Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 8. Dezember 2000
Aktenzeichen: 11 K 10380/99

(VG Köln: Urteil v. 08.12.2000, Az.: 11 K 10380/99)

Tenor

Der Gebührenbescheid der Beklagten vom 27. Oktober 1999 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Mit Gebührenbescheid vom 27. Oktober 1999 erhob die Beklagte Gebühren für den von der Klägerin genutzten Altbestand an Nummern aus der Zeit vor dem 1. Januar 1998. Dieser Altbestand wurde auf 3.600.000 Rufnummernblöcke zu je tausend Nummern geschätzt.

Früher benutzte ausschließlich die Deutsche Bundespost Telephonnummern zur Adressierung, weil ausschließlich sie ein Telephonnetz betrieb. Nach dem ersten Teil der Postreform 1989 übernahm die Deutsche Bundespost Telekom die betrieblich- unternehmerischen Aufgaben der Deutschen Bundespost im Fernmeldebereich. Die politischhoheitlichen Aufgaben blieben beim Bundesminister für Post und Telekommunikation. Rechte, Befugnisse und Zuständigkeiten der Deutschen Bundespost gingen im Rahmen der von ihr zu erfüllenden Aufgaben auf die Deutsche Bundespost Telekom über, die Dienstleistungen waren uneingeschränkt weiterzuführen. Dazu gehörte der Betrieb des Telephonnetzes mit der Nummernverwaltung. Mit der Postreform II im Jahr 1994 wurde das Sondervermögen in eine Aktiengesellschaft überführt, ohne dass sich der ordnungspolitische Rahmen änderte.

Wegen der bevorstehenden Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes zum 1. Januar 1998 wurde über die künftige Nummernstruktur und -verwaltung nachgedacht. Das Expertengremium für Numme- rierungsfragen empfahl in seinem Abschlußbericht vom 7. Dezember 1995, bei der Einführung des Wettbewerbs das bisherige System der Ortsnetzvorwahl beizubehalten und die Telefonnummern nicht umfassend zu ändern.

Die Klägerin erklärte sich in einer Besprechung vom 9. Mai 1996 bereit, eine Bestandsaufnahme zur Belegung des Nummernraumes in den Ortsnetzen zu machen. Sie konnte allerdings den dafür nötigen Zeitbedarf nicht abschätzen, weil das Verfahren und die Organisation noch nicht geklärt waren. Die Beteiligten waren sich einig, dass die Nummernverwaltung wegen des Inkrafttreten des Telekommunikationsgesetzes zum frühestmöglichen Zeitpunkt vom Regulierer vollständig wahrgenommen werden müsse.

Zunächst verlangte die Beklagte die Übergabe der freien Zehntausenderblöcke, um den voraussichtlichen Nummernbedarf der Wettbewerber zu decken. Dieser wurde für die drei Jahre von 1998 bis 2.000 auf 28.000 Rufnummernblöcke geschätzt. Die Klägerin sollte bei der Benennung der freien Blöcke diejenigen bezeichnen, deren Zuteilung sie voraussichtlich beantragen wollte, weil das Konzept der Zuteilung ab dem 1. August 1996 auch für Klägerin gelten werde. Bereits ausgelastete Blöcke sollten der Klägerin auf einen entsprechenden Antrag hin zugewiesen werden. Dem widersprach die Klägerin zunächst nicht.

Am 1. August 1996 trat das Telekommunikationsgesetz - TKG -, BGBl. I, S. 1120, in Kraft. Nach § 43 Abs. 2 TKG werden Rufnummern auf Antrag zugeteilt, für die Entscheidung über die Zuteilung wird eine Gebühr erhoben. Nach den als Verwaltungsvorschrift erlassenen "Vorläufigen Regeln für die Zuteilung von Rufnummern in den Ortsnetzbereichen" (Vfg. BMPT Nr. 109/97 vom 7. Mai 1997, Amtsblatt Nr. 13/97, S. 650)- ZRO - vergibt die Regulierungsbehörde im Ortsnetzbereich Rufnummernblöcke von je 1.000 Nummern an die Netzbetreiber (originäre Zuteilung), die diese im Wege der abgeleiteten Zuteilung an die einzelnen Kunden weitergeben. Diese Nummern müssen zehnstellig sein. Die Klägerin ist nach Ziff. 5.2 ZRO verpflichtet, die vorläufige Zuweisung der von ihr genutzten Nummernblöcke zu beantragen.

