Sozialgericht Lüneburg:
Beschluss vom 25. März 2009
Aktenzeichen: S 12 SF 43/09 E

(SG Lüneburg: Beschluss v. 25.03.2009, Az.: S 12 SF 43/09 E)

Zur Frage der Gebührenbemessung in Verfahren nach den Bestimmungen des SGB II, in denen Betragsrahmengebühren entstehen; zur hier verneinten Frage, ob auch diejenigen Gebühren, die im Antragsverfahren (d. h. diejenigen Gebühren, die für die Vertretung in dem Verwaltungsverfahren entstehen, das der Erstentscheidung der Behörde vorangeht) entstehen, der gerichtlichen Kostenfestsetzung nach § 197 SGG zugänglich sind; zu Anfall und zur Höhe einer Erledigungsgebühr (vgl. hierzu insbesondere Bundessozialgericht, Urteil vom 02. Oktober 2008, - B 9/9a SB 5/07 R); zur Höhe der (fiktiven) Terminsgebühr.

Tenor

Die Erinnerung des Erinnerungsführers vom 22. Januar 2009 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 07. Januar 2009 - S 24 AS 666/06 - wird zurückgewiesen.

Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar.

Gründe

Die Beteiligten streiten im Kostenfestsetzungsverfahren noch um die Höhe des Gesamtvergütungsanspruches des Prozessbevollmächtigten des Erinnerungsführers für ein Antrags-, Widerspruchs- und Klageverfahren, das im Wesentlichen die Rechtmäßigkeit der Ablehnung eines Antrages gemäß § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) wegen der Aufhebung und Rückforderung von nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) zunächst gewährten Leistungen zum Gegenstand hatte. Das Klageverfahren erledigte sich nach etwa zweijähriger Verfahrensdauer - ohne die Durchführung eines Termins zur mündlichen Verhandlung - durch die Annahme eines von der Erinnerungsgegnerin abgegebenen Anerkenntnisses. Die Erinnerungsgegnerin ist mit Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 06. Oktober 2008 - S 24 AS 666/06 - zur Erstattung der dem Erinnerungsführer entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten verpflichtet worden.

Die gemäß § 197 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Erinnerung ist unbegründet.

Der angefochtene Kostenfestesetzungsbeschluss ist rechtmäßig und hält der beantragten gerichtlichen Überprüfung stand. Der von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle festgesetzte Gesamtvergütungsanspruch in Höhe eines Betrages von 557,79 € ist kostenrechtlich nicht zu beanstanden.

4Zur Begründung seiner Entscheidung nimmt das Gericht zunächst gemäß § 142 Abs. 2 S. 3 SGG auf die ausführlichen und uneingeschränkt zutreffenden Ausführungen der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem angefochtenen Beschluss vom 07. Januar 2009 - S 24 AS 666/06 - Bezug und macht sich diese zur Vermeidung nicht gebotener Wiederholungen zu Eigen. Die Urkundsbeamtin hat den gebührenrechtlichen Sachverhalt vollständig und rechtsfehlerfrei gewürdigt, wobei sie für die Vertretung im Widerspruchsverfahren zutreffend von der Geschäftsgebühr nach Nr. 2401 VV-RVG (n. F.) ausgegangen ist.

Insgesamt hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle zu Recht die begehrten Gebühren nach Nr. 2400 VV-RVG für die Vertretung im Antragsverfahren nicht festgesetzt (dazu unter 1.) und für die Vertretung im Klageverfahren eine (fiktive) Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG in Höhe eines Betrages von 100,00 € in die Berechnung eingestellt (dazu unter 2.); die übrigen Gebührenpositionen standen zwischen den Beteiligten (nicht mehr) im Streit.

