Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 4. Dezember 1992
Aktenzeichen: 6 U 75/92
(OLG Köln: Urteil v. 04.12.1992, Az.: 6 U 75/92)
Die Aussage "... ist recyclingfähig und damit umweltfreundlich" für sogenanntes "Einweggeschirr" (hier: PVDC-beschichtete Pappteller u.ä.) verstößt gegen § 3 UWG. Ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verbraucher nimmt bei dieser Auslobung an, die so beworbenen Produkte würden auch tatsächlich "recycelt". Wird "Einweggeschirr" tatsächlich aber nicht separat gesammelt und wiederverwendet, sondern dem normalen Hausmüll zugeführt, wird der Verkehr relevant irregeführt. Jedenfalls im Zusammenwirken mit dem Hinweis auf die "Umweltfreundlichkeit" wird dem flüchtigen Verbraucher durch das Adjektiv "recyclingfähig" eine solche tatsächliche Wiederverwendung suggeriert.
Tenor
Die Kosten des in der Hauptsache erledigten Rechtsstreits werden dem Kläger zu 1/3 und der Beklagten zu 2/3 auferlegt.
Gründe
Nachdem die Parteien den Rechtsstreit
übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war
nur noch über die Kosten zu befinden. Diese Entscheidung hatte nach
§ 91 a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und
Streitstandes nach billigem Ermessen zu erfolgen.
Dies führt dazu, daß die Kosten des
Rechtsstreits dem Kläger zu 1/3 und der Beklagten zu 2/3
aufzuerlegen sind, denn dies entspricht dem Sach- und Streitstand
in dem Zeitpunkt, in dem die Erledigung der Hauptsache erklärt
worden ist. Ohne Eintritt der Erledigung wäre der Kläger mit seinem
im Schriftsatz vom 07. Juli 1992 neu formulierten Antrag zu 1. b)
erfolgreich gewesen. Óber die Anträge zu 1. a) und 1. c) hätte
hingegen nicht ohne Beweisaufnahme entschieden werden können. Im
einzelnen ist hierzu folgendes auszuführen:
Der Kläger hat zu Recht verlangt, daß
die Beklagte es unterläßt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des
Wettbewerbs für das von ihr angebotene Einweggeschirr mit der
Aussage "... ist recyclingfähig und damit umweltfreundlich" in der
konkreten Form der Anzeige, wie sie in den "A.N. " vom 18. Juni
1991 erschienen ist, zu werben. Der Anspruch war gemäß §§ 3, 13
Abs. 2 Nr. 3 UWG gerechtfertigt. Die gerügte Auslobung ist
geeignet, zumindest einen nicht unerheblichen Teil der
angesprochenen Verkehrskreise über die Möglichkeit der
Wiederverwertbarkeit und damit der Umweltverträglichkeit der so
beworbenen Produkte in die Irre zu führen.
Diese Feststellungen konnte der Senat,
dessen Mitglieder zu den angesprochenen Verbraucherkreisen gehört,
aus eigener Lebenserfahrung und Sachkunde treffen (BGH GRUR 1985,
140, 141 - "Größtes Teppichhaus der Welt"). Bei dieser Beurteilung
konnte der Senat die Frage, ob das beworbene Pap
Star-Einweggeschirr tatsächlich die Fähigkeit besitzt recycelt zu
werden - so der Vortrag der Beklagten - oder ob es - wie der Kläger
behauptet - einem Recycling wegen einer PVDC-Beschichtung nur unter
besonders erschwerten Umständen zugänglich sei, offenlassen, da ein
nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise die
Aussage "... ist recyclingfähig und damit umweltfreundlich" so
auffaßt, daß die mit dieser Ankündigung beworbenen Produkte auch
tatsächlich recycelt werden. Nach dem von der Beklagten nicht
bestrittenen Vortrag des Klägers werden die von der Beklagten
beworbenen Einweggeschirre tatsächlich nicht separat gesammelt und
wiederverwertet, sondern nach Benutzung schon mangels separater
Sammelmöglichkeiten dem normalen Hausmüll zugeführt und landen
schließlich auf Müllhalden oder in Müllverbrennungsanlagen. Hierzu
hat sich die Beklagte nur insoweit eingelassen, als sie vorträgt,
daß sie keinerlei Einfluß darauf habe, ob ihre Produkte auch
tatsächlich wiederverwertet würden.
