Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 4. Februar 2013
Aktenzeichen: 8 U 21/12

(OLG Hamm: Urteil v. 04.02.2013, Az.: 8 U 21/12)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 4. Januar 2012 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Den Beklagten werden die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Dieses Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung aus diesem und dem angefochtenen Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Der Kläger macht mit seiner am 19.07.2011 anhängig gemachten Klage die Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit dreier Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der H GmbH & Co. KG (im Folgenden nur: KG) geltend, die die Erteilung der Zustimmung zur Übertragung seiner und der Kommanditanteile des Beklagten zu 2) auf eine gemeinnützige Stiftung zum Gegenstand haben.

Kommanditisten der KG sind der Kläger mit einer Einlage von nominell 1 Mio. € und sein Bruder, der Beklagte zu 2), mit einer Einlage von nominell 6 Mio. €. Bei der Beklagten zu 1) handelt es sich um die Komplementärin der KG. In der Gesellschafterversammlung der KG stehen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) jeweils 10 von insgesamt 100 Stimmen zu; die verbleibenden 80 Stimmen werden durch die Komplementärin, die Beklagte zu 1), wahrgenommen, die selbst nicht am Kommanditkapital der KG beteiligt ist. Gesellschafter der Beklagten zu 1), die über ein Stammkapital von 180.000 € verfügt, sind neben der KG die Herren U, der zugleich seit 2006 einer der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) ist, C und D sowie Frau L, die jeweils 20 % der Geschäftsanteile an der Beklagten zu 1) halten. Mit Ausnahme der KG halten die vorgenannten Gesellschafter ihre Geschäftsanteile nur, solange sie auch Mitglieder des Stiftungsrates der G Familienstiftung mit Sitz in C2/Schweiz sind, die von dem Kläger und dem Beklagten zu 2) im Jahr 2000 gegründet worden war.

Der Gesellschaftsvertrag der KG enthält in § 6 unter der Überschrift "Gesellschafterversammlung" folgende Regelungen:

"(...)

(5) Soweit nicht in diesem Gesellschaftsvertrag oder im Gesetz ausdrücklich abweichend geregelt, erfolgen die Beschlussfassungen der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit der vorhandenen Stimmen.

(6) Beschlüsse zur Änderung des Gesellschaftsvertrages bedürfen der Einstimmigkeit.

(...)"

In § 10 des Gesellschaftsvertrages der KG heißt es unter der Überschrift "Verfügung über Gesellschaftsanteile":

"(1) Verfügungen über Gesellschaftsanteile, insbesondere deren Abtretung, Teilung oder Belastung, und zwar auch zum Zwecke der Begründung einer Unterbeteiligung oder eines Treuhandverhältnisses bedürfen der Einwilligung der Gesellschafterversammlung.

(...)

(3) Verfügungen, die nicht die Billigung der Gesellschafterversammlung gefunden haben, sind unwirksam."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag der KG vom 25.01.2001 (Anlage TW1 - Bl. 20 ff.) und die Satzung ihrer Komplementärin (Anlage TW2 - Bl. 37 ff.) Bezug genommen.

Zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) besteht seit dem Jahr 2005 Streit darüber, ob der Kläger verpflichtet ist, seinen Kommanditanteil an der KG entschädigungslos auf eine Stiftung - die B-Stiftung in B2 - zu übertragen. Diese Frage ist Gegenstand eines seit 2006 vor dem Landgericht Essen anhängigen Rechtsstreits, der nunmehr unter dem Aktenzeichen 2 O 36/10 geführt wird. Darüber hinaus betreibt der Kläger zudem die Auflösung der KG (44 O 136/10 LG Essen); dieser Rechtsstreit liegt inzwischen dem Senat zur Entscheidung vor (8 U 44/12).

