Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 8. August 2003
Aktenzeichen: 2 Ws 433/03

(OLG Köln: Beschluss v. 08.08.2003, Az.: 2 Ws 433/03)

Tenor

Der mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 27.2.2002 ( 503 Gs 843/02) erlassene Arrest, in der Fassung des Beschlusses vom 26.3.2002 (502 Gs 1160/02), wird insoweit aufrechterhalten, als der Arrest durch folgende Vollstreckungsmaßnahmen vollzogen worden ist:

- Pfändung der Geschäftsanteile an der B. W. gemäß Pfändungsverfügung vom 4.3.2002

- Pfändung der Geschäftsanteile an der B. E. gemäß Pfändungsverfügung vom 4.3.2002

- Pfändung der Geschäftsanteile an der B. F. GmbH gemäß Pfändungsverfügung vom 4.3.2002

- Pfändung der Schadensersatzforderung gegen Dr. N. gemäß Pfändungsverfügung vom 6.3.2002

Die Beschwerde hat sich erledigt, soweit sie sich gegen die Aufrechterhaltung des Arrestes bezüglich der Pfändungen der Schadensersatzforderungen gegen die Mitangeschuldigten F., U. und X. richtet.

Im Óbrigen wird auf die Beschwerde des Antragstellers vom 27.5.2003 unter teilweiser Abänderung des Beschlusses des Landgerichts vom 9.5.2003 der Arrestbeschluss des Amtsgerichts Köln vom 27.2.2002 (503 Gs 843/02) in der Fassung des Beschlusses vom 26.3.2002 (503 Gs 1160/02) aufgehoben.

Die weitergehende Beschwerde wird verworfen.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen 1/3 der Staatskasse, 2/3 dem Beschwerdeführer zur Last, dessen notwendige Auslagen die Staatskasse zu 1/3 zu tragen hat.

Gründe

I.

Gegen den Angeschuldigten Dr. N., den früheren Geschäftsführer der Verfallsbeteiligten, und vier weitere Mittäter hat die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Köln unter dem 20.03.2003 Anklage wegen Bestechung und Steuerhinterziehung erhoben. Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeschuldigten N. zur Last, dieser habe als für die Restmüllverbrennungsanlage Köln zuständiger Geschäftsführer der Fa. N. & D. T. GmbH ( im folgenden: NDT ) mit drei anderen Mittätern im Herbst 1993 eine Unrechtsvereinbarung dahin getroffen, dass die vom Rat der Stadt L. gegründete Abfallentsorgungs- und Verwertungsgesellschaft L. ( AVG ) mbH unter allen Umständen die Fa. NDT mit der Errichtung der Müllverbrennungsanlage beauftragen solle. An der AVG mbH, zu deren Geschäftsführer der Angeschuldigte F. bestellt worden war, waren die Stadt L. mit 50,1 %, die Stadtwerke L. mit 24,8 % und die U. Entsorgungs GmbH mit 25,1 % beteiligt. Als Gegenleistung zur Auftragserteilung sollte sich die Fa. NDT verpflichten, an die übrigen Angeschuldigten F., X. und U. ein Schmiergeld in Höhe von 3% der Auftragssumme zu zahlen. Damit sollte dem Erhalt und der Bevorzugung der Interessen der Fa. NDT bei der Abwicklung des Auftrags gedient werden. Nach verschiedenen Manipulationen an dem Angebot der Fa. NDT noch im Angebotsverfahren, wegen dessen Einzelheiten auf die Anklageschrift vom 20.3.2003 verwiesen wird, kam es am 28.1.1994 zum Abschluss des Generalunternehmervertrages zwischen der AVG und der NDT, wobei sich die gesamte Auftragssumme auf rd. 792 Mio. DM belief. In der Folgezeit sollen von der Fa. L. & C. T., vertreten durch den Angeschuldigten, über verschiedene in der Schweiz ansässige Firmen insgesamt 21,6 Mio. DM Schmiergelder an F., U., X., S. sowie an den Angeschuldigten Dr. N. ( in Höhe von 2,4 Mio. DM ) ausgezahlt worden sein.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 27.2.2002 ( 503 Gs 843/02 ) ist zur Sicherung des Verfalls des Wertersatzes ein Arrest in das Vermögen der Fa. NDT zugunsten des Landes Nordrhein-Westfalen in Höhe von zunächst 25 Mio. EUR angeordnet worden, der auf Beschwerde der Verfallsbeteiligten mit Beschluss des Landgerichts Köln vom 25.4.2002 bestätigt worden ist ( 109 Qs 131/01). Durch Beschluss des Amtsgerichts vom 26.3.2002 ist die Arrestsumme auf 15 Mio. EUR reduziert worden ist ( 502 Gs 1160/02 ). Nach einer späteren Erhöhung der Arrestsumme am 17.6.2002 hat auf Beschwerde der Fa. NDT das Beschwerdegericht die Arrestsumme wieder reduziert und den Beschluss des Amtsgerichts vom 26.3.2002 bestätigt (Beschluss des LG Köln vom 2.Juli 2002 - 109 Qs 293/02).