Damit verspricht die Beklagte mit ihrer
Ankündigung "... ist recyclingfähig und damit umweltfreundlich"
jedenfalls dem flüchtigen Verbraucher (Leser) mehr an
Umweltverträglichkeit, als sie tatsächlich durch die beworbenen
Produkte bieten kann. Die Werbung mit Umweltschutzbegriffen muß
aber ähnlich wie die Gesundheitswerbung nach strengen Maßstäben
beurteilt werden (vgl. BGH WRP 1989, 160 - "Umweltengel"). Mit der
allgemeinen Anerkennung der Umwelt als eines wertvollen und
schutzbedürftigen Gutes hat sich in den letzten Jahren zunehmend
ein verstärktes Umweltbewußtsein entwickelt und dazu geführt, daß
der Verkehr unter Hinweis auf ihre Umweltverträglichkeit beworbene
Waren häufig bevorzugt. Dieses Konsumverhalten wird dadurch
gefördert, daß an den Umweltschutz anknüpfende Werbemaßnahmen in
besonderer Weise geeignet sind, Emotionen anzusprechen, die von
der Besorgnis um die eigene Gesundheit bis zu einem
Verantwortungsgefühl für spätere Generationen reichen. Die
Irreführungsgefahr in diesem Bereich ist deshalb besonders groß
und verpflichtet die Werbenden, bei der Auswahl der verwendeten
Begriffe besondere Sorgfalt walten zu lassen. Insbesondere darf dem
flüchtigen Betrachter nicht mehr versprochen werden, als dann
tatsächlich an "Umweltfreundlichkeit" geboten wird.
Zwar hat die Beklagte zu Recht darauf
hingewiesen, daß der Begriff "recyclingfähig" von seiner
wörtlichen Bedeutung nichts über die tatsächliche Verwendung des
so angepriesenen Produktes, sondern nur etwas über dessen
theoretische Fähigkeit, wiederverwertet zu werden, aussagt; jedoch
ist diese Aussage im Zusammenhang mit dem Begriff
"umweltfreundlich" geeignet, dem flüchtigen Betrachter zu
sugerieren, daß die benutzten Produkte auch der Wiederverwertung
zugeführt werden. Zumindest wird ein nicht unerheblicher Teil der
Verbraucher erwarten, daß es sich um Produkte handelt, die separat
gesammelt werden, um wiederverwertet werden zu können. Dies ist
jedoch - wie dargelegt - nach dem unstreitigen Vorbringen der
Parteien nicht der Fall.
Auch aus dem Gesamtzusammenhang der in
den "A.N. " vom 18. Juni 1991 erschienenen Anzeige der Beklagten
lassen sich keine weiteren Anhaltspunkte entnehmen, die die
Auslobung "umweltfreundlich" unter anderen Gesichtspunkten
rechtfertigen, denn der übrige Text der Anzeige befaßt sich
ausschließlich mit Fragen der Hygiene im Vergleich zu
Konkurrenzprodukten. Aus diesen Gründen wäre der Kläger mit diesem
Unterlassungsantrag ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses
erfolgreich gewesen.
Bei den Anträgen zu 1. a) und 1. c)
ging es im Rahmen des § 3 UWG um die Frage, ob die Aussagen
"umweltfreundlich, weil zu 90 % aus
Altpapier"
und/oder
"Zeigen Sie Umweltbewußtsein mit P.
S.-Einweggeschirr"
in der konkreten Form der im "Solinger
Tageblatt" vom 05. Juni 1991 veröffentlichten Anzeige der
Beklagten bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine irrige
Vorstellung über die Umweltverträglichkeit des so beworbenen
Einweggeschirrs auslösen können.
Die Auslobung "umweltfreundlich, weil
zu 90 % aus Altpapier" enthält zwar den gebotenen aufklärenden
Hinweis, warum das beworbenen Produkt als umweltfreundlich
bezeichnet wird. Durch diese Erläuterung wird zum Ausdruck
gebracht, daß das angepriesene Einweggeschirr nicht in jeder
Beziehung umweltfreundlich ist, sondern nur wegen seiner
Herstellung aus 90 % Altpapier im Gegensatz zu den Produkten, die
vollständig aus Holz und Rohmaterialien hergestellt werden. Die
Behauptung der Beklagten, daß sie 90 % Altpapier zur Herstellung
des P. S. -Einweggeschirrs benutzt, wird von der Klägerin nicht
bestritten. Entgegen der Auffassung der Klägerin braucht die
Beklagte darüber hinaus auch nicht ausdrücklich auf die weniger
umweltfreundlichen oder gar umweltschädlichen Eigenschaften ihrer
beworbenen Produkte hinzuweisen.
