Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Oktober 2010
Aktenzeichen: 23 W (pat) 326/05

(BPatG: Beschluss v. 21.10.2010, Az.: 23 W (pat) 326/05)

Tenor

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 24 vom 21. Oktober 2010, erteilte Beschreibung und erteilte Zeichnung, Figuren 1 bis 8.

Gründe

I 1. Tatbestand Das Patent 103 45 575 B3 (Streitpatent) wurde am 29. September 2003 beim Deutschen Patentund Markenamt mit der Bezeichnung "Vorrichtung zur akustischen und thermischen Abschirmung" angemeldet.

Die Prüfungsstelle für Klasse G 10 K des Deutschen Patentund Markenamts hat unter Berücksichtigung des Standes der Technik gemäß der Druckschriften 1) DE 3029610A1 2) DE 8130562U1 das Streitpatent -ohne weitere Sachprüfung -mit Beschluss vom 30. August 2004 mit 28 Patentansprüchen erteilt. Die Patenterteilung wurde am 27. Januar 2005 veröffentlicht.

Gegen das Streitpatent hat die Einsprechende zu 1 mit Schriftsatz (FAX) vom 27. April 2005 Einspruch erhoben.

Sie stützt sich zunächst auf nachfolgende Dokumente D1 DE 200 16 370 U1, D2 DE 202 04 962 U1, D3 DE 200 12 557 U1, D4 DE 203 06 671 U1 und D5 Prospekt der Einsprechenden "Produkte aus Poroplate" gedruckt im Jahre 1985, sowie auf den Stand der Technik aus dem Prüfungsverfahren.

Die Einsprechende führt in ihrem Einspruchsschriftsatz insbesondere aus, der Patentgegenstand sei gegenüber den Druckschriften D1 und D2 nicht neu und beruhe im Hinblick auf die Druckschriften D3 bis D5 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Mit dem FAX vom 12. Oktober 2010 führt die Einsprechende zu 1 weitere Dokumente in das Einspruchsverfahren ein:

D6 DE 699 00 121 T2, D7 DE 100 45 342 C1, D8 Prospekt zum Produkt "Dynapore" der Firma Michigan Dynamics, veröffentlicht 1973, D9 Produktübersicht der Firma Nichidai, veröffentlicht spätestens 1988 (Eingangsstempel 20.1.1988) und D10 Auszug eines Prospekts der Firma Fuji Filter Manufactoring Co. Ltd., veröffentlicht spätestens 1991 (Eingangsstempel 14.6.1991).

Schließlich reicht die Einsprechende zu 1 mit ihrem FAX vom 19. Oktober 2010 noch die Dokumente D11 US 4 452 335 (von ihr mit D6 bezeichnet), D12 Zusammenfassung zum Artikel "Effects of grazing flow on the steadystate flow resistance and acoustic impedance of thin porousfaced liners", veröffentlicht am 1. Oktober 1977, nachgewiesen anhand eines Auszugs einer Veröffentlichungsdatenbank der NASA (mit D7 bezeichnet) und D13 Zwischenbericht eines NASA-Forschungsberichts "An experimental investigation of the thermal conductivity and electrical resistivity of three porous 304 L stainless steel "Rigimesh" material to 1300K" von R. P. Tye, Dynatech Corporation vom 27. August 1970 (mit D8 bezeichnet).

Gegen das Streitpatent hat die Einsprechende zu 2 mit Schriftsatz (FAX) vom 26./27. April 2005 Einspruch erhoben.

Die Einsprechende zu 2 stützt sich auf nachfolgende Dokumente:

D1' Sound Suppression With Rigimesh¨ Sintered Woven Wire Mesh, Field Service Report No. 42A, February 1, 1969, Martin G. Kurz, Vice President Porous Metal Development & Production, D2' Porous Metals Let Good Things Filter Through, Purolator¨ Products Company, Printed in the USA © 1992 Purolator, D3' Poroplate¨ Air Quench Media, Purolator¨ Products Company, Facet Filter Products Div., Printed in the USA © 1993 Purolator, effective 11/93, D4' Poroplate¨ Diffusion Bonded Laminates, Purolator¨ Products Company, Facet Filter Products Div., Printed in the USA © 1992 Purolator, D5' Facet Poroflo¨ Fluidizing Media, Facet, Printed in USA, Druckvermerk 345-200-05.

