Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. September 2005
Aktenzeichen: 30 W (pat) 280/03

(BPatG: Beschluss v. 19.09.2005, Az.: 30 W (pat) 280/03)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Für die Waren und Dienstleistungen Mittel zur Körper- und Schönheitspflege;

Präparate für die Gesundheitspflege sowie diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke;

Ernährungsberatung unter Anwendung diätetischer Lebensmittel, Gesundheits- und Schönheitspflegeeingetragen ist die Wort-/Bildmarkesiehe Abb. 1 am Ende Widerspruch wurde erhoben aus der unter EU 661.215 für die Waren Pharmazeutische Erzeugnisse zur Behandlung von Atemwegs- und/oder Magen-Darmerkrankungeneingetragenen Gemeinschaftsmarke SAXES.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch in zwei Beschlüssen - einen davon im Erinnerungsverfahren ergangen - wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen.

Bei teilweise identischen, teilweise eng ähnlichen Waren und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke werde der erforderliche Abstand eingehalten. Die Vergleichsmarken unterschieden sich in ihrer Gesamtheit in Wortlänge und Schriftbild hinreichend durch die unterschiedlich verwendeten Buchstaben sowie durch den in der angegriffenen Marke zusätzlich enthaltenen Bestandteil "1-2-3".

Dieses Element trete auch nicht zurück gegenüber dem mit "Saxes" klanglich identischen Bestandteil "Success", so dass dieser nicht selbständig kollisionsbegründend sein könne. Die Zahlenfolge bilde mit dem nachfolgenden Bestandteil eine Einheit, so dass der Begriff insgesamt im Sinne eines schnellen Erfolges, "Erfolg im Handumdrehen" verstanden werde.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt.

Es stünden sich klanglich identische Wortbestandteile gegenüber, der Zahlenbestandteil bzw der Bildbestandteil 1- 2- 3 bzw die Zahl 123 habe beschreibenden Bedeutung und wirke wie eine Typenbezeichnung, so dass der Verkehr, der im Arzneimittelbereich an Zusätze gewöhnt sei, auf den mit der Widerspruchsmarke "SAXES" klanglich identischen Wortbestandteil "Success" verkürze.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke führt aus, der Begriff "1-2-3 Success" werde nie getrennt und bedeute, dass schrittweise, eine Stufe nach der anderen unter eigenem Mitwirken Gesundheitsvorsorge betrieben werden solle.

Die Widersprechenden beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle vom 23. Februar 2001 und 14. Juli 2003 aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, den Widerspruch zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die angegriffene Marke ist nicht gemäß § 9 Absatz 1 Nr 2, § 42 Absatz 2 Nr 1 MarkenG zu löschen, weil sie der Widerspruchsmarke nicht so ähnlich ist, dass die Gefahr von Verwechslungen besteht.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH in st Rspr, vgl WRP 2004, 1281 Mustang; WRP 2004, 1043 - NEURO-VIBOLEX / NEURO-FIBRAFLEX; WRP 2004, 907 Kleiner Feigling; GRUR 2004, 235, 236 -Davidoff II).

1. Ausgehend von der Registerlage und den weitgefassten Warenoberbegriffen der Waren der angegriffenen Marke können die Marken zur Kennzeichnung identischer ansonsten sehr ähnlicher Waren verwendet werden, welche sich uneingeschränkt an allgemeine Verkehrkreise richten, da eine Rezeptpflicht in den Warenverzeichnissen nicht festgeschrieben ist und auch in tatsächlicher Hinsicht keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung besteht. Dabei ist im Arzneimittelbereich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 - ATTACHÉ/TISSERAND), der allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH, GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).

2. Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus.

Eine Abwandlung des hinsichtlich der Wirkungsweise der beanspruchten Waren beschreibenden Bestandteils "Success" ist bei der schriftlichen Wiedergabe der Widerspruchsmarke "Saxes" nicht erkennbar und klingt allenfalls bei der mündlichen Wiedergabe an. Das wirkt insoweit aber eher zufällig, was der Vertreter der Widersprechenden in der mündlichen Verhandlung auch bestätigt.

3. Den angesichts teils identischer teil ähnlicher Waren und einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zur Vermeidung von Verwechslungen erforderlichen deutlichen Abstand hält die angegriffene Marke jedoch ein.

So ist bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit maßgeblich auf den jeweiligen Gesamteindruck der Zeichen abzustellen, der bei mehrgliedrigen Marken auch durch einzelne Bestandteile geprägt werden kann. Dabei nimmt der Verkehr eine Marke so auf, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl § 9 Rdn 152). Dabei können auch kennzeichnungsschwache oder schutzunfähige Elemente den Gesamteindruck einer Marke mitbestimmen oder sogar wesentliches Gewicht für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erlangen (vgl Ströbele/Hacker aaO § 9 Rdn 345, 409). Diese dürfen deshalb nicht von vornherein unberücksichtigt bleiben, auch wenn sie für sich gesehen keine selbständig kollisionsbegründende Wirkung zu entfalten vermögen.

