zwischen Antriebswelle und Rotor, einem Pumpengehäuse mit Fülltrichter, und einer die Kupplungsstange umgebenden sowie den Füllbereich durchlaufenden Förderschnecke für das Fördergut, dadurch gekennzeichnet, dass die Förderschnecke die Kupplungsstange als Hohlschnecke mit vorgegebenem Radialabstand umgibt und unter Zwischenschaltung eines Vorgeleges oder Getriebes unabhängig von dem Rotor angetrieben ist.

Dem Patentanspruch 1 schließen sich 6 auf den Patentanspruch 1 rückbezogene Patentansprüche an.

Nach Meinung der Patentinhaberin ist der Einspruch unzulässig, da er hinsichtlich der Vorbenutzung nicht ausreichend substantiiert sei. Selbst bei Berücksichtigung der Vorbenutzung und des weiter angeführten Gebrauchsmusters sei die beanspruchte Exzenterschneckenpumpe patentfähig.

Die Patentinhaberin und die Einsprechende haben, entsprechend ihren Schreiben vom 24. August 2006 bzw. vom 3. November 2006, an der mündlichen Verhandlung nicht teil genommen.

II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch § 147 Abs. 3 Satz 1 PatG a. F. begründet.

Der Einspruch ist zulässig. In der Sache hat er Erfolg, da er zu einem Widerruf des Patents führt.

1. Das Streitpatent betrifft eine übliche Exzenterschneckenpumpe, bei der das Fördergut mittels einer Förderschnecke in die Förderkammern zwischen dem Rotor und dem Stator der Pumpe gepresst werden. Nach den Angaben in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents, muss das Fördervolumen der Förderschnecke auf das Förderkammervolumen der Pumpe abgestimmt sein, um einen guten Füllgrad der Pumpe unter Berücksichtigung eines hinreichenden Wirkungsgrades zu erhalten. Das führe häufig dazu, dass die Förderschnecke relativ klein ausgeführt werden müsse. Dann jedoch bestehe die Gefahr einer Brückenbildung und sogar eines Zuwachsens der Förderschnecke. Es soll daher das Problem gelöst werden, eine Exzenterschneckenpumpe zu schaffen, die einerseits mit einem verhältnismäßig großen Füllvolumen arbeiten kann, bei der andererseits eine Dosierung des Füllvolumens für den Rotor unter Verwirklichung einer funktionsgerechten und störungsfreien Bauweise möglich ist.

Als Lösung ist im Patentanspruch 1 angegeben:

a) Exzenterschneckenpumpe mit einem Stator, b) einem Rotor, c) einer Antriebswelle, d) einer Kupplungsstange zwischen Antriebswelle und Rotor, e) einem Pumpengehäuse mit Fülltrichter, f) einer die Kupplungsstange umgebenden sowie den Füllbereich durchlaufenden Förderschnecke für das Fördergut, g) die Förderschnecke umgibt die Kupplungsstange als Hohlschnecke mit vorgegebenem Radialabstand, h) die Förderschnecke ist unter Zwischenschaltung eines Vorgeleges oder Getriebes unabhängig von dem Rotor angetrieben.

Vor allem der voneinander unabhängige Antrieb des Pumpenrotors und der Förderschnecke ermögliche eine Anpassung der Drehzahl der Förderschnecke an die der Pumpe, so dass das Fördervolumen der Förderschnecke auf das jeweilige Förderkammervolumen der Exzenterschneckenpumpe abgestimmt werden könne. Der Radialabstand zwischen Kupplungsstange und Förderschnecke ermögliche, die Förderschnecke randgängig auszubilden, da sie die Exzenterbewegungen der Kupplungsstange nicht mehr mitmachen müsse.

2. Der Einspruch ist zulässig.

Die Einsprechende hat ihren Einspruch im Wesentlichen auf eine Vorbenutzung einer von ihr verkauften Exzenterschneckenpumpe gestützt, die durch eine vorbehaltlose Lieferung an Dritte offenkundig geworden sein soll. Zum Gegenstand der von ihr gelieferten Exzenterschneckenpumpe hat sie eine Zeichnung mit der Nr. NM BB 002000 mit Stückliste vorgelegt. Der Verkauf ist nach den Angaben im Einspruchsschriftsatz an die Firma A... GmbH & Co. KG in C... in B, er- folgt, wobei die Lieferung am 27. November 2000 erfolgt sei. Die Auslieferung und Übersendung sei ohne irgendeinen Geheimhaltungsvermerk erfolgt. Damit hat die Einsprechende die offenkundige Vorbenutzung hinsichtlich des Gegenstands, dem Ort, der Zeit und der Art der Vorbenutzung sowie hinsichtlich der Person des Vorbenutzers und der Art der öffentlichen Zugänglichkeit in für die Zulässigkeit eines Einspruchs ausreichender Weise substantiiert.

