Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Juli 2006
Aktenzeichen: 24 W (pat) 9/05
(BPatG: Beschluss v. 11.07.2006, Az.: 24 W (pat) 9/05)
Tenor
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Oktober 2004 aufgehoben.
Gründe
I.
Die Wortmarke 300 87 147 ANDAROON ist am 8. Juni 2001 u. a. für die folgenden Waren der Klasse 3:
"Seifen; ätherische Öle, insbesondere natürliche und synthetische Aromastoffe, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel"
in das Register eingetragen und am 12. Juli 2001 veröffentlicht worden.
Dagegen hat die Inhaberin der für die Waren
"Pharmazeutische Präparate"
am 6. Februar 1997 eingetragenen Wortmarke 396 55 635 ADAMON
- beschränkt auf die oben aufgeführten Waren der Klassen 3 - Widerspruch erhoben. Das Widerspruchsverfahren hinsichtlich der Widerspruchsmarke 396 55 635 ist am 25. Februar 1999 abgeschlossen worden.
Mit Beschluss vom 7. August 2003 hat die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamtes antragsgemäß die teilweise Löschung der Marke 300 87 147 für die o. g. Waren der Klasse 3 aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 396 55 635 angeordnet. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die von der Inhaberin der angegriffenen Marke erhobene Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke sei nach § 43 Abs. 1 MarkenG unzulässig, weil sich die Widerspruchsmarke noch in der fünfjährigen Benutzungsschonfrist befinde, welche gemäß §§ 43 Abs. 1 Satz 2, 26 Abs. 5 MarkenG mit dem Abschluss des Widerspruchsverfahrens am 25. Februar 1999 zu laufen begonnen habe. Der Widerspruch habe in der Sache Erfolg, weil im Umfang der mit dem Widerspruch angegriffenen Waren der jüngeren Marke eine Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bestehe. Die in Rede stehenden Waren "Seifen, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer und Zahnputzmittel" der angegriffenen Marke wiesen zu den für die Widerspruchsmarke geschützten "pharmazeutischen Präparaten" enge Berührungspunkte auf, da sie vielfach von denselben Unternehmen hergestellt würden, medizinische Zusätze beinhalten und eine ähnliche Darreichungsform haben sowie Überschneidungen bei den Vertriebsstätten und Abnehmerkreisen aufweisen könnten. Unter Zugrundelegung durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der älteren Marke hielten die Marken, welche sich - bei gleicher Silbenzahl und der übereinstimmenden Lautfolge "A - DA - (O)ON" - nur durch die im Gesamtklang wenig auffälligen Konsonanten "N-R/M" im Wortinneren unterschieden, in klanglicher Hinsicht nicht den zum Ausschluss einer Verwechslungsgefahr erforderlichen deutlichen Abstand voneinander ein.
Auf die hiergegen eingelegte Erinnerung der Inhaberin der angegriffenen Marke hat dieselbe, diesmal mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle durch Beschluss vom 15. Oktober 2004 die in dem Erstbeschluss vom 7. August 2003 angeordnete teilweise Löschung der Marke 300 87 147 aufgehoben und den Widerspruch aus der Marke 396 55 635 mangels Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung gemäß §§ 43 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 MarkenG zurückgewiesen. Die Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke sei am 7. Juli 2004 abgelaufen. Bei Einlegung des Rechtsbehelfs der Erinnerung bleibe die bestrittene Benutzung Gegenstand des folgenden Verfahrens (vgl. BPatG MA 1976, 500). Somit hätte die Widersprechende, ohne erneute Aufforderung durch das Amt oder die Inhaberin der angegriffenen Marke, die Benutzung nach Ablauf der Benutzungsschonfrist glaubhaft machen müssen. Da sie dies nicht getan hätte, sei der Widerspruch allein aus diesem Grund zurückzuweisen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Nach ihrer Auffassung hat die Markenstelle den Widerspruch in dem Erinnerungsbeschluss zu Unrecht wegen Nichtglaubhaftmachung der Benutzung zurückgewiesen. Die Nichtbenutzungseinrede sei von der Inhaberin der angegriffenen Marke zu Beginn des Widerspruchsverfahrens erhoben worden, als sich die Widerspruchsmarke noch in der Benutzungsschonfrist befunden habe. Bei der Einrede habe es sich daher um eine zu diesem Zeitpunkt unzulässige Prozesshandlung gehandelt. Nach h. M. werde eine solche Einrede mit Erfüllung der zeitlichen Voraussetzungen nicht von selbst, ohne erneute Geltendmachung zulässig (vgl. BPatG GRUR 2000, 1052 "Rhoda-Hexan/Sota Hexal"). Obwohl in dem Erstbeschluss ausdrücklich die Unzulässigkeit der Nichtbenutzungseinrede nach § 43 Abs. 1 MarkenG festgestellt worden sei, habe die Inhaberin der angegriffenen Marke keine weitere Äußerung bezüglich deren Aufrechterhaltung abgegeben. Rein vorsorglich werde die Benutzung der Widerspruchsmarke für "pharmazeutische Präparate, nämlich Arzneimittel zur Schmerztherapie" geltend gemacht und zur Glaubhaftmachung eine eidesstattliche Versicherung sowie Original-Blisterfolien eingereicht. Zwischen den Vergleichsmarken bestehe Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Insoweit stützt die Widersprechende vollinhaltlich die Gründe des die Verwechslungsgefahr bejahenden Erstbeschlusses der Markenstelle.