61. Die für die Vertretung im Antragsverfahren entstandenen Gebühren (d. h. diejenigen Gebühren, die für die Vertretung in dem Verwaltungsverfahren entstehen, das der Erstentscheidung der Behörde vorangeht) sind einer gerichtlichen Kostenfestsetzung nicht zugänglich. Der Kostenfestsetzungsbeschluss gemäß § 197 Abs. 1 SGG ist in seinem Umfang an die gerichtliche Kostengrundentscheidung gebunden. Daher gelten für die Kostenfestsetzung auch diejenigen Grundsätze, die der Kostengrundentscheidung hinsichtlich der Kosten des Widerspruchsverfahrens und des Verwaltungsverfahrens immanent sind. Im Rahmen der gerichtlichen Kostenfestsetzung können nur die Kosten für ein der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienendes Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) und nicht die Kosten des Verwaltungsverfahrens festgesetzt werden. Für eine Festsetzung der Kosten des Verwaltungsverfahrens, das nicht Widerspruchsverfahren ist, fehlt nämlich die gesetzliche Grundlage, weil zwischen dem Verwaltungsverfahren im engeren Sinne, dem einem gerichtlichen Verfahren vorausgehenden und der Nachprüfung eines Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren und dem gerichtlichen Verfahren zu unterscheiden ist (vgl. Madert in: Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, Anl. Nr. 3103 VV, Rdnr. 2). Bei dem der Nachprüfung eines Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren handelt es sich um das Vorverfahren im Sinne des § 78 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Gemäß § 193 Abs. 1 S. 2 SGG entscheidet das Gericht durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird. Zu den außergerichtlichen Kosten zählen auch die Kosten des Vorverfahrens als Prozessvoraussetzung, sofern sich das gerichtliche Verfahren an das Vorverfahren anschließt (vgl. Meyer-Ladewig/Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, § 193, Rdnr. 5a). Nicht nach § 193 SGG erstattungsfähig, weil nicht auf den Rechtsstreit bezogen, sind die Kosten des Verwaltungsverfahrens, für die die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts maßgebend sind (vgl. Meyer-Ladewig/Leitherer a.a.O., § 193, Rn 6). Daraus ergibt sich, dass es sich im Rahmen des § 193 SGG um die Kosten eines förmlichen Vorverfahrens im Sinne des § 78 Abs. 1 SGG, mithin eines Widerspruchsverfahrens handeln muss. Demnach müssen im Rahmen der Kostenfestsetzung die Kosten des Vorverfahrens als Prozessvoraussetzung berücksichtigt werden, wenn sich das gerichtliche Verfahren an das Vorverfahren anschließt, jedoch nicht die Kosten des Verwaltungsverfahrens. Über die Kosten des Verwaltungsverfahrens ist stattdessen auf Grundlage des § 63 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) in Verbindung mit Nr. 2400 VV-RVG durch die Erinnerungsgegnerin in einem gesonderten Verwaltungsverfahren zu entscheiden (vgl. dazu zutreffend: Sozialgericht Stade, Beschluss vom 30. Mai 2007, - S 17 SF 3/07, zitiert nach juris). Ohne dass es hier darauf ankäme, seien die Beteiligten jedoch bereits jetzt auf Folgendes hingewiesen: Für eine (grundsätzliche) Erstattungspflicht der Erinnerungsgegnerin für die im Verwaltungsverfahren entstandenen Gebühren dürfte ohnehin keine Rechtsgrundlage ersichtlich sein. Nach den Regelungen des § 63 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 SGB X sind durch die Erinnerungsgegnerin lediglich die Kosten des Vorverfahrens zu erstatten. Entstehen dem Betroffenen - wie hier - schon bei Durchführung des dem Vorverfahren vorausgehenden Verwaltungsverfahrens Kosten, so sind diese nicht zu erstatten, soweit nicht spezielle Regelungen wie z. B. § 65 a des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) dies vorsehen. Dies gilt selbst dann, wenn einem Antrag des Betroffenen ganz oder teilweise entsprochen wird (vgl. hierzu BSGE 55, 92, 93). Eine derartige spezielle Regelung, wonach Kosten des Verwaltungsverfahrens zu erstatten wären, liegt hier nicht vor. Vielmehr ist in § 17 Nr. 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte - Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - (RVG) ist - im Unterschied zur früheren Vorschrift des § 119 der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) - ausdrücklich geregelt, dass es sich beim Verwaltungsverfahren und dem Vorverfahren um verschiedene Angelegenheiten handelt. Eine Erstattung der im Verwaltungsverfahren angefallenen Gebühr nach Nr. 2500 VV-RVG ist daher nicht möglich. Auch ist eine Regelungslücke, die Anlass zu einer erweiternden Auslegung gibt, nicht ersichtlich. Aus § 63 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 SGB X, §§ 17, 2 RVG i. V. m. Nr. 2401 VV-RVG geht gerade nicht hervor, dass der Gesetzgeber beabsichtigte, einen Antragsteller, der seinen Anwalt bereits im Rahmen des Antragsverfahrens eingeschaltet hatte, hinsichtlich der Höhe der zu erstattenden Gebühr mit einem Antragsteller, der seinen Anwalt erst im Vorverfahren hinzuzieht, gleichzustellen. Im Übrigen vermag die Kammer auch eine Benachteiligung des Betroffenen nicht zu erkennen, da die im Verwaltungsverfahren entstandene Gebühr nach Nr. 2400 VV-RVG - wie oben dargelegt - generell nicht erstattungsfähig ist, die im Vorverfahren anfallende niedrigere Gebühr nach Nr. 2401 VV-RVG dem Betroffenen - wie hier - vom Rechtsträger aber in vollem Umfang erstattet wird (vgl. zur vorherigen Nr. 2500 VV-RVG [jetzt Nr. 2400 VV-RVG] auch: Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07. Mai 2008, - L 12 AL 22/07, zitiert nach juris).

