Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. Juli 2003
Aktenzeichen: 17 W (pat) 17/02

(BPatG: Beschluss v. 29.07.2003, Az.: 17 W (pat) 17/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G 11 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Oktober 2001 aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung: Verfahren und Vorrichtung zur Informationswiedergabe von mit erhöhter Dichte aufgezeichneten digitalen Signalen.

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 4, und Beschreibung Seiten 1 bis 13 beides überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 29. Juli 2003, 9 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 13 vom Anmeldetag.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung ist beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Bezeichnung:

"Aufzeichnungs- und Wiedergabesystem sowie Entzerrungsverfahren zur Verwendung in dem System"

eingereicht worden.

Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G 11 B des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 16. Oktober 2001 zurückgewiesen. In der Begründung ist ausgeführt, dass der Anmeldung keine klare Lehre zum technischen Handeln entnehmbar sei.

Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 4 und Beschreibung Seiten 1 bis 13, beides überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 29. Juli 2003, sowie 9 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 13 vom Anmeldetag.

Der nunmehr geltende Anspruch 1 lautet:

"Verfahren zur Informationswiedergabe von mit erhöhter Dichte mit einem Steigerungskoeffizienten K > 1 auf einem optischen Aufzeichnungsträger aufgezeichneten Signalen, wobei das digitale Informationssignal mit Hilfe von Codiermitteln (2) nach einem Begrenzt-Lauflängencode (RLL) moduliert ist mit einer Mindestlauflänge d, und die Aufzeichnung mit einer erhöhten Bitrate Fb erfolgt unter Erfüllung der Gleichung Fb = K * d * Fm mit dem genannten Steigerungskoeffizienten K > 1 bezüglich der Aufzeichnungsdichte auf dem Aufzeichnungsträger und einer Grenzfrequenz der Schreib/Lesevorrichtung (3) des Aufzeichnungsträgers nach der Gleichung Fm = 2 V * NA/ wobei die Laserwellenlänge, NA die numerische Apertur des optischen Systems und V eine lineare Wiedergabegeschwindigkeit des Aufzeichnungsträgers bedeuten, und dass bei der Informationswiedergabe eine Signalentzerrung und -dekodierung erfolgt, um die aufgezeichnete Information möglichst signalgetreu wiederzugeben, dadurch gekennzeichnet, dass der Frequenzgang E(f) eines der Schreib/Lesevorrichtung (3) des Aufzeichnungsträgers nachgeschalteten Entzerrers (4) so ausgestaltet ist, dass unter Berücksichtigung des Frequenzgangs M(f) des Codierers (2) und des Frequenzgangs G(f) der genannten Schreib/Lesevorrichtung (3) eine optimale Gesamtübertragungs-Frequenzcharakteristik H(f) erzielt wird, die zumindest annähernd die Gleichung H(f) = cos ((¹/2) * * f/Fm) erfüllt, wobei für die genannten Frequenzcharakteristiken die Beziehung H(f) = M(f) * G(f) * E(f) gilt, und wobei aus mehreren, für ausgewählte Frequenzen f ermittelten E(f)-Werten der Entzerrer (4) konfiguriert wird."

Der dem Anspruch 1 nebengeordnete Patentanspruch 3 lautet:

"Vorrichtung zur Informationswiedergabe von mit erhöhter Dichte mit einem Steigerungskoeffizienten K > 1 auf einem optischen Aufzeichnungsträger aufgezeichneten Signalen, wobei das digitale Informationssignal mit Hilfe von Codiermitteln (2) nach einem Begrenzt-Lauflängencode (RLL) moduliert ist mit einer Mindestlauflänge d, und die Aufzeichnung mit einer erhöhten Bitrate Fb erfolgt unter Erfüllung der Gleichung Fb = K * d * Fm mit dem genannten Steigerungskoeffizienten K > 1 bezüglich der Aufzeichnungsdichte auf dem Aufzeichnungsträger und einer Grenzfrequenz der Schreib/Lesevorrichtung (3) des Aufzeichnungsträgers nach der Gleichung Fm = 2 V * Na/ , wobei die Laserwellenlänge, NA die numerische Apertur des optischen Systems und V eine lineare Wiedergabegeschwindigkeit des Aufzeichnungsträgers bedeuten, und dass bei der Informationswiedergabe eine Signalentzerrung und -dekodierung erfolgt, um die aufgezeichnete Information möglichst signalgetreu wiederzugeben, gekennzeichnet, durch einen der Schreib/Lesevorrichtung (3) des Aufzeichnungsträgers nachgeschalteten Entzerrer (4), dessen Frequenzgang E(f) durch die Einstellung seiner Komponenten (41ad, 41ae, 43) so ausgestaltet ist, dass unter Berücksichtigung des Frequenzgangs M(f) des Codierers (2) und des Frequenzgangs G(f) der genannten Schreib/Lesevorrichtung (3) eine optimale Gesamtübertragungs-Frequenzcharakteristik H(f) erzielt wird, die zumindest annähernd die Gleichung H(f) = cos ((¹/2) * * f/Fm) erfüllt, wobei für die genannten Frequenzcharakteristiken die Beziehung H(f) = M(f) * G(f) * E(f) gilt, und wobei aus mehreren, für ausgewählte Frequenzen f ermittelten E(f)-Werten die Einstellwerte der genannten Komponenten auf bekannte Weise ermittelt werden."