In Vollziehung des Arrestes wurden zu Gunsten des Landes Nordrhein-Westfalen die im Tenor aufgeführten Forderungen sowie weitere Schadensersatzforderungen, auf die noch einzugehen ist, gepfändet (vgl. Bl. 396 f des Sonderheftes L. & C. T. GmbH).

Über das Vermögen der Fa. L. & C. T. ist nach entsprechendem Antrag vom 11.7.2002 am 01.09.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet worden und Rechtsanwalt Dr. T., O., als Insolvenzverwalter bestellt worden.

Am 5.12. 2002 hat das Amtsgericht Köln (503 Gs 4676/02) den dinglichen Arrest in das Vermögen des Angeschuldigten Dr. N. in Höhe von 1.840.651,- EUR zur Rückgewinnungshilfe zugunsten der Fa. L & C T. GmbH und des Landes Nordrhein- Westfalen angeordnet, der später in der Höhe reduziert wurde.

Mit Schriftsatz vom 30.9.2002 hat der Insolvenzverwalter durch seinen Verfahrensbevollmächtigten beantragt, die "Vollziehung des Arrestes aufzuheben" sowie gepfändete Vermögensgegenstände und Sicherheitsleistungen der Schuldnerin freizugeben, und dies im wesentlichen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet. Gegen den ablehnenden Beschluss des Amtsgerichts vom 21.10.2002 (503 Gs 4059/02 -4060/02), der den Antrag vom 30.9.2002 als Einwendung gegen Maßnahmen der Arrestvollziehung verstanden hat, hat der Verfahrensbeteiligte am 4.11.2002 "Beschwerde" eingelegt und zugleich beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 27.2.2002 nach Maßgabe der weiteren Beschlüsse aufzuheben und die Vollstreckungsmaßnahmen durch Pfändung verschiedener, genau bezeichneter Vermögenswerte aufzuheben oder deren Unwirksamkeit in Anbetracht der Insolvenzeröffnung festzustellen; im einzelnen wird hierzu auf den Schriftsatz vom 4.11.2002 Bezug genommen ( Bl. 463 ff des des Sonderheftes L. & C. T. GmbH). Mit Beschluss vom 9.5.2003 (109 Qs 546/02 = 109-10/03) hat das Landgericht die Beschwerde als erneuten Antrag auf Aufhebung der amtsgerichtlichen Beschlüsse angesehen, da wegen der inzwischen erhobenen öffentlichen Klage die Strafkammer als das mit der Sache befaßte Gericht auch für die Arrestentscheidung zuständig sei. In der Sache hat es den Antrag zurückgewiesen. Der dagegen gerichteten Beschwerde vom 27.5.2003 hat das Landgericht mit Beschluss vom 12.6.2003 (14-23/03) nicht abgeholfen. Der Verfahrensbeteiligte stützt seine Beschwerde auf verschiedene Gesichtspunkte: Die von der Staatsanwaltschaft ausgebrachte Pfändungen der Schadensersatzansprüche gegen F., U. und X. seien schon wegen § 88 InsO unwirksam; solange diese Pfändungen nicht aufgehoben worden seien, bestehe für seinen Aufhebungsantrag ein Rechtsschutzbedürfnis. Im weiteren beruft er sich auf die Nachrangigkeit des staatlichen Verfallsanspruchs im Insolvenzverfahren, wie sie in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO zum Ausdruck komme. Außerdem stehe der Rechtsgedanke des § 73 Abs. 1 S. 2 StGB einem Verfall zugunsten des Staates entgegen. Es fehle auch an einem Arrestgrund. Schließlich sei § 73c StGB zu berücksichtigen.