Mit seinem Schriftsatz vom 28. Juni 2006 verweist der Patentinhaber auf das Fachbuch von Bruno Eck: "Technische Strömungslehre" Seite 76 f. (ohne Publikationsdatum), demzufolge eine wichtige Anwendung von Sieben darin besteht, dass eine turbulente Strömung laminar gemacht werden kann.

In der mündlichen Verhandlung vom 21. Oktober 2010 wurden vom Senat den Parteien die Druckschriften D14 EP 1 161 360 B1 und D15 DE3821468C2 überreicht.

In der mündlichen Verhandlung beantragen die Einsprechenden zu 1 und 2, das Patent zu widerrufen.

In der mündlichen Verhandlung verteidigt der Patentinhaber die Streitpatent in beschränkter Fassung und beantragt, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 bis 24, eingereicht am 21. Oktober 2010, erteilte Beschreibung und erteilte Zeichnung, Figuren 1 bis 8.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"1. Vorrichtung zur akustischen und thermischen Abschirmung mit einem plattenförmigen Element, dadurch gekennzeichnet, dass das plattenförmige Element (2) wenigstens eine Schicht (3, 9, 11, 12, 13) eines Metallgewebes (4, 10, 14, 15, 16) mit Kettfäden (5) und Schussfäden (6) aufweist, wobei die Kettfäden (5) und die Schussfäden (6) an ihren Berührungspunkten (8) durch Versintern miteinander verbunden sind, wobei das Metallgewebe (4, 10, 14, 15, 16) Poren (7) aufweist, wobei das Metallgewebe (4, 10, 14, 15, 16) gewalzt ist, wobei das plattenförmige Element (2) fünf Schichten (3, 9, 11, 12, 13, 18, 19, 20, 21, 22) aufweist, wobei die fünf Schichten (3, 9, 11, 12, 13) des plattenförmigen Elements (2) als Metallgewebe (4, 10, 14, 15, 16) ausgebildet sind, wobei die einzelnen Metallgewebe (4, 10, 14, 15, 16) gegeneinander verdreht sind, und wobei eine zweitäußerste Schicht (12) des Metallgewebes (15) stärker gewalzt ist als die zu derselben benachbarten Schichten (11, 13) des Metallgewebes (14, 16)."

Bezüglich der Unteransprüche 2 bis 24 wird auf den Antrag in der mündlichen Verhandlung und hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II 2. Zuständigkeit des Bundespatentgerichts Das anhängige Einspruchsverfahren wurde gemäß § 147 Abs. 3, 1. Alternative PatG i. d. F. 1. Januar 2002 an das Bundespatentgericht abgegeben. Diese zeitlich bis zum 30. Juni 2006 begrenzte Verlagerung der Zuständigkeit hat der BGH als nicht verfassungswidrig beurteilt (BGH GRUR 2009, 184 -"Ventilsteuerung"

m. w. N.).

Demnach besteht eine vor dem 1. Juli 2006 begründete Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch auch nach der Aufhebung des § 147 Abs. 3 PatG fort.

3. Die Zulässigkeit des Einspruchs Die Zulässigkeit des Einspruchs ist zwar nicht angegriffen worden, jedoch ist diese von Amts wegen zu prüfen, vgl. Schulte PatG, 8. Auflage § 59 Rdn. 56 und 160 bis 162.

Der formund fristgerecht erhobene Einspruch zu 1 ist zulässig, weil der Widerrufsgrund des § 21 PatG, insbesondere der mangelnden erfinderischen Tätigkeit angegeben ist (§ 59 Abs. 1 Satz 3 PatG) und die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im Einzelnen angegeben sind (§ 59 Abs. 1 Satz 4 PatG), weil in der zugehörigen Begründung ein konkreter Bezug der einzelnen Merkmale des erteilten Patentanspruchs 1 zum Stand der Technik nach der Druckschrift D1 gebracht werden, um mangelnde erfinderischen Tätigkeit zu belegen.

Der formund fristgerecht erhobene Einspruch zu 2 ist zulässig, weil u. a. der Widerrufsgrund des § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG genannt ist, weil die Patentansprüche 14 und 15 über die ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen hinausgingen. Diese Behauptung ist offensichtlich falsch, jedoch darf dies erst bei der Begründetheit geprüft werden.

4. Zulässigkeit der geltenden Patentansprüche Die geltenden Patentansprüche 1 bis 24 vom 21. Oktober 2010 sind ursprünglich offenbart und somit zulässig.