Die Widersprechende beantragt (sinngemäß), den Beschluss der Markenstelle von 15. Oktober 2004 aufzuheben.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat keine Anträge gestellt und sich nicht zu dem Beschwerdevorbringen der Widersprechenden, insbesondere auch nicht zur Frage der Zulässigkeit der von ihr in dem patentamtlichen Verfahren erhobenen Einrede mangelnder Benutzung, geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist in der Sache begründet. Die Markenstelle hat in dem angefochtenen Erinnerungsbeschluss vom 15. Oktober 2004 zu Unrecht den Erstbeschluss vom 7. August 2003 aufgehoben und den Widerspruch aus der Marke 396 55 635 zurückgewiesen. Der angefochtene Erinnerungsbeschluss konnte daher keinen Bestand haben.
Entgegen dem angefochtenen Erinnerungsbeschluss ist eine Zurückweisung des Widerspruchs wegen mangelnder Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke nach §§ 43 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 MarkenG nicht gerechtfertigt. Die Einrede mangelnder Benutzung der Widerspruchsmarke kann hier schon deshalb nicht durchgreifen, weil eine von der Inhaberin der angegriffenen Marke wirksam gem § 43 Abs. 1 MarkenG erhobene Einrede nicht vorliegt. Wie bereits in dem Erstbeschluss der Markenstelle vom 7. August 2003 zutreffend festgestellt worden ist, war die Einrede im Zeitpunkt ihrer Erhebung am 17. Mai 2002 nicht zulässig, weil sich die Widerspruchsmarke damals noch in der fünfjährigen Benutzungsschonfrist befunden hat, die gem. §§ 43 Abs. 1 i. V. m. 26 Abs. 5 MarkenG mit Abschluss des Widerspruchsverfahrens der Widerspruchsmarke am 25. Februar 1999 zu laufen begonnen und demnach erst am 25. Februar 2004 geendet hat.
Die Nichtbenutzungseinrede ist, entgegen dem Erinnerungsbeschluss, in dem anhängigen Widerspruchsverfahren auch nicht mit Ablauf der Benutzungsschonfrist zulässig geworden. Eine wie hier verfrüht erhobene Einrede entfaltet nicht automatisch mit Ablauf der maßgeblichen Frist die Rechtswirkungen einer zulässigen Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG (vgl. BPatG GRUR 2000, 1052, 1053 f. "Rhoda-Hexan/Sota-Hexal"; GRUR 2005, 773, 775 f. "Blue Bull/RED BULL"; s. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl, § 43 Rdn. 18). Vielmehr ist hierzu erforderlich, dass der Inhaber der angegriffenen Marke die Einrede nach dem Zeitpunkt, zu dem sie zulässig geworden ist, erneut erhebt bzw. unmissverständlich klarstellt, dass die Benutzung weiterhin in Streit ist (vgl. BGH GRUR 1999, 54, 55 "Holtkamp"; GRUR 1999, 995, 996 "HONKA"). Dies ist hier nicht geschehen. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich in dem Verfahren vor der Markenstelle nach dem Ablauf der Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke am 25. Februar 2004 nicht mehr zu der von ihr erhobenen Einrede der mangelnden Benutzung der Widerspruchsmarke geäußert, wozu sie jedenfalls nach Ergehen der Erstbeschlusses, in dem die Markenstelle die ursprünglich unzulässige Erhebung der Einrede festgestellt hat, Anlass gehabt hätte. Nachdem die Inhaberin der angegriffenen Marke die Nichtbenutzungseinrede auch im Beschwerdeverfahren nicht erneut aufgegriffen hat, obwohl die Widersprechende in ihrer Beschwerdebegründung ausdrücklich die Unzulässigkeit dieser Einrede geltend macht, ist eine nach § 43 Abs. 1 MarkenG wirksame Einrede vorliegend nicht erhoben, so dass der Widerspruch dementsprechend auch nicht wegen fehlender Glaubhaftmachung der bestrittenen Benutzung zurückgewiesen werden kann.