Mit Schreiben vom 24.05.2011 hat der Beklagte zu 2) als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) zu einer Versammlung der Kommanditisten der KG auf den 05.07.2011 (10:00 Uhr) eingeladen. Nach der vorgesehenen Tagesordnung sollte u.a. folgender Beschlussantrag zur Abstimmung gestellt werden:

"Die H GmbH & Co. KG, B2, wird ermächtigt und verpflichtet, ihr Stimmrecht im Rahmen einer Beschlussfassung der Gesellschafter der H Verwaltungsgesellschaft mbH, B2, dahingehend auszuüben, dass die H Verwaltungsgesellschaft mbH ermächtigt und verpflichtet wird, einer Beschlussfassung der Gesellschafter der H GmbH & Co. KG, B2 folgenden Inhalts zuzustimmen:

(i) Der Übertragung des Kommanditanteils von Herrn K im Nennbetrag von EUR 6.000.000 an der H GmbH & Co. KG, B2, auf die B-Stiftung B2, wird gem. § 10 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages zugestimmt;

(ii) Der Übertragung des Kommanditanteils von Herrn Dipl.€Kfm. K2 im Nennbetrag von EUR 1.000.000 an der H GmbH & Co. KG, B2, auf die B-Stiftung B2, wird gem. § 10 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages zugestimmt."

Mit Schreiben vom 14.04.2011 hat der Geschäftsführer der Beklagten zu 1), Herr X, zu einer Versammlung der Gesellschafter der Beklagten zu 1) auf den 05.07.2011 (11:00 Uhr) eingeladen. Als Tagesordnungspunkt (jeweils Beratung und Beschlussfassung) war hier u.a. vorgesehen:

"TOP 7 Festlegung der Stimmrechtsausübung der Gesellschaft gemäß § 4 Abs. 5 ihrer Satzung bei Beschlussfassungen der Gesellschafter der H GmbH & Co. KG, B2 zu folgenden Beschlussgegenständen:

(...)

d) Zustimmung zur Übertragung der Kommanditanteile der Herren Dr. K und K2 an der H GmbH & Co. KG, B2, sei es einzeln oder gemeinsam, auf die B-Stiftung, B2."

Mit weiterem Schreiben vom 24.05.2011 hat der Beklagte zu 2) als (Mit€)Geschäftsführer der Beklagten zu 1) zu einer ordentlichen Versammlung der Gesellschafter der KG ebenfalls auf den 05.07.2011 (12:00 Uhr) eingeladen. Auch hier war als Tagesordnung (Beratung und Beschlussfassung) u.a. vorgesehen:

"TOP 4 Zustimmung zur Übertragung der Kommanditanteile der Herren Dr. K und K2 an der H GmbH & Co. KG, B2, sei es einzeln oder gemeinsam, auf die B-Stiftung, B2

Es wird folgender Beschlussantrag zur Abstimmung gestellt:

(i) Der Übertragung des Kommanditanteils von Herrn K im Nennbetrag von EUR 6.000.000 an der H GmbH & Co. KG, B2, auf die B-Stiftung B2, wird gem. § 10 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages zugestimmt;

(ii) Der Übertragung des Kommanditanteils von Herrn Dipl.€Kfm. K2 im Nennbetrag von EUR 1.000.000 an der H GmbH & Co. KG, B2, auf die B-Stiftung B2, wird gem. § 10 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages zugestimmt."

Am 05.07.2011 fanden die drei Gesellschafterversammlungen in B2 in der dargestellten Reihenfolge der Einladungen statt.

In allen drei Versammlungen stellte der Versammlungsleiter, Herr U, die in den Einladungsschreiben angekündigten Beschlüsse auf Zustimmung zur (gemeinsamen) Übertragung der Kommanditanteile des Klägers und des Beklagten zu 2) an der KG auf die B-Stiftung (Klageantrag zu 1) zur Abstimmung. Darüber hinaus ließ er - wie ebenfalls angekündigt - in allen drei Versammlungen auch einzeln über die Erteilung der Zustimmung zur Übertragung der Kommanditanteile des Beklagten zu 2) (Klageantrag zu 2) und des Klägers (Klageantrag zu 3) auf die Stiftung abstimmen.

In der Gesellschafterversammlung der Kommanditisten stimmten der Beklagte zu 2) für und der Kläger gegen die Beschlussanträge. In der Versammlung der Gesellschafter der Beklagten zu 1) enthielt sich die KG der Stimme, da die Ausübung ihres Stimmrecht gem. § 6 Abs. 10 ihres Gesellschaftsvertrages eines einstimmigen Beschlusses ihrer Kommanditisten bedurfte, während die übrigen Gesellschafter der Beklagten zu 1) den Beschlussfassungen zustimmten. In der - hier maßgeblichen - Versammlung der Gesellschafter der KG stimmten die Beklagten zu 1) und zu 2) für und der Kläger gegen die Beschlussanträge.

