Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 20. März 2009
Aktenzeichen: 6 U 167/08

(OLG Köln: Urteil v. 20.03.2009, Az.: 6 U 167/08)

Tenor

I.) Die Berufung der Beklagten gegen das am 23.7.2008 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 657/07 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass

1.) Ziffer 1) des Tenors vor lit. a) wie folgt neu gefasst wird:

„Die Beklagten werden verurteilt, für den Zeitraum vom 1.1.2003 bis zum 22.9.2003 Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen und für den Zeitraum vom 23.9.2003 bis zum 31.10.2005 Rechnung zu legen darüber, in welchem Umfang sie allein und/oder im (bewussten und gewollten) Zusammenwirken gewerbsmäßig entgeltlich Trägermaterial im Sinne des § 42 b Abs. 1 öUrhG erstmals in P in Verkehr gebracht haben, insbesondere an Händler oder Letztverbraucher in P versendet haben und versenden ließen. Insbesondere sind anzugeben und aufzuschlüsseln:“

und

2.) im letzten Absatz von Ziffer 1) des Tenors vor Ziffer 2) die Parenthese „vorbehaltlich einer Überprüfung durch einen Sachverständigen“ ersatzlos entfällt und es in der zweiten Zeile statt „die Klägerin“ „der Klägerin“ heißt.

II.) Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben die Beklagten jeder zu 1/5 und im Übrigen als Gesamtschuldner zu tragen.

III.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können jedoch die Vollstreckung des Auskunfts- und des Rechnungslegungsanspruches durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheitsleistung beträgt hinsichtlich der Auskunftsverpflichtung 10.000 € und hinsichtlich der Verpflichtung zur Rechnungslegung 40.000 €.

Die Vollstreckung des Kostenerstattungsanspruches können die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.) Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

B e g r ü n d u n g

Wegen des Sachverhaltes wird gem. § 540 Abs.1 S.1 Ziff.1 ZPO auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung, mit der sie die vollständige Abweisung der Klage erstreben, beanstanden die Beklagten u.a., nach den einschlägigen Pischen Bestimmungen liege ein Inverkehrbringen der Rohlinge nicht vor. Zudem habe das Landgericht die Verpflichtung zum Schadensersatz der Höhe nach zu Unrecht an dem von den beteiligten Organisationen in P geschlossenen Gesamtvertrag orientiert. Dieser sei für sie nicht maßgeblich und entspreche auch nicht der Verkehrssitte in P. Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Parteien den Auskunfts- und den Rechnungslegungsanspruch insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt, als diese Ansprüche der Klägerin durch das Landgericht über die vorliegende Entscheidung hinaus zuerkannt worden waren.

II

Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Soweit die Parteien den Rechtsstreit nicht in der mündlichen Berufungsverhandlung am 6.2.2009 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, sind die Klageansprüche begründet. Die Neufassung des landgerichtlichen Tenors durch Ziffer I 1 b) dieses Urteils stellt einen Teilerfolg der Berufung nicht dar.

1. Zu Recht hat das Landgericht seine internationale (und örtliche) Zuständigkeit damit begründet, dass die Beklagte zu 1) mit Sitz in C eine Zweigniederlassung der Beklagten zu 3) im Sinne von Art. 5 Nr. 5 EuGVVO ist. Der Senat sieht hierzu von weiteren Ausführungen ab, nachdem die Beklagten ausdrücklich erklärt haben, Einwände gegen die internationale Zuständigkeit nicht (mehr) zu erheben.

2. Ebenfalls zutreffend und von der Berufung nicht beanstandet hat das Landgericht aus dem Schutzlandprinzip (vgl. z.B. Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., vor §§ 120 ff. Rz. 28) die Anwendbarkeit des materiellen p Rechts hergeleitet und die Klägerin hinsichtlich der streitgegenständlichen Ansprüche gem. § 42 b Abs. 5 öUrhG als aktivlegitimiert angesehen.

3. Zu Recht hat das Landgericht auch ein vergütungspflichtiges Inverkehrbringen des Trägermaterials in P durch die Beklagten bejaht und hieraus gem. § 87 a Abs. 1 öUrhG ihre Verpflichtung zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung abgeleitet.