Zur Begründung ihrer Beschwerde führt die Anmelderin aus, dass ein Fachmann den geltenden Ansprüchen nunmehr die wesentlichen Lösungsmerkmale entnehmen könne. Die Anmeldung stelle sich die Aufgabe, bei einem Wiedergabesystem für optische Aufzeichnungsträger, bei dem die Informationen in einem RLL-Code (run length limited code) aufgezeichnet würden, unter Beibehaltung der Aufzeichnungsparameter die Aufzeichnungsdichte zu erhöhen. Wie auch den übergebenen schriftlichen Erläuterungen entnehmbar, gelinge dies allein durch den Einsatz eines Entzerrers mit einem besonders abgestimmten Frequenzgang. Die Angaben in den Ansprüchen seien ausreichend, um den Frequenzgang des Entzerrers zu bestimmen. Da die mit den Patentansprüchen vorgeschlagene Entzerrung durch den Stand der Technik nicht nahegelegt sei, müsse anerkannt werden, dass das beanspruchte Verfahren und die beanspruchte Vorrichtung auf erfinderischer Tätigkeit beruhten.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet, da der Gegenstand des nachgesuchten Patents nach den §§ 1 bis 5 PatG patentfähig ist.

Gemäß den Angaben in der geltenden Beschreibung soll mit der Patentanmeldung ein Verfahren und eine Vorrichtung geschaffen werden, die es ermöglichen, die Aufzeichnungsdichte von digitalen Informationssignalen weiter zu steigern, ohne die Parameter des Aufzeichnungsmediums und des RLL-Codes zu ändern (vgl S 5, Abs 2 der Beschreibung).

Die Patentansprüche 1 und 3 vermitteln dem Fachmann, einem Elektronikingenieur, der über praktische Berufserfahrung auf dem Gebiet der digitalen Bewegtspeicher verfügt, die wesentlichen Maßnahmen zur Lösung dieser Aufgabe.

Das Verfahren gemäß dem Patentanspruch 1 geht davon aus, dass die auf dem Aufzeichnungsträger aufzuzeichnenden digitalen Signale in herkömmlicher Weise mit Hilfe von Codiermitteln in einem RLL-Code mit einer Mindestlauflänge d codiert werden. Die maximale Bitrate Fb, mit der unter herkömmlichen Voraussetzungen auf dem Aufzeichnungsträger aufgezeichnet werden kann, ergibt sich, wie im Anspruch 1 angegeben, aus der Grenzfrequenz Fm der Schreib-Lesevorichtung und der Mindestlauflänge d. Beim Aufzeichnungsträger nach dem Anspruch 1 wird demgegenüber eine Aufzeichnung mit einer Bitrate vorausgesetzt, die um einen Steigerungskoeffizienten (k>1, bspw 1,5) erhöht ist. Um diese mit erhöhter Bitdichte aufgebrachte Aufzeichnung wiedergeben zu können, schlägt der Anspruch eine Entzerrung des wiedergegebenen Signals mit einem bestimmten Frequenzgang vor. Den Angaben im Anspruch 1 lässt sich auch entnehmen, wie der Frequenzgang der Entzerrung zu bestimmen ist. Er ist so zu bemessen, dass die Gesamtübertragungscharakteristik H(f) zumindest annähernd die Gleichung H(f) = cos ((¹/2) * f/Fm) erfüllt. Da die Gesamtübertragungscharakteristik H(f) andererseits durch die Beziehung M (f) * G (f) * E (f) bestimmt ist, also das Produkt der Übertragungsfunktionen von RLL-Codierung, Aufzeichnung und Entzerrung, lässt sich der Frequenzgang E (f) für die Entzerrung sowohl rechnerisch als auch durch Messungen bestimmen und versetzt den Fachmann somit in die Lage, den Entzerrer zu konzipieren.

Dass das Verfahren insgesamt den gewünschten Zweck erfüllt, kann der Fachmann den Figuren 3 und 12 samt Erläuterungen entnehmen, in denen Augendiagramme bei Verwendung von herkömmlicher oder nach dem Anspruch gestalteter Entzerrung gegenübergestellt sind.

Der geltende Patentanspruch 1 enthält sonach die Angaben, die den Fachmann in die Lage versetzen, die vorgeschlagene Lösung nachzuarbeiten.

Der nebengeordnete Patentanspruch 3 ist auf eine Vorrichtung zur Informationswiedergabe von mit erhöhter Dichte auf einem optischen Aufzeichnungsträger aufgezeichneten Signalen gerichtet.

