Landgericht Bochum:
Urteil vom 21. September 2010
Aktenzeichen: I-12 O 260/09
(LG Bochum: Urteil v. 21.09.2010, Az.: I-12 O 260/09)
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt,
1. es zu unterlassen,
a.
im geschäftlichen Verkehr handelnd, Kunden der T I GmbH
aufzusuchen und / oder aufsuchen zu lassen und gegenüber diesen zu
behaupten oder behaupten zu lassen, alle Kunden der T I AG
würden umgestellt;
und / oder
b.
im geschäftlichen Verkehr handelnd, Kunden der T I GmbH
aufzusuchen und / oder aufsuchen zu lassen und diesen Stromlieferaufträge
zur Unterschrift vorzulegen und dabei zu behaupten und / oder behaupten
zu lassen, die Kunden müssten unterschreiben, wenn sie weiter mit Strom
beliefert werden wollen;
und / oder
c.
im geschäftlichen Verkehr handelnd gegenüber Kunden der T I I
AG zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, die Strombelieferung wäre
bei Beauftragung der F GmbH insgesamt € 200,00 günstiger als bei den
T I, soweit die behauptete Preisersparnis nicht tatsächlich gewährt
wird;
2. Der Beklagten wird angedroht, dass gegen sie bei jedem schuldhaften Verstoß gegen das gerichtliche Unterlassungsgebot ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten verhängt werden kann.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin € 1.099,00 zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 45.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 35.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Energieversorgungsmarkt, insbesondere im Raum I. Die Beklagte vertreibt ihre Produkte über den Telefon-Direktvertrieb und über den Haustürvertrieb. Sie setzt dabei Vertriebspartner ein, u.a. die Streitverkündete Firma D AG. Die Firma T1 GmbH war im August 2009 als Untervertriebspartner für die Streitverkündete tätig. Am 05.08.2009 klingelte die Mitarbeiterin der Firma T1, die Zeugin S an der Wohnungstür der Kundin Q der Klägerin, um Frau Q zu einem Wechsel zur F GmbH zu bewegen. Die Einzelheiten des folgenden Gesprächs sind streitig. Die Zeugin Q unterzeichnete zunächst einen Auftrag zur Stromlieferung durch die F GmbH und eine Kündigungsvollmacht. Frau S übergab einen Zettel mit der Anschrift der Firma T1 und deren Telefonnummer. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen AS 2 und AS 3 zur Antragsschrift des Verfahrens Landgericht Bochum 12 O 175/09 Bezug genommen.
Die Klägerin behauptet, die Firma D AG und deren Untervertriebspartner seien im Einverständnis mit der Beklagten im Haustürvertrieb tätig geworden. Die Zeugin S habe gegenüber der Zeugin Q zunächst angegeben, sie komme von den T I. Sodann habe sie erklärt, alle Kunden würden umgestellt. Die Zeugin Q müsse unterschreiben, damit sie weiter beliefert würde. Als sie später wegen dieser Angaben zur Rede gestellt worden sei, habe Frau S erklärt, alles sei nicht so wichtig, wichtig sei doch nur, dass Frau Q im Jahr 200,-- € weniger zahlen müsse. Hierzu trägt die Klägerin unbestritten vor, selbst unter Berücksichtigung eines einmaligen Wechselbonusses von 100,-- € sei allenfalls eine Ersparnis von 107,79 € zu erzielen gewesen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. es zu unterlassen,
a. im geschäftlichen Verkehr handelnd, Kunden der T I GmbH aufzusuchen und / oder aufsuchen zu lassen und gegenüber diesen wörtlich
oder sinngemäß zu behaupten oder behaupten zu lassen, alle Kunden der
T I AG würden umgestellt;
und / oder
b. im geschäftlichen Verkehr handelnd, Kunden der T I GmbH aufzusuchen und / oder aufsuchen zu lassen und diesen Stromlieferaufträge zur Unterschrift vorzulegen und dabei wörtlich oder sinngemäß zu
behaupten und / oder behaupten zu lassen, die Kunden müssten
unterschreiben, wenn sie weiter mit Strom beliefert werden wollen;
und / oder
c. im geschäftlichen Verkehr handelnd gegenüber Kunden der T I AG zu behaupten und/oder behaupten zu lassen oder in sonstiger Weise den
Anschein zu erwecken, die Strombelieferung wäre bei Beauftragung der
F GmbH insgesamt € 200,00 günstiger als bei den T, soweit
die behauptete Preisersparnis nicht tatsächlich gewährt wird;
2. Der Beklagten anzudrohen, dass gegen sie bei jedem schuldhaften Verstoß gegen das gerichtliche Unterlassungsgebot ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, verhängt werden kann.
3. Die Beklagte kostenpflichtig zu verurteilen, an die Klägerin € 1.379,80 zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet mit näherem Vorbringen in den Schriftsätzen vom 28.01.2010 und 30.03.2010, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, die Streitverkündete sei nicht berechtigt gewesen, außerhalb des ihres zugewiesenen Bereichs des Telefon-Direktmarketings für die Beklagte tätig zu werden. Vertraglich sei ihr darüber hinaus die Einschaltung eines Untervertriebspartners nur mit Genehmigung der Beklagten gestattet.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen Q und S. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21.09.2010 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze einschließlich der dortigen Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften verwiesen.
Gründe
Die Klage ist weit überwiegend begründet.
Die Beklagte ist gemäß §§ 8, 3, 5 UWG in dem ausgeurteilten Umfang zur Unterlassung verpflichtet. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer die Richtigkeit der klägerischen Behauptung zum Inhalt des Gesprächs am 05.08.2009 fest. Die Zeugin Q hat den Tatsachenvortrag der Klägerin in vollem Umfang bestätigt. Sie hat ruhig und sicher ausgesagt. Ein gesteigertes Interesse daran, die Klägerin unzulässig zu unterstützen, ist nicht ersichtlich. Zu berücksichtigen ist vielmehr, dass die Zeugin sich selbst aus eigenem Antrieb an die Klägerin gewandt hat und zeitnah die in ihrer mündlichen Vernehmung in Bezug genommene eidesstattliche Versicherung unterschrieben hat. Es ist kein Grund erkennbar, warum die Zeugin Q die Unwahrheit erklärt haben sollte. Die von ihr wiedergegebenen Erklärungen der Zeugin S sind auch so prägnant, dass sie im Gedächtnis haften bleiben konnten. Diese Angaben der Zeugin Q werden durch die Bekundungen der Zeugin S nicht entscheidend in Frage gestellt. An das konkrete Geschehen kann sich die Zeugin S ohnehin nicht erinnern. Alleine aus der in Erinnerung gebliebenen üblichen Vorgehensweise kann nicht geschlossen werden, dass nicht im Einzelfall andere Angaben gemacht worden sind. Darüber hinaus besteht bei der Zeugin S eine anders gelagerte Interessenlage als bei der Zeugin Q. Bei der Zeugin S liegt ein Eigeninteresse am Ausgang dieses Rechtsstreits nicht fern. Insgesamt verbleiben damit bei der Kammer keine vernünftigen Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der Zeugin S, so dass die Behauptungen der Klägerin bestätigt worden sind.
Die Beklagte hat gemäß § 8 Abs. 2 UWG für das Verhalten der Zeugin S einzustehen. Daran ändert auch der eingehende Vortrag der Beklagten zur Vertriebsstruktur und zu den vertraglichen Vereinbarungen mit der Streitverkündeten nichts. Denn die Zurechnungsvorschrift des § 8 Abs. 2 UWG will erreichen, dass die arbeitsteilige Organisation eines Unternehmens die Verantwortung für das Verhalten im Wettbewerb nicht beseitigen soll. Es soll verhindert werden, dass sich der Unternehmensinhaber, dem die Wettbewerbshandlungen seiner Angestellten oder Beauftragten zu Gute kommen, sich bei einer wettbewerbsrechtlichen Haftung hinter den von ihm abhängigen Dritten verstecken könnte (BGH GRUR 2008, 186). Die Haftungszurechnung ist daher nicht zu eng zu fassen. Zur Begründung des erforderlichen inneren Zusammenhangs zwischen dem Verhalten des Vertreters vor Ort und dem Unternehmen der Beklagten reicht es aus, dass der Vertreter für eine Vertriebspartnerin der Beklagten handelte, die das Produkt der Beklagten absetzen sollte. Auffällig ist insoweit auch, dass nach den Angaben der Zeugin S offenbar in größerem Stil mit erheblichen Erfolgen im Auftrage der Streitverkündeten und unter Verwendung von Formularen der Beklagten Verträge zu Gunsten der Beklagten geschlossen wurden. Dies zeigt, dass der Betrieb der Beklagten nicht so organisiert war, dass die Einhaltung des behaupteten Kooperationsvertrages hinreichend kontrolliert wurde.
Abzuweisen war die Klage nur insoweit, als das Unterlassungsbegehren auch auf "sinngemäße" oder "in sonstiger Weise den Anschein" erweckende Verhaltensweisen ausgedehnt werden sollte. Diese Formulierungen bringen eine unnötige Unschärfe in die Tenorierung. Zu begrenzen war darüber hinaus der grundsätzlich bestehende Kostenerstattungsanspruch. Das Gericht hält im Hinblick auf den einheitlichen Lebensvorgang, um den es geht, und die einheitliche Zielrichtung der beanstandeten Äußerungen einen Streitwert von 35.000,-- € für ausreichend. Soweit in der einstweiligen Verfügung vom 07.09.2009 in dem Verfahren 12 O 175/09 der Streitwert auf 50.000,-- € festgesetzt worden ist, berücksichtigt dies, dass es um selbständige Unterlassungsanträge gegen zwei Antragsgegner ging.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
LG Bochum:
Urteil v. 21.09.2010
Az: I-12 O 260/09
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