Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Februar 2008
Aktenzeichen: 7 W (pat) 25/05
(BPatG: Beschluss v. 20.02.2008, Az.: 7 W (pat) 25/05)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beschwerde der Anmelderin ist gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 01 N des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. März 2005 gerichtet, mit dem die Patentanmeldung vom 28. September 1995 mit der Bezeichnung
"Abgasanlage einer Brennkraftmaschine mit mindestens einer Lambda-Sonde sowie Lambda-Sonde für eine solche Abgasanlage"
mit der Begründung widerrufen worden ist, dass ihr Gegenstand nicht patentfähig sei.
Der Beschluss beruft sich auf den Stand der Technik nach Druckschrift DE 42 36 960 A1 (kurz: E1) und hält den Anmeldungsgegenstand demgegenüber nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhend.
Im Prüfungsverfahren ist zum Stand der Technik u. a. noch die Druckschrift DE 43 20 116 A1 (E3) genannt worden.
In der mündlichen Verhandlung überreicht die Anmelderin neue Patentansprüche 1 bis 7 nach Hauptantrag und neue Patentansprüche 1 bis 4 nach Hilfsantrag. Sie legt des Weiteren Skizzen von Sebastian Urban mit dem Titel 'Die Lambdasonde - Gerät zur Bestimmung der Sauerstoffkonzentration' für die Ferien-Akademie 2006 der Universität Erlangen-Nürnberg, der Technischen Universität München und der Universität Stuttgart (kurz: Urban-Skizzen) vor.
Sie stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu erteilen mit den jeweils in der mündlichen Verhandlung am 20. Februar 2008 überreichten Patentansprüchen 1 bis 7 nach Hauptantrag, hilfsweise den Patentansprüchen 1 bis 4 nach Hilfsantrag, Beschreibung und Zeichnung jeweils gemäß Offenlegungsschrift DE 195 36 136 A1.
Die geltenden Patentansprüche 1 und 6 nach Hauptantrag lauten:
1. Abgasanlage einer lambdageregelten Brennkraftmaschine mit mindestens einer Sonde zum Erfassen des Sauerstoffanteils des im Abgasstrang geführten Abgases, dadurch gekennzeichnet, dass die Sonde eine nahe der Brennkraftmaschine in einem thermisch hochbelasteten Bereich des Abgasstranges angeordnete und mit Kühleinrichtungen (5) versehene Lambda-Sonde ist.
6. Lambda-Sonde zur Anwendung an einer Abgasanlage nach Anspruch 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass ein außerhalb des Abgasstranges liegender Sondenkörperträger (3) mit Kühleinrichtungen (5) versehen ist.
Die geltenden Patentansprüche 1 und 4 nach Hilfsantrag lauten:
1. Abgasanlage einer lambdageregelten Brennkraftmaschine mit mindestens einer Sonde zum Erfassen des Sauerstoffanteils des im Abgasstrang geführten Abgases, dadurch gekennzeichnet, dass die Sonde eine Lambda-Sonde ist, die einen nahe der Brennkraftmaschine in einem thermisch hochbelasteten Bereich des Abgasstranges angeordneten Sondenkörper (1) mit einer Messsonde (2) und einen außerhalb des Abgasstranges liegenden, mit Kühleinrichtungen (5) versehenen Sondenkörperträger (3) umfasst, wobei die Kühleinrichtung (5) den Sondenkörperträger (3) becherförmig umgibt.
4. Lambda-Sonde, welche umfasst: einen Sondenkörper (1) mit einer Messsonde (2) und einen Sondenkörperträger (3), wobei der Sondenkörper (1) zur Montage in einer Wandung eines Abgasrohrs mit außerhalb des Abgasrohrs liegendem Sondenkörperträger (3) ausgelegt ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Sondenkörperträger (3) mit einer Kühleinrichtung (5) versehen ist, die ihn becherförmig umgibt.
Weitere Ausgestaltungen der Abgasanlage nach Anspruch 1 bzw. der Lambda-Sonde nach Anspruch 6 des Hauptantrags sind in nachgeordneten Patentansprüchen 2 bis 5 bzw. 7, weitere Ausgestaltungen der Abgasanlage nach Anspruch 1 des Hilfsantrags in nachgeordneten Ansprüchen 2 und 3 angegeben. Für deren Wortlaut wird auf die Akte verwiesen.
Dem Anmeldungsgegenstand liegt die Aufgabe zugrunde, eine Abgasanlage zu schaffen, bei der sowohl eine Lambda-Sonde als auch ein Katalysator nahe an der Brennkraftmaschine angeordnet werden können, so dass der Katalysator schnell seine Anspringtemperatur und die Lambda-Sonde ihre Ansprechtemperatur erreichen, die Lambda-Sonde jedoch trotzdem bei einer ihr zuträglichen Betriebstemperatur arbeitet. Eine weitere Aufgabe besteht darin, eine Lambda-Sonde für den Einsatz in einer solchen Abgasanlage zu schaffen. (DE 195 36 136 A1 Sp. 1 Z. 27 - 37).
II.
Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Sie ist sachlich jedoch nicht begründet.
Der Gegenstand der Anmeldung stellt in keiner der nach Haupt- und Hilfsantrag geltenden und als zulässig anzusehenden Anspruchsfassungen eine patentfähige Erfindung i. S. d. PatG §§ 1 bis 5 dar.
Als hier zuständiger Fachmann ist ein auf dem Gebiet der Abgastechnik bei Brennkraftmaschinen tätiger Maschinenbauingenieur anzusehen.
1. Hauptantrag:
Die Abgasanlage nach Anspruch 1 mag neu sein, sie beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Aus DE 42 36 960 A1 (E1) ist eine Abgasanlage einer lambdageregelten Brennkraftmaschine mit mindestens einer Sonde zum Erfassen des Sauerstoffanteils des im Abgasstrang geführten Abgases bekannt (Fig. 1, Sonden 22 bzw. 24). Die Sauerstoff-Sonde 24 ist nahe der Brennkraftmaschine in einem thermisch hoch belasteten Bereich des Abgasstranges, nämlich in den jeweiligen Gasaustrittsrohren 12 unmittelbar nach dem Motorflansch 14, angeordnet. Die Wirkungsweise dieser Sauerstoffsonde 22, die durch eine dünne Diffusionsschicht aus halbleitendem Titanat auf einem Keramikträger gebildet ist, beruht auf der Änderung der elektrischen Leitfähigkeit abhängig vom Sauerstoffpartialdruck. Im Gegensatz zu herkömmlichen ("klassischen") Lambda-Sonden, die etwa 1 m hinter dem Auspuffkrümmer bzw. im Sammelrohr vor dem Katalysator angeordnet werden (E1; Sp. 1 Z. 61 - 65 und Fig. 1 Position 22), benötigt sie keine Vergleichsatmosphäre (Referenzgas) und ist bis ca. 1300¡C thermisch belastbar (Sp. 4 Z. 7 - 20, 25 - 30). Wie die "klassische" Lambda-Sonde dient sie aber ebenfalls zur Regelung des Luft-Kraftstoff-Gemisches einer Brennkraftmaschine, in der Sprache des Fachmannes als Lambda-Regelungen bezeichnet (E1 Sp. 4 Z. 53 - 56).
Von dieser bekannten Abgasanlage unterscheidet sich die nach Anspruch 1 der vorliegenden Patentanmeldung noch dadurch, dass die im thermisch hochbelasteten Bereich angeordnete Sonde eine Lambda-Sonde ist, die mit Kühleinrichtungen versehen ist. Unter Lambda-Sonde ist hier die "klassische" gemeint, die bekanntermaßen nach dem Prinzip einer galvanischen Sauerstoffkonzentrationszelle mit einem Festkörperelektrolyten in Verbindung mit einem Referenzgas arbeitet (E1 Sp. 1 Z. 66 - Sp. 2 Z. 7; nachveröffentlichte Urban-Skizzen Blatt 2 Bild 2 und Blatt 4 Bild 3 'Funktionsprinzip der Lambda-Sonde').
Nach E1 (Sp. 2 Z. 8 - 28) weisen die herkömmlichen Lambda-Sonden u. a. die Nachteile auf, dass sie erst ab 400¡C arbeiten und deshalb vorzuwärmen sind, zudem nur etwa 800¡C Dauerbetriebstemperatur aushalten und daher entfernter von der Brennkraftmaschine angeordnet werden müssen. Daraus resultieren längere Reaktionszeiten der Sonden auf plötzliche Betriebsänderungen und in Verbindung mit dem in der Regel stromab der Sonde anzuordnenden Katalysator dessen verzögerte Erwärmung auf die erforderliche Arbeitstemperatur.
E1 offenbart somit die dem Fachmann vor dem Anmeldetag des vorliegenden Anmeldungsgegenstandes schon gegenwärtige Problematik des Einsatzes herkömmlicher Lambda-Sonden in Brennkraftmaschinen: Einerseits ist es vorteilhaft, die Lambdasonde so nah wie möglich an die Zylinderauslässe der Brennkraftmaschine anzuordnen, um sowohl die Sonde als auch den im Zuge der Sondenverschiebung ebenfalls näher an den Motor rückbaren Katalysator schneller auf Betriebs- bzw. Ansprechtemperatur bringen zu können und eine schnellere Reaktion der Lambda-Regelung aufgrund verringerter Totzeiten des Abgases zu ermöglichen. Andererseits steht dem der Nachteil entgegen, dass mit einer herkömmlichen Lambda-Sonde die Zuverlässigkeit der Motorsteuerung nicht gewährleistet ist, weil sie den hohen Abgas- bzw. Motor-Temperaturen in Nähe des Abgasaustritts des Motors nicht hinreichend lange Stand hält.
Ergibt sich mit der Entwicklung von hochtourig drehenden Motoren aber nun das Bedürfnis, ungünstig lange Totzeiten des Abgases, wie in E1 Sp. 2 Z. 20 - 24 angesprochen, zu vermeiden, wird der Fachmann zu allererst versuchen, das mit bekannten Mitteln zu erreichen. Aufgrund des vorliegenden thermischen Problems erkennt er ohne großes Nachdenken, dass es bei den ihm geläufigen Brennkraftmaschinen selbstverständlich ist, thermisch gefährdete Bauteile zu kühlen, um deren Funktionsfähigkeit und/oder die von benachbarten Bauteilen für eine bestimmte Betriebsdauer sicherzustellen. Beispielsweise werden Zylinderkopfdichtungen und Zylinderköpfe mittels Kühlrippen am Zylinderkopf bei luftgekühlten Motoren, Kolbenringe durch die Zylinderkühlung und/oder Kolbenkühlung vor Überhitzung geschützt. Danach lag es für den Fachmann auf der Hand, auch die Kühlung des gefährdeten herkömmlichen Bauteils "Lambda-Sonde" in Betracht zu ziehen. Dass dieser Gedanke nicht fern lag, belegt auch der Stand der Technik nach Druckschrift DE 43 20 116 A1 (E3), in der eine Nadelsonde zur Messung der Leitfähigkeit in Flüssigkeiten oder Mehrphasengemischen beschrieben ist, die in eine Wand eines ein heißes Medium führenden Gefäßes eingebaut ist. Das aus dem Gefäß ragende Ende der Sonde enthält eine temperaturempfindliche Elektrodendurchführung, die durch zu hohen Wärmeeintrag aus der Gefäßwand dadurch geschützt wird, dass auf dem Trägerrohr der Sonde zwischen Gefäßwand und Sonden-Ende ein wärmeableitender Kühlkörper angeordnet ist (Figur i. V. m. Sp. 3 Z. 34 - 40 und Anspruch 5). Diese Kühlanordnung kann, wie der Fachmann ohne weiteres mitliest - auch für den Wärmeentzug aus dem messenden Sondenende genutzt werden, wenn dort die thermisch gefährdete Stelle der Sonde liegen sollte.
Diese naheliegende Kühlung der Lambda-Sonde ist dem Fachmann auch nicht dadurch verstellt, dass in Druckschrift E1 der Weg beschritten worden ist, von einer herkömmlichen Lambda-Sonde abzusehen und stattdessen eine hochhitzebeständige Sauerstoff-Sonde zu verwenden. Denn dort sind auch noch andere Gründe angesprochen, die für eine Abkehr von der herkömmlichen Lambda-Sonde sprechen, nämlich ihre Baugröße, die eine Unterbringung in einem Einzelrohr eines Auspuffkrümmers nicht zulasse (Sp. 3 Z. 56 - 58) sowie die verbesserungsfähige Ansprechzeit herkömmlicher Lambda-Sonden von 50 bis 100 ms (Sp. 2 Z. 20 - 21), die bei der Sonde nach E1 auf 1 bis 20 ms verkürzt worden ist (Sp. 3 Z. 61 - 63). Kommt es auf diese, die Lehre der vorliegenden Anmeldung überrollenden Verbesserungen zur Erzielung weiterer Vorteile unter Mehraufwendungen für die Neuentwicklung von Sonden nicht an, liegt die Beibehaltung der bewährten herkömmlichen Lambda-Sonde in Kombination mit der an sich bekannten Bauteilkühlung für den Fachmann auf der Hand.