Dieser Anspruch nennt in Analogie zu den Verfahrensmerkmalen des Anspruchs 1 die Vorrichtungsmerkmale und enthält damit die wesentlichen Angaben, um dem Fachmann eine Konzeption des Entzerrers zu ermöglichen.

Der Patentanspruch 3 vermittelt dem Fachmann sonach ebenfalls die wesentlichen Merkmale zur Lösung der gestellten Aufgabe.

Das mit dem Patentanspruch 1 beanspruchte Verfahren und die mit dem Patentanspruch 3 beanspruchte Vorrichtung sind neu und beruhen auch auf erfinderischer Tätigkeit.

Die im Prüfungsverfahren entgegengehaltene US 5 311 178 beschreibt die Dekodierung und Taktregenerierung von aus einem Kanal empfangenen RLL-Code-Signalen. Einem solchen Signal werden Proben (samples) entnommen und diese durch ein "closedloop recovery" - Schema und unter Verwendung eines vereinfachten Dekodierungsalgorithmus ausgewertet, um den Wiedergabetakt und die Codesignale zu gewinnen. Einen Hinweis auf eine bestimmte Frequenzcharakteristik eines Entzerrers enthält diese Druckschrift nicht.

Der Artikel "Spectral contours for optimum signal detection" von Chao S. Chi, veröffentlicht in den IEEE Transactions on Magnetics, Vol. MAG-23, No. 5, September 1987, S 3660 - 3665 beschreibt eine verbesserte Dekodierung von Lesesignalen. Dabei findet eine getrennte Aufbereitung der Even- und Odd-Signale statt (vgl Figuren 1.1 und 5). Als bekannt wird die Verwendung eines Equalizers angesehen, der für sich eine Cos 4 - Frequenzcharakteristik haben soll (vgl S 3660, letzter Abs). Eine Anregung, eine RLL-Codierung zu verwenden und die gesamte Übertragungskennlinie inklusive Entzerrer auf eine einfache Cos-Funktion abzugleichen, findet sich nicht.

Der weiterhin entgegengehaltene Aufsatz "Spectral Shaping for Peak Detection Equalization" von H. K. Thapar ua in IEEE Transactions on Magnetics, Vol. 26, No. 5, September 1990, S 2309 ff befasst sich mit dem Entwurf eines Equalizers (Entzerrers) für die Erkennung von magnetischen Lesesignalen. Damit ein Puls zutreffend erkannt wird, wird dessen Amplitude, die einen Schwellwert überschreiten muss, und auch die Ableitung der Amplitude, die gleichzeitig einen Nulldurchgang aufweisen muss ausgewertet Die theoretische Übertragungsfunktion des dort vorgeschlagenen Equalizers ist in Formel 6 angegeben. Auch diese Ausführungen geben keinen Anhaltspunkt dafür, die Übertragungsfunktion des Entzerrers so zu bemessen, dass sich als Gesamtübertragungsfunktion über Aufnahme und Wiedergabe gesehen, eine Cos-Funktion ergibt.

Die US 4 872 184 wurde von der Anmelderin lediglich zum Nachweis dafür genannt, dass es dem Fachmann geläufig ist, ausgehend von einem vorgegebenen Frequenzgang einen Entzerrer zu konzipieren. Ein Hinweis, den Frequenzgang eines Entzerrers für die Wiedergabe von in einem RLL-Code aufgezeichneten Signalen in der Weise zu bemessen, wie sie in den Patentansprüchen angegeben ist, findet sich auch in dieser Druckschrift nicht.

Die genannten Druckschriften können dem Fachmann daher keine Anregung geben, den Frequenzgang des Entzerrers unter Einbeziehung der Übertragungsfunktion von RLL-Codierer und Aufzeichnungsmedium so zu bemessen, dass sich als Gesamtübertragungsfunktion die in den Patentansprüchen angegebene Cos-Funktion ergibt.

Es ist daher anzuerkennen, dass sowohl das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 als auch die Vorrichtung nach dem Patentanspruch 3 neu sind und auf erfinderischer Tätigkeit beruhen.

Die untergeordneten Patentansprüche 2 und 4 definieren einen bestimmten, nicht selbstverständlichen Wertebereich für den Steigerungskoeffizienten bei einer Mindestlauflänge des RLL-Codes. Diese Patentansprüche sind daher ebenfalls gewährbar.

Die in der Beschreibung vorgenommenen Änderungen betreffen eine redaktionelle Anpassung an die nunmehr geltende Fassung der Patentansprüche oder beseitigen offensichtliche Mängel. Sie sind daher zulässig.

Auf die Beschwerde der Anmelderin hin war daher unter Zugrundelegung der geltenden Unterlagen ein Patent zu erteilen.

Grimm Dr. Schmitt Prasch Schuster Na






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Beschluss v. 29.07.2003
Az: 17 W (pat) 17/02


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