Die Zurückweisung des Widerspruchs lässt sich ferner nicht damit begründen, dass zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht. Das Vorliegen eines relativen Schutzhindernisses nach dieser Bestimmung ist in dem Erinnerungsbeschluss im Hinblick auf den darin - unzutreffend - angenommenen Erfolg der Nichtbenutzungseinrede folgerichtig nicht geprüft worden, wenngleich in den Gründen andeutet wird, dass dem Widerspruch im Fall der Glaubhaftmachung der Benutzung nicht von Vornherein der Erfolg zu versagen gewesen wäre und die Beurteilung in dem Erstbeschluss insoweit keinen Fehler erkennen lasse. Auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen den Vergleichsmarken im Umfang der mit dem Widerspruch angegriffenen Waren der jüngeren Marke eine markenrechtlich beachtliche Verwechslungsgefahr.
Die Frage der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von den Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 (Nr. 22) "Sabèl/Puma"; GRUR Int. 2000, 899, 901 (Nr. 40) "Marca/Adidas"; GRUR 2006, 237, 238 (Nr. 18 f.) "PICASSO"; BGH GRUR 2000, 506, 508 "ATTACHÉ/TISSERAND"; GRUR 2001, 507, 508 "EVIAN/REVIAN"; GRUR 2002, 626, 627 "IMS"; GRUR 2004, 865, 866 "Mustang"; GRUR 2005, 513, 514 "MEY/Ella May").
Hinsichtlich der beiderseitigen Waren ist jeweils von der Registerlage auszugehen, nachdem, wie oben dargelegt, die Einrede mangelnder Benutzung der Widerspruchsmarke nicht wirksam erhoben worden ist. Unter den für die Widerspruchsmarke eingetragenen weiten Oberbegriff der "pharmazeutischen Präparate" fallen auch solche Erzeugnisse, etwa Dermatika oder pharmazeutische Mundwässer, die hinsichtlich ihrer Beschaffenheit, ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung sowie ihrer regelmäßigen Herstellungs- und Vertriebsstätten zu den mit dem Widerspruch angegriffenen Waren der Klasse 3 der jüngeren Marke eine engere Ähnlichkeit aufweisen können (vgl. hierzu die einschlägige Rspr, zitiert in Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 13. Aufl. 2005, S. 232 f.).
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist als durchschnittlich einzustufen. Es handelt sich bei dem Markenwort "ADAMON" um eine Fantasiewortbildung ohne erkennbar beschreibende Anklänge. Für eine Stärkung der Kennzeichnungskraft infolge intensiver Benutzung der Marke ergeben sich, insbesondere auch aus den hilfsweise von der Widersprechenden eingereichten Benutzungsunterlagen, keine Anhaltspunkte.
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Marken ist daher ein strenger Maßstab anzulegen, d. h. die beiden Zeichen müssen in jeder Hinsicht einen deutlichen Abstand voneinander einhalten, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Den danach erforderlichen Abstand aber wahren die Markenwörter "ANDAROON" und "ADAMON" jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht. Vielmehr weisen sie in ihrem insoweit maßgeblichen phonetischen Gesamteindruck aufgrund gleicher Silbenzahl, meist gleichem Sprech- und Betonungsrhythmus, gleicher Vokalfolge "aao(o)-" sowie übereinstimmender An- und Auslaute "aon" eine ausgeprägte Ähnlichkeit auf. Demgegenüber sind der zusätzliche klangschwache konsonantische Auslaut "n" in der Anfangssilbe der angegriffenen Marke sowie der Konsonantenwechsel "r/m" an kaum klangbestimmender Stelle zu Beginn der Schlusssilben zu unauffällig, um den Gesamtklang der Wörter nachhaltig abweichend beeinflussen zu können. Nachdem die Markenwörter auch keinen sofort fassbaren Sinngehalt beinhalten, der ihre Unterscheidung ggf. erleichtern könnte, muss mit beachtlichen Kollisionsfällen bei der (fern)mündlichen Zeichenübermittlung gerechnet werden.
Es besteht kein Anlass, einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 MarkenG).
BPatG:
Beschluss v. 11.07.2006
Az: 24 W (pat) 9/05
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