Der Feststellung des Versammlungsleiters, dass die Beschlüsse (der KG) zustande gekommen seien, widersprach der anwaltliche Vertreter des Klägers, der die lediglich mehrheitlich erfolgte Beschlussfassung für unwirksam bzw. nichtig hielt.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die hier in Rede stehenden Beschlussfassungen der KG in der Versammlung am 05.07.2011 nichtig seien, da es für die Zustimmung zur Übertragung der Kommanditanteile gem. § 6 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrages eines einstimmigen Beschlusses bedurft hätte.

Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, dass es zur Erteilung der Zustimmung zur Übertragung der Kommanditanteile keiner einstimmigen Beschlussfassung bedurft habe und die getroffene Mehrheitsentscheidung gem. § 6 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages ausreichend gewesen sei. Die Übertragung des Kommanditanteils stelle keine Vertragsänderung dar, da es sich gerade nicht um den Austritt eines alten und den Eintritt eines neuen Gesellschafters handele. Die von ihnen - den Beklagten zu 1) und zu 2) - erstrebte Zustimmung des Klägers stelle eine Genehmigung i.S.d. § 182 BGB dar, bedeute aber keine Vertragsänderung. Die Regelung in § 10 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages der KG biete eine hinreichende Legitimationsgrundlage für eine Zustimmung zur Anteilsübertragung durch einen mehrheitlichen Gesellschafterbeschluss.

Das Landgericht hat den Anträgen des Klägers entsprochen und festgestellt, dass die drei näher bezeichneten Beschlüsse nichtig sind. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die mit der Klage angegriffenen Beschlussfassungen unwirksam seien, da es für die Zustimmung zur Übertragung der Geschäftsanteile eines einstimmigen Beschlusses bedurft hätte. Das Einstimmigkeitserfordernis ergebe sich jedenfalls aus den §§ 161 Abs. 2, 119 Abs. 1 HGB. Aus der Regelung in § 6 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages der KG oder aus anderen Regelungen ihrer Satzung lasse sich nicht die Befugnis herleiten, durch Mehrheitsbeschluss Gesellschaftsanteile eines Kommanditisten gegen dessen Willen zu übertragen. Um dem Bestimmtheitsgrundsatz zu genügen, hätte § 6 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages ausdrücklich bestimmen müssen, dass auch die Übertragung von Gesellschaftsanteilen mit Mehrheit der vorhandenen Stimmen wirksam beschlossen werden könne. Dies gelte insbesondere deshalb, weil die Satzung der KG eine stark personenbezogene Ausrichtung erkennen lasse, was nur den Rückschluss zulasse, dass Änderungen in der Person des Gesellschafters von elementarer Bedeutung seien und die Geltung des Mehrheitsprinzips ausdrücklich hätte geregelt werden müssen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung. Sie rügen die Verletzung materiellen Rechts und machen geltend, dass

(a) Inhalt und Anwendungsbereich des sog. Bestimmtheitsgrundsatzes vom Landgericht unzureichend und rechtsfehlerhaft ermittelt worden seien,

(b) die angefochtene Entscheidung den Gegenstand der streitgegenständlichen Beschlüsse nicht zutreffend definiere, da Beschlussgegenstand nicht die Übertragung der Gesellschaftsanteile selbst, sondern lediglich die Einwilligungserklärung der Gesellschafterversammlung durch Beschluss der Gesellschafter sei,

(c) die angefochtene Entscheidung jegliche Vertragsauslegung vermissen lasse (Bl. 274 ff.), da nach der Ermittlung des Wortsinns bei gesetzeskonformer Auslegung sämtliche Begleitumstände einzubeziehen seien, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Vertragserklärungen zuließen,

(d) eine Auslegung nach den gesetzeskonformen Auslegungsgrundsätzen die Zulässigkeit einer Mehrheitsentscheidung mit den vorliegenden Beschlussgegenständen begründe,

(e) eine "stark personenbezogene Ausrichtung" des Gesellschaftsvertrages gerade nach dessen Neufassung nicht festgestellt werden könne, da vielmehr genau umkehrt die Personenbezogenheit in vollem Umfang aufgegeben worden sei,

(f) die Gesellschafterbeschlüsse keine Vertragsänderung darstellten und(g) Gesellschafterbeschlüsse über Grundlagengeschäfte auch Gegenstand einer Mehrheitsentscheidung sein könnten.

Sie beantragen,

die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter weitgehender Wiederholung und Vertiefung seines Vortrags erster Instanz mit näheren Ausführungen als zutreffend.

Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage, mit der der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der näher bezeichneten Beschlussfassungen der KG begehrt hat, zu Recht als zulässig und begründet angesehen.

1.

Die vom Kläger erhobene Feststellungsklage ist zulässig. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, die auch der des Senats entspricht, sind mangels entsprechender gesellschaftsvertraglicher Vereinbarungen die für das Kapitalgesellschaftsrecht geltenden Grundsätze über die Geltendmachung von Beschlussmängeln im Personengesellschaftsrecht nicht anwendbar, so dass der Streit im Wege der Feststellungsklage gem. § 256 ZPO auszutragen ist, wenn die Gesellschafter nicht ohne gerichtliche Hilfe zu einer Lösung finden (vgl. BGH NJW 1999, 3113; Goette in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Auflage 2008, § 119 Rdn. 75; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 35. Auflage 2012, § 119 Rdn. 32; Bergmann in jurisPK€BGB Band 2, 6. Auflage 2012, § 709 Rdn. 34). Beschlüsse der Gesellschafter stellen Rechtsverhältnisse i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO dar. Da der Streit über die Wirksamkeit von Beschlüssen Rechtsunsicherheit schafft, muss über ihre Rechtmäßigkeit oder Unwirksamkeit daher möglichst bald Klarheit geschaffen werden; das rechtliche Interesse eines Gesellschafters an der Feststellung der Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses ergibt sich regelmäßig aus seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft (Bergmann in jurisPK€BGB Band 2, 6. Auflage 2012, § 709 Rdn. 34).

2.

Die Feststellungsklage ist auch begründet.

a)

Der Kläger hat die Feststellungsklage fristgemäß erhoben.

Im Personengesellschaftsrecht gibt es für die Geltendmachung von Beschlussmängeln - anders als im Recht der Kapitalgesellschaften - keine gesetzlichen oder am Leitbild des § 246 Abs. 1 AktG orientierten Klagefristen (BGH NJW 1999, 3113 (3114) m.w.N.). Die Erhebung der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit nach § 256 ZPO ist an keine Frist gebunden, kann jedoch nach allgemeinen Grundsätzen verwirkt sein (BGH aaO.). Allerdings steht es den Gesellschaftern auch in der Personengesellschaft frei, die Berufung auf Beschlussmängel durch materielle Ausschlussfristen für die Klageerhebung im Gesellschaftsvertrag zu beschränken (BGH aaO. m.w.N.; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 35. Auflage 2012, § 119 Rdn. 32: Goette in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Auflage 2008, § 119 Rdn. 78).

Da der Gesellschaftsvertrag der KG vorliegend keine solche materielle Ausschlussfrist, die ohnehin die Monatsfrist nicht wird unterschreiten dürfen, enthält, kommt der am 19.07.2011 anhängig gemachten Feststellungsklage gegenüber den am 05.07.2011 gefassten Beschlüssen in jedem Fall fristwahrender Charakter zu.

b)

Die Beklagten sind auch passivlegitimiert.

Grundsätzlich wird der Streit um die Wirksamkeit des Beschlusses zwischen den Gesellschaftern und nicht mit der Gesellschaft ausgetragen (Bergmann in jurisPK€BGB Band 2, 6. Auflage 2012, § 709 Rdn. 34; Goette in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Auflage 2008, § 119 Rdn. 77 mit Verweis auf BGHZ 81, 263 (264 f.); 85, 350 (253); 91, 132 f.; BGH NJW 1995, 1218). Die Klage ist daher regelmäßig gegen diejenigen Gesellschafter zu richten, die hinsichtlich der Wirksamkeit des Beschlusses den gegenteiligen Standpunkt wie der Kläger einnehmen (Goette in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Auflage 2008, § 119 Rdn. 77). Dementsprechend ist die Klage hier zu Recht sowohl gegen den Beklagten zu 2) als Kommanditisten als auch die Beklagte zu 1) als Komplementärin der KG gerichtet.

c)

Die in der Versammlung der KG am 05.07.2011 gefassten Beschlüsse sind, soweit sie Gegenstand dieses Rechtsstreits sind, aus formellen Gründen nichtig.

Denn die lediglich mit den Stimmen der Beklagten zu 1) und des Beklagten zu 2) [90 %] gegen die Stimmen des Klägers [10 %] gefassten Zustimmungsbeschlüsse konnten nicht mehrheitlich gefasst werden, da sie dem Einstimmigkeitserfordernis unterliegen.