Die Klägerin teilte der Beklagten am 1. Dezember 1996 und am 17. Februar 1997 die freien und die von ihr benutzten Rufnummernblöcke mit. Inzwischen hat die Klägerin der Beklagten 1,83 Mio. Rufnummernblöcke als frei zur Verfügung gestellt. Sie verwaltet noch 2,79 Mio. Rufnummernblöcke, in denen 232 (265) Mio. Nummern von den etwa 40 Mio. Kunden der Klägerin belegt sind. In 2,58 Mio. der 2,79 Mio. Rufnummernblöcke sind fast ausschließlich sieben- bis neunstellige Nummern enthalten (101 Mio. Anschlüsse). Aus diesen Blöcken hat die Klägerin seit dem 1. Januar 1998 keine neuen Nummern mehr vergeben. Aus den restlichen 0,21 Mio Rufnummernblöcken sind 131 Mio. zehnstellige Nummern vergeben. Aus diesen Blöcken hat die Klägerin seit dem 1. März 2000 keine Nummern mehr vergeben.

1997 legte die Beklagte den ersten Entwurf einer Nummern- Gebührenverordnung vor. Nummern wurden als knappes Gut i. S. der Richtlinie 97/13/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 10. April 1997, ABL Nr. L 117/15 (Genehmigungsrichtlinie 97/13) angesehen, so dass die Beklagte den wirtschaftlichen Wert der Nummern berücksichtigen konnte. Dieser wurde mit 1 DM je Rufnummer angesetzt, was 0,1 % der jährlichen Einnahmen aus einem Telefonanschluss darstelle. Die im Entwurf vom Dezember 1998 enthaltene Regelung, dass bereits genutzte Nummern als beantragt gelten, wurde nicht beibehalten. Die Telekommunikations-Nummerngebührenverordnung - TNGebV - wurde am 16. August 1999 erlassen (BGBl. I, S. 1887) und trat rückwirkend zum 1. August 1996 in Kraft. Sie sieht vor, dass für die Zuteilung von Nummern Gebühren erhoben werden. Im Abschnitt C sind ermäßigte Gebühren für die Zuteilung von Rufnummernblöcken mit eingeschränkter Nutzbarkeit vorgesehen. Nach § 2 TNGebV sind Gebühren für unter Vorbehalt zugeteilte Rufnummernblöcke zu erstatten, wenn diese Blöcke zurückgegeben werden.

Die Beklagte forderte die Klägerin mit Schreiben vom 17. Juni 1997 auf, die vorbehaltliche Zuteilung der von ihr genutzten Rufnummernblöcke zu beantragen. Bei einer Besprechung am 9. Juli 1997 erklärte die Klägerin dazu, dass sie erst dann einen Antrag stellen werde, wenn die Gebührenhöhe geklärt sei. Sie wolle nicht durch die frühere, ineffiziente Nutzung des Nummernraumes belastet werden.

Am 12. Juli 1999 forderte die Beklagte die Klägerin erneut auf, den von ihr genutzten Altbestand an Nummern bis zum 31. August 1999 zu beantragen und freie Rufnummernblöcke zu melden.

Am 17. September 1999 beantragte die Klägerin die Zuteilung der seit dem 1. Januar 1998 von ihr neu genutzten Rufnummerblöcke in den Ortsbereichen und erklärte, dass sie den Altbestand der vorher genutzten Nummern der Beklagten zur Verwaltung übergeben werde.

Mit Gebührenbescheid vom 27. Oktober 1999 erhob die Beklagte Gebühren für den von der Klägerin genutzten Altbestand an Nummern. Dieser Altbestand wurde auf 3.600.000 Rufnummerblöcke geschätzt. Da diese Blöcke wegen der vergebenen kurzen Nummern nicht vollständig genutzt werden können, ging der Beklagte nur von einer Gebührenhöhe von 385.937.500 DM aus. Dies erläuterte die Beklagte in einem Begleitschreiben.