Der geltende Patentanspruch 1 geht auf die erteilten ursprünglichen Patentansprüche 1 bis 5 i. V. m. mit den Erläuterungen zum Ausführungsbeispiel gemäß Figur 3 zurück, wobei sowohl der Aufbau des plattenförmigen Elements aus fünf Schichten als auch die zweitäußerste Schicht (12) des Metallgewebes (15) als stärker gewalzt als die zu derselben benachbarten Schichten (11, 13) offenbart ist, vgl. Streitpatent Abschnitt [0034], bzw. die ursprünglichen Anmeldungsunterlagen Seite 12, le. Abs. bis Seite 13, Abs. 1.

Die übrigen geltenden Unteransprüche 2 bis 24 entsprechen den erteilten, bzw. ursprünglichen Ansprüchen 6 bis 28.

5. Patentgegenstand Das Patent betrifft -nach der Beschreibungseinleitung -eine Vorrichtung zur akustischen und thermischen Abschirmung mit einem plattenförmigen Element, vgl. Streitpatent, Abschnitt [0001].

Im Stand der Technik sind sowohl Schallabschirmelemente als auch Hitzeschilde offenbart, vgl. Streitpatent, Abschnitte [0002] bis [0008].

Sämtliche der bekannten Lösungen seien jedoch verhältnismäßig speziell, insbesondere seien sie nur in der Lage, entweder eine thermische oder eine akustische Schutzwirkung zu erzielen, Ein weiterer Nachteil sei die meist sehr aufwändige Herstellung der bekannten Elemente, vgl. Streitpatent, Abschnitt [0009].

Daher liegt der vorliegenden Erfindung als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, eine Vorrichtung zur akustischen und thermischen Abschirmung zu schaffen, welche mit einfachen und somit mit kostengünstigen Mitteln hergestellt werden kann und welche zur Abschirmung von Bauteilen gegenüber thermischen und akustischen Einwirkungen flexibel einsetzbar ist, vgl. Streitpatent, Abschnitt [0010].

Dieses Problem wird durch die Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1 gelöst, wobei dessen Wortlaut nach Merkmalen a. bis i. gegliedert folgenden Wortlaut aufweist:

a. "1. Vorrichtung zur akustischen und thermischen Abschirmungmit einem plattenförmigen Element, dadurch gekennzeichnet, b. dass das plattenförmige Element (2) wenigstens eine Schicht (3, 9, 11, 12, 13) eines Metallgewebes (4, 10, 14, 15, 16) mit Kettfäden (5) und Schussfäden (6) aufweist, c. wobei die Kettfäden (5) und die Schussfäden (6) an ihren Berührungspunkten (8) durch Versintern miteinander verbundensind, d. wobei das Metallgewebe (4, 10, 14, 15, 16) Poren (7) aufweist, e. wobei das Metallgewebe (4, 10, 14, 15, 16) gewalzt ist, f. wobei das plattenförmige Element (2) fünf Schichten (3, 9, 11, 12, 13, 18, 19, 20, 21, 22) aufweist, g. wobei die fünf Schichten (3, 9, 11, 12, 13) des plattenförmigen Elements (2) als Metallgewebe (4, 10, 14, 15, 16) ausgebildetsind, h. wobei die einzelnen Metallgewebe (4, 10, 14, 15, 16) gegeneinander verdreht sind, undi. wobei eine zweitäußerste Schicht (12) des Metallgewebes (15)

stärker gewalzt ist als die zu derselben benachbarten Schichten (11, 13) des Metallgewebes (14, 16)."

Bei dieser Lehre ist neben dem Versintern der Kettund Schussfäden gemäß Merkmal c. noch wesentlich, dass die zweitäußerste Schicht (12) stärker gewalzt ist als die zu derselben benachbarten Schichten (11, 13) des Metallgewebes (14, 16) gemäß Merkmal i.

5. Patentfähigkeit Der zuständige Fachmann ist hier als ein berufserfahrener, mit der Entwicklung von akustischen und thermischen Abschirmungen auf Metallgewebebasis betrauter Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Fachhochschulabschluss zu definieren.

Die Druckschrift D5 offenbart in der Terminologie des Streitpatents eine - Vorrichtung mit einem plattenförmigen Element (vgl. Druckschrift D5 Seite 2, 1. Abs. HAVER POROPLATE als Drahtgewebe-Laminate u. a. für Filterscheiben -zu Merkmal a.),

- wobei das plattenförmige Element wenigstens eine Schichteines Metallgewebes (a. a. o. Metalldrahtgewebezu Merkmal b.) mit Kettfäden und Schussfäden aufweist,

- wobei die Kettfäden und die Schussfäden an ihren Berührungspunkten durch Versintern miteinander verbunden sind (a. a. o.

Drahtgewebe-Laminate, bei denen die einzelnen Drahtgewebelagen miteinander verbunden (versintert) sind, und Seite 2 le. Abs. Die ... Vakuum-Sintertechnik führt zur Diffusion allersich berührenden Drähte -zu Merkmal c.),

- wobei das Metallgewebe Poren (vgl. Druckschrift D5 Seite 2 le. Abs. Porengröße, Porenverteilung, Porosität usw. -zu Merkmal d.) aufweist,

- wobei das Metallgewebe gewalzt ist (vgl. Druckschrift D5 Seite 2, 2. Abs., POROPLATE ... besteht aus fünf oder sechs Gewebelagen. Die einzelnen Lagen, mit Ausnahme des Filtergewebes, werden plangerichtet und auf eine bestimmte Dickekalandriert. Auf diese Weise wird eine reproduzierbare Porositätund Durchlässigkeit gewährleistet. -zu Merkmal e.),

- wobei das plattenförmige Element fünf Schichten aufweist,

- wobei die fünf Schichten des plattenförmigen Elements als Metallgewebe ausgebildet sind (vgl. Druckschrift D5 Seite 2, 2. Abs., -zu den Merkmalen f. und g.), -wobei die einzelnen Metallgewebe gegeneinander verdreht sind

(vgl. Druckschrift D5 Seite 2, Abbildung von POROPLATE aus fünf oder sechs Gewebelagen, wobei die Stützgewebe gegeneinander um 90o verdreht sind und vgl. Druckschrift D8 Seite 3 weave mesh with 90 degree warp orientation -zu Mekmal h.).

Somit unterscheidet sich die Vorrichtung gemäß der Druckschrift D5 von der erfindungsgemäßen Vorrichtung durch eine abweichende Verwendung im Merkmal a. des Patentanspruchs 1 der Streitpatents und dass -gemäß Merkmal i. des Patentanspruchs 1 -die zweitäußerste Schicht (12) des Metallgewebes (15) stärker gewalzt ist als die zu derselben benachbarten Schichten (11, 13) des Metallgewebes (14, 16).

Zwar mag der Fachmann durch die Druckschrift D14 angeregt werden, die Gewebeaufbauten gemäß der Druckschrift D5 auch zur akustischen und thermischen Abschirmung einzusetzen (vgl. in der Druckschrift D14 gewebte Schallabschirmelemente gemäß Anspruch 31 in dessen Rückbeziehung u. a. auf den Anspruch 12 aus Aluminiumoder Stahlgewebe, deren Verwendung gemäß den Ansprüchen 14 und 27 als Schallabschirmelement und als Hitzeschild vorgesehen ist.), jedoch erhält der Fachmann weder aus den in der mündlichen Verhandlung intensiv diskutierten Druckschriften D5 und D14 noch aus dem übrigen im Verfahren genannten Stand der Technik eine Anregung, die zweitäußerste Schicht (12) des Metallgewebes (15) stärker zu walzen als die zu derselben Schicht (12) benachbarten Schichten (11, 13) des Metallgewebes (14, 16) -entsprechend dem Merkmal i. des Patentanspruchs 1.

Somit beruht die beschränkt verteidigte Lehre des Patentanspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns.

6. Unteransprüche 2 bis 20 und die Verwendungsansprüche 21 bis 24 Die Unteransprüche 2 bis 20 beinhalten weitere Ausgestaltungen der Lehre des Patentanspruchs 1 und betreffen keine Selbstverständlichkeiten und werden von der Patentfähigkeit der Lehre des Patentanspruchs 1 ebenso mitgetragen, wie die Lehren der Verwendungsansprüche 21 bis 24.

7. Beschreibung In der Beschreibung ist der Stand der Technik angegeben, von dem die Erfindung ausgeht, und die erfindungsgemäße Lehre ist dort hinreichend u. a. anhand der Figuren erläutert.

8. Entscheidung Daher war das Streitpatent beschränkt aufrechtzuerhalten.

Dr. Strößner Lokys Richterin Dr. Hock ist wegen Abordnung an das DPMA verhindert, ihre Unterschrift beizufügen Maile Dr. Strößner Cl






BPatG:
Beschluss v. 21.10.2010
Az: 23 W (pat) 326/05


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