Außerdem hat die Einsprechende im Einspruchsschriftsatz eine Beziehung zwischen dem Gegenstand der Vorbenutzung und dem Gegenstand des Streitpatents hergestellt, so dass das Bundespatentgericht und die Patentinhaberin in den Stand gesetzt waren, allein an Hand der mitgeteilten Umstände ohne eigene Ermittlungen zu prüfen, ob der behauptete Widerrufsgrund gegeben ist. Die Einsprechende führt nämlich im Einspruchsschriftsatz aus, dass die nach ihren Angabe offenkundig vorbenutzte Pumpe NM 053 BB01 S04H der von ihr vorgelegten Zeichnung entspreche. Zwar handelt die Einsprechende dann lediglich das Merkmal h) des Patentanspruchs 1 im Hinblick auf diese Pumpe näher ab mit den Ausführungen, dass der voneinander unabhängige Antrieb des Rotors und der Förderschnecke durch zwei getrennt voneinander arbeitende Antriebe erfolge, wobei es keine erfinderische Tätigkeit darstelle, anstatt einzelner Antriebe, die unabhängig arbeiteten, ein Getriebe oder Vorgelege einzusetzen. Aber auch die weiteren Ausführungen, dass der zur Vorbenutzung vorgelegten Zeichnung die Merkmale a) bis g) des Streitpatents zu entnehmen sei, wobei das Merkmal e) zwar nicht in identischer Weise, wohl aber äquivalent vorliege, reichen im vorliegenden Fall zur Substantiierung eines Einspruchs noch aus, da es sich um einen einfachen Gegenstand handelt, der zumindest unter Berücksichtigung der Stückliste mit den darin enthaltenen eindeutigen technischen Bezeichnungen in der Funktionsweise offensichtlich klar erkennbar ist. Denn der zuständige Fachmann - ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau, der über mehrjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung und Konstruktion von Exzenterschneckenpumpenaggregaten verfügt - kann durch einfache Zuordnung der technischen Bezeichnungen der Stückliste zu den entsprechenden Positionen der Zeichnung ohne weiteres eine Beziehung zwischen den Merkmalen a) bis g) des Streitpatents und der in der Zeichnung dargestellten Pumpe herstellen, da er ohne weiteres erkennt, dass in der Zeichnung eine Exzenterschneckenpumpe dargestellt ist mit einem Stator 3005, einem Rotor 1999, einer Antriebswelle 1005, einer Kupplungsstange 1998 zwischen Antriebswelle 1005 und Rotor 1999, einem Pumpengehäuse 2010 mit in der Zeichnung nicht dargestelltem, jedoch in der Auftragsbestätigung erwähnten Fülltrichter, und einer die Kupplungsstange 1998 umgebenden sowie den Füllbereich durchlaufenden Förderschnecke 1105 für das Fördergut, wobei die Förderschnecke 1005 die Kupplungsstange 1998 als Hohlschnecke mit einem Radialabstand umgibt.

3. Das Streitpatent offenbart die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

Denn es kommt - wie die Einsprechende zutreffend erkannt hat - beim Streitpatent darauf an, dass Rotor und Förderschnecke mit unterschiedlichen Drehzahlen betrieben werden können. Dies kann durch voneinander getrennte Antriebe (Patentanspruch 6) oder durch ein zwischen Rotor und Förderschnecke angeordnetes Vorgelege oder Getriebe (Patentanspruch 7) erfolgen, wobei entgegen der Auffassung der Einsprechenden während des Betriebes keine dauernde Veränderung der Drehzahlen zueinander erfolgen muss, sondern unter "unabhängig" auch ein entsprechend den Betriebsbedingungen festgelegtes konstantes Drehzahlverhältnis zu verstehen ist.

4. Die mit dem Patentanspruch 1 beanspruchte Exzenterschneckenpumpe ist nicht neu.

4.1 Die Einsprechende hat glaubhaft dargelegt, dass die von ihr im Rahmen der offenkundigen Vorbenutzung angeführte Exzenterschneckenpumpe als vorveröffentlichter Stand der Technik zu berücksichtigen ist.

Die Einsprechende hat vorgetragen, dass sie am 27. November 2000 eine Exzenterschneckenpumpe mit der Typen-Bezeichnung NM 053BB01 S04H an die Firma A... in in C... in B..., ohne irgendeinen Geheimhaltungsver- merk geliefert hat. Als Belege hat sie eine Auftragsbestätigung vom 20. September 2000, einen Lieferschein vom 27. November 2000 und eine Rechnung vom 29. Dezember 2000 vorgelegt. Auf allen Dokumenten sind sowohl die A... als Empfänger mit der Kundennummer 000034760 als auch übereinstimmend die Bestellnummer KK 5921 und die Auftragsnummer 26150154 angegeben. Außerdem beziehen sich alle Dokumente auf die Exzenterschneckenpumpe mit der Typenbezeichnung NM 053BB01 S04H. Damit liegen alle bei einer Auftragsabwicklung üblicherweise anfallenden Dokumente vor, so dass der Verkauf und die Lieferung einer Exzenterschneckenpumpe des Typs NM 053BB01 S04H glaubhaft gemacht wurde. Der Aufbau dieser Exzenterschneckenpumpe NM 053BB01 S04H ist der vorgelegten Zeichnung NM BB 002000 vom 15. November 2000 und der zugehörigen Stückliste zu entnehmen, wobei die Stückliste ebenfalls die Auftrags- und die Kundennummer sowie die Bezeichnung des Pumpentyps enthält. Die Bezeichnung der Stückliste AG010/00030359 ist ebenfalls in der Versandbestätigung sowie in der Rechnung angegeben. Damit ist glaubhaft dargelegt, dass die gelieferte Exzenterschneckenpumpe den aus der Zeichnung und der Stückliste erkennbaren Aufbau aufwies.

Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin ist nach ständiger Rechtsprechung bereits bei einer einzigen vorbehaltlosen Lieferung eines Gegenstandes an eine andere Firma von einer Offenkundigkeit des vorbenutzten Gegenstandes auszugehen (Schulte, PatG, 7. Auflage, § 59, 109 bis 111). Dass im hier zu entscheidenden Fall ein Interesse an einer Geheimhaltung des ausgelieferten Gegenstandes bestanden haben könnte, ist weder aus dem Gesamtzusammenhang der vorgetragenen Tatsachen zu erwarten noch hat die Patentinhaberin derartige Tatsachen vorgetragen.

4.2 Die offenkundig vorbenutzte Exzenterschneckenpumpe weist alle Merkmale des Patentanspruchs 1 auf.

Wie der von der Einsprechenden vorgelegten Zeichnung, die den vorbenutzten Gegenstand zeigt, zu entnehmen ist, weist dieser die bei Exzenterschneckenpumpen üblichen Merkmale a) bis d) gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents auf, nämlich einen Stator 2005, einen Rotor 1999, eine Antriebswelle 1005 und eine Kupplungsstange 1998 zwischen Antriebswelle 1005 und Rotor 1999. Zwar ist dieser Zeichnung entsprechend Merkmal e) nicht unmittelbar ein am Pumpengehäuse 2010 angeordneter Fülltrichter zu entnehmen. Dieser ist jedoch selbstverständlich vorhanden, da das Fördergut auf jeden Fall dem Füllbereich der Pumpe zugeführt werden muss. Da es sich um eine vertikal angeordnete Pumpe handelt, erfolgt offensichtlich eine Befüllung von oben durch den im Deckel 2500 angeordneten Fülltrichter, dessen oberer Durchmesser in der Auftragsbestätigung mit 800 mm angegeben ist. Ein Rührwerk 1105 umgibt die Kupplungsstange 1998 und durchläuft den Füllbereich für das Fördergut. Das Rührwerk ist als Förderschnecke ausgebildet, da gemäß Auftragsbestätigung als Fördermedium eine Paste 60% Salz, 30% Fett, Rest Fleischextrakte und Gewürze bei einer Temperatur von 20¡C gefördert werden soll, die allein durch die Nutzung der Schwerkraft nicht der Pumpe zuzuführen wäre. Außerdem spricht der Hinweis in der Auftragsbestätigung, dass die Pumpe sich - auf die Antriebswelle gesehen - links herum dreht, auch für eine entsprechende Drehrichtung des Rührwerks, so dass es entsprechend der Steigung des Rührwerks das Fördergut in der Art einer Förderschnecke der Pumpe zuführt. Die Förderschnecke 1105 durchläuft den Füllbereich vor der Pumpe zumindest bereichsweise, so dass auch Merkmal f) der Pumpe des Streitpatents vorliegt. Der Zeichnung ist weiter zu entnehmen, das die Förderschnecke in Übereinstimmung mit Merkmal g) die Kupplungsstange 1998 als Hohlschnecke umgibt, da es nach der Figur schneckenförmig ausgebildet ist und der Innendurchmesser der Förderschnecke größer ist als der Durchmesser der Kupplungsstange 1998, so dass sich ein Radialabstand zwischen Förderschnecke und Kupplungsstange ergibt.

Außerdem weist die bekannte Pumpe auch das Merkmal h) der Pumpe gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents auf. In der Zeichnung sind nämlich zwei Antriebe 9500 dargestellt. Ein Antrieb treibt über eine Synchronscheibe 9291, einen Synchronriemen 9281 und eine weitere Synchronscheibe 9290 die Antriebswelle 1005 an, die über die Kupplungsstange 1998 den Rotor 1999 der Pumpe antreibt. Völlig unabhängig hiervon treibt der zweite Antrieb über eine Synchronscheibe 9275, einen Synchronriemen 9280 und eine weitere Synchronscheibe 9276 die als Hohlwelle ausgebildete Antriebswelle 1015 für die Förderschnecke 1105 an. Da zwischen dem zweiten Antrieb und der Förderschnecke der Synchronriemen zwischengeschaltet ist, erfolgt der Antrieb - wie weiter im Merkmal h) der Pumpe des Patentanspruchs 1 angegeben - unter Zwischenschaltung eines Vorgeleges.






BPatG:
Beschluss v. 13.11.2006
Az: 9 W (pat) 388/03


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