Dagegen hat die Klägerin fristgerecht Klage erhoben. Da die Beklagte in der Klageerwiderung davon ausging, dass der Rufnummernaltbestand der Klägerin mit dem Gebührenbescheid und den Schreiben vom 27. Oktober 1999 und vom 23. September 1999 zugeteilt sei, hat die Klägerin am 21. September 2000 außerdem gegen die Zuteilung der Nummern Klage erhoben (11 K 7734/00).

Die Klägerin weist darauf hin, dass sie die Zuteilung des Altbestandes nicht beantragt habe. Sie habe den Bestand lediglich im Rahmen einer Geschäftsführung ohne Auftrag für die Beklagte verwaltet. Sie sei bereit gewesen, diese Rufnummern an die Beklagte abzugeben. Dies habe die Beklagte aber zunächst nicht verlangt. Die Regelung in Ziff. 5.1 und 5.2 ZRO, dass die Klägerin den Altbestand beantragen müsse, werde durch § 43 Abs. 3 Satz 4 TKG nicht gedeckt und stelle eine rechtswidrige Indienstnahme Privater dar. Dies verstoße gegen das Gleichheitsgebot, weil eine derartige Antragstellung nicht dem unternehmerischen Bedarf entspreche. Anträge seien bisher nur für die seit dem 1. Januar 1998 neu genutzten Rufnummernblöcke gestellt worden. Diese Blöcke seien inzwischen zugeteilt und die Gebühr dafür bezahlt. Einen weitergehenden Antrag habe die Klägerin bewußt nicht gestellt, um die Gebührenerhebung für den Altbestand zu vermeiden.

Die Nutzung des Altbestandes könne nicht als konkludenter Antrag gewertet werden. Bei Beginn des Wettbewerbs 1998 sei der Nummernraum im Ortsnetzbereich nicht einheitlich gegliedert gewesen. Eine Übersicht, wieviele z. T. kurze Rufnummern in den einzelnen Blöcken vergeben waren, und dementsprechend noch vergeben werden können, habe nicht bestanden. Als 1997 feststand, dass kurzstellige Rufnummern nicht mehr vergeben werden durften, habe die Klägerin diese Rufnummernblöcke überhaupt nicht mehr genutzt, weil eine Lückenfüllung bei 101 Millionen kurzer Rufnummern zu aufwendig gewesen wäre, aber langfristig eine Sanierung dieser Blöcke geboten sei. Die Ermittlung des Auslastungsgrades sei bei 4.62 Mio Rufnummernblöcken in 5.200 Ortsnetzen sehr verwaltungsaufwändig und bisher allein von der Klägerin erbracht. Die Wettbewerber der Kläger vergäben wenig Rufnummern, weil deren Kunden ihre früher zugeteilten Nummern mitbrächten. Der Umfang der Rufnummernzuteilung an Wettbewerber der Klägerin im Ortsnetzbereich sei deshalb erstaunlich gering.

Eine rückwirkende Gebührenerhebung für den Altbestand sei rechtswidrig und eine rückwirkende Zuteilung überflüssig. Bei der Verabschiedung des Telekommunikationsgesetzes sei das System der Nummernbewirtschaftung noch völlig offen gewesen. Erst mit der Kundenschutzverordnung sei die Unterscheidung zwischen originärer und abgeleiteter Zuteilung eingeführt worden. Für den Ortsnetzbereich sei es vorher nicht klar gewesen, wie weit die Betreiber in die Nummernzuteilung eingebunden werden würden. Erst mit der abgeleiteten Zuteilung habe sich die Möglichkeit ergeben, gebührenpflichtige Tatbestände gegenüber den Netzbetreibern zu schaffen. Die Ermächtigung in § 43 Abs. 3 Satz 2 TKG sei zu unbestimmt, um derartige rückwirkende Tatbestände zu decken.

Die Klägerin werde durch die Nutzung des Altbestandes auch nicht besser gestellt als ihre Mitbewerber. Die Verwaltung des Altbestandes stelle vielmehr eine Sonderlast dar. Mit den Gebühren würde der wirtschaftliche Vorteil für die Freiräume in den Blöcken abgegolten, dieser sei bei bereits teilweise genutzten Ruf- nummernblöcken aber erheblich gemindert.

Die Klägerin beantragt,

den Gebührenbescheid der Beklagten vom 27. Oktober 1999 auf- zuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Nutzung von Nummern nach § 43 Abs. 3 Satz 1 TKG die Stellung eines Antrags logisch voraussetze. Wer die Nummern nutze, müsse vorher einen Antrag auf Zuteilung stellen. Wenn die Nummer ohne Antragstellung weiter benutzt werde, liege in der Nutzung ein stillschweigender An- trag. Hier sei deshalb von einer konkludenten Antragstellung auszugehen. Die Berufung auf den fehlenden Antrag sei rechtsmissbräuchlich. Als Nutzung sei nicht nur die Vergabe der freien Rufnummern anzusehen, sondern vor allem das Betreiben von Anschlüssen unter der Rufnummer. Die Klägerin verwalte die zugeteilten Rufnummern nicht als Erfüllungsgehilfin oder Geschäftsführerin ohne Auftrag, sondern eigenverantwortlich. Die Altbestände könnten auch nicht einfach an die Beklagte "zurückgegeben" werden, weil sie von Kunden der Klägerin genutzt würden. In der Schaltung dieser Anschlüsse liege die Nutzung und der wirtschaftliche Wert, an den die Gebührenverordnung anknüpfe. Die Sperrung von Rufnummernblöcken für die Neuvergabe sei eine interne Entscheidung der Klägerin. Solange Nummern aus Rufnummernblöcken an Kunden der Klägerin vergeben seien, werde dieser Block von ihr auch dann genutzt, wenn sie keine neuen Nummern aus diesem Bereich vergebe. Erst nach Räumung des vollständigen Blockes könne dieser zurückgegeben werden. Eine Nutzung liege schon darin, dass andere Netzbetreiber von der Nutzung dieser Blöcke ausgeschlossen seien.

Die Gebührenordnung differenziere auch nach der unterschiedlichen Nutzbarkeit der verschiedenen Rufnummernblöcke und knüpfe nicht an die Antragstellung, sondern an die Zuteilung der Nummern an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Akten des Verfahrens 11 K 7734/00, der zu diesen Verfahren beigezogenen Verwaltungsakten und der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Unterlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Gebührenbescheid verletzt die Klägerin in ihren Rechten nach § 113 VwGO.

Rechtsgrundlage des Bescheides ist § 1 TNGebV. Danach ist für Amtshandlungen im Zusammenhang mit Entscheidungen über die Zuteilung von Nummern nach § 43 Abs. 3 des Telekommunikationsgesetzes vom 25. Juli 1996, BGBl.I S. 1120 (TKG) die Erhebung von Gebühren vorgesehen.

Ein Zuteilungsbescheid, an den die Gebührenpflicht anknüpfen könnte, ist hier aber nicht ergangen.

Die Schreiben der Beklagten vom 23. September 1999 und vom 27. Oktober 1999 stellen keine ausdrückliche Zuteilungsentscheidung dar.

Ein Verwaltungsakt enthält eine Regelung mit Außenwirkung, d. h. durch die Entscheidung entstehen unmittelbar Rechte oder Pflichten. Das Schreiben vom 23. September 1999 enthält die Aufforderung zur Meldung von freien Rufnummernblöcken und die Bitte um Informationen zum Rufnummernaltbestand. Aus den Formulierungen "Durch die Aufnahme des Abschnitts "C Rufnummern mit eingeschränkter Nutzbarkeit" in das Gebührenverzeichnis ist klargestellt, dass es der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers ist, dass alle Rufnummernblöcke, also auch die, die nicht mehr für Neuzuteilungen verwendet werden, gebührenpflichtig zugeteilt werden" und "In diesem Zusammenhang weise ich Sie darauf hin, dass Ihnen Nutzungsrechte an Nummern nur im Rahmen der Zuteilungsvorschriften zustehen" ist eine Regelung über die Zuteilung nicht zu entnehmen. Darin liegt nur ein Hinweis auf die Rechtslage, so wie die Beklagte sie sah.