Auch die Lambda-Sonde nach Anspruch 6 zur Anwendung bei einer Abgasanlage nach Anspruch 1 beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Nach Vorherstehendem liegt die Nachrüstung einer herkömmlichen Lambda-Sonde mit einer Kühleinrichtung für den Fachmann nahe. Die Anbringung der Kühleinrichtung an der Sonde wählt der Fachmann routinemäßig nach den baulichen Gegebenheiten derart aus, dass der gewünschte Kühleffekt an der Sonde auch erreicht wird (vgl. E3 Figur). Das setzt einen guten wärmeleitenden Kontakt des in der Regel außerhalb des Abgasstranges angeordneten Sondenkörperträgers (Urban-Skizzen "Die Lambda-Sonde" Blatt 2 Bild 1 'Position der Lambdasonde') sowie eine Wärmeabgabemöglichkeit außerhalb der Abgasleitung voraus. Der Sondenkörperträger als Ort für die Anbringung der Kühleinrichtung lag daher im Griffbereich des Fachmannes.
Nachdem kein gewährbarer Hauptanspruch vorliegt, konnte dem Hauptantrag insgesamt nicht stattgegeben werden.
2. Zum Hilfsantrag:
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag umfasst eine Abgasanlage mit den Merkmalen der Ansprüche 1 und 6 nach Hauptantrag sowie das Merkmal, wonach - wie im Ausführungsbeispiel i. V. m. dem ursprünglichen und hauptantragsgemäßen Anspruch 7 offenbart - die Kühleinrichtung den Sondenkörperträger becherförmig umgibt. Dieser Becher soll gemäß Beschreibung (Offenlegungsschrift Sp. 2 Z. 36 - 40) einen Teil der vom Abgas aufgenommenen Wärme wieder abgeben, hier offensichtlich an die Umgebungsluft, um die Lambda-Sonde auf einem Temperaturniveau zu halten, die eine höhere Lebensdauer der Sonde gewährleistet.
Hinsichtlich der mit den Ansprüchen 1 und 6 nach Hauptantrag übereinstimmenden Merkmale im Anspruch 1 nach Hilfsantrag gelten die vorstehenden Ausführungen uneingeschränkt. Das zusätzliche Merkmal betrifft die Ausbildung einer Wärmeaustauschfläche in Becherform, durch die die von der Sonde aufgenommene und über Wärmeleitung auf den Sondenkörperträger und den Becher übertragene Wärme abgeführt werden soll. Wärmetauschflächen kennt der Fachmann in vielfältiger Gestaltung, beispielsweise als Rippen oder Lamellen an Wärmetauschrohren oder Kühlkörpern. Derartige lamellenartige Wärmeabführflächen sind z. B. bei der Kühleinrichtung für die Nadelsonde nach Druckschrift E3 (Fig.) verwirklicht. Ob die Wärmetauschflächen eben wie in E3 gezeigt oder räumlich gekrümmt in Becherform wie beim Anmeldungsgegenstand ausgebildet werden, entscheidet der Fachmann in der Regel nach den vorliegenden Einbauverhältnissen einer Sonde. Auch in der Beschreibung der Anmeldung finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Maßnahme über das hinausgeht, was von einem Fachmann an konstruktiven Modifikationen im Rahmen seines fachlichen Könnens erwartet werden kann.
Der Patentanspruch 4 nach Hilfsantrag lehrt im Wesentlichen eine Lambda-Sonde entsprechend den Merkmalen des Anspruchs 6 nach Hauptantrag, jedoch mit der Weiterbildung durch eine becherförmig den Sondenkörperträger umgebenden Kühleinrichtung. Die obigen Ausführungen zu diesen Merkmalen gelten hier entsprechend.
Der Hilfsantrag konnte danach ebenfalls keinen Erfolg haben.
Tödte Eberhard Frühauf Hilber Cl
BPatG:
Beschluss v. 20.02.2008
Az: 7 W (pat) 25/05
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