Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 26. Juni 2006
Aktenzeichen: 15 W 213/05

(OLG Hamm: Beschluss v. 26.06.2006, Az.: 15 W 213/05)

Tenor

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgericht Bochum vom 13.04.2005 werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe

I.)

Die Beteiligte hat ihre Eintragung in das Handelsregister beantragt. Nach § 3 der Satzung ist Gegenstand des Unternehmens u.a. "die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten einschließlich der Rechtsberatung durch Übernahme von Rechtsanwaltsaufträgen, deren Ausführung nur durch in den Diensten der Gesellschaft stehende, zugelassene Rechtsanwälte unabhängig und eigenverantwortlich unter Beachtung ihres Berufsrechts erfolgt, wofür die Gesellschaft die erforderlichen personellen, sachlichen und räumlichen Voraussetzungen tätigt".

Das Amtsgericht hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Beteiligte weder eine Zulassung zur Anwaltschaft noch eine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz vorgelegt habe. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten hat das Landgericht zurückgewiesen, wogegen sich die Beteiligte mit der weiteren Beschwerde wendet.

II.)

Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt.

Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten ergibt sich daraus, dass ihre Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache ist die weitere Beschwerde begründet, da die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 FGG. Dies führt zur Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung der Sache.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde ausgegangen. In der Sache hält die landgerichtliche Entscheidung der rechtlichen Prüfung letztlich nicht stand.

Das Landgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen durch Bezugnahme auf die Gründe der amtsgerichtlichen Entscheidung begründet.

Der Auffassung, dass mit dem Antrag auf Eintragung einer Aktiengesellschaft, deren Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise in anwaltlicher Tätigkeit besteht, eine Zulassung der Gesellschaft zur Anwaltschaft (bzw. eine entsprechende Unbedenklichkeitsbescheinigung der Zulassungsbehörde oder -körperschaft) oder eine Erlaubnis vorzulegen sei, folgt der Senat nicht. Nach § 37 Abs.4 Nr.5 AktG ist mit der Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister die Genehmigungsurkunde vorzulegen, wenn der Gegenstand des Unternehmens der staatlichen Genehmigung bedarf. Eine solche Genehmigungspflicht für die anwaltliche Betätigung einer Aktiengesellschaft besteht indessen mangels einer gesetzlichen Grundlage nicht.

Die anwaltliche Berufstätigkeit fällt in den Schutzbereich des Art.12 Abs.1 S.1 GG, auch soweit diese in der Form einer juristischen Person ausgeübt wird (Art.19 Abs.3 GG; vgl. BGH NJW 2005, 1568, 1569 sowie allg. BVerfG NJW 2000, 3635, 3636). Gemäß Art.12 Abs.1 S.2 GG bedarf danach jede Regelung des Berufszugangs oder der Berufsausübung der gesetzlichen Grundlage. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung der Zulassungspflichtigkeit einer Aktiengesellschaft bei anwaltlicher Betätigung im Rahmen des Unternehmensgegenstandes existiert ersichtlich nicht.

Das RechtsberatungsG ist seinem Schutzzweck nach auf den Regelungszusammenhang der Organisation anwaltlicher Berufstätigkeit nicht anwendbar (BGH a.a.O., S. 1570; BayObLG NJW 1995, 199, 201). Solange also die Satzung der einzutragenden AG allein eine rechtsberatende und vertretende Tätigkeit durch zugelassene Rechtsanwälte vorsieht, ist der Schutzbereich des RechtsberatungsG nicht tangiert.

Durch die vorgenannte Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist allerdings höchstrichterlich geklärt, dass auch eine Aktiengesellschaft aus verfassungsrechtlichen Gründen unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf eine förmliche Zulassung in Anlehnung an die §§ 59c ff BRAO hat. Hiervon zu trennen ist jedoch die Frage, ob eine Anwalts-AG (i.G.) zur Zulassung nach Maßgabe der BRAO verpflichtet ist (ebenso Henssler AnwBl. 2005, 374, 376; Kilian JR 2006, 206, 207), mithin die Voraussetzungen des § 37 Abs.4 Nr.5 AktG vorliegen. Hierzu hat der Bundesgerichtshof keine Aussage getroffen, da in dem von ihm zu entscheidenden Fall ein Antrag auf Zulassung vorlag.

