Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Januar 2003
Aktenzeichen: 24 W (pat) 50/02

(BPatG: Beschluss v. 14.01.2003, Az.: 24 W (pat) 50/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Wortmarke Orangerieist für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 29, 30 und 42 zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung durch Beschluß eines Beamten des gehobenen Dienstes teilweise, nämlich für die Dienstleistung

"Verpflegung von Gästen", wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft und als beschreibende freihaltebedürftige Angabe gemäß §§ 37 Abs 1, 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, die durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher, welche die als Gebäudeteile zahlreicher Barockschloßanlagen landauf landab vorhandenen Orangerien kennten bzw besuchten, sähen in der Bezeichnung "Orangerie" für Verpflegungsdienstleistungen nur einen Hinweis darauf, daß es sich hierbei um ein Verpflegungsetablissement in einer bzw in der Nähe einer Orangerie handle, so wie zB in der Bezeichnung "Schloß", "Burg" oder "Kloster" ein Hinweis auf die gebäudemäßige Unterbringung von Gaststätten, Cafes etc in (irgend) einem Schloß etc gesehen würde. Der Marke fehle daher die Unterscheidungskraft. Außerdem bestehe an ihr ein Freihaltebedürfnis, da die Mitbewerber des Anmelders ein berechtigtes Interesse hätten, ungehindert darauf hinweisen zu können, daß sie einen Gastronomiebetrieb in einer Orangerie unterhielten.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er ist der Ansicht, der Begriff "Orangerie" stelle keine Sachaussage in bezug auf die Dienstleistung "Verpflegung" dar, weil die Bezeichnung eines Gartenhauses zum Überwintern von Pflanzen begrifflich nichts mit der Bewirtung von Gästen zu tun habe. Die in Frage kommenden Verkehrskreise, denen der Begriff "Orangerie" auch nicht überwiegend bekannt sei, würden daher in der Marke keinen Hinweis auf ein Verpflegungsetablissement in einer bzw in der Nähe einer Orangerie sehen. Die Marke sei daher unterscheidungskräftig. An der Marke bestehe auch kein Freihaltebedürfnis. Der Begriff "Organerie" sei allenfalls für die Dienstleistungen eines Gartenbaubetriebes beschreibend. Die vom Senat übermittelte Internet-Recherche weise zum Teil einen namens- bzw firmenmäßigen Gebrauch der Bezeichnung "Orangerie" für Verpflegungsbetriebe aus. Die Schutzfähigkeit der Anmeldemarke werde durch die Eintragungspraxis des Deutschen Patent- und Markenamts bestätigt, welches zB die Begriffe "Christkindlmarkt" für "Tee" sowie "Cafe du Paris" für die "Verpflegung von Gästen" sowie zahlreiche vergleichbare Gebäude- bzw Ortsbezeichnungen eingetragen habe, so ua für "Verpflegung; Beherbergung von Gästen" die Marken 300 43 688 "Rosengarten", 399 51 637 "Dresdner Rosengarten", 1 061 533 "GROSSER ROSENGARTEN MÜNCHEN", 399 38 802 "Volksparkstadion", 395 16 024 "Hotel Am Stadtpark". Auch das Bundespatentgericht habe beispielsweise die Marken "GYMNASIUM" für die von einem Gymnastik- und Fitneß-Studio angebotenen Dienstleistungen (BPatG v 30. 04. 2002, 24 W (pat) 23/01) sowie "Romanisches Cafe" für die "Verpflegung von Gästen" (BPatG v 17. 07. 2001, 24 W (pat) 49/01) für schutzfähig erachtet.

Der Anmelder beantragt (sinngemäß), den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Außerdem regt er die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu der Frage der fehlenden Unterscheidungskraft und eines Freihaltebedürfnisses bei der Fallgruppe der Orts- und Gebäudebezeichnungen an.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 165 Abs 4 und 5 Nr 1 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Nach Auffassung des Senats steht der Eintragung der Marke für die beschwerdegegenständliche Dienstleistung "Verpflegung" jedenfalls das absolute Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat daher die Anmeldung insoweit zu Recht zurückgewiesen.

Die im Tenor des angefochtenen Beschlusses erfolgte Zurückweisung für die Dienstleistung "Verpflegung von Gästen" anstatt für den im Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen der Anmeldung angegebenen Dienstleistungsbegriff "Verpflegung" stellt eine ersichtlich auf einem Schreib- oder Lesefehler beruhende offensichtliche Unrichtigkeit dar, die jederzeit berichtigt werden könnte (analog § 80 Abs 1 MarkenG) und daher unbeachtlich ist.

Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind solche Marken dem Registerschutz nicht zugänglich, die im Verkehr ua zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Um eine in diesem Sinn beschreibende freihaltebedürftige Sachangabe, die zur Bezeichnung des Ortes der Erbringung der beschwerdegegenständlichen Dienstleistung dienen kann, handelt es sich bei der angemeldeten Marke.

Eine "Orangerie" war zwar ursprünglich ein Gewächshaus zum Überwintern der während des Sommers im Garten aufgestellten Orangenbäume und anderer nicht winterfester Pflanzen. Im 17. Jahrhundert baute man dann allerdings ortsfeste Häuser, die bald auch reich ausgestattete heizbare Salons und Badestuben besaßen und als Wintergarten sowie der höfischen Festlichkeit dienten. Beispiele von bekannten Orangerien in Deutschland, die meist Teil von Renaissance-, Barock- oder Rokoko-Schloß-Anlagen sind, sind die Orangerie in Groß-Sedlitz bei Dresden, in Kassel, im Schloßpark in Schwetzingen sowie im Park von Schloß Sanssouci in Potsdamm (vgl Brockhaus Enzyklopädie, 13. Bd, 17. Aufl 1971, S 770). Orangerien haben also schon in historischer Zeit nicht nur zur Überwinterung von Pflanzen gedient, sondern auch anderen gesellschaftlichen Zwecken. Heute werden die historischen Baulichkeiten von Orangerien außer für museale Zwecke häufig als Ort für Kulturveranstaltungen sowie insbesondere auch zur Unterbringung von Gastronomiebetrieben, wie Restaurants, Cafes uä genutzt. Dies belegt die dem Anmelder übersandte Internet-Recherche des Senats (vgl hierzu insbesondere auf der Seite www.fondationhermitage.ch unter dem Stichwort "Verpflegung": "...Es (das Cafe-Restaurant der Hermitage) ist in der ehemaligen Orangerie untergebracht.", auf der Seite www.tuchemnitz.de, Seite 2 von 3, ebenfalls unter dem Stichwort "Verpflegung": "In der "Orangerie" hat das Restaurant "Milliways" seinen Stand aufgebaut ...", auf der Seite www.fraunhofer.de unter dem Stichwort "Kunst-Klima" im 1. Absatz: " ...Jetzt soll die Orangerie (im Schweriner Schloß) restauriert und im Medaillonsaal ein Restaurant eingerichtet werden. ..."). Des weiteren ergab die Recherche, daß außerdem Restaurants bzw Cafes in der Orangerie Ansbach (vgl www.orangerieansbach.de, Seite 1 von 1 u Seite 1 von 3), in der Orangerie des Residenzschlosses Bamberg (vgl www.residenzschloss.com), in der Orangerie des Schlosses Neuhardenberg (vgl www.schlossneuhardenberg.de) sowie in der Orangerie im Seckendorff-Park in Meuselwitz (vgl www.pibt.de) untergebracht sind. Hierbei ist unerheblich, ob einige der genannten Restaurants oder Cafes die Bezeichnung "Orangerie" möglicherweise namensmäßig verwenden, zumal häufig auch beschreibende Angaben zur namens- oder firmenmäßigen Kennzeichnung eingesetzt werden. Die Liste von Restaurants, Cafes oder Hotels, die im In- und Ausland die Örtlichkeiten ehemaliger Orangerien nutzen, ließe sich ohne weiteres noch fortführen und entspricht dem Trend und der Tradition, Gastronomieeinrichtungen in historischen Gebäuden, wie beispielsweise Schlössern, Burgen oder Klöstern zu betreiben, nicht zuletzt weil sich solche Gebäude wegen ihrer Lage an meist kulturgeschichtlich interessanten Orten und wegen ihres Ambientes in besonderem Maße für gastronomische Zwecke eignen.