Bedenken bestehen jedoch gegen die
konkrete Form der umweltbezogenen Aussage insoweit, als sich diese
Auslobung als Umschrift eines Siegelzeichens darstellt, das
geeignet sein kann, bei einem nicht unerheblichen Teil der
Verbraucher Assoziationen zu der Auszeichnung "Umweltengel"
hervorzurufen und bei diesen Verbrauchern die irrige Vorstellung zu
erwecken, die so beworbenen Produkte seien wegen ihrer besonderen
Umweltfreundlichkeit mit dem "Umweltengel" ausgezeichnet worden.
Zwar zeigen sich Gestaltung und Text der äußeren Umschrift dieses
Siegels als nahezu identisch mit dem "Umweltengel", andererseits
weist die Gestaltung des inneren Kreises nicht unerhebliche
Unterschiede zu diesem Umweltzeichen auf, so daß es offen ist, ob
ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise
einer Verwechslung dieser beiden siegelartigen Zeichen unterliegen
würde. Deshalb hätte der Senat nicht ohne Beweisaufnahme
entscheiden können.
Die Auslobung "Zeigen Sie
Umweltbewußtsein mit Pap Star-Einweggeschirr" mag zwar bei einem
nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise die
Vorstellung erwecken, daß er sich umweltbewußt verhält, wenn er
die so beworbenen Produkte der Beklagten benutzt, ohne daß diese
Aussage selbst klarstellt, aus welchen Gründen die Benutzung des
Einweggeschirrs umweltfreundlich ist. Eine Erläuterung des
"Umweltbewußtseins" könnte sich jedoch aus dem textlichen
Zusammenhang der angegriffenen Anzeige ergeben, in der neben den
Aspekten der Hygiene auch Umweltgesichtspunkte angesprochen werden.
Ob der flüchtige Betrachter diesen angegriffenen Schlußsatz des
Fließtextes als Kernaussage der Gesamtanzeige oder nur als
Schlußfolgerung der zuvor angerissenen Umweltaspekte versteht,
vermag der Senat ebenfalls nicht aus eigener Kenntnis zu
beurteilen, so daß auch hierüber nicht ohne Beweisaufnahme
entschieden worden wäre. Deswegen war der Ausgang des
Rechtsstreites hinsichtlich der Anträge zu 1. a) und 1. c) bei
Abgabe der beiderseitigen Erledigungserklärung offen. Dem war bei
der Kostenverteilung Rechnung zu tragen.
Nachdem bei drei gleich zu gewichtenden
Anträgen ein Antrag zu Gunsten des Klägers entschieden worden wäre,
während der Ausgang des Rechtsstreits bezüglich der beiden anderen
Anträge offen gewesen wäre, entsprach es billigem Ermessen, eine
Gesamtverteilung der Kosten zu einer Quote von 1/3 zu 2/3 zu
Lasten der Beklagten vorzunehmen.
Obwohl die Beklagte, nachdem der Kläger
den Klageantrag mit Schriftsatz vom 05.10.1992 auf die konkrete
Verletzungsform umgestellt hatte, eine auf die beiden
streitbefangenen Werbeanzeigen bezogene rechtsverbindliche,
strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat, liegt hierin
kein sofortiges Anerkenntnis im Sinne des § 93 ZPO, das zu einer
anderen Kostenverteilung hätte führen können. Auch wenn der Kläger
mit der in erster Instanz erhobenen Klage, mit der eine
Unterlassung der beanstandeten Werbeaussagen ohne Bezugnahme auf
die konkrete Form der Werbeanzeigen verlangt wurde, eine über die
Verpflichtung der Beklagten hinausgehende Unterlassung gefordert
hat, hätte es der Beklagten als Unterlassungsschuldnerin oblegen,
unmittelbar nach Zustellung der Klage, in der die beanstandete
Handlung genau beschrieben war, eine verbindliche
Unterlassungserklärung abzugeben, die sich auf das Maß beschränkt,
in der sie tatsächlich zur Unterlassung verpflichtet gewesen wäre
(Hdb. d. Wettb.R. § 63 Rdnr. 18 m.w.N.). Da die Beklagte
erstinstanzlich jedoch jeglichen Wettbewerbsverstoß geleugnet hat,
kann in ihrer erst in der Berufungsinstanz abgegebenen Erklärung
kein sofortiges Anerkenntnis im Sinne des § 93 ZPO gesehen
werden.
Streitwert:
bis zur mündlichen Verhandlung vom
13.11.1992: 70.000 DM
ab der übereinstimmenden
Erledigungserklärung im Termin vom 13.11.1992: Summe der bis dahin
angefallenden Kosten des Rechtsstreits.
OLG Köln:
Urteil v. 04.12.1992
Az: 6 U 75/92
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