Darauf kommt es vorliegend jedoch - wie ausgeführt - nicht an, weil lediglich die Kosten des Widerspruchsverfahrens und des anschließenden Klageverfahrens einer gerichtlichen Kostenfestsetzung zugänglich sind.

2. Im Hinblick auf das Vorbringen des Erinnerungsführers im Erinnerungsverfahren zur Höhe der verdienten (fiktiven) Terminsgebühr, die dem Rahmen der Nr. 3106 VV-RVG (20,00 € bis 380,00 €) zu entnehmen ist, gilt Folgendes: Erweist sich das Betreiben eines Geschäfts einschließlich der Information nachallenKriterien des § 14 Abs. 1 RVG als durchschnittliche Leistung, ist die Mittelgebühr von 200,00 € angemessen. Liegen Schwierigkeit, Wert und Bedeutung der Sache unter oder über diesem Mittelwert, bietet sich eine entsprechende Quotierung, mithin eine Über- oder Unterschreitung dieser Mittelgebühr an.

Der Rechtsstreit wurde durch die Annahme eines Anerkenntnisses beendet, so dass ein Termin tatsächlich nicht stattgefunden hat. Eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG ist dennoch entstanden. Durch die Regelung der Nr. 3106 VV-RVG (Ziffern 1 bis 3) soll verhindert werden, dass gerichtliche Termine allein zur Wahrung des Gebührenanspruchs stattfinden müssen; sie bietet einen Anreiz für den Rechtsanwalt, auf die Durchführung des Termins zu verzichten. Die Anwendung der Grundsätze des § 14 RVG auf die €fiktive" Terminsgebühr nach Nr. 3106 - Ziffer 1 bis Ziffer 3 - VV RVG ist mit dem Problem behaftet, dass ein Termin tatsächlich nicht stattgefunden hat und dessen Schwierigkeit und Aufwand für den Prozessbevollmächtigten damit nicht bewertet werden können. Die Kammer vertritt die Auffassung, dass bei der Bemessung der Terminsgebühr auf den hypothetischen Aufwand abzustellen ist, der bei Durchführung eines Termins im konkreten Verfahrensstadium voraussichtlich entstanden wäre. Somit ist eine fiktive Vergleichsbetrachtung anzustellen, in welcher Höhe ein Gebührenanspruch voraussichtlich entstanden wäre, wenn ein Termin stattgefunden.

Das Gesetz eröffnet in Ziffer 3106 VV-RVG daher erneut den Gebührenrahmen in vollem Umfang und knüpft nicht an die Höhe der Verhandlungsgebühr an. Gäbe es für die Festlegung der Terminsgebühr nicht die Möglichkeit einer eigenständigen Festsetzung unter Beachtung aller der in § 14 RVG festgelegten Kriterien, hätte es der Eröffnung eines Gebührenrahmens nicht bedurft. Dafür spricht auch die Tatsache, dass der Normgeber in denjenigen Fällen, in denen keine Betragsrahmengebühren entstehen, einen festen Wert - nämlich nach Nr. 3104 VV-RVG einen solchen von 1,2 - festgeschrieben hat. Daher wäre es auch nicht gerechtfertigt, in diesen Fallkonstellationen grundsätzlich nur die Mindestgebühr in Höhe von 20,00 € anzuerkennen. Dabei wird nämlich verkannt, dass auch bei der Bemessung der fiktiven Terminsgebühralle Kriteriendes § 14 RVG in die Abwägung einzustellen sind. Anderenfalls hätte der Normgeber auch bei der fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG einen bestimmten Betrag festgeschrieben wie er es beispielsweise bei den Angelegenheiten der Beratungshilfe nach Nr. 2500 ff. VV-RVG, in Strafsachen nach den Nr. 4100 ff. VV-RVG oder den sonstigen Verfahren nach den Nr. 6100 ff. VV-RVG geregelt hat. Auch wenn in diesen Verfahren selbstredend keine Betragsrahmengebühren nach § 3 RVG entstehen, war sich der Normgeber offensichtlich durchaus der Möglichkeit der Festschreibung von Gebührenbeträgen bewusst.