Mit Vermerk vom 25.6.2003 hat die Staatsanwaltschaft aktenkundig gemacht, dass sie die Pfändungen der Schadensersatzansprüche der Fa. L. &C. T. GmbH gegen F., X. und U. an diesem Tag aufgehoben habe ( Bl. 553 Sonderheft L. & C. T. GmbH).

Mit Beschluss vom 01.08.2003 - 11 Qs 23/03 - hat die 14. große Strafkammer nunmehr den zunächst von der Staatsanwaltschaft vor Anklageerhebung ausgeschiedenen Vorwurf der Untreue nach § 266 StGB wieder in das Verfahren einbezogen. Anlass hierfür ist eine gegenüber der Anklageschrift abweichende rechtliche Beurteilung. Die Strafkammer verneint die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 332, 334 StGB, da der Angeschuldigte F. nicht als Amtsträger gehandelt habe, und sieht eine Strafbarkeit dieses Tatkomplexes lediglich unter den Vorschriften der §§ 299, 300 StGB bzw. § 12 UWG a.F.

II.

1.

Die Beschwerde ist zulässig, § 304 Abs. 1 StPO, soweit sie sich nicht durch die Erklärung der Staatsanwaltschaft vom 25.6.2003 erledigt hat.

a. Das Rechtsmittel ist statthaft, da auch dem nicht unmittelbar Verfahrensbeteiligten, durch eine Arrestanordnung jedoch Betroffenen die Möglichkeit der Rechtsmitteleinlegung gegeben sein muß. Nicht zu beanstanden ist auch die vom Landgericht vorgenommene Auslegung der Beschwerde im Schriftsatz vom 4.11.2002 als ( neuen ) Antrag gegenüber dem mit der Sache befaßten Gericht. Bei Übergang der Zuständigkeit auf das ursprüngliche Beschwerdegericht ist eine Beschwerde in einen Antrag auf Überprüfung der Maßnahme umzudeuten (Karlsruher Kommentar/Nack, StPO 5. Aufl., § 98 Rdn. 32), so dass der jetzigen Beschwerde nicht § 310 Abs. 2 StPO entgegensteht.

b. Das Rechtsmittel hat sich erledigt, soweit die Staatsanwaltschaft nunmehr mit Wirkung zum 25.6.2003 die Pfändungen der Ansprüche gegen F., X. und U. aufgehoben hat.

Entgegen der Meinung der Staatsanwaltschaft bestand bis dahin allerdings ein Rechtsschutzbedürfnis für die - im Übrigen auch begründete - Beschwerde des Verfallsbeteiligten.

Die mit der Pfändung bewirkte öffentlichrechtliche Verstrickung fällt nämlich nicht ipso iure weg, vielmehr ist die wegen § 88 InsO unwirksame Pfändung förmlich aufzuheben, ggfs. durch einen Rechtsbehelf des Insolvenzverwalters ( Eickmann in HK-InsO, 2. Aufl., § 88 Rdnr. 12). Trotz Unwirksamkeit dieser Pfändung besteht deshalb ein Interesse des Insolvenzverwalters an deren Aufhebung.