Auch das Begleitschreiben zum Gebührenbescheid vom 27. Oktober 1999 enthält keine Zuweisung des Rufnummernaltbestandes, sondern nur den Hinweis, dass die Klägerin noch über den Gesamtbestand von 3,6 Millionen Rufnummernblöcken verfüge und das ein Teil davon von der Klägerin noch uneingeschränkt genutzt werde. Das Schreiben enthält dann die Schlussfolgerung: "...sehe ich derzeit eine Gebührenschuld von 385.937.500,00 DM als gesichert an und bitte den entsprechenden Betrag gemäß dem beiliegenden Gebührenbescheid fristgerecht zu begleichen". Darin liegt keine Regelung über die Nutzung, sondern nur ein Hinweis und eine Erläuterung zum anliegenden Gebührenbescheid.

Eine Zuteilungsentscheidung ergibt sich auch nicht stillschweigend aus dem Erlass des Gebührenbescheides und dem im Zusammenhang damit stehenden Schriftwechsel zwischen den Beteiligten.

Zwischen den Beteiligten war streitig, ob eine Zuteilung notwendig war oder nicht. Wenn die Beklagte angesichts dieser Meinungsverschiedenheit eine Regelung treffen wollte, hätte sie dies im Text deutlich zum Ausdruck bringen müssen und hätte das als Bundesbehörde mit der entsprechenden Kompetenz wahrscheinlich auch äußerlich durch die Form und die beigefügte Rechtsmittelbelehrung erkennbar gemacht. Angesichts der formlosen und nicht eindeutigen Schreiben konnte die Klägerin aber nicht erkennen, dass eine - inhaltlich weitreichende - Regelung getrof- fen werden sollte. Auch im öffentlichen Recht ist der Inhalt einer Willenserklärung in entsprechender Anwendung des § 133 BGB aus der Sicht des Empfängerhorizontes zu beurteilen.

Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Auflage 2000, § 22 Rdnr. 36; Obermayer, VwVfG, 3. Auflage 1999, § 22 Rdnr. 65.

Dass in dem Schreiben oder in dem Gebührenbescheid eine Zutei- lungsentscheidung enthalten sei, hat die Beklagte aber erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens über den Gebührenbescheid vorgetragen, ohne dass dies vorher für die Klägerin zu erkennen war.

Selbst wenn aber das Schreiben vom 27. Oktober 1999 eine ausdrückliche oder stillschweigende Zuteilung des Rufnummernaltbestandes darstellen sollte, wäre dieser Bescheid rechtswidrig.

Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß eines Zuteilungsbescheids ist § 43 Abs. 3 Satz 1 des Telekommunikatinsgesetzes vom 25. Juli 1996, BGBl.I S. 1120 (TKG). Nach dieser Vorschrift werden Nummern auf Antrag eines Betreibers von Telekommunikationsnetzen zugeteilt.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Zuteilungsbescheid wäre formell rechtswidrig, weil ein wirksamer, verfahrensrechtlichen Antrag fehlt und er wäre materiell rechtswidrig, weil die notwendige inhaltliche Mitwirkung der Klägerin fehlt.

Eine Verwaltungsbehörde entscheidet zwar gemäß § 22 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) grundsätzlich nach ihrem eigenen pflichtgemäßen Ermessen, ob sie ein Verwaltungsverfahren durchführt. Dieser Grundsatz gilt jedoch nach § 22 Satz 2 Nr. 2 VwVfG nicht, wenn die Behörde aufgrund gesetzlicher Vorschriften nur auf Antrag tätig werden darf und ein solcher Antrag nicht gestellt ist. Dabei handelt es sich typischerweise um Verfahren, die im Interesse eines Einzelnen, dessen Handeln einer Erlaubnis bedarf, durchgeführt werden.

