Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 14. Januar 1994
Aktenzeichen: 6 U 225/93

(OLG Köln: Urteil v. 14.01.1994, Az.: 6 U 225/93)

Die Vollziehung einer im Beschlußwege erlassenen einstweiligen Verfügung (Unterlassungsverfügung) kann rechtswirksam durch Zustellung an den Antragsgegner persönlich erfolgen, wenn dieser das Verfahren durch einen auswärtigen Rechtsanwalt hat betreiben lassen, der bei dem Verfügungsgericht nicht zugelassen war.

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 3. August 1993 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 145/93 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Gründe

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin bleibt in der Sache

ohne Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, daß das Verfahren in

der Hauptsache erledigt ist. Der Verfügungsantrag war bis zur

Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 21. April 1993

durch die Antragsgegnerin zulässig und begründet. Insofern hätte

das Landgericht sein Beschlußverfügung vom 4. März 1993 auf den

Widerspruch der Antragsgegnerin hin bestätigen müssen, wenn sich

das Verfahren nicht durch die Unterwerfungserklärung in der

Hauptsache erledigt hätte.

Der Antragstellerin stand ein Unterlassungsanspruch aus § 16

Abs. 1 UWG zu, da der Titel der von ihr herausge- gebenen

Zeitschrift "W.H." als Titel einer Druckschrift im Sinne des § 16

Abs. 1 UWG geschützt ist und die Bezeichnung der von der

Antragsgegnerin herausgegebenen Zeitschrift "W.H. Journal" mit

diesem verwechslungsfä- hig ist.

Der Titel der Druckschrift der Antragstellerin stellte eine

besondere Bezeichnung dar, da der Titel hinrei- chend geeignet ist,

das Werk von anderen zu unterschei- den, zumal für den Titelschutz,

insbesondere für Zei- tungen und Zeitschriften, keine zu großen

Anforderungen an die Unterscheidungskraft zu stellen sind. Schon

eine geringfügige Unterscheidungskraft rechtfertigt den Titelschutz

(Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Aufl., § 16 UWG Rn 118

a).

Da die Antragsgegnerin für ihre Zeitschrift einen

teilidentischen Titel gewählt hat, der allein durch den

(deskritiven) Zusatz "Journal" ergänzt worden ist, wird beim

unbefangenen Betrachter, der sich für derartige Publikationen

interessiert, der Eindruck erweckt, es handele bei sich dem "W.H.

Journal" um eine Spezial- ausgabe des Magazins "W.H.". Zumindest

wird er davon ausgehen, daß rechtliche oder organisatorische Zusam-

menhänge zwischen den Herausgebern oder Verlagen dieser beiden

Zeitschriften bestehen.

Da die Frage des Titelschutzes und der Verwechslungsfä- higkeit

zwischen den Parteien nicht mehr streitig ist, wird insoweit auf

die erstinstanzliche Entscheidung und auf die in dieser in Bezug

genommene Abmahnung der An- tragstellerin vom 28. Februar 1993

verwiesen.

Die Antragsgegnerin wendet lediglich ein, eine Erle- digung des

Verfahrens in der Hauptsache sei deshalb nicht eingetreten, weil

die im Beschlußverfahren erlassene einstweilige Verfügung des

Landgerichts Köln vom 14. März 1993 nicht fristgerecht vollzogen

worden sei. Hierzu hat das Landgericht jedoch zu Recht

festgestellt, daß eine fristgerechte Vollziehung der

Beschlußverfügung vorliegt, da die hierzu erfor- derliche

Zustellung innerhalb der Monatsfrist gemäß §§ 929 Abs. 2, 936 ZPO

am 16. März 1993 rechtswirksam an die Antragsgegnerin persönlich

erfolgt ist.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin konnte die

Zustellung an sie persönlich wirksam erfolgen; einer Zustellung an

ihren E.er Bevollmächtigten bedurfte es nicht. Es kann dahinstehen,

ob allein in der Einreichung der Schutzschrift durch den E.er

Bevollmächtigten schon hinreichend zum Ausdruck gekommen ist, daß

sich dieser für ein etwaiges einstweiliges Verfügungsver- fahren

bestellen wollte (grundsätzlich verneinend: OLG Düsseldorf GRUR

1984, 79, 80), denn der Bevollmächtigte hat jedenfalls in seinem

Schreiben an die Anwälte der Antragstellerin vom 3. März 1993

mitgeteilt, daß er Zustellungs- und Prozeßvollmacht besitze.