Wenn danach auch bei der fiktiven Terminsgebühr von einem Gebührenrahmen zwischen 20,00 € und 380,00 € auszugehen ist, ergibt eine auf einen hypothetischen Termin bezogene Abwägung der Kriterien des § 14 RVG, dass insoweit eine insgesamt unterdurchschnittliche Angelegenheit vorliegt. Dem Anwalt steht die Mittelgebühr hinsichtlich der Terminsgebühr für Termine mit durchschnittlicher Schwierigkeit, durchschnittlichem Aufwand und durchschnittlicher Bedeutung für den Mandanten zu. Entscheidend ist eine Gesamtabwägung. Es müssen sämtliche den Gebührenanspruch potentiell beeinträchtigenden Faktoren miteinander und gegeneinander im Einzelfall abgewogen werden.

Unter Beachtung aller Abwägungskriterien erscheint mit Blick auf die Bemessungskriterien, die bei der Festsetzung der Verfahrensgebühr die Mittelgebühr auszulösen vermochten, eine Terminsgebühr in Höhe der Hälfte der Mittelgebühr angemessen.

Dabei ist der anwaltliche Aufwand für den nicht stattgefundenen - entbehrlichen - Termin als weit unterdurchschnittlich zu werten. Bei der fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr. 3 VV-RVG - also bei Erledigung durch angenommenes Anerkenntnis - besteht die Besonderheit, dass ein Anerkenntnis vorliegt, das im (hypothetischen) Termin lediglich noch der Annahme bedurft hätte, ein solcher Termin insoweit mit keinem besonderen Aufwand verbunden gewesen wäre. Sinn und Zweck des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ist in erster Linie die sachgerechte Vergütung (des Aufwands) für den Bevollmächtigten. Diese ist aber erfahrensgemäß sehr unterschiedlich, je nachdem, ob er an einer mündlichen Verhandlung teilnehmen muss oder nicht. Nimmt der Mandant ein Anerkenntnis der Gegenseite an, führt dies auch beim Bevollmächtigten zu einer erheblichen Reduzierung seines Aufwands in diesem Verfahren. Die Annahme des Anerkenntnisses kann er dem Gericht in einem kurzen Schriftsatz mitteilen. Der im Vergleich zur notwendigen Teilnahme einer mündlichen Verhandlung also deutlich verminderte Aufwand kann gebührenrechtlich nicht außer Betracht bleiben. Unberücksichtigt bleiben darf dabei auch nicht, dass eine mündliche Verhandlung, welche regelmäßig eine zusätzliche Vorbesprechung, Vorbereitung und Terminswahrnehmung erfordert, nicht stattgefunden hat. In der Zusammenschau sieht das Gericht deshalb den Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit insoweit als weit unterdurchschnittlich an.

Da bei der Bemessung auch der Terminsgebühr gemäß § 14 RVG jedoch - wie ausgeführt - alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind, kann andererseits auch nicht allein auf den zu erwartenden geringen Aufwand allein abgestellt werden.

Wägt man die dargestellten unterdurchschnittlichen Anforderungen an die hypothetische anwaltliche Tätigkeit mit den unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen und der allenfalls durchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit für den Erinnerungsführer und das allenfalls durchschnittliche Haftungsrisiko gegeneinander ab, ist das vorliegende Streitverfahren hinsichtlich der Festsetzung der Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG in Höhe von 100,00 € - mithin in Höhe der Hälfte der Mittelgebühr - kostenrechtlich angemessen erfasst. Dies bedeutet zugleich, dass bei einem tatsächlich stattgefundenen Termin, in dem die Annahme des Anerkenntnisses erklärt worden wäre, auch ein Betrag in Höhe der Hälfte der Mittelgebühr festzusetzen gewesen wäre. Der darüber hinaus gehende Antrag auf Festsetzung der Mittelgebühr ist demgegenüber - auch unter Berücksichtigung eines gewissen Toleranzrahmens - unbillig und daher nicht angemessen.