2.

In der Sache bleibt die Beschwerde erfolglos, soweit bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und unter Beachtung der Rückschlagsperre des § 88 InsO der Arrest vollzogen worden ist. Soweit aufgrund des Arrestes noch nicht vollstreckt worden ist, verliert dieser wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens seine Wirkung und ist deshalb aufzuheben. In diesem Umfang ist das Rechtsmittel erfolgreich.

Die Voraussetzungen eines Arrests zur Sicherung der Verfallanordnung bzw. des Wertersatzes nach §§ 73 Abs. 1, Abs. 3, 73a StGB, §§ 111b Abs. 2, 111d StPO liegen - zunächst ungeachtet des nachfolgenden Insolvenzverfahrens - vor.

a.

Der frühere Geschäftsführer der nun insolventen Fa. NDT ist nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen dringend verdächtig, sich einer Bestechung im geschäftlichen Verkehr sowie einer Untreue zulasten der Fa. L. & C. T. neben einer Steuerhinterziehung schuldig gemacht zu haben, §§ 299 Abs. 2, 266 Abs. 1, 2. Alt. StGB, §§ 369, 370 Abs. 1 AO.

Aus der Bestechung im geschäftlichen Verkehr hat die Insolvenzschuldnerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin "etwas" iSd. § 73 Abs. 3 StGB erlangt, was dem Verfall unterliegt.

In Hinblick auf die Vorschrift des § 111b Abs. 3 StPO ist für diesen Tatvorwurf dringender Tatverdacht erforderlich. Dieser ist hier gegeben.

Der Angeschuldigte N. soll nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und den Feststellungen der 14. großen Strafkammer, die in den Beschlüssen vom 1.8.2003 und 4.8.2003 ihren Niederschlag gefunden haben, als Geschäftsführer der Fa. NDT mit drei anderen Mittätern im Herbst 1993 eine Unrechtsvereinbarung dahin getroffen haben, dass die vom Rat der Stadt L. gegründete Abfallentsorgungs- und Verwertungsgesellschaft L. ( AVG ) mbH unter allen Umständen die Fa. NDT mit der Errichtung der Müllverbrennungsanlage beauftragt. Als Gegenleistung sollte sich die Fa. NDT verpflichten, an die übrigen Angeschuldigten F., X. und U. ein Schmiergeld in Höhe von 3% der Auftragssumme zu zahlen. Nach verschiedenen, den Angeschuldigten zur Last gelegten Manipulationen an dem Angebot der Fa. NDT kam es am 28.1.1994 zum Abschluss des Generalunternehmervertrages zwischen der AVG und der NDT, wobei sich die gesamte Auftragssumme auf rd. 792 Mio. DM belief. In der Folgezeit soll der Angeschuldigte die Auszahlung von Schmiergeldbeträgen in Höhe von insges. 21.6 Mio. DM an die weiteren Mitangeschuldigten und auch an sich veranlaßt haben, indem er auf Scheinrechnungen Schweizer Firmen willentlich und wissentlich zu lasten der Fa. NDT gezahlt hat, wobei diese Gelder durch Boten an die Angeschuldigten zurückgeflossen sein sollen.

Rechtlich stellt sich dieses dem Angeschuldigten N. vorgeworfene Verhalten jedenfalls als Angestelltenbestechung und Untreue zulasten der Fa. NDT dar.

Der dringende Tatverdacht ergibt sich zum Teil bereits aus den eigenen Angaben des Angeschuldigten N., im Übrigen insbesondere aus den Aussagen F. und C. sowie den weiteren Ermittlungsergebnissen, wie sie in der Anklageschrift und in den Beschlüssen der Strafkammer vom 4.8.2003 dargestellt sind.

b.