In ihrer Gesamtheit unterscheiden sich die Vergleichsmarken indessen klar und unverwechselbar in allen für die Beurteilung des Gesamteindrucks wesentlichen Kriterien. So verfügt die angegriffene Marke neben dem Wortbestandteil im Gegensatz zur Widerspruchsmarke als reiner Einwortmarke über eine graphische Gestaltung und einen besonderen mehrteiligen Zahlenzusatz.

Somit kommt Verwechslungsgefahr nur dann in Betracht, wenn der zur Widerspruchsmarke "Saxes" ähnlich klingende Wortbestandteil "Success" der angegriffenen Marke in der angegriffenen Marke allein kollisionsbegründend prägen würde.

Bei mehrteiligen Marken kommt eine Verwechslungsgefahr dann in Betracht, wenn Ähnlichkeiten in Einzelbestandteilen vorliegen, die die jeweilige Marke kollisionsbegründend prägen können. Selbständig kollisionsbegründend ist einer von mehreren Markenbestandteilen nach der Rechtsprechung des BGH dann, wenn er den Gesamteindruck der mehrgliedrigen Marke prägt und wenn die übrigen Markenteile für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (vgl Ströbele/Hacker aaO § 9 Rdn 374). Dabei stellt sich bei der Beurteilung der prägenden Bedeutung eines Markenteils zunächst die Frage, ob für den Verkehr überhaupt Veranlassung besteht, sich nur an einem einzelnen Markenbestandteil zu orientieren. Das muss insbesondere bei Marken verneint werden, die sich als einheitliche Gesamtbegriffe darstellen (vgl Ströbele/Hacker aaO § 9 Rdn 403).

Im vorliegenden Fall kommen weder dem Zahlenbestandteil "1-2-3" noch dem Wortbestandteil "Success" eine eigenständige Bedeutung zu, ihre eigentliche Bedeutung erhalten beide Bestandteile erst in ihrer Kombination.

Wie auch anhand von Verwendungsbeispielen aus einer Internetrecherche in der mündlichen Verhandlung eingehend erörtert, handelt es sich bei Zusammensetzungen aus der Zahlenfolge "1,2,3" bzw "1-2-3" und einem nachfolgenden Substantiv oder auch einem Halbsatz in der Regel um eine untrennbare, weil sonst sinnentstellende Kombination. So wird "1,2,3" in Zusammensetzungen im Sinne von "in leichten bzw leicht handhabbaren Schritten zu erledigen" bzw im Sinne von "im Handumdrehen zu bewältigen" verstanden nämlich so schnell wie eben "1,2,3" abgezählt ist. So werden beispielsweise Zusammensetzungen verwendet wie "1,2,3 Erfolg", "1,2,3 auf den Tisch", "1-2-3 Fußpilz frei€", um zu beschreiben, wie einfach oder schnell eine bestimmte Tätigkeit erledigt werden kann oder eine gewünschte Wirkung oder ein bestimmter Erfolg erzielt werden kann.

Bei der Kombination "1-2-3 Success" handelt es sich ebenfalls um einen zusammengehörigen Begriff im Sinne von "schneller Erfolg", "Wirkung im Handumdrehen", den der Verkehr auch als solchen ohne weiteres erkennt.

Die angesprochenen Verkehrskreise werden daher in dem einzelnen Bestandteil "Success" keinen kennzeichnenden Bestandteil sehen, sondern wegen der allgemein bekannten Bedeutung des Spruches "1-2-3" und dessen Verwendungsweise in der Art eines Adjektivs stets die besondere Zusammengehörigkeit der Bestandteile erkennen. Der Verkehr ist daher nicht veranlasst, die Kombination auf den Bestandteil "Success" zu verkürzen, da er damit der Bezeichnung den beabsichtigten besonderen Sinngehalt nehmen würde.

Da die Zahlenfolge "1-2-3" durch die Wahl der Einzelzahlen und die Unterbrechung der Zahlenfolge durch die Bindestriche als solche auch erkennbar ist, wird der Verkehr entgegen der Ansicht der Widersprechenden die Folge "1-2-3" damit auch nicht als beschreibenden Zusatz im Sinne einer Mengenangabe oder Angabe zur Wirkstoffkonzentration oder gar als dreistellige Zahl verstehen. Damit kommt dem Bestandteil "Success" keine selbständige kollisionsbegründende Bedeutung zu.

Jedenfalls ist zudem zu beachten, dass beschreibende oder kennzeichnungsschwache Markenteile zwar nicht von vornherein unberücksichtigt bleiben dürfen, ihnen aber grundsätzlich die Eignung fehlt, den Gesamteindruck einer Marke zu prägen (vgl Ströbele/Hacker § 9 Rdn 409, 411).

Bei dem Bestandteil "Success" handelt es sich aber um einen erkennbar beschreibenden Hinweis auf die Wirkungsweise der von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren, so dass dieser Bestandteil für sich zumindest kennzeichnungsschwach, wenn nicht schutzunfähig ist und damit die angegriffene Marke nicht selbständig kollisionsbegründend prägen kann.

Anhaltspunkte für andere Fälle der Verwechslungsgefahr ergeben sich nicht.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass § 71 Abs 1 MarkenG.

Dr. Buchetmann Schwarz-Angele Hartlieb Hu Abb. 1






BPatG:
Beschluss v. 19.09.2005
Az: 30 W (pat) 280/03


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