Die Kammer vermag im Übrigen die im Lichte des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gerügte Ungleichbehandlung zu sonstigen Gerichtszweigen nicht zu erkennen, weil sich der Gesetzgeber - wie oben bereits ausgeführt - bewusst für die Differenzierung zwischen Verfahren, in denen Wertgebühren entstehen und Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, entschieden hat. Eine der Nr. 3104 VV-RVG entsprechende Regelung - Entstehen einer 1,2-Gebühr in allen dort genannten Fällen - auch in den Fällen, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, enthält die Spezialvorschrift der Nr. 3106 VV-RVG ausdrücklich nicht. Daraus darf aber nicht der Schluss gezogen werden, dass insoweit eine Gesetzeslücke besteht, die im Wege der Rechtsprechung geschlossen werden könnte. Zur Ausfüllung von Regelungslücken sind die Richter nur berufen, wenn das Gesetz mit Absicht schweigt, weil es der Rechtsprechung überlassen wollte, das Recht zu finden, oder das Schweigen des Gesetzes auf einem Versehen oder darauf beruht, dass sich der nicht geregelte Tatbestand erst nach Erlass des Gesetzes durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben hat (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 10. Mai 1995 - 1 RK 20/94 = BSGE 76, 109 ff.). Weder liegt hier ein absichtliches oder ein versehentliches Schweigen des Gesetzes vor, noch ist nach Inkrafttreten des RVG eine Gesetzeslücke durch eine Änderung tatsächlicher Umstände eingetreten. Der Gesetzgeber hat vielmehr ausdrücklich in Nr. 3104 VV- RVG auf die Spezialvorschrift der Nr. 3106 VV-RVG verwiesen, sofern es sich um ein sozialgerichtliches Verfahren handelt, in dem Betragsrahmengebühren entstehen und für diese Fälle einen Gebührenrahmen vorgesehen. Hätte er eine der Nr. 3104 VV-RVG entsprechende Vorschrift auch für diese sozialgerichtlichen Verfahren treffen wollen, hätte er - wie er das hinsichtlich Nr. 3104 VV-RVG geregelt hat - eine entsprechende Regelung in der Nr. 3106 VV-RVG treffen können (vgl. zum Themenkomplex der (fiktiven) Terminsgebühr bei angenommenem Anerkenntnis und mittlerer Verfahrensgebühr: Beschlüsse der seit dem 01. Januar 2009 bei dem Sozialgericht Lüneburg eingerichtete Kostenkammer vom 04. März 2009, - S 12 SF 53/09 E, vom 16. März 2009 - S 12 SF 59/09 sowie vom 16. März 2009, - S 12 SF 64/09 E; vgl. ferner: Sozialgericht Lüneburg, Beschluss vom 25. August 2008, - S 6 SF 78/08 sowie vom 24. Januar 2008, - S 6 SF 29/07; so auch Beschlüsse des Sozialgerichts Lüneburg vom 19. April 2007 - S 15 SF 48/06; vom 20. April 2007 - S 15 SF 141/04; vom 02. Mai 2007 - S 15 SF 51/06; vom 22. November 2007 - S 15 SF 81/07; vom 17. Januar 2008 - S 15 SF 80/07; vom 24. Januar 2008 - S 15 SF 55/07; vom 25. Januar 2008, - S 15 SF 113/07 sowie Beschluss vom 27. Mai 2008, - S 15 SF 43/08).

Da die übrigen Gebührenpositionen zwischen den Beteiligten nicht im Streit stehen, ergibt sich folgende Berechnung:

Widerspruchsverfahren

Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2501 VV-RVG120,00 €Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG20,00 €Schreibauslagen gemäß Nr. 7000 VV-RVG29,50 €19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV-RVG27,12 €Gesamtbetrag196,62 €Klageverfahren

Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103 VV-RVG170,00 €Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV-RVG100,00 €Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG20,00 €Schreibauslagen gemäß Nr. 7000 VV-RVG13,50 €19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV-RVG57,67 €Gesamtbetrag361,17 €Insgesamt ergibt sich daher ein festzusetzender Betrag in Höhe von557,79 €(196,62 € + 361,17 €).

Die Entscheidung ist gemäß § 197 Abs. 2 SGG endgültig.






SG Lüneburg:
Beschluss v. 25.03.2009
Az: S 12 SF 43/09 E


Link zum Urteil:
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