Mit der Strafkammer geht der Senat davon aus, dass die Insolvenzschuldnerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin als Dritte gemäß § 73 Abs. 3 StGB durch dieses rechtswidrige Handeln ihres ehemaligen Geschäftsführers etwas erlangt hat, nämlich den Auftrag zum Bau der Müllverbrennungsanlage und in Folge den an sie gezahlten Werklohn von insgesamt 792 Mio. DM.

Dass die damals unter der Firma L. & C. Steinfelder GmbH handelnde Gesellschaft eine Tochterfirma der späteren Insolvenzschuldnerin war, ist unschädlich. Da nach Angaben des Beschwerdeführers eine Umwandlung in Form der Verschmelzung stattgefunden hat, hat eine Gesamtrechtsnachfolge von der Tochterfirma auf die spätere namensgleiche Fa. N. & D. T. GmbH stattgefunden, § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. Diese umfaßt auch öffentlichrechtliche Rechtsverhältnisse sowie die Stellung des übertragenden Rechtsträgers in einem laufenden Verfahren ( vgl. Lutter, UmwG, § 20 Rdnr. 6, 51). Somit bleibt die übernehmende Rechtsträgerin, die jetzige Fa. L. & C. T., aus der Verfallsanordnung verpflichtet.

Die Voraussetzung, dass der Dritte durch das Handeln des Täters "für einen anderen" etwas erlangt hat ( § 73 Abs. 3, 1. Halbs. StGB), ist erfüllt.

Handeln "für einen anderen" setzt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (eingehend BGHSt 45,235, 244) entweder einen Vertretungs-, Verschiebungs- oder Erfüllungsfall voraus. Hier liegt ein Vertretungsfall im engeren Sinne vor, da der Angeschuldigte Dr. N. als Geschäftsführer der GmbH Organ der begünstigten Gesellschaft war.

Fließt in solchen Fällen dem Dritten der Vorteil zu, so hat der Täter für den Dritten gehandelt und dieser dadurch den Vorteil erlangt. Der Bereicherungszusammenhang ist bereits durch das betriebliche Zurechnungsverhältnis gegeben. Auf eine Unmittelbarkeit im Sinne "durch ein- und dieselbe Handlung" kommt es nach dieser Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, nicht mehr an, weil bei Delikten dieser Art häufig ein komplexer Geldkreislauf in Gang gesetzt wird (BGH a.a.O., S. 246 ). Der Angeschuldigte hat durch die Auszahlung und die Inaussichtstellung weiterer Bestechungsgelder das Ergebnis erzielt, dass die Fa. L. & C. T. den fraglichen Auftrag zum Bau der Müllverbrennungsanlage mit einem Volumen von über 700 Mio. DM erlangt hat. Ihr Vorteil lag darin, einen Auftrag in dieser Größenordnung erzielt zu haben, der einmal dem Fortbestand der Gesellschaft zu gute kam, zum anderen die Möglichkeit einer Gewinnerzielung mit sich brachte.

Dem Verfall unterliegt damit der aufgrund dieses Auftrags zugeflossene Werklohn.

Darauf, ob und welchen Gewinn die frühere Verfallsbeteiligte mit diesem Auftrag erzielt hat, kommt es wegen des in § 73 Abs. 1 S. 1 StGB seit 1992 verankerten Bruttoprinzips (vgl. Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzes und anderer Gesetze vom 28.2.1992 ) nicht an. Das Bruttoprinzip bedeutet in diesem Zusammenhang, dass nicht nur der Gewinn, sondern alles, was der Täter oder Begünstigte aus der Tat erlangt hat, für verfallen zu erklären ist. Bei der Berechnung des beispielsweise durch einen Kauf Erlangten ist vom Verkaufserlös ohne Abzug vom Einkaufspreis und sonstigen Aufwendungen auszugehen ( st. Rspr. des BGH, z.B. Urteil vom 21.8.2002, NJW 02, 3339, 3340). Anzusetzen ist damit der Auftragserlös abzüglich der an andere Firmen, die als Drittfirmen tätig waren, gezahlten Beträge, wie sie in der Aufstellung der Staatsanwaltschaft und des Amtsgerichts im Beschluss vom 17.6.2002 enthalten sind mithin 300 Mio. DM = 153.387,540 EUR (Bl. 241 Sonderheft Fa. L & C T.).