Grundsätzlich hat zwar gemäß § 176 ZPO die Zustellung nicht an die

Partei, sondern an ihren Prozeßbevollmächtigten zu er- folgen, wenn

es sich um die Zustellung "in einem anhän- gigen Verfahren"

handelt; § 176 ZPO ist jedoch im vor- liegenden Fall nicht

anwendbar.

Der Wortlaut dieser Vorschrift spricht zwar dafür, den E.er

Rechtsanwalt als "Prozeßbevollmächtigten in einem anhängigen

Verfahren" anzusehen, da das einstweilige Verfügungsverfahren

anhängig ist, die Antragsgegnerin Partei dieses

Verfügungsverfahrens ist und der E.er Bevollmächtigte zuvor der

Antragstellerin gegenüber an- gezeigt hat, daß er Prozeßvollmacht

der Antragsgegnerin besitze; der E.er Anwalt ist aber nicht bei dem

Land- gericht Köln zugelassen und damit nicht postulationsfä- hig.

Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des Kammergerichts (WRP

1979, 547, 549) und der Oberlandes- gerichte Düsseldorf (WRP 1982,

531, 532) und Hamm (GRUR 1992, 887, 888), wonach

Prozeßbevollmächtigter im Sinne des § 176 ZPO nur derjenige sein

kann, der für das gesamte Verfahren des ersten Rechtszugs

postulations- fähig ist (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht,

17. Aufl., § 25 UWG Rn. 56 a; OLG Karlsruhe WRP 1986, 166,

167).

Nach dem Wortlaut des § 176 ZPO ist nur an den für "den

Rechtszug bestellten" Prozeßbevollmächtigten zuzustellen. Rechtszug

im Sinne dieser Vorschrift ist das gesamte Verfahren erster

Instanz. Dies zeigt schon § 178 ZPO, durch den der Rahmen des § 176

ZPO ausge- füllt wird, und die Regelung des Umfangs der Vollmacht

in § 80 ZPO (Melullis WRP 1982, 249, 250). Zwar konnte der E.er

Bevollmächtigte der Antragsgegnerin diese bis zum Erlaß der

Beschlußverfügung vor dem Landgericht Köln vertreten, da im

Beschlußverfahren kein Anwalts- zwang besteht; jedoch schon der

Widerspruch gegen diese Beschlußverfügung konnte nur durch einen

beim Landge- richt Köln zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden.

Der Begriff des Rechtszugs in § 176 ZPO läßt sich nicht dergestalt

aufteilen, daß jeweils nur der in Rede ste- hende

Verfahrensabschnitt gemeint ist, für den ein Pro-

zeßbevollmächtigter sich bestellt hat. (vgl. OLG Hamm GRUR 1992,

887, 888).

Dies widerspräche auch dem Sinn und der Funktion des § 176 ZPO.

Durch diese Vorschrift soll eine Konzen- tration des gesamten

Prozeßmaterials in einer Hand erreicht werden mit dem Ziel einer

einheitlichen und straffen Prozeßführung. Zugleich soll

sichergestellt werden, daß Zustellungen, durch die Fristen in Lauf

und Termine gesetzt werden können, an denjenigen gelangen, der die

Bedeutung der zugestellten Schriftstücke erken- nen und die

notwendigen Schritte einleiten kann. Diese Bedürfnisse treten bei

der im Beschlußweg ergangenen einstweiligen Verfügung nicht auf,

insbesondere ist der gegen sie gegebene Widerspruch nicht an

Fristen oder Termine gebunden. Auch der grundsätzliche Zweck der

Norm, die Konzentration des Prozeßstoffes in einer Hand, wird nicht

erreicht, wenn der anwaltliche Vertreter bei dem Prozeßgericht

nicht postulationsfähig ist. Eine dem Zweck entsprechende

Konzentration ist nur dann sinnvoll zu erzielen, wenn der

Parteivertreter für den gesamten Rechtszug bestellt werden,

insbesondere für den Antragsgegner Widerspruch einlegen und ihn in

der folgenden Verhandlung vertreten kann (vgl. Melullis WRP 1982,

249, 251; Deutsch GRUR 1990, 327, 329; Groß-

kommentar/Schultz-Süchting UWG § 25 Rn 152).

Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, daß das Gesetz in §

176 ZPO nur vom Prozeßbevollmächtigten und nicht vom Rechtsanwalt

spricht, so daß auch ein Dritter im Sinne dieser Bestimmung ein

Prozeßbevollmächtigter sein kann. Damit kommt - entgegen der

Auffassung der Antragsgegnerin - nicht zum Ausdruck, daß es auf die

Postulationsfähigkeit eines Anwalts nicht ankommt, solange er nur

Prozeßvollmacht besitzt. Die Regelung des § 176 ZPO gilt nämlich

auch für die Verfahren, bei denen - wie beim amtsgerichtlichen

Verfahren - kein Anwaltszwang besteht, so daß auch Dritte, die

nicht Rechtsanwälte sind, Prozeßbevollmächtigte sein können. Diese

Prozeßbevollmächtigten können in diesen Verfahren die Partei, von

der sie die Prozeßvollmacht erhalten haben, im gesamten ersten

Rechtszug vertreten, so daß auch an sie gemäß § 176 ZPO zuzustellen

ist. Die Verwendung des Begriffs "Prozeßbevollmächtigter" in § 176

ZPO führt demnach nicht zu dem Schluß, daß auch an nicht

postulationsfähige Bevollmächtigte zuzustellen ist.

Mit dieser Entscheidung setzt sich der Senat nicht in

Widerspruch zu seiner früheren Entscheidung (MDR 1976, 50), nach

der im Falle der Verweisung eines Rechts- streits der zunächst

bestellte Prozeßbevollmächtigte solange für Zustellungen zuständig,

bis ein neuer Pro- zeßbevollmächtigter bestellt ist. Im Gegensatz

zum vor- liegenden Fall war in dem damals entschiedenen Fall der

Prozeßbevollmächtigte für den gesamten ersten Rechtszug

postulationsfähig; er hatte seine Postulationsfähigkeit erst durch

die Verweisung des Rechtsstreits an ein anderes Gericht verloren.

In einem solchen Fall ist aus dem Rechtsgedanken des § 210 a ZPO

eine Regelung zu treffen, die eine Zustellung sicherstellt. Ein

solches Bedürfnis bestand jedoch - wie oben dargelegt - im vor-

liegenden Fall nicht.

Ist nach allem § 176 ZPO vorliegend nicht anwendbar, konnte die

Beschlußverfügung der Antragsgegnerin persönlich zugestellt werden.

Durch die Zustellung am 16. März 1993 ist somit eine Zustellung

innerhalb der Monatsfrist nach §§ 929 Abs. 2, 936 ZPO wirksam

erfolgt.

Das Verfügungsbegehren der Antragstellerin war deshalb im

Zeitpunkt des Zugangs der Unterwerfungserklärung der

Antragsgegnerin zulässig und begründet. Durch den Zugang der

annahmefähigen Unterwerfungserklärung am 23. April 1993 hat sich

das anhängige Verfahren in der Hauptsache erledigt, weil mit ihr

die Wiederholungsge- fahr beseitigt worden und der

Verfügungsanspruch ent- fallen ist. Demnach war auf Antrag der

Antragstellerin durch das Landgericht festzustellen, daß das

Verfahren in der Hauptsache erledigt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig, § 545 Abs. 2

ZPO.






OLG Köln:
Urteil v. 14.01.1994
Az: 6 U 225/93


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