Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Juli 2003
Aktenzeichen: 14 W (pat) 42/02

(BPatG: Beschluss v. 08.07.2003, Az.: 14 W (pat) 42/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Patentabteilung 41 des Deutschen Patent- und Markenamts hat nach Prüfung eines Einspruchs durch Beschluss vom 26. Februar 2002 das Patent mit der Bezeichnung

"Injektionslösung zur Behandlung von Arthrosen"

gemäß § 61 Absatz 1 Satz 1 PatG in vollem Umfang aufrechterhalten.

Dem Beschluss lagen die Patentansprüche 1 bis 15 der DE 199 08 441 C1 zugrunde. Die Patentansprüche 1, 10 und 12 haben folgenden Wortlaut:

"1. Injektionslösung, umfassend eine Mischung aus einer Lösung A und einer Lösung B, dadurch gekennzeichnet, daß

die Lösung A Extrakte aus Calendula, Belladonna, Hamamelis, Arnica, Aconitum, Bellis perennis, Hypericum, Echinacea angustifolia, Echinacea purpurea, Chamomilla, Millefolium, Symphytum sowie Mercuris solubilis Hahnemanni und Hepar sulfuris, enthält; unddie Lösung B eine Gold(III)-Verbindung sowie Extrakte aus Fruct. Symphoricarpi und aus Herb. Euphorbiae cyp. enthält.

10. Kit umfassend eine Lösung A, wie in einem der Ansprüche 1 bis 9 definiert sowie eine Lösung B, wie in einem der Ansprüche 1 bis 9 definiert.

12. Verwendung der Injektionslösung nach einem der Ansprüche 1 bis 9 zur Behandlung von Arthrosen, durch intraartikuläre Injektion."

Wegen der Ansprüche 2 bis 9, 11 und 13 bis 15, die auf Weiterbildungen der Injektionslösung nach Anspruch 1, des Kits nach Anspruch 10 bzw der Verwendung nach Anspruch 12 gerichtet sind, wird auf die Patentschrift verwiesen.

Die Aufrechterhaltung des Patents wurde im wesentlichen damit begründet, dass der beanspruchte Gegenstand im Hinblick auf D1 S. Zenner und H. Metelmann, Internationale Zeitschrift für Biomedizinische Forschung und Therapie 21/3 (1992) 207 bis 216;

D2 Fachinformation zu Cefossin, September 1998;

D3 Erfahrungsbericht zu Cefossin von 1997 neu sei und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Gegen diesen Beschluss hat die Einsprechende Beschwerde eingelegt und zur Begründung unter Hinweis auf D4 W. Thiel und B. Borho, Biologische Medizin 20/2 (1991) 506 bis 515;

D5 T. Weihmayr, Fortschritte der Medizin 115/18 (1997) 42;

D6 J. Kersschot, Biomedical Therapy, Vol. XV Nr. 2 (1997) 47 bis 52.

insbesondere vorgetragen, dass die Lösung A (zB Traumeel) sowie die Lösung B (zB Cefossin), deren Mischung die patentgemäße Injektionslösung sei, am Anmeldetag handelsübliche Arzneimittel gewesen seien. Bekannte Arzneimittel zu mischen und gemeinsam anzuwenden könne jedoch die erfinderische Tätigkeit nicht begründen.

Die Einsprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Der Patentinhaber beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hat dem Vorbringen der Einsprechenden widersprochen und im wesentlichen geltend gemacht, dass der vorliegend beanspruchte Gegenstand durch den Stand der Technik weder vorweggenommen noch nahegelegt werde. Auf den gemeinsamen therapeutischen Einsatz der Lösung A (zB Traumeel) sowie der Lösung B (zB Cefossin) in einer Mischung finde sich kein Hinweis im Stand der Technik.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II Die Beschwerde ist zulässig (§ 73 PatG), jedoch unbegründet.

Die erteilten Patentansprüche 1 bis 15 basieren auf den ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 19 in Verbindung mit Seite 10, Absatz 1 der ursprünglichen Unterlagen und sind formal nicht zu beanstanden. Sie vermitteln eine nacharbeitbare Lehre zum technischen Handeln, was unbestritten ist.

Das Patent betrifft mit seinem Patentanspruch 1 eine Injektionslösung zur Behandlung von Arthrosen, die durch Mischen einer im Kennzeichen des Anspruchs 1 genau definierten Lösung A und einer ebenfalls genau gekennzeichneten Lösung B hergestellt wird, mit seinem Patentanspruch 10 einen Kit, der die Lösung A und die Lösung B umfasst, und mit Patentanspruch 12 die Verwendung der Injektionslösung nach Patentanspruch 1 zur Behandlung von Arthrosen. Bisher wurden Arthrosen durch verschiedene chirurgische Eingriffe am betroffenen Gelenk behandelt (vgl Patentschrift S 2 Z 14 bis 23). Daneben besteht eine Vielzahl von medikamentösen Behandlungsansätzen (vgl Patentschrift S 2 Z 24 bis 36). Vor diesem Hintergrund sieht der Patentinhaber die zu lösende Aufgabe darin, eine neue gelenkerhaltende Behandlungsmöglichkeit für Arthrosen zu schaffen, welche eine hohe Erfolgsquote aufweist, mit geringen Nebenwirkungen und Folgeerkrankungen verbunden ist und außerdem kostengünstig ist (vgl Patentschrift S 2 Z 39 bis 41). Gelöst wird diese Aufgabe durch eine im einzelnen genau definierte Injektionslösung gemäß Patentanspruch 1, einen Kit gemäß Patentanspruch 10 sowie die Verwendung einer solchen Injektionslösung gemäß Patentanspruch 12. Der für die Lösung dieser Aufgabe zuständige Durchschnittsfachmann ist ein Arzt, der Erfahrungen auf dem Gebiet der Therapie von Arthrosen besitzt.

Die Neuheit des Gegenstandes des geltenden Patentanspruchs 1 ist gegeben. In keiner der Entgegenhaltungen ist eine Injektionslösung mit sämtlichen im Patentanspruch 1 im einzelnen aufgeführten Merkmalen beschrieben. Dies wird von der Einsprechenden nicht mehr in Abrede gestellt.

Die vorliegend beanspruchte Injektionslösung beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Das Fertigarzneimittel Traumeel S ist ein Handelsprodukt, das der Lösung A gemäß Patentanspruch 1 entspricht (siehe Patentschrift S 3 Z 13 bis 15). Traumeel S wurde vor dem Anmeldetag des Streitpatents bereits zur Behandlung von Arthrosen intraartikulär injiziert (siehe zB D1 S 7 bzw S 212 Tab 5). Das Therapeutikum Cefossin H ist eine Lösung B nach Patentanspruch 1 (siehe Patentschrift S 3 Z 13 bis 15) und wird gemäß Entgegenhaltung D2 ua zur unterstützenden Therapie von Arthrosen intramuskulär, subkutan oder intravenös injiziert (siehe D2 Punkte 4., 10. und 11.). Die Arzneimittel Traumeel S und Cefossin H sind somit jedes für sich dem Fachmann unbestritten zur Therapie von degenerativen Gelenkerkrankungen bekannt.

Dem Erfahrungsbericht über das Cefak-Fertigarzneimittel mit der Bezeichnung Cefossin H (D3) kann entnommen werden, dass bei einer Patientin, die mit Cefossin H behandelt wurde, auch das Präparat Traumeel eingesetzt wurde. In Dokument D3 findet sich jedoch kein Hinweis, dass bereits eine Mischung aus diesen beiden Handelsprodukten zur Therapie verwendet wurde. Diese Entgegenhaltung legt den gemeinsamen Einsatz von Traumeel und Cefossin H aber auch nicht nahe, weil die gemeinsame Verabreichung von verschiedenen Arzneimitteln im menschlichen Körper in der Regel zu vielfältigen Wirkungsbeeinflussungen führt, die nicht ohne weiteres vorhergesagt werden können. Darüber hinaus zieht der hier zuständige Fachmann aus Stabilitätsgründen eine direkte Mischung verschiedener Arzneimittel in der Regel nicht in Betracht. Dokument D3 bestätigt daher alleine die Verwendung von Cefossin H oder Traumeel zur Behandlung von Arthrosen, die jedoch bereits aus den Entgegenhaltungen D1 und D2 bekannt ist. Bei dieser Sachlage kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der Erfahrungsbericht über das Fertigarzneimittel Cefossin H am Anmeldetag des Streitpatents überhaupt der Öffentlichkeit zugänglich war, weil die technische Lehre des Erfahrungsberichts auf keinen Fall den Patentgegenstand vorwegnimmt oder nahe legt.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Fachwelt durch die Entgegenhaltung D1, in der die Ergebnisse einer multizentrischen Anwendungsbeobachtung von Traumeel S an 3241 Patienten dargestellt werden, sogar von der Lehre des Streitpatents weggeführt wird. Auf Seite 11 (bzw Seite 216) des Dokuments D1 wird im dritten Absatz der linken Spalte nämlich dargelegt, dass Traumeel S bereits versuchsweise mit unterschiedlichen medikamentösen bzw nichtmedikamentösen Begleittherapien verabreicht wurde. Die beste Wirksamkeit von Traumeel S wird jedoch bei alleiniger Verabreichung des homöopathischen Ampullenpräparats erzielt. Diese experimentellen Ergebnisse sprechen nach Überzeugung des Senats ebenfalls dafür, dass die vom Patentinhaber gefundene Lösung nicht auf der Hand lag, sondern dass es einer erfinderischen Leistung bedurfte, um zu ihr zu gelangen.

Die außerdem noch im Verfahren befindlichen Dokumente D4 bis D6 sowie die im Prüfungsverfahren ermittelten Druckschriften gehen nicht über die vorstehend abgehandelten Entgegenhaltungen hinaus und führen den Fachmann somit ebenfalls nicht zur vorliegend beanspruchten Injektionslösung. Auch eine Zusammenschau des Standes der Technik lässt keine weiteren Gesichtspunkte erkennen. Eine patentgemäße Injektionslösung zur Behandlung von Arthrosen wird somit in keinem der vorliegenden Dokumente erwähnt oder durch eine Kombination von Entgegenhaltungen nahegelegt. Nach alledem ist der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, so dass dieser Anspruch Bestand hat.

Patentanspruch 10 ist auf einen Kit, der die Lösung A und die Lösung B umfasst, gerichtet. Patentanspruch 12 betrifft die Verwendung der Injektionslösung nach Patentanspruch 1 zur Behandlung von Arthrosen durch intraartikuläre Injektion. Bezüglich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gelten für diese Patentansprüche die oben dargelegten Gesichtspunkte gleichermaßen, so dass diese Ansprüche ebenfalls Bestand haben.

Das gleiche gilt für die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 9, den auf Patentanspruch 10 rückbezogenen Anspruch 11 sowie für die auf den Patentanspruch 12 rückbezogenen Ansprüche 13 bis 15, die jeweils weitere, über platte Selbstverständlichkeiten hinausgehende Ausführungsformen betreffen.

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BPatG:
Beschluss v. 08.07.2003
Az: 14 W (pat) 42/02


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