Insoweit hätte die Anordnung des Ersatzes nach § 73a StGB erfolgen können, da sich der erlangte Betrag als solcher nicht mehr im Vermögen der Fa. L. & C. T. befindet.

c.

Nach derzeitigem Erkenntnisstand stellt die Arrestanordnung in Höhe von lediglich 15 Mio. EUR keine unbillige Härte für die ehemalige Verfallsbeteiligte dar, § 73c Abs. 1 S. 1 StGB.

Wie oben gezeigt, käme nach dem Bruttoprinzip ein Arrest in Höhe der errechneten 300 Mio. DM bzw. 153 Mio EUR in Betracht. Die Staatsanwaltschaft hat indes erklärt, einen angeordneten Arrest nicht über 25 Mio. EUR zu vollstrecken ( Erklärung vom 28.6.2002 ), so dass der jetzt in Frage stehende Betrag lediglich rd. 1/6 des rechtlich zulässigen Betrages bedeutet. Schon von daher vermag der Senat keine unbillige Härte zu erkennen.

Im Übrigen handelte es sich bei der ursprünglichen Verfallsbeteiligten um eine nicht mehr im operativen Geschäft tätige Gesellschaft, vielmehr um eine reine Verwaltungsgesellschaft. Angesichts der inzwischen eingetretenen Insolvenz, die nicht mit der Arrestanordnung zusammenhängt, läßt sich erst recht keine unbillige Härte mehr erkennen, da konkrete Anhaltspunkte dazu fehlen, dass der Arrest für diese inzwischen insolvente Gesellschaft eine existenzgefährdende Wirkung haben könnte.

Dass der Arrest die Befriedigung der übrigen Insolvenzgläubiger gefährden kann, stellt keine unbillige Härte im Sinne dieser Vorschrift dar, sondern ist als Interessenkonflikt in dem noch zu erörternden Verhältnis zwischen Arrestanordnung und Insolvenzverfahren zu lösen.

Für die Voraussetzungen der weiteren Alternative nach § 73c Abs. 1 S. 2 StGB sind konkrete Umstände weder dargetan oder sonst aus den Akten ersichtlich.

d.

Dem Arrest steht § 73 Abs. 1 S. 2 StGB, der die Nachrangigkeit des staatlichen Verfallanspruchs vorsieht, nicht entgegen.

Entgegen der Meinung des Verfallsbeteiligten stehen aus der Tat, die Anlaß zur Arrestanordnung ist, nämlich § 299 Abs. 2 StGB bzw. § 12 UWG a.F., dem möglichen Geschädigten keine Ansprüche gegen die Fa. L. & C. T. zu, die den Verfall hindern könnten.

Als Geschädigte könnte allenfalls die AVG in Betracht kommen. Da der eigentliche Generalunternehmervertrag, den sie mit der früheren Verfallsbeteiligten geschlossen hat, bereits abgewickelt ist, ohne dass es - soweit ersichtlich - zu Vertragsstörungen kam, die ihre Ursache in den Bestechungsdelikten hatten, ist nicht erkennbar, was für ein Schaden bei der AVG entstanden sein könnte.