Nach Auffassung des Senats besteht keine hinreichende Rechtsgrundlage, eine derartige Zulassungspflicht anzunehmen. § 4 BRAO betrifft nach seinem Inhalt allein die Zulassung natürlicher Personen, was dadurch bestätigt wird, dass der Gesetzgeber die Notwendigkeit einer besonderen Regelung der Anwalts-GmbH in den §§ 59c ff BRAO gesehen hat. § 59c BRAO ist einer analogen Anwendung auf die Aktiengesellschaft nicht zugänglich, nachdem der Gesetzgeber von einer Regelung der Zulassung der Aktiengesellschaft zur anwaltlichen Berufstätigkeit ausdrücklich abgesehen hat (vgl. BT-Drs. 13/9820 S.11 sub II. a.E.; BGH a.a.O.; BayObLG NJW 2000, 1649).

Eine Zulassungspflichtigkeit ließe sich danach nur dann begründen, wenn dem Gesetz ein allgemeiner Grundsatz zu entnehmen wäre, dass eine Kapitalgesellschaft oder sonstige Kooperation, deren Unternehmensgegenstand sich auch auf anwaltliche Tätigkeiten erstreckt, auch dann der Zulassung bedarf, wenn diese Tätigkeit faktisch durch zugelassene Rechtsanwälte wahrgenommen wird. Für eine derart weitgehende Annahme, die auf eine richterliche Rechtsfortbildung hinaus liefe, bietet das Gesetz nach Auffassung des Senats keine hinreichenden Ansatzpunkte. Allerdings gelten auch im Bereich grundrechtlicher Gesetzesvorbehalte die allgemeinen Rechtsanwendungsregeln, so dass auch eine richterliche Rechtsfortbildung nicht schlechthin ausgeschlossen ist (BVerfG NJW 1990, 1593ff; 2000, 3635ff; 2002, 2937ff). Gerade für unter Art. 12 Abs.1 S.2 GG fallende Berufszugangsregelungen gilt jedoch, dass dem Gesetzgeber die Entscheidung vorbehalten ist, unter welchen Voraussetzungen welche Gemeinschaftsgüter eine Einschränkung der Berufsfreiheit rechtfertigen sollen (BVerfG NJW 1983, 1535, 1537). Dabei macht es aus Sicht des Senats für die Zulässigkeit der Rechtsfortbildung einen erheblichen Unterschied, ob es um die bloße Ausgestaltung der (fakultativen) Zulassung, die einem Grundrecht angesichts unklarer Gesetzeslage zu mehr Geltung in der Praxis verhelfen soll, oder um die Schaffung rechtlicher Hindernisse für die Grundrechtswahrnehmung geht (vgl. hierzu BGH NJW 2003, 1588, 1592). Jedenfalls soweit der zuletzt genannte Problemkreis betroffen ist, ist eine richterliche Rechtsfortbildung allenfalls zulässig, soweit sich dem Gesetz ein unabweisbares Bedürfnis hierfür entnehmen lässt (BGH a.a.O.). Dieses vermag der Senat nicht zu erkennen.

Die Vorschriften der BRAO dienen, soweit sie Beschränkungen der Berufsfreiheit enthalten, insbesondere also soweit sie die anwaltliche Tätigkeit von einer vorherigen Zulassung abhängig machen, der Sicherung der Unabhängigkeit und Qualität der Rechtsberatung und Vertretung im Interesse des rechtssuchenden Publikums und hiermit einhergehend die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Insoweit handelt es sich um bedeutsame Rechtsgüter von teilweise verfassungsrechtlichem Rang, die bei Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Einschränkungen der Berufsfreiheit rechtfertigen können. Ob diese jedoch die Annahme einer allgemeinen Zulassungspflichtigkeit für eine Kapitalgesellschaft, die ohnehin nur durch bereits zugelassene Rechtsanwälte tätig werden soll, im Wege richterlicher Rechtsfortbildung rechtfertigen, kann nur unter Berücksichtigung aller rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen entschieden werden.

Insoweit entspricht es allerdings der erkennbaren Einschätzung des Gesetzgebers, dass die Berufstätigkeit von Anwälten im Rahmen einer Kapitalgesellschaft spezifische Gefahren für die Unabhängigkeit der anwaltlichen Tätigkeit begründet (vgl. BT-Drs. 13/9820 S.11 sub II.). Von vorneherein nicht tangiert ist mithin der Gesichtspunkt der Qualität der Rechtsberatung, da dieser nach dem Gesetz durch die Zulassungsvoraussetzung des § 4 BRAO für die Person des einzelnen Anwalts gewährleistet wird.

Soweit es um die Beurteilung geht, inwieweit ein unabweisbares Bedürfnis für eine Zulassungspflicht derartiger Kapitalgesellschaften als Voraussetzungen für eine richterliche Rechtsfortbildung besteht, muss weiter berücksichtigt werden, dass -jedenfalls nachdem der Bundesgerichtshof durch den Beschluss vom 10.01.2005 die Zulassungsmöglichkeit eröffnet hat- in einem bedeutsamen Bereich anwaltlicher Tätigkeit ein mittelbarer Zulassungszwang besteht. Die Postulationsfähigkeit der Anwaltsgesellschaft selbst, und damit ein wesentlicher Teil ihres wirtschaftlichen Sinns, ist nämlich prozessrechtlich an die Zulassung geknüpft, §§ 78 ZPO, 67 VwGO, 11 ArbGG, 62a FGO (vgl. hierzu BFH NJW 2004, 1974, 1975; GmbHR 2004, 1105; Beschluss vom 01.12.2004 -XI B 102/04, zitiert nach juris; Henssler, a.a.O.; Kilian a.a.O.). Soweit also eine Anwalts-AG das gesamte Spektrum anwaltlicher Tätigkeit abdecken will, wird sie sich auf das durch den Bundesgerichtshof eröffnete Zulassungsverfahren einlassen müssen.

Bei der Einschätzung der Gefahren, die von der (rechtsberatenden) Tätigkeit einer Anwalts-AG ausgehen können, ist schließlich zu berücksichtigen, dass die für die Gesellschaft tätig werdenden Rechtsanwälte ihrerseits den gesetzlichen Berufspflichten nach der BRAO unterliegen, so dass jedenfalls ein berufsrechtliches Einschreiten gegen Fehlentwicklungen innerhalb einer nicht zugelassenen Anwalts-AG möglich bleibt.

Bei zusammenfassender Würdigung der vorgenannten Aspekte erscheinen dem Senat die Gefahren, die von der Tätigkeit einer nicht zugelassenen Anwalts-AG ausgehen können, nicht als derart gravierend, dass es sich rechtfertigen ließe, eine allgemeine Zulassungspflicht ohne hinreichend klare gesetzliche Grundlage im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu begründen. Mithin ist die Beteiligte auch nicht gemäß § 37 Abs.4 Nr.5 AktG gehalten, mit dem Eintragungsantrag eine Zulassung zur Anwaltschaft vorzulegen.

Da die Vorinstanzen ihre Entscheidungen allein auf den Gesichtspunkt des § 37 Abs.4 Nr.5 AktG, also die Formalien der Anmeldung gestützt haben, hat der Senat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache unter Aufhebung der Entscheidungen an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Für dessen weiteres Verfahren weist der Senat ohne Präjudiz auf Folgendes hin:

Durch das Registergericht sind nach Maßgabe des § 38 AktG die allgemeinen Eintragungsvoraussetzungen zu prüfen. Bei der Prüfung der Ordnungsgemäßheit der Anmeldung (§ 38 Abs.1 AktG i.V.m. § 37 Abs.4 AktG) kann und muss daher geprüft werden, ob die Satzung sicherstellt, dass rechtsberatende Tätigkeit nur durch zugelassene Rechtsanwälte ausgeübt wird, da andernfalls eine Erlaubnis nach dem RechtsberatungsG erforderlich sein kann (vgl.oben). Dies ist hier gewährleistet.

Nach Auffassung des Senats hat das Registergericht hingegen nicht zu prüfen, ob die Satzungsbestimmungen inhaltlich den Kriterien genügen, die der Bundesgerichtshof als Zulassungsvoraussetzungen entwickelt hat. § 38 Abs.3 AktG ermöglicht eine derartige materielle Prüfung nicht, da es, wie bereits dargelegt, keine gesetzliche Regelung der Aktiengesellschaft mit anwaltlichem Unternehmensgegenstand gibt. Für eine Rechtsfortbildung sieht der Senat aus den o.g. Gründen auch in diesem Zusammenhang keine hinreichende Grundlage, und zwar in dem vorliegenden Zusammenhang umso weniger, weil der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zu den §§ 59c ff BRAO zu erkennen gegeben hat, dass er die Registergerichte nicht als berufen ansieht, die berufsrechtlichen Aspekte einer Kapitalgesellschaft zu überprüfen (BT-Drs. 13/9820 S.11 sub I.).

Die inhaltliche Überprüfung der Gesellschaftsstrukturen nach berufsrechtlichen Standards hat danach ausschließlich durch die dazu berufenen Organe und Gerichte des anwaltlichen Berufsstands zu erfolgen. Eine ergänzende Überprüfung der Satzungsbestimmungen auf die Einhaltung berufsrechtlicher Mindeststandards durch das Registergericht erscheint nicht zwingend geboten und würde zudem bei nicht oder noch nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassenen Aktiengesellschaften die Gefahr divergierender Entscheidungen zu den Organen und Gerichten des anwaltlichen Berufsstandes begründen. Der Senat hat dabei berücksichtigt, dass das BayObLG in seiner bereits herangezogenen Entscheidung zur Anwalts-GmbH (NJW 1995, 199, 201) eine solche registergerichtliche Überprüfung für erforderlich gehalten hat, solange der Gesetzgeber Mindestnormen für die Struktur der GmbH zur Sicherung des Berufsbildes des freien unabhängigen Rechtsanwalts noch nicht festgelegt habe. Diese Auffassung ist bezogen auf die Anwalts-GmbH infolge der im Jahre 1998 in das Gesetz eingefügten §§ 59 c ff. BRAO überholt. Sie lässt sich nach Ansicht des Senats indessen auch nicht übertragen auf die Anmeldung einer nicht oder noch nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassenen Anwalts-Aktiengesellschaft. Maßgebend dafür ist, dass durch die Entscheidung des BGH vom 10.01.2005 (NJW 2005, 1568) der Weg zu einer Zulassung einer Aktiengesellschaft zur Rechtsanwaltschaft in Anlehnung an die §§ 59 c ff. BRAO eröffnet worden ist. Mag die Erwirkung einer solchen Zulassung für die Entstehung der Gesellschaft durch Eintragung im Handelsregister aus den vorstehenden Gründen auch nicht zwingend sein, so ist dadurch der Weg in die berufsrechtliche Überprüfung der Zulässigkeit der Satzungsbestimmungen einer solchen Aktiengesellschaft gewiesen. Im Hinblick auf diese Entwicklung würde der Senat eine Vorlagepflicht gem. § 28 Abs. 2 FGG nicht als gegeben ansehen, die im Rahmen der vorstehend erteilten nicht bindenden Hinweise für die weitere Entscheidung ohnehin nicht begründet ist (BGH NJW-RR 1998, 1457).






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Az: 15 W 213/05


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