Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 7. März 2005
Aktenzeichen: AnwZ (B) 7/04
(BGH: Beschluss v. 07.03.2005, Az.: AnwZ (B) 7/04)
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofes Mecklenburg-Vorpommern vom 17. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller wurde am 20. August 1997 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Die Antragsgegnerin widerrief mit Bescheid vom 6. März 2002 die Zulassung des Antragstellers gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls und ordnete zugleich die sofortige Vollziehung der Verfügung an. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Das Amtsgericht S. eröffnete mit Beschluß vom 23. April 2002 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers. Dieser beantragte daraufhin, wieder zur Rechtsanwaltschaft zugelassen zu werden. Die Antragsgegnerin wies den Antrag mit Bescheid vom 16. August 2002 zurück.
Der Antragsteller hat gerichtliche Entscheidung beantragt. Gegen die Zurückweisung dieses Antrags durch den Anwaltsgerichtshof wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft mit Recht versagt.
1.
Dem Antrag auf erneute Zulassung zur Rechtsanwaltschaft steht die Bestandskraft des Widerrufsbescheids vom 6. März 2002 nicht entgegen. Denn der Antragsteller macht geltend, daß der Widerrufsgrund aufgrund des laufenden, erst nach dem Widerrufsbescheid eröffneten Insolvenzverfahrens nachträglich entfallen sei (Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 6 Rdnr. 21 und § 7 Rdnr. 147; Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 7 Rdnr. 113 m.Nachw.).
2.
Der Antrag auf Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft ist jedoch nicht begründet, weil der Vermögensverfall des Antragstellers fortbesteht (§ 7 Nr. 9 BRAO). Ein Vermögensverfall wird nach dieser Bestimmung vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 915 ZPO) eingetragen ist. Diese Voraussetzung ist mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers erfüllt. Da das Insolvenzverfahren -andersals in der dem Senatsbeschluß vom 7. Dezember 2004 (AnwZ (B) 40/04, zur Veröffentlichung bestimmt) zugrundeliegenden Fallgestaltung -bislang nicht aufgehoben worden ist, besteht die Grundlage der Vermutung weiterhin fort.
Die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls wird nicht, wie der Antragsteller meint, dadurch widerlegt, daß der Antragsteller im Insolvenzverfahren die Restschuldbefreiung gemäß §§ 286 ff. InsO beantragt hat (Senatsbeschluß vom 13. März 2000 -AnwZ (B) 28/99, BRAK-Mitt. 2000, 144 = NJW-RR 2000, 1228 unter II). Denn im Einzelfall ist fraglich, ob es zu einer Restschuldbefreiung kommt, und die während des laufenden Insolvenzverfahrens fehlende Befugnis des Schuldners, über sein Vermögen zu verfügen (§ 80 Abs. 1 InsO), steht einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft grundsätzlich entgegen (Senatsbeschluß vom 13. März 2000, aaO; Senatsbeschluß vom 7. Dezember 2004, aaO unter II 2). Von geordneten Vermögensverhältnissen kann deshalb nicht ausgegangen werden, bevor nicht dem Schuldner mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Restschuldbefreiung gemäß § 291 InsO angekündigt worden ist und er damit die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen vom Insolvenzverwalter zurückerlangt hat (Senatsbeschluß vom 7. Dezember 2004, aaO unter II 3 und 4). Daran fehlt es im vorliegenden Fall.
Die am 1. Dezember 2001 in Kraft getretene Änderung des § 287 Abs. 2 InsO (Art. 1 Nr. 15 Buchst. b des Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetzes vom 26. Oktober 2001, BGBl. I, 2710) rechtfertigt entgegen der Auffassung des Antragstellers keine andere Beurteilung. Durch die Gesetzesänderung ist lediglich der Zeitraum der Wohlverhaltensphase -die Laufzeit der Abtretung nach § 287 Abs. 2 InsO -verkürzt und vorverlagert worden. Dies ändert nichts daran, daß geordnete Vermögensverhältnisse des Antragstellers erst dann wiederhergestellt sein können, wenn das Insolvenzverfahren beendet und der Beschluß über die Ankündigung der Restschuldbefreiung (§ 291 InsO) tatsächlich ergangen ist (Senatsbeschluß vom 7. Dezember 2004, aaO unter II 3; ebenso Feuerich/Weyland, aaO, § 14 Rdnr. 59; Henssler/Prütting, aaO, § 7 Rdnr. 113 aaO; a.A.: Kleine-Cosack, BRAO, 4. Aufl., § 14 Rdnr. 14 a.E.). Diese Voraussetzung ist hier -wie dargelegt -noch nicht erfüllt.
3. In der Versagung der Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft liegt entgegen der Auffassung des Antragstellers keine unverhältnismäßige, mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbare Beschränkung der Berufsfreiheit des Antragstellers. Dieser hat auch unter Berücksichtigung seines Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG keinen Anspruch darauf, während des noch fortbestehenden Vermögensverfalls zur Rechtsanwaltschaft wieder zugelassen zu werden. Ein solcher Anspruch besteht auch nicht deshalb, weil die Interessen der Rechtsuchenden, wie der Antragsteller meint, unter den besonderen Umständen seines Falles bei einer Wiederzulassung nicht gefährdet wären.
a) Auf dieses Vorbringen des Antragstellers kommt es nach § 7 Nr. 9 BRAO nicht an. Diese Bestimmung knüpft allein an das Vorliegen eines Vermögensverfalls an. Dementsprechend ist die Wiederzulassung eines Rechtsanwalts nur davon abhängig, ob neue Tatsachen belegen, daß sich der Bewerber nicht mehr in Vermögensverfall befindet (Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 7 Rdnr. 113), und nicht zusätzlich auch davon, ob im Einzelfall die Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall im Falle der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gefährdet wären (Henssler/Prütting, aaO Rdnr. 112 a.E.).
Die Gesetzesmaterialien enthalten keinen Hinweis auf eine vom Wortlaut der Vorschrift abweichende Absicht des Gesetzgebers. Durch das Gesetz zur Änderung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom 13. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2135) sind die Bestimmungen in der Bundesrechtsanwaltsordnung über die Versagung und den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft -§§ 7 und 14 BRAO -hinsichtlich des Vermögensverfalls geändert worden. Anstelle der bis dahin für die Zurücknahme der Zulassung geltenden Ermessensregelung des § 15 BRAO trat die neue Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO (jetzt: § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO), nach der die Zulassung zu widerrufen ist, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, daß dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Zugleich wurde in § 7 Nr. 9 BRAO als zwingender Versagungsgrund für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erstmals auf den Vermögensverfall des Bewerbers abgestellt, ohne daß dabei in § 7 Nr. 9 BRAO eine § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO entsprechende Ausnahmeregelung aufgenommen wurde. Von einem gesetzgeberischen Versehen kann bei dieser unterschiedlichen Ausgestaltung der Voraussetzungen für die Versagung und für den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht ausgegangen werden. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu § 14 BRAO wurde hervorgehoben, daß es zum Schutz der rechtsuchenden Bevölkerung notwendig sei, den bisher in das Ermessen der Zulassungsbehörde gestellten Widerruf bei einem Vermögensverfall künftig als zwingend vorzusehen, und von dem Widerruf nur abgesehen werden solle, wenn die Interessen der Rechtsuchenden trotz des Vermögensverfalls nicht gefährdet seien. Die Begründung zu der dieser Einschränkung nicht aufweisenden Neuregelung des § 7 Nr. 9 BRAO enthält dagegen lediglich Ausführungen zum Vermögensverfall und zu der dafür bestehenden -widerleglichen -gesetzlichen Vermutung, jedoch keinen Hinweis darauf, daß der in § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO geregelte Ausnahmetatbestand entgegen dem Wortlaut des § 7 Nr. 9 BRAO auch für die Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gelten sollte.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung unterschiedlicher Voraussetzungen für die Versagung und den Widerruf der Zulassung bei eingetretenem Vermögensverfall bestehen nicht. Der Zwang zur Aufgabe eines frei und zulässig gewählten Berufs wirkt ungleich stärker als das Hindernis, in einen Beruf einzutreten (BVerfGE 21, 173, 182 f.). Dies rechtfertigt im Interesse des Vertrauensund Bestandsschutzes für den bereits zugelassenen Rechtsanwalt die im Vergleich zu dem Versagungsgrund des § 7 Nr. 9 BRAO einschränkende Gestaltung des Widerrufsgrundes des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO (vgl. Henssler/Prütting, aaO, § 14 Rdnr. 29), die einen Widerruf dann nicht zuläßt, wenn eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall bei einer weiteren Berufstätigkeit des Rechtsanwalts im konkreten Fall ausnahmsweise ausgeschlossen ist. Demgegenüber knüpft § 7 Nr. 9 BRAO an eine abstrakte Gefährdung der Rechtspflege an (BVerfGE, 108, 150, 164). Die Vorschrift steht insoweit -als Ausnahmefall innerhalb der Bundesrechtsanwaltsordnung (BVerfGE, aaO) -dem konkreten Gefährdungstatbestand des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO gegenüber.
b) Im übrigen sind besondere Umstände, die trotz fortbestehendem Vermögensverfall eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden bei einer Wiederzulassung des Antragstellers ausschließen würden, im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Der Senat hat in seinem Beschluß vom 18. Oktober 2004 zu § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ausgeführt, eine Gesamtwürdigung der Person des Rechtsanwalts, der Umstände des eröffneten Insolvenzverfahrens und der arbeitsvertraglichen Beschränkungen, denen sich der Rechtsanwalt unterworfen hat, könne ausnahmsweise den Schluß zulassen, daß durch den Vermögensverfall des Rechtsanwalts eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht gegeben ist (AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511 unter 2 c). Eine solche Gesamtwürdigung der konkreten Umstände des vorliegenden Falles würde hier nicht die Annahme rechtfertigen können, daß bei einer Wiederzulassung des Antragstellers während des noch nicht abgeschlossenen Insolvenzverfahrens die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet wären. Eine dem Senatsbeschluß vom 18. Oktober 2004 (aaO) in objektiver und persönlicher Hinsicht entsprechende Fallgestaltung liegt -auch hinsichtlich des Anstellungsvertrags des Antragstellers -nicht vor. Dabei wäre im Rahmen der Gesamtwürdigung hier auch zu berücksichtigen, daß nach den tatsächlichen Feststellungen der Widerrufsverfügung vom 6. März 2002, die der Antragsteller nicht angegriffen hat, eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Antragstellers gegeben war, der nur durch die Anordnung des Sofortvollzugs des Widerrufs wirksam begegnet werden konnte. Auch dies spricht gegen eine Wiederzulassung des Antragstellers, solange dieser sich weiterhin in Vermögensverfall befindet.
4. Der Antrag, den Geschäftswert des Verfahrens auf 5.000 € herabzusetzen, hat keinen Erfolg. Der vom Anwaltsgerichtshof -in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats -festgesetzte Geschäftswert von 50.000 € entspricht im Regelfall dem Interesse des Bewerbers an der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (§ 3 ZPO). Dies gilt auch für den Antragsteller.
Hirsch Otten Ernemann Frellesen Salditt Wosgien Kappelhoff
BGH:
Beschluss v. 07.03.2005
Az: AnwZ (B) 7/04
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