§ 43 Abs. 3 Satz 1 TKG geht ausdrücklich davon aus, dass ein Antrag gestellt werden muss. Er folgt insoweit der Vorgabe der Richtlinie 96/19 EG vom 13. 3. 1996 zur Änderung der Richtlinie 90/388 EWG, ABl. Nr. L 74, S. 13, hinsichtlich der Einführung des vollständigen Wettbewerbs auf den Telekommunikationsmärkten, wonach die Nummernvergabe einen Antrag voraussetzt. Anders als § 47 Abs. 5 TKG, der eine Zuteilung von Frequenzen auch von Amts wegen zuläßt, sieht § 43 Abs. 3 TKG diese Möglichkeit gerade nicht vor.

Es handelt sich hier deshalb um einen mitwirkungsbedürfigen Verwaltungsakt, bei dem das Einverständnis des Betroffenen vorausgesetzt wird. Denn mit der Zuteilung von Nummern werden subjektive Rechte zugewiesen. Dem Bürger sollen gegen seinen Willen jedoch keine Wohltaten aufgedrängt und keine Pflichten aufgebürdet werden, zu deren Übernahme er nicht verpflichtet ist und die vielleicht seine Kraft übersteigen.

Demzufolge wurde § 2 Satz 1 des Entwurfs der Nummerngebührenverordnung - TNGebV - (Stand 2/99), der eine Nummernzuteilung ohne Antrag vorsah, im Laufe des Normsetzungsverfahrens 1999 wieder gestrichen, weil nach einer Stellungnahme des Bundesministerium der Justiz vom 10. Mai eine solche "Antragsfiktion" nicht von der Verordnungsermächtigung des § 43 Abs. 3 Satz 4 TKG gedeckt ist.

Die Klägerin hat hier ausdrücklich keinen Antrag auf Zuteilung des Nummernaltbestandes gestellt. Die fortdauernde Nutzung der Rufnummern des Altbestandes kann auch nicht als konkludente Antragstellung gewertet werden.

Der Wille und die Erklärung des Betroffenen können nur dort aus seinem Verhalten ermittelt werden, wo eine ausdrückliche Willenserklärung fehlt. Hat der Antragsteller ausdrücklich erklärt, dass er keinen Antrag stellen will, etwa weil er sein Handeln nicht für erlaubnisbedürftig hält, kann ihm ein stillschweigender Antrag grundsätzlich nicht gegen seinen erklärten Willen unterstellt werden.

Vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Auflage 1998, § 22 Rdnr. 37.

Das Herbeiführen einer erlaubnispflichtigen Lage allein gestattet ohne zusätzliche Indizien auch nicht den Schluß auf den Antragswillen.

OVG Koblenz, Urteil vom 16. Oktober 1985 - 11 A 16/84 -, NVwZ 1986, 576, 577; Knack/Clausen, VwVfG, 6. Auflage 1998, § 22 Rdn. 4.2; Obermayer, a. a. O., § 22 Rdnr. 66.

Angesichts dieser Maßstäbe ist davon auszugehen, dass die Klägerin keinen konkludenten Antrag auf Zuteilung des Nummernaltbestandes gestellt hat. Nachdem die Beklagte die Klägerin im Jahre 1997 aufgefordert hatte, einen Antrag zu stellen, hat die Klägerin schon im Juli 1997 darauf hingewiesen, dass sie sich dies vorbehalten wolle. Später hat die Klägerin mehrfach betont, dass sie den Nummernaltbestand nicht übernehmen wolle und dazu auch nicht verpflichtet sei. Da die Klägerin tatsächlich auch nur 265 Millionen Rufnummern nutzt, ist es aus ihrer Sicht verständlich, dass sie die Zuteilung von 3,6 Millionen Rufnummernblöcken zu je tausend Nummern angesichts des damit verbundenen Sanierungsaufwandes und der damit entstehenden Gebühren nicht willentlich herbeiführen möchte und dass dies nicht ihrer unternehmerischen Planung entspricht. Für Neuzuteilungen hat die Klägerin folgerichtig neue Nummernblöcke beantragt und nach Zuteilung dieser Blöcke die Gebühr dafür bezahlt.

Das Nichtstellen eines Antrages ist auch nicht als widersprüchliches Handeln nach dem Grundsatz "protestatio facto contraria non nocet" rechtsmissbräuchlich. Denn die Klägerin geht davon aus, dass sie zur Weiternutzung der schon früher vergebenen Nummern berechtigt ist und dass der Altbestand nicht mehr neu zuge- teilt werden muss. Ihr Verhalten ist damit nicht widersprüchlich, sondern von ihrem Standpunkt aus folgerichtig und rechtstreu. In solchen Fällen kann nicht von dem missbräuchlichen Ausnutzen einer formalen Position ausgegangen werden.

Vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 22 Rd. 26; OVG Münster, Beschluss vom 5. 7. 2000 - 13 B 2016/99 -; OVG Koblenz, Urteil vom 16. Oktober 1985 - 11 A 16/84 -, NVwZ 1986, S. 576ff.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass selbst im Haus der Beklagten unterschiedliche Rechtsauffassungen zur Frage der Zuteilungsbedürftigkeit der Rufnummern bestanden. Der Klägerin kann deshalb nicht unterstellt werden, bewußt gegen das Telekommunikationsgesetz zu verstoßen, um sich dadurch einer Zahlungspflicht zu entziehen.

Ein Zuteilungsantrag kann auch nicht deshalb fingiert werden, weil Schwierigkeiten bestehen, die Stellung eines Antrages zu erzwingen. Es kann offen bleiben, ob die Beklagte u. U. die Möglichkeit hat, durch Erlass eines feststellenden Verwaltungsaktes den Umfang von umstrittenen Rechten oder Pflichten klarzustellen.

Die fehlende Antragstellung ist auch nicht nach § 46 VwVfG geheilt. Nach § 46 VwVfG kann ein Fehlverhalten der Behörde unbeachtlich sein, wenn es sich dabei nur um ein bloßes Verfahrenserfordernis handelt.

Vgl. OVG Koblenz, a. a. O., S. 578.

Hier dient der Antrag aber nicht nur formell der Einleitung des Verwaltungsverfahrens als solchem, sondern ist wegen der Dispositionsmaxime des Bürgers auch materiellrechtlich notwendig. Sein Fehlen ist deshalb nicht als bloßer Verfahrensfehler heilbar, sondern führt mangels Vorliegen der sachlichen Vorausset- zungen zur Rechtswidrigkeit und Aufhebung des Zuteilungsbescheides.

Vgl. hierzu Siegmund, in: Brandt/Sachs, Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozeß, 1999, Rdnr. B 114.

Die weitere Nutzung der vor dem 1. Januar 1998 an Endkunden vergebenen Nummern ist kein Tatbestand, an den die Gebührenpflicht anknüpft.

Nach der Nummerngebührenverordnung werden Verwaltungsgebühren für die Zuteilung oder die Ablehnung eines entsprechenden Antrages erhoben und keine Benutzungsgebühren für die Nutzung der Nummer. Die Berücksichtigung des wirtschaftlichen Wertes ändert nichts an der grundsätzlichen Ausgestaltung als Verwaltungsgebühr und ihre auf die Zukunft bezogene Funktion als Lenkungsin- strument. Der wirtschaftliche Wert der Nutzung ist nur der Maßstab für die Gebührenhöhe, kein Entgelt für die Benutzung als solche. Die rechtmäßige Nutzung der Nummern ohne verwaltungsmäßige Zuteilungsentscheidung kann daher keine Verwaltungsgebühr auslösen.

Die Verleihung von Monopolrechten durch § 1 Abs. 1 und 4 des Fernmeldeanlagengesetzes - FAG - (Art. 5 des Postneuordnungsgesetzes vom 14. 9. 1994, BGBl. I S. 2325 -PTNeuOG -) stellt als Gesetzgebungsakt auch keine Verwaltungsentscheidung dar, an die eine Gebührenpflicht anknüpfen könnte.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.






VG Köln:
Urteil v. 08.12.2000
Az: 11 K 10380/99


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