Die Bestimmung des § 42 b Abs. 3 Nr. 1 öUrhG knüpft die Zahlungspflicht an das Inverkehrbringen des Trägermaterials in P an. Zahlungspflichtig ist danach sowohl derjenige, der das Trägermaterial "von einer im In- oder Ausland gelegenen Stelle aus als erster gewerbsmäßig entgeltlich in Verkehr bringt", als auch derjenige, der Trägermaterial "im Inland gewerbsmäßig, jedoch nicht als erster in Verkehr bringt oder feilhält". Letzterer haftet "wie ein Bürge und Zahler".

Das Landgericht hat offen gelassen, welche dieser Alternativen greife, da die Beklagte zu 1) jedenfalls entgeltlich und gewerblich an dieser Tätigkeit beteiligt gewesen sei. Den Beklagten ist einzuräumen, dass die zweite Alternative, also das Inverkehrbringen nicht als Erster, nicht vorliegen kann. Diese Gesetzesalternative betrifft die Fälle, in denen das Trägermaterial vom Hersteller - sei es von P, sei es vom Ausland aus - in P bereits in Verkehr gebracht worden ist und sodann dort von einem (Zwischen-) Händler weiter verbreitet wird. Dieser ist dann (auch) - wenn auch nur "wie ein Bürge und Zahler" - zahlungspflichtig. Die Beklagten haben ihren Sitz nicht in P. Sie können die Rohlinge daher aus p Sicht nur vom Ausland aus, also als Importeur, in P in Verkehr gebracht haben. Das war aber nicht möglich, wenn die Waren sich dort bereits im Verkehr befunden haben.

Indes ist die erste Alternative entgegen der Auffassung der Beklagten erfüllt: Die Beklagten, die offenkundig gewerbsmäßig und entgeltlich gehandelt haben, haben die Trägermaterialien von E bzw. M aus nach P importiert und daher dort als erste in Verkehr gebracht.

Ein Inverkehrbringen stellt im deutschen Recht jede Handlung dar, die die Ware aus der internen Betriebssphäre der allgemeinen Öffentlichkeit des Handelsverkehrs zuführt (vgl. BGH GRUR 421, 424 - "Tonträgerpiraterie durch CD-Export"; Dreier/ Schulze a.a.O. § 17 Rz. 15). Anhaltspunkte dafür, dass der Begriff des "Inverkehrbringen", der bereits nach seinem Wortlaut kaum eine andere Auslegung zulässt, nach p Recht anders aufgefasst werden könnte, bestehen nicht. Die sich danach stellenden Voraussetzungen sind erfüllt. Das gilt auch angesichts des Umstandes, dass sämtliche Beklagten ihren Sitz nicht in P haben und dort auch nicht tätig werden. Der Gesetzeswortlaut lässt es für die hier in Rede stehende erste Alternative genügen, dass das Inverkehrbringen "von einer im In- oder im Ausland gelegenen Stelle aus" erfolgt. Die Beklagten haben durch den Export der Rohlinge von E nach P diese dort der allgemeinen Öffentlichkeit des Handelsverkehrs zugeführt und mithin in Verkehr gebracht.

Dass die aktuelle Gesetzesfassung auf einer Novellierung aus dem Jahre 2005 beruht und die Beklagte zu 1) nach der Behauptung der Beklagten lediglich bis September 2005 Rohlinge auch nach P geliefert hat, ist unerheblich. Allerdings enthielt der frühere Gesetzestext die Formulierung, wonach das Inverkehrbringen auch vom Ausland aus die Zahlungspflicht begründet, nicht. Die Klägerin hat jedoch unwidersprochen und unter auszugsweiser Zitierung des einschlägigen Berichts des p Justizausschusses ausgeführt, es habe sich bei dieser Novellierung lediglich um eine Klarstellung und nicht eine Neuregelung gehandelt. In dem zitierten Bericht des p Justizausschusses heißt es, es sei (wegen der gestiegenen Bedeutung der Leerkassettenvergütung durch das Auftreten von Onlineversandhändlern) "zweckmäßig, die Zahlungspflicht auch für diese Fälle ausdrücklich klar zu stellen". Angesichts des Umstandes, dass auch der frühere Text ("derjenige, der das Trägermaterial … im Inland als Erster gewerbsmäßig … in den Verkehr bringt"), ohne weiteres dahin verstanden werden kann, dass er auch Handlungen aus dem Ausland erfasst, ist davon auszugehen, dass es sich tatsächlich nicht um eine materiell rechtliche Änderung des Gesetzes gehandelt hat.

Die Beklagten wenden ein, zum einen erfolge das Inverkehrbringen nicht durch sie, sondern durch die Kunden selbst, weil diese bereits in E Eigentümer der Ware würden (a), und zum anderen sei das Inverkehrbringen ohnehin bereits vorher in E erfolgt (b). Beide Gesichtspunkte greifen nicht durch:

a) Es trifft schon nicht zu, dass die Kunden bereits in E Eigentum erwerben (aa), zudem würde auch dies der Wertung nicht entgegenstehen, dass die Beklagten die Trägermaterialien in P in Verkehr bringen (bb).

aa) Für die Frage, ob - wie die Beklagten meinen - die Kunden bereits mit der Beauftragung des Frachtunternehmers Eigentümer der Trägermaterialien werden, ist nach der lex rei sitae-Regel des Artikels 43 EGBGB auch angesichts des Umstandes, dass die Beklagte zu 3) ein Misches Unternehmen mit Sitz in M ist und die Kunden in P ansässig sind, ausschließlich deutsches Recht anzuwenden, weil sich die Ware zu dem fraglichen Zeitpunkt der Übergabe an den Frachtführer hier befindet.

Nach deutschem Recht geht das Eigentum entgegen der Auffassung der Beklagten nicht bereits mit der Übergabe an den Frachtführer auf den Erwerber über. Eine solche Übereignung gemäß § 929 Satz 1 BGB würde voraussetzen, dass der Frachtführer Geheißperson des Kunden wäre. Dieser müsste also zum Ausdruck gebracht haben, dass er das Eigentum bereits mit der Übergabe nicht an sich selbst, sondern schon an jenen Frachtführer erlangen wolle. Das kann aber nicht angenommen werden. Mangels individueller Erklärungen einzelner Kunden müsste sich aus den AGB der Beklagten ergeben, dass das Vertragsangebot einen derartigen frühen Eigentumsübergang bereits bei Übergabe vorsieht. Das ist aber nicht der Fall: Ausdrücklich ist der Eigentumsübergang nur im Rahmen des Eigentumsvorbehalts angesprochen, im Übrigen betreffen die von den Beklagten angeführten AGB-Klauseln schuldrechtliche und damit für den Eigentumsübergang nicht maßgebliche Regelungen. Dass der Vertrag gemäß der unter der Überschrift "Vertragsabschluss" formulierten Klausel bereits geschlossen ist, "wenn die Annahme der Bestellung bestätigt oder die Lieferung ausgeführt wird", betrifft nur den Kaufvertrag und besagt entgegen der Auffassung der Beklagten für den Eigentumsübergang nichts. Dass - am Ende des Klauselwerks unter der Überschrift "Erfüllungsort, Gerichtsstand" - als Erfüllungsort der "Sitz unserer gewerblichen Niederlassung" angegeben ist, besagt ebenfalls nicht, dass das Eigentum bereits bei der Übergabe an den Frachtführer in E übergehen soll: Es handelt sich um die AGB der Beklagten zu 3), die ihren Sitz in M hat. Erfüllungsort wäre danach X in M und nicht der deutsche Standort des Logistikzentrums. Im Übrigen spricht der Zusammenhang der Klausel ganz am Ende dafür, dass die Formulierung ohnehin nur dazu dienen soll, den Gerichtsstand zu bestimmen. Eine solche Erfüllungsortvereinbarung ist für den Leistungsort gemäß § 269 BGB ohne Bedeutung (vgl. BGH NJW-RR 98, 755).

Es kommt hinzu, dass sich in den AGB Formulierungen finden, aus denen im Gegenteil hervorgeht, dass eine Übereignung in dem von den Beklagten in Anspruch genommenen Zeitpunkt der Übergabe der Ware an den Frachtführer noch nicht stattfinden soll. So heißt es auf der zweiten Seite unter der Überschrift "Preise, Versand, Gefahrübergang": "Die Gefahr des zufälligen Untergangs geht mit Übergabe der Ware an den Spediteur oder Frachtführer auf den Besteller über." Diese Regelung wäre überflüssig, wenn mit der Übergabe der Ware an den Frachtführer bereits das Eigentum auf den Kunden überginge, weil dann die Beklagten ihren vertraglichen Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag vollständig nachgekommen wären. Dass im Anschluss daran die Gefahr des Unterganges der Käufer trägt, ist selbstverständlich und bedarf keiner Regelung.

In den AGB ist weiter ein Eigentumsvorbehalt vorgesehen, der bis zur vollständigen Zahlung "aller Forderungen aus der Geschäftsverbindung, und zwar auch soweit, als es sich um Forderungen aus früheren Lieferungen handelt" gelten soll. Damit regeln die AGB ausdrücklich, dass in den Fällen noch offenstehender Forderungen durch den Import Trägermaterial nach P eingeführt wird, das sich noch im Eigentum der Beklagten befindet.

Nach alledem kann schon nicht davon ausgegangen werden, dass der Erwerber durch die Beauftragung des Spediteurs bereits Eigentümer der Trägermedien werde und deshalb alleine derjenige sei, der diese nach P einführt.

bb) Zudem würde selbst dann ein Inverkehrbringen durch die Beklagten vorliegen, wenn die Kunden bereits vorher Eigentümer der Leerkassetten geworden wären.

Der Text des § 42 b Abs. 3 Nr. 1 öUrhG spricht in der hier maßgeblichen ersten Alternative davon, dass das Inverkehrbringen "von einer im In- oder Ausland gelegenen Stelle aus" geschieht. Ein Inverkehrbringen in P kann danach auch dadurch erfolgen, dass ein Exporteur die Ware dorthin versendet. Ein solcher Export stellt sich auch dann als Inverkehrbringen in P dar, wenn der Kunde schon außerhalb Ps Eigentümer der Ware wird.

Entgegen der Auffassung der Kläger stimmt die vorliegende Fallgestaltung mit derjenigen allerdings nicht genau überein, die der als Anlage K 6 vorgelegten Entscheidung des p OGH vom 2.10.2007 (4 Ob 124/07 z) zugrundelag. Dort hat der OGH entschieden, dass ein Inverkehrbringen auch dann vorliege, wenn sich der ausländische Händler (Verkäufer) eines von ihm entlohnten inländischen Vertriebspartners bediene. Indes gibt es einen in P tätigen Vertriebspartner der Beklagten nicht. Gleichwohl ist aus dem Urteil herzuleiten, dass ein Eigentumsübergang bereits in E der Vergütungspflicht in P nicht entgegenstünde. Das gilt sowohl bei einer Belieferung von Händlern als auch einer solchen von Endverbrauchern.

aaa) Beliefern die Beklagten von ihnen unabhängige p Händler, so bedienen sie sich zwar nicht - wie im Fall des OGH - eines von ihnen entlohnten Vertriebspartners, für die Frage, ob die Trägermaterialien von E aus in P in Verkehr gebracht worden sind, kann es aber keinen Unterschied machen, ob der Zwischenhändler in das Vertriebssystem der Beklagten eingebunden ist oder nicht.

bbb) Nichts anderes gilt, soweit es um die Belieferung von Endabnehmern durch die Beklagten geht: Auch das Verbringen eines Einzelexemplars genügt für das Inverkehrbringen (vgl. BGH "Tonträgerpiraterie durch CD-Export" a.a.O., S. 424; Dreier/Schulze, § 17 Rz. 16). Die Beklagten handeln auch insoweit entgeltlich und gewerbsmäßig, als sie sich an Endabnehmer wenden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten spricht schließlich auch die BGH-Entscheidung "Wagenfeld-Leuchte" (GRUR 2007, 871) nicht für ihre Position. Der BGH hat sich darin ausdrücklich mit der Frage des Anbietens im Sinne von § 17 Abs. 1 UrhG und nicht damit befasst, ob in der dort gegebenen Fallgestaltung, in der die beanstandeten Leuchten in Italien erworben und übereignet worden sind, ein Inverkehrbringen auch in E vorlag.

b) Ob - was zu bejahen sein dürfte - die Trägermedien durch die Übergabe an den Transporteur auch in E in Verkehr gebracht werden, ist unerheblich. Die Vergütungspflicht beruht auf nationalem p Recht und knüpft an das Inverkehrbringen nicht in einem Drittland in der EU, sondern gerade in P an. Dieser Tatbestand entfällt nicht deswegen, weil auch ein Inverkehrbringen in einem anderen EU-Mitgliedsland vorliegt. Im Übrigen könnte ohnehin eine Vergütungspflicht nur in E angefallen sein. Eine solche entfällt jedoch nach § 54 Abs. 2 UrhG dann, wenn - wie hier - erwartet werden kann, dass die Speichermedien im Geltungsbereich des deutschen Urhebergesetzes nicht zu Vervielfältigungen benutzt (sondern eben exportiert) werden.

Nach alledem sind der Vergütungsanspruch und aus ihm gem. § 87 a Abs. 1 öUrhG folgend der Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch entstanden. Dieser richtet sich gegen alle drei Beklagten: Die Beklagte zu 1) haftet aufgrund der beschriebenen, von ihr selbst vorgenommenen Einfuhrhandlungen, die Beklagte zu 2) haftet als Komplementärin der Beklagten zu 1) und die Beklagte zu 3), weil sie durch Vorhalten des Internetauftrittes und Weiterleitung der bei ihr eingehenden Bestellungen als Mittäterin an den Geschäften der Beklagten zu 1) beteiligt war.

Auf den Umfang des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruches wird nachfolgend unter 5. eingegangen.

4. Den die Vergütungspflicht betreffenden Feststellungstenor zu 2) hat das Landgericht zu Recht auf den Tarif für die Leerkassettenvergütung ausgerichtet, der sich aus dem in P geschlossenen Gesamtvertrag ergibt. Der Einwand der Beklagten, sie unterfielen dem Gesamtvertrag nicht und dieser entspreche auch nicht der p Verkehrssitte, greift nicht durch. Diese sind auch zur Zahlung der Umsatzsteuer verpflichtet.

a) Der - als Anlage K 10 vorgelegte - Gesamtvertrag ist am 22.02.2007 rückwirkend zum 01.01.2006 in Kraft getreten und hat frühere Gesamtverträge aus den Jahren 1998 und 2001 abgelöst. Vertragspartner sind die vier eingangs des Vertragstextes aufgezählten Gremien sowie die Klägerin und weitere sieben p Verwertungsgesellschaften. Der Vertrag sieht zwar vor, dass die Klägerin mit den Zahlungspflichtigen Einzelverträge abschließt (Ziffer 1.5), es besteht aber auch die Vergütungspflicht solcher Zahlungspflichtiger, die - wie die Beklagten - einen derartigen Einzelvertrag mit der Klägerin nicht geschlossen haben. Das ergibt sich aus § 22 des p Verwertungsgesellschaftengesetzes (VerwGesG), auf dem der Gesamtvertrag beruht und in dem bestimmt ist, dass Gesamtverträge "die Mitglieder der Nutzerorganisationen auch ohne Schließung eines Einzelvertrages" binden. Diese Bindung gilt auch für die Beklagten, obwohl sie vom Ausland aus tätig sind und nicht zu den Mitgliedern einer der p Nutzerorganisationen gehören.

Gesamtverträge werden gem. § 20 VerwGesG von den Verwertungsgesellschaften mit sog. "Nutzerorganisationen" geschlossen. Das sind gem. § 21 Abs. 1 Nr. 1 VerwGesG die "nach ihrem fachlichen Wirkungsbereich dazu berufenen gesetzlichen beruflichen Interessenvertretungen, deren räumlicher Wirkungsbereich sich auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt". Der Gesamtvertrag vom 22.2.2007 ist mit vier derartigen, dort als "öffentlichrechtliche Interessenvertretung" bezeichneten Nutzerorganisationen geschlossen worden. Nach Ziffer 1.1 des Vertrages vertreten diese u.a. jene Personen, die "vergütungspflichtiges Trägermaterial i. S. d. § 42 b UrhG von einer im In- oder Ausland gelegenen Stelle aus in P als Erste gewerbsmäßig entgeltlich in den Verkehr bringen..." Es soll nach dieser ausdrücklichen Regelung mithin auch derjenige von ihnen vertreten sein, der vom Ausland aus vergütungspflichtig Trägermaterial nach P importiert. Dass davon solche Gewerbetreibenden ausgeschlossen sein sollen, die im Ausland auch ihren Sitz haben und nicht wie die inländischen Hersteller und Händler Mitglied einer der vertragsschließenden Nutzerorganisationen sind, ergibt sich aus den Bestimmungen nicht.

Zudem sprechen die von ihnen vorgetragenen EU-rechtlichen Gesichtspunkte gegen die Position der Beklagten: Die Regelung des § 22 VerwGesG und dementsprechend der Ziff. 1.5 des Gesamtvertrages sehen vor, dass der jeweilige Händler einen Einzelvertrag mit der Klägerin abschließen kann (und soll). Diese Möglichkeit muss auch EU-Ausländern offen stehen. Diese dürfen im Interesse des freien Handelsverkehrs (Art. 28 EGV) nicht dadurch diskriminiert werden, dass ihnen die Möglichkeit verwehrt wird, einen derartigen Einzelvertrag zu schließen. Die Beklagten befanden sich damit während der Einfuhr der Trägermedien in derselben Position, in der sich auch p Händler von Trägermedien befanden, die einen Einzelvertrag nicht geschlossen hatten. Sie sind daher wie diese an den Gesamtvertrag gebunden.

b) Im Übrigen könnte die Berufung auch dann keinen Erfolg haben, wenn man den Gesamtvertrag nicht als auch für die Beklagten verbindlich ansehen müsste.

Gem. § 42 b Abs.1 öUrhG schuldet der Zahlungspflichtige eine angemessene Vergütung. Diese angemessene Vergütung ist aber diejenige, die in dem Gesamtvertrag geregelt worden ist. Der Gesamtvertrag hat den Sinn, die Interessen der Urheber und der Hersteller und Händler von Trägermedien miteinander in Ausgleich zu bringen. Anhaltspunkte dafür, dass die vertragliche Regelung diesen Interessenausgleich nicht angemessen bewirkt haben könnte, bestehen nicht. Der Gesamtvertrag vom 22.2.2007 hat vorangegangene vertragliche Regelungen aus den Jahren 1998 und 2001 abgelöst. Es ist der Entscheidung zugrundezulegen, dass die Neufassung des Vertrages auf der Grundlage dieser früheren Vereinbarungen die Vergütungspflicht den aktuellen wirtschaftlichen Gegebenheiten angepasst hat; diese stellt sich damit als angemessen dar.

c) Zu Recht hat das Landgericht auch die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der in P geltenden Umsatzsteuer ausgesprochen. Die von diesen in Anspruch genommene Steuerbefreiung als ausländische Unternehmen tritt nicht von selbst ein, sondern ist von Mitwirkungshandlungen der Beklagten wie der Angabe ihrer Umsatzsteuer-Identifikationsnummern abhängig. Die Beklagten haben nicht vorgetragen, die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung geschaffen zu haben. Sollten die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung noch herbeigeführt werden, wäre dies im Rahmen einer etwaigen Zwangsvollstreckung zu berücksichtigen.

5. Der Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch ist von einer gebotenen Modifikation hinsichtlich der Überprüfung durch einen Sachverständigen abgesehen in dem durch das Landgericht zuerkannten Umfang begründet.

a) Die von den Beklagten nicht in Abrede gestellte Verpflichtung im Umfang von Ziffer 1 a), c) und d) des Urteilstenors folgt daraus, dass die Angaben in dem Gesamtvertrag vorgesehen sind und die Klägerin sonst den Umfang ihrer Ansprüche nicht ermitteln könnte. Die Klägerin hat entgegen der Auffassung der Beklagten auch einen Anspruch auf Angabe der Marke des Herstellers der betreffenden Tonträgermaterialien gem. Ziffer 1 b) des Urteilstenors. Dies folgt aus ihrer vorstehend unter 4 a) dargelegten Bindung an den Gesamtvertrag, in dessen Ziff. 6.1 die Benennung der Marke vorgesehen ist. Die Angabe der Marke ist im Übrigen erforderlich, damit die Klägerin überprüfen kann, um welches Medium mit welcher Speicherkapazität es sich konkret handelt.

b) Das Landgericht hat (im letzten Absatz von Ziffer 1 des Tenors) antragsgemäß ausgesprochen, dass die Beklagten der Klägerin die dort aufgeführten Belege "vorbehaltlich einer Überprüfung durch einen Sachverständigen" vorzulegen haben. Diese Einschränkung ist aufzuheben.

Das durch diese Formulierung zum Ausdruck kommende Begehren der Klägerin ist - wie diese in der mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf Ziff. 6.2 der Klageschrift klargestellt hat - darauf gerichtet, dass sie sich vorbehalte, nach Vorlage der Belege durch die Beklagten die Überprüfung durch einen Sachverständigen zu verlangen. Es braucht danach nicht entschieden zu werden, ob eine derartige Überprüfung nach dem maßgeblichen § 87 a Abs. 1 öUrhG zukünftig verlangt werden kann. Die Einschränkung ist ungeachtet dessen aufzuheben, weil das nach der lexfori-Regel maßgebliche deutsche Verfahrensrecht einen solchen Vorbehalt nicht kennt.

Die Ersetzung von "die Klägerin" durch "der Klägerin" durch den obigen Urteilstenor zu I 2.) erfolgt aus sprachlichen Gründen.

6. Schließlich hat das Landgericht zu Recht die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz der F Zentralbank festgestellt. Diese Zinspflicht folgt aus § 352 öUGB. Danach sind Geldforderungen aus unternehmensbezogenen Geschäften, also vertragliche Zahlungsansprüche, in dieser Höhe zu verzinsen. Bei den streitgegenständlichen Vergütungsansprüchen handelt es sich indes entgegen der Auffassung der Beklagten um vertragliche Ansprüche, weil aus den dargestellten Gründen der Gesamtvertrag auch im Verhältnis zwischen den Parteien maßgeblich ist.

7. Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, hat der Senat nur noch gem. § 91 a Abs. 1 ZPO nach billigem Ermessen über die Kosten zu entscheiden. Es entspricht aus den vorstehenden Gründen der Billigkeit, die Kostenlast den Beklagten aufzuerlegen.

Diese haben jeder eigenständig die Verpflichtung zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung zu erfüllen, während die Feststellung ihrer Verpflichtung zur Zahlung der Leerkassettenvergütung sie als Gesamtschuldner betrifft. Dementsprechend haften die Beklagten gem. § 100 Abs. 1 und 4 ZPO auch für die Kosten nur bezüglich der Schadensersatzfeststellung als Gesamtschuldner und im Übrigen nach Kopfteilen.

III

Die Kostenentscheidung beruht - soweit sie nicht aus § 91 a ZPO folgt - auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 und 4 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 543 ZPO liegen nicht vor.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf einen Betrag innerhalb der Gebührenspanne zwischen 45.001 € und 50.000 € festgesetzt. Hiervon entfallen 3/5 auf den Auskunfts- und den Rechnungslegungsanspruch und 2/5 auf den Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht. Die Reduzierung des Streitwertes durch die teilweise Erledigungserklärung im Termin zur mündlichen Verhandlung hat auf die Höhe der sämtlich bereits vorher angefallenen Kosten des Berufungsverfahrens keinen Einfluss.






OLG Köln:
Urteil v. 20.03.2009
Az: 6 U 167/08


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/be996a0b04d7/OLG-Koeln_Urteil_vom_20-Maerz-2009_Az_6-U-167-08




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