Diese Entscheidung kann nicht auf Grund der in § 6 Abs. 5 enthaltenen allgemeinen Mehrheitsklausel mit der Mehrheit der Stimmen in der Gesellschafterversammlung getroffen werden.

Die Reichweite allgemeiner Mehrheitsklauseln, wie sie sich hier in § 6 Abs. 5 findet, wird durch den sog. Bestimmtheitsgrundsatz auf gewöhnliche Beschlussgegenstände beschränkt. Diese Beschränkung leitet der Bundesgerichtshof mit überzeugenden Gründen (Urteil vom 15.01.2007 - II ZR 245/05), denen der Senat folgt, daraus her, dass Beschlussgegenstände, die die Grundlagen der Gesellschaft betreffen oder ungewöhnliche Geschäfte beinhalten, bei der Unterwerfung der Mitgesellschafter unter den Mehrheitswillen, die außerhalb eines konkreten Anlasses im Gesellschaftsvertrag vereinbart wurde, typischerweise nicht in ihrer vollen Tragweite erfasst werden und angesichts der Unvorhersehbarkeit späterer Entwicklungen auch regelmäßig nicht erfasst werden können. Für die Geltung des Mehrheitsprinzips ist zwar eine enumerative Auflistung der dem Mehrheitswillen zu unterwerfenden Gegenstände nicht erforderlich. Es genügt vielmehr, wenn sich aus dem Gesellschaftsvertrag - sei es auch durch dessen Auslegung - eindeutig ergibt, dass der in Frage stehende Beschlussgegenstand einer Mehrheitsentscheidung unterworfen sein soll (vgl. BGH a.a.O.). Nur wenn schon beim Vertragsschluss der einzelne Gesellschafter in dieser eindeutigen Weise sich dem Mehrheitswillen unterwirft, verfügt der spätere Mehrheitsbeschluss über die hinreichende Legitimationsgrundlage.

Hier fehlt es an einer eindeutigen Legitimationsgrundlage für eine Mehrheitsentscheidung bei der in § 10 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags vorgesehenen Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung über die Zustimmung zur Anteilsübertragung. Die in § 10 Abs. 1 enthaltene Zuweisung der Entscheidung über die Zustimmung in die Kompetenz der Gesellschafterversammlung besagt noch nicht, dass dort mit Mehrheit entschieden werden kann. Eine den oben dargestellten Anforderungen genügende Regelung, mit der die Gesellschafter sich insoweit dem Mehrheitswillen unterwerfen, enthält der Gesellschaftsvertrag der KG nicht.

Der Gesellschaftsvertrag enthält zwar diverse Klauseln, die je nach Beschlussgegenstand unterschiedliche Beschlussmehrheiten verlangen. Sie sind jedoch - so sehen dies auch die Parteien - mit Ausnahme der Regelung für Beschlüsse über Vertragsänderungen in § 6 Abs. 6 für den hier umstrittenen Beschlussgegenstand keinesfalls in Betracht zu ziehen.

Würde die Beschlussfassung über die Zustimmung zur Anteilsübertragung als eine solche über eine Vertragsänderung anzusehen sein, müsste schon wegen § 6 Abs. 6 des Vertrags einstimmig beschlossen werden. Die Beklagten weisen jedoch zutreffend darauf hin, dass die Beschlussfassung über die Zustimmung zur Übertragung eines Gesellschaftsanteils von der Übertragung selbst unterschieden werden muss. Die Zustimmung zur Übertragung ist aber ungeachtet der Frage, ob sie selbst als Beschluss über eine Vertragsänderung angesehen werden kann, in jedem Fall ein konstitutiver Teilakt der Verfügung über den Anteil, die ihrerseits als ein die Grundlagen der Gesellschaft betreffendes Geschäft angesehen werden muss. Das steht mithin einer Einordnung dieses Beschlussgegenstands als ein solcher über einen gewöhnlichen Beschlussgegenstand entgegen.

Von einer eindeutigen und klaren Unterwerfung der Vertragsschließenden unter den Mehrheitswillen kann deshalb hinsichtlich dieses Beschlussgegenstands nicht ausgegangen werden.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, gem. § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, da die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.






OLG Hamm:
Urteil v. 04.02.2013
Az: 8 U 21/12


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