Auch kann davon ausgegangen werden, daß zumindest beachtlichen Teilen des angesprochenen inländischen Verkehrs der Begriff "Orangerie" als Bezeichnung des besagten historischen Gebäudetyps geläufig ist, da Orangerien in vielen Orten Deutschlands zu finden sind, so außer in den oben genannten, ua auch in Gera, Düsseldorf, Fulda, Eichstätt, Putbus, Schlüchtern-Ramholz, Erlangen, Rheda-Wiedenbrüch, Darmstadt, Bad Arolsen, Weimar, Hannover, Brühl, Tübingen, Karlsruhe, Stuttgart, Blieskastel, Weilburg, Neustrelitz und Herne. Die Mehrzahl der Durchschnittsverbraucher wird daher eine Orangerie in näherer oder weiterer Umgebung kennen.

Im Hinblick auf die tatsächlich festgestellte Nutzung von ehemaligen Orangerien zu Gastronomiezwecken kann der angemeldete, dem inländischen Publikum verständliche Begriff "Orangerie" mithin im inländischen Geschäftsverkehr zur Bezeichnung eines sonstigen Merkmals der Dienstleistung "Verpflegung" dienen, nämlich zur Bezeichnung des Gebäudes bzw des Ortes ihrer Erbringung in einer Orangerie. Hierzu eignet sich das Wort "Orangerie" auch in Alleinstellung und bedarf nicht notwendig einer Ergänzung beispielsweise um den Namen des Ortes oder Schlosses, in dem sich die betreffende Orangerie befindet. Zum einen ist bereits die Tatsache, daß die Gäste in einer Orangerie, also einem historischen Gebäude dieser Art, verpflegt werden, ein erwähnenswertes und den Gast interessierendes Merkmal, vergleichbar dem Hinweis auf die Verpflegung in einem Schloß, einer Burg oder einem Kloster. Zum anderen genügt im örtlichen oder regionalen Raum als Hinweis auf die Lokalität der Verpflegungsdienstleistungen allein die Angabe "Orangerie", da sich in einer Stadt oder in einem Schloß kaum mehrere Orangerien befinden, die näher bezeichnet werden müßten.

Schließlich geben die von dem Anmelder angeführten vom Bundespatentgericht und vom Deutschen Patent- und Markenamt für schutzfähig erachteten Marken keinen Anlaß für eine hiervon abweichende Beurteilung. Zum Teil ist die Sach- und Rechtslage, die diesen Markenanmeldungen zugrunde liegt, schon nicht ohne weiteres mit der vorliegenden Anmeldung zu vergleichen. So ist ein Gymnasium kein Ort, den Gymnastik- oder Fitneß-Studios üblicherweise zur Erbringung der von ihnen angebotenen Dienstleistungen nutzen. Auch eignen sich Rosengärten weniger zur gastronomischen Nutzung als die geschlossenen Baulichkeiten einer Orangerie. Im übrigen kann grundsätzlich aus der Eintragung vergleichbarer oder selbst gleicher Marken auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art 3 GG) kein Eintragungsanspruch hergeleitet werden, da es sich bei der Entscheidung über die Eintragbarkeit einer Marke nicht um eine Ermessens-, sondern um eine gebundene Entscheidung handelt (vgl ua BGH GRUR 1997, 527, 529 "Autofelge"; BlPMZ 1998, 248, 249 "Today"). Weiter muß die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns im Einklang gebracht werden, das besagt, daß sich niemand auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen kann (vgl EuGH MarkenR 2002, 260, 266 "SAT. 2").

Der Eintragung der angemeldeten Marke steht demnach aus den dargelegten Gründen das Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegen. Im Hinblick darauf kann dahingestellt bleiben, ob auch der Versagungsgrund der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zu bejahen wäre.

Für die von dem Anmelder angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde sieht der Senat keine Veranlassung, weil weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war (§ 83 Abs 2 Nr 1 MarkenG) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes erfordert (§ 83 Abs 2 Nr 2 MarkenG). Dabei verleiht die bloße Tatsache, daß eine bestimmte Rechtsfrage bisher noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung war, ihr noch keine grundsätzliche Bedeutung (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 83 Rdn 17). Vorliegend beruht die Wertung, daß das angemeldete Wort "Orangerie" als Hinweis auf den Ort der Erbringung der fraglichen Dienstleistung "Verpflegung" dienen kann, vorwiegend auf der Feststellung tatsächlicher Gegebenheiten, die nicht im Rahmen der Rechtsbeschwerde nachprüfbar sind.

Dr. Ströbele Richter Guth ist wegen Urlaubs an der Unterzeichnung gehindert.

Dr. Ströbele Kirschneck Bb






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Az: 24 W (pat) 50/02


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