Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Juni 2011
Aktenzeichen: 12 W (pat) 330/05
(BPatG: Beschluss v. 21.06.2011, Az.: 12 W (pat) 330/05)
Tenor
Das Patent 102 12 853 wird widerrufen.
Gründe
l.
Gegen das am 22. März 2002 angemeldete und am 3. März 2005 veröffentlichte Patent 102 12 853 mit der Bezeichnung "Lüftungsbauelement sowie Verfahren zum Einbau eines Lüftungsbauelementes" hat die Einsprechende am 3. Juni 2005 Einspruch eingelegt.
Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, dass der Gegenstand des Streitpatents nach den Ansprüchen 1 und 8 mangels Neuheit oder zumindest mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig sei. Die Einsprechende beruft sich unter anderem auf den Stand der Technik nach den Druckschriften D2 DE2410170A1 D7 DE20113892U1 Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung auf den als Nebenanspruch formulierten veröffentlichten Anspruch 8 verzichtet und beantragt, das Patent 102 12 853 mit den erteilten Ansprüchen 1 bis 7 beschränkt aufrechtzuerhalten.
Die Patentinhaberin widerspricht der Auffassung der Einsprechenden und vertritt die Ansicht, dass der Patentgegenstand in der beantragten Fassung gegenüber dem insgesamt aufgezeigten Stand der Technik neu und auch erfinderisch sei.
Der veröffentlichte Anspruch 1 nach der Streitpatentschrift (StrPS) hat nach Merkmalen gegliedert folgenden Wortlaut:
a Lüftungsbauelementb zum Einbau in Wände, insbesondere in Trockenbauwände mit denfolgenden Merkmalen:
c einem Zuluftanschluss zum Anschluss des Elementes an ein Ventilationsoder Klimaanlagensystem, und/oderd einem Abluftanschluss zum Anschluss des Elementes an ein Ventilationsoder Klimaanlagensystem;
e einem Gehäuse, in das der Zuluftanschluss (16) und/oder der Abluftanschluss (18) einmünden, f wobei das Gehäuse (5) einen Raumbe und/oder einen Raumentlüftungsbereich aufweist, über den ein zu lüftender Raum belüftet und/oderentlüftet werden kann, dadurch gekennzeichnet, g dass das Gehäuse (5) eine in Einbaulage größere vertikale, zur Wandparallele Erstreckung als horizontale Erstreckung aufweist, h wobei der Zuluftanschluss (16) und/oder der Abluftanschluss (18) an dievertikale zur Wand parallele Erstreckung (41) anschließt, i wobei der Raumbe-(21, 22) und/oder der Raumentlüftungsbereich (21, 22)
vertikalund/oder seitlich versetztk an der gegenüberliegenden Innenseite (42) des Gehäuses angeordnet ist.
Zum Wortlaut der dem Anspruch 1 nachgeordneten Ansprüche 2 bis 7, die weitere Ausgestaltungen des Patentgegenstands nach dem Hauptanspruch beinhalten, wird auf die Patentschrift verwiesen.
II.
Der fristund formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Er ist auch begründet. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt keine patentfähige Erfindungi. S. d. PatG §§ 1bis 5dar.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 mag neu sein, er beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Als die dem angefochtenen Patent zugrunde liegende Aufgabe ist in der Patentschrift angegeben, ein Lüftungsbauelement und ein Verfahren zum Einbau eines Lüftungsbauelementes zu schaffen, die den voranstehenden Nachteilen (also bspw. großer Platzbedarf, keine Integration der Elemente in der Wand möglich, zusätzliche Schalldämmmaßnahmen erforderlich, Abs. [0003] bis [0005] der Patentschrift) im Stand der Technik wenigstens teilweise soweit als möglich Abhilfe verschaffen. Insbesondere soll ein Lüftungsbauelement geschaffen werden, das den Einbau in eine Wand und insbesondere eine Trockenbauwand ermöglicht (Absatz [0008]).
Als zuständiger Fachmann ist hier ein Diplom-Ingenieur (FH) der Fachrichtung Klimaund Lüftungstechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion und Konzeption von Lüftungselementen anzusehen.
1. Zur Definition der Begriffe Bei der im Merkmal g genannten "horizontalen Erstreckung" handelt es sich nach Auffassung des Senats um die Erstreckung des Gehäuses in die Tiefe der Wand, also hier maximal die Wanddicke. Diese Auslegung wird insbesondere durch die Absätze [0005] und [0009] der Streitpatentschrift gestützt, in denen die große horizontale Tiefe der Gehäuse nach dem Stand der Technik als nachteilig bzw. die geringe horizontale Gehäusetiefe nach dem Streitpatent als vorteilhaft beschrieben wird. Auch die Fig. 3 stützt diese Auffassung, da dort unstreitig ein Lüftungselement gezeigt wird, das in der Einbauoder Wandtiefe (horizontale Erstreckung) kleiner ist als in der Höhe (vertikale Erstreckung). In der Fig. 1 der Streitpatentschrift wird ergänzend dazu dargestellt, dass die Schlitzbreite der Ausströmöffnung und auch die Breite des Lüftungsbauelements größer ist als die vertikale Erstreckung. Angesichts dieser auch in der Verhandlung erörterten Auffassung ist für den in der mündlichen Verhandlung geäußerten und mit einer Skizze erläuterten Auslegungswunsch der Patentinhaberin kein Raum, die horizontale Erstreckung des Gehäuses als die Schlitzbreite bzw. Gehäusebreite in der Wand, nicht aber als die Gehäusetiefe zu definieren. Für diese Auffassung lässt sich auch in der vorliegenden Streitpatentschrift keine Stütze finden, da anderenfalls alle dort abgebildeten Ausführungsbeispiele nicht vom Patentschutz umfasst wären.
Als "vertikale Erstreckung" wurde allseitig die sich beim Einbau in die Wand ergebende "Höhe" des Gehäuses erkannt.
2. Zur erfinderischen Tätigkeit Die Schrift DE 201 13 892 U1 (D7) beschreibt ein Lüftungsbauelement mit den Merkmalen a, c bis f und k. Dieses Element ist als Bodenluftauslass, d. h. als Lüftungselement zum Einbau in aufgeständerte Böden (Installationsböden) bezeichnet. Der Fachmann weiß jedoch aus seinem bautechnischen Grundwissen, dass bei derartigen Lüftungselementen für aufgeständerte Böden ebenfalls die Problematik auftritt, dass die Gehäusetiefe möglichst klein sein soll, um den Boden möglichst flach auszubilden und somit teuren umbauten Raum zu sparen. Weiterhin soll natürlich auch hier möglichst keine Schallübertragung zum Nachbarraum erfolgen. Aufgrund dieser Problemstellungen, die auch dem Streitpatent zugrunde liegen, wird der Fachmann diese Druckschrift auf für ihn verwendbare und bewährte Lösungen untersuchen und zwangsläufig feststellen, dass er bei einer Drehung der Lüftungsvorrichtung nach dem Ausführungsbeispiel entsprechend den Fig. 1, 2 und 5 um 90 Winkelgrade im Uhrzeigersinn (damit wird der darin vorgesehene "Installationsboden" zu einer "Installationswand", also Trockenbauwand), ein Lüftungselement für Wände mit einer Ausströmöffnung aus der Wand und einer dazu vertikal versetzten Zuoder Abluftöffnung auf der anderen Wandseite erhält. Diese Vorrichtung ist, wie der Fachmann auch sofort erkennt, aufgrund ihrer geringen Gehäusetiefe insbesondere für den Einbau in dünnen Wänden und somit beispielsweise in Trockenbauwänden mit ihrer geringen horizontalen Ausdehnung geeignet. Dass wie auch immer ausgeführte Lageveränderungen bei in Rede stehenden Lüftungsbauelementen keinerlei Einfluss auf Funktion und Schalldämmung haben, ist dem Fachmann aus seinem technischen Grundwissen heraus bekannt und wird beispielsweise auch in der Schrift DE 24 10 170 A1 (D2), S. 5, letzter Absatz ausgeführt. Durch diese einfache Betrachtung der Einbaulage sind auch die noch fehlenden Merkmale b, g, h und i für den Fachmann durch die Schrift D7 zumindest nahegelegt.
Dafür, dass die oben angestellten fachspezifischen Abwägungen den Bereich der fachlichen Routine des Fachmannes überschreiten und mithin erfinderische Tätigkeit begründen, konnte der Senat im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte finden.
Da der Patentanspruch 1 danach mangels erfinderischer Tätigkeit nicht rechtsbeständig ist, können auch die auf ihn rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 keinen Bestand haben.
Dass in den Patentansprüchen 2 bis 7 noch Merkmale von Patent begründender Bedeutung enthalten wären, hat die Patentinhaberin im Übrigen nicht geltend gemacht und ist für den Senat auch nicht ersichtlich.
Deshalb war das angefochtene Patent zu widerrufen.
Schneider Bayer Schlenk Dr. Baumgart Me
BPatG:
Beschluss v. 21.06.2011
Az: 12 W (pat) 330/05
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