Im übrigen müßte sich die AVG im Verhältnis zur Fa. L. & C. T. das Wissen und Handeln ihres Geschäftsführers F. zurechnen lassen, da dessen Wissensstand als Organ der Fa. AVG dem Wissen der Gesellschaft gleichgestellt wird, § 166 Abs. 1 BGB ( vgl. Palandt/Heinrichs, 62. Aufl., § 166 Rdnr. 2). und gegen diesen der dringende Tatverdacht der Bestechlichkeit im Geschäftsverkehr besteht. Die Wissenszurechnung gilt nicht nur im rechtsgeschäftlichen Bereich, sondern auch bei vergleichbaren Interessenlagen, bei denen einen rechtsgeschäftliche Stellvertretung nicht vorliegt ( a.a.O., Rdnr. 9: MünchKomm/Schramm, BGB, 4.Aufl.,§ 166 Rdnr. 36). Möglichen Ansprüchen auf Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses nach §§ 812 ff BGB aufgrund eines Verstosses gegen §§ 134, 138 BGB steht demnach § 817 S. 2 BGB entgegen, da der Geschäftsführer F. nicht nur von der Unrechtsvereinbarung gewußt, sondern ebenfalls daran mitgewirkt haben soll. Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung gegen die Fa. NDT - hier kann offen bleiben, worin ein Schaden der AVG liegen könnte - scheiden aus den gleichen Überlegungen aus, da die Fa. AVG bei Vertragsabschluss weder getäuscht worden noch sittenwidrig zu ihren Lasten gehandelt worden sein soll .

Der Vorrang des § 73 Abs. 1 S. 2 StGB hat in dieser Konstellation insoweit keine Bedeutung, als die frühere Verfallsbeteiligte, die Fa. L. & C. T. selbst Geschädigte ist und ihr daraus Schadensersatzansprüche gegen ihren Geschäftsführer und /oder die übrigen Mitangeschuldigten zustehen können. Denn diese Ansprüche resultieren aus der Vertragsverletzung des Geschäftsführers Dr. N., dem Untreuehandlungen zum Nachteil der früheren Verfallsbeteiligten zur Last liegen. Diesen Ansprüchen wird in vollem Umfang Rechnung getragen durch die Arrestanordnung in das Vermögen des Angeschuldigten Dr. N., die Gegenstand des Parallelverfahrens 2 Ws 436/03 ist. Dass die Fa. L. & C. T. Adressat einer Arrestanordnung wegen eines zukünftigen Verfalls ist und zugleich Geschädigte, zu deren Gunsten ein Arrest zur Anspruchssicherung gegen den Angeschuldigten verhängt worden ist, liegt an der besonderen Konstellation dieses Sachverhalts, steht aber nicht dem gegen sie zur Verfallssicherung verhängten Arrest entgegen.

Auch die von dem Verfallsbeteiligten erwähnte Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 15.1.2003 - NStZ 03, 423 - führt zu keinem anderen Ergebnis. Es handelt sich um eine abweichende Fallkonstellation, weil in dem dort zugrunde liegenden Fall dem Bestechungserlös ein - spiegelbildlich - entsprechender Schaden bei dem Dienstherrn gegenüberstand, der aus der Verletzung der Dienstpflicht entstand. Hier entstand der von N. verursachte Schaden durch Zahlungen auf fingierte Rechnungen, um auf diese Weise Mittel für Bestechungsgelder zur Verfügung zu haben, indes schon bei der Fa. NDT - nicht der AVG.

e.

Soweit der Arrest in das Vermögen der Fa. L. & C. T. bereits durch wirksame Forderungspfändungen und unter Wahrung der Frist des § 88 InsO vollzogen worden ist, haben diese Pfändungen und der insoweit zugrunde liegende Arrest auch im Insolvenzverfahren Bestand.

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners führt nämlich nicht zur Aufhebung des Arrests, wenn der Gläubiger Sicherheiten erlangt hat, für die ihm ein Absonderungsrecht zusteht. Anders beurteilt sich der Bestand des Arrests, wenn dieser noch nicht vollzogen ist. Dann kommt wegen § 89 InsO eine Aufhebung in Betracht, da er nicht mehr vollzogen werden kann ( vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 927 Rdnr. 7; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 2.Aufl., § 927, Rdnr. 18 ).

Dieses Ergebnis, das für den nach den Vorschriften der ZPO erlassenen Arrest gilt, hat auch für den nