Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Juli 2002
Aktenzeichen: 8 W (pat) 3/01

(BPatG: Beschluss v. 23.07.2002, Az.: 8 W (pat) 3/01)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse A 01 M des Patentamts vom 12. Oktober 2000 aufgehoben und das nachgesuchte Patent erteilt.

Bezeichnung: Verfahren und Vorrichtung zum Begasen eines Behandlungsraumes mit Rückgewinnung des Begasungsmittels Anmeldetag: 28. Oktober 1995 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 20, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Seiten 1, 1a, 1b, eingegangen am 8. März 2001, Beschreibung Seiten 2 bis 4, 3 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 3, jeweils eingegangen am 28. Oktober 1995.

Gründe

I Die Patentanmeldung 195 40 331.2-23 mit der Bezeichnung "Verfahren und Vorrichtung zum Begasen eines Behandlungsraumes mit Rückgewinnung des Begasungsmittels" ist am 28. Oktober 1995 beim Patentamt eingegangen und von dessen Prüfungsstelle für Klasse A 01 M mit Beschluß vom 12. Oktober 2000 zurückgewiesen worden, weil ihr Gegenstand angesichts des Standes der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Zum Stand der Technik waren seitens der Prüfungsstelle die folgenden Druckschriften in Betracht gezogen worden:

DE 41 17 306 C1 DE 41 34 093 A1 DE 42 05 459 C2 DE 43 16 572 A1 DE 44 01 338 A1.

Gegen den Zurückweisungsbeschluss hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt.

Sie hat in der mündlichen Verhandlung neugefasste Patentansprüche 1 bis 20 eingereicht.

Patentanspruch 1 lautet:

"Verfahren zur Schädlingsbekämpfung in einem weitgehend gegen Gasverluste abgedichteten Behandlungsraum, nämlich abgedichtete Mühle, Vorratsraum, Museum, Kirchenraum, Folienkäfig, Zelt oder Hülle, mit von Schädlingen befallenen Gütern, wie Lebensmitteln, Vorräten oder Kunstgütern, Kanzeln, Orgeln, Altären, Museumsexponaten, Skulpturen oder Figuren, wobeia) in den Behandlungsraum als Behandlungsgas Sulfurylfluorid und/oder Carbonylsulfid und/oder Methyljodid und/oder Kohlendioxid/Sulfurylfluorid-Mischungen und/oder Carbonylsulfid/Kohlendioxid-Mischungen und/oder Methyljodid/Kohlendioxid-Mischungen eingeleitet wird, b) nach einer ausreichenden Einwirkzeit das Behandlungsgas/Luftgemisch aus dem Behandlungsraum (1) durch einen Behälter (44) geleitet wird, c) in dem Behälter (44) aus dem Behandlungsgas/Luftgemisch das Behandlungsgas durch Kühlung verflüssigt und dadurch von der Luft getrennt wird, d) und das verflüssigte Behandlungsgas im Behälter (44) gesammelt wird, e) die Luft während der Kühlung als Abluftstrom aus dem Behälter (44) abgelassen wird undf) das verflüssigte Behandlungsgas für einen erneuten Einsatz bereitgehalten wird und bei Druckanstieg im Behälter (44) gasförmiges Behandlungsgas über eine Leitung (16) in einen Kondenser (39) geführt und dort verflüssigt wird."

Der auf eine Vorrichtung zur Durchführung des beanspruchten Verfahrens gerichtete Patentanspruch 11 lautet:

"Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass ein Ansaugstutzen (3) oder ein Schlauch vorgesehen ist, der nach Öffnen eines Ventils (4) mittels einer Fördereinheit (5) Behandlungsgas aus dem Behandlungsraum (1) absaugt und in den Behälter (44) fördert, der einen Hauptkühler (14) beinhaltet, der das Behandlungsgas verflüssigt, wobei der Behälter (44) das verflüssigte Behandlungsgas auffängt, und dass an den Behälter (44) über ein Ventil (15) eine Kühleinrichtung (39) angeschlossen ist, in der in dem Behälter (44) verdampftes Behandlungsgas kondensiert."

Wegen des Wortlauts der auf ein Verfahren nach Anspruch 1 gerichteten Unteransprüche 2 bis 10 sowie der auf eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens gerichteten Unteransprüche 12 bis 20 wird auf die Akten Bezug genommen.

Die Anmelderin vertritt die Auffassung, es habe einer erfinderischen Tätigkeit bedurft, um zum Anmeldungsgegenstand nach dem Patentanspruch 1 zu gelangen. Sie trägt vor, daß durch den entgegengehaltenen Stand der Technik zumindest ein weiterer Kondenser zur Verflüssigung des bei Druckanstieg im Behälter gasförmig vorliegenden Behandlungsgases nicht vorbeschrieben sei.

Die Anmelderin beantragt, den Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse A 01 M des Patentamts vom 12. Oktober 2000 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 20, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Seiten 1, 1a, 1b, eingegangen am 8. März 2001, Beschreibung Seiten 2 bis 4, 3 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 3, jeweils eingegangen am 28. Oktober 1995.

II Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und in der Sache auch begründet.

Der Anmeldungsgegenstand stellt eine patentfähige Erfindung iSd PatG § 1 bis § 5 dar.

1. Das Verfahren nach Patentanspruch 1 ist in den ursprünglichen Unterlagen als zum Anmeldungsgegenstand gehörend offenbart.

Der neugefasste Anspruch 1 beruht auf den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 7 unter beschränkender Hinzunahme von Merkmalen aus der ursprünglichen Beschreibung. So findet Merkmal b) des Anspruchs 1 seine Stütze in der ursprünglichen Beschreibung - vgl hierzu die DE 195 40 331 A1 - in Spalte 3, Zeilen 40 bis 42, während die Merkmale c), d) und e) auf die Textstelle in Spalte 3, Zeilen 52 bis 66 der Offenlegungsschrift zurückgehen. Der erste Teil des Merkmals f) war im ursprünglichen Anspruch 1 bzw der ursprünglichen Beschreibung gemäß Offenlegungsschrift Spalte 4, Z. 35 bis 19 bereits beschrieben, während der zweite Teil, betreffend die Nachschaltung eines Kondensers an den Behälter seine Stütze in den ursprünglichen Ansprüchen 22 und 23 sowie der ursprünglichen Beschreibung Sp 4, Z 42 bis 48 iVm Sp 2, Z 44 bis 50 der Offenlegungsschrift findet.

2. Die Merkmale der Ansprüche 2 bis 20 übersteigen ebenfalls den Rahmen der ursprünglichen Offenbarung nicht.

Die auf ein Verfahren zur Schädlingsbekämpfung gerichteten Unteransprüche 2 bis 10 beruhen auf den ursprünglichen Ansprüchen 3, 4, 6, 8, 9, 12 bis 14 und 17, während der auf eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 gerichtete Anspruch 11 auf die ursprünglichen Ansprüche 18, 22 und 23 zurückgeht. Das Merkmal des Anspruchs 12 ist ein Teilmerkmal des ursprünglichen Anspruchs 18, während die Merkmale der weiteren, auf eine Vorrichtung gerichteten Unteransprüche 13 bis 20 auf den ursprünglichen Ansprüchen 19 bis 26 beruhen.

3. Das Verfahren zur Schädlingsbekämpfung in einem weitgehend gegen Gasverluste abgedichteten Behandlungsraum nach Patentanspruch 1 hat als neu zu gelten, da keine der zum Stand der Technik in Betracht gezogenen Druckschriften dieses Verfahren vollständig vorbeschreibt.

Vom Stand der Technik nach der DE 42 05 459 C2 sowie der DE 44 01 338 A1 unterscheidet sich das anmeldungsgemäße Verfahren nach Anspruch 1 durch die Rückgewinnung des Behandlungsgases mittels Kühlkondensation.

Die DE 41 17 306 C1 offenbart ein Verfahren und Anlage zur Rückgewinnung eines Sterilisierungsgases. Dieses Sterilisierungsgas ist - anders als im beanspruchten Verfahren - Ethylenoxid. Das beanspruchte Verfahren unterscheidet sich von diesem Verfahren ferner dadurch, daß die Kühlung, Verflüssigung und Lagerung in einem Behälter erfolgt, dem ein weiterer Kühlkondenser nachgeschaltet ist, in welchem bei Druckanstieg im Behälter gasförmiges Behandlungsgas verflüssigt wird.

Auf die verbleibenden im Verfahren befindlichen Druckschriften ist in der mündlichen Verhandlung nicht mehr eingegangen worden. Auch diese sind nicht geeignet, die Neuheit des anmeldungsgemäßen Verfahrens in Frage zu stellen, denn sie beschreiben lediglich Füllkörper (DE 41 34 093 A1) bzw. Hohlkörper (DE 43 16 572 A1), jeweils zur Verringerung des Restvolumens des Behandlungsraumes. Ein Verfahren zur Rückgewinnung des Behandlungsgases haben diese Druckschriften nicht zum Gegenstand.

Wie aus den vorstehenden Ausführungen zum anmeldungsgemäßen Verfahren nach Patentanspruch 1 erkennbar ist, war durch den in Betracht gezogenen Stand der Technik eine dem Behälter für das rückgewonnene Behandlungsgas nachgeschaltete Kühleinrichtung, welche im Behälter verdampfendes Behandlungsgas wieder kondensiert, nicht vorweggenommen. Demgemäss hat auch der auf eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens gerichtete Anspruch 11 als neu zu gelten, da er sich vom entgegengehaltenen Stand der Technik in diesem Merkmal, nämlich in einer dem Behälter nachgeschalteten Kühleinrichtung, unterscheidet.

4. Das Verfahren nach Patentanspruch 1, dessen gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht, beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Das Wesen des anmeldungsgemäßen Verfahrens nach Patentanspruch 1 besteht darin, daß das Behandlungsgas zum Zwecke der Rückgewinnung durch einen Behälter geleitet wird (Merkmal b), in welchem es auch durch Kühlung verflüssigt und von Luft getrennt wird (Merkmal c) und e)), wobei das verflüssigte Behandlungsgas in ein und demselben Behälter gesammelt (Merkmal d) und für einen neuen Elinsatz bereitgehalten (Merkmal f), erster Teil), also gelagert wird. Bei Druckanstieg sorgt eine weitere, dem Behälter nachgeschaltete Kühleinrichtung (Kondenser) für eine (erneute) Verflüssigung des in gasförmigem Zustand vorliegenden Behandlungsgases.

Diese Verfahrensbestandteile finden auch in der gemäß Patentanspruch 11 beanspruchten Vorrichtung zu Durchführung des Verfahrens ihren Niederschlag.

Bei den Schädlingsbekämpfungsverfahren in weitgehend gegen Gasverluste abgedichteten Behandlungsräumen nach der DE 42 05 459 C2 sowie der DE 44 01 338 wird zwar ebenfalls mit Sulfurylfluorid als Behandlungsgas gearbeitet, wie dies auch beim anmeldungsgemäßen Verfahren u.a. beansprucht ist. Jedoch vermögen diese Druckschriften einem Fachmann, einem Chemie-Ingenieur oder Verfahrenstechniker mit Fachhochschulausbildung mit Erfahrung auf dem Gebiet der Schädlingsbekämpfungsverfahren, keinerlei Hinweise auf ein Verfahren oder eine apparative Ausgestaltung zur Rückgewinnung eines Behandlungsgases wie z.B. Sulfurylfluorid zu vermitteln. Gegenstand dieser Entgegenhaltungen ist vielmehr die Bindung des aus dem Behandlungsraum abgesaugten Gases in entsprechenden Gaswäschern, Gasfiltern oder Gasabsorbern (DE 42 05 459 C2) bzw. die thermische Aufspaltung des Behandlungsgases zum Zwecke der Inaktivierung (DE 44 01 338 A1). Nach Ablauf dieser Prozesse steht das Behandlungsgas jedenfalls für einen erneuten Einsatz nicht mehr zur Verfügung.

Durch die DE 41 17 306 C1 wird ein Verfahren zur Gassterilisation in eigens dafür vorgesehenen Behandlungsräumen beschrieben, welches der Bekämpfung mikrobieller Keime dient und vorzugsweise mit Ethylenoxid als Behandlungsgas arbeitet. Das entgegengehaltene Sterilisier-Verfahren schlägt jedoch insoweit übereinstimmend mit dem Grundgedanken des Anmeldungsgegenstandes ein Verfahren sowie eine Vorrichtung zur Rückgewinnung des Behandlungsgases mittels Kühlkondensation vor. Anders als beim anmeldungsgemäßen Verfahren wird das aus der Sterilisierkammer abgesaugte Behandlungsgas über eine Trocknungsanlage in einen Tieftemperaturkondenser (50 , Fig 1) geleitet, in dem der Vorgang der Verflüssigung anläuft. Über eine Ethylenoxid-Vorlage (78) gelangt das verflüssigte Gas schließlich in den Lagerbehälter (80), wo es bis zur Wiederverwendung aufbewahrt wird. Somit vermag diese Entgegenhaltung einem Fachmann schon die anmeldungsgemäße Verflüssigung und Lagerung des Behandlungsgases in ein und demselben Behälter nicht nahezulegen. Eine Kühleinrichtung, welche dem Behälter nachgeschaltet ist und die beim Druckanstieg des Behandlungsgases im Hauptbehälter eine erneute Verflüssigung der Gasphase vornimmt ist nicht vorgesehen. Nachdem diese Entgengehaltung keinerlei Hinweise auf eine dem Lagerbehälter nachgeschaltete weitere Kühleinrichtung vermitteln kann, vermag sie einem Fachmann weder die entsprechenden Merkmale des auf ein Verfahren gerichteten Anspruchs 1 noch die damit korrespondierenden Merkmale des auf eine Vorrichtung gerichteten Anspruchs 11 - auch nicht in Verbindung mit den vorher abgehandelten Entgegenhaltungen - nahezulegen.

Die verbleibenden Entgegenhaltungen liegen vom Anmeldungsgegenstand, wie bereits aus dem Neuheitsvergleich ersichtlich, weiter ab, so dass auch diese weder für sich genommen noch in Zusammenschau mit dem relevanteren Stand der Technik geeignet sind, einem Fachmann Hinweise zum Auffinden der anmeldungsgemäßen Lehre zu vermitteln.

Nach alledem sind das Verfahren nach Anspruch 1 sowie der Gegenstand nach Anspruch 11 patentfähig und diese Ansprüche somit gewährbar.

Mit diesen zusammen sind auch die jeweiligen Unteransprüche 2 bis 10 und 12 bis 20 gewährbar, die auf vorteilhafte Ausgestaltungen eines Verfahrens nach Anspruch 1 bzw. einer Vorrichtung nach Anspruch 11 gerichtet sind.

Kowalski Viereck Dr. Huber Kuhn Cl






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Az: 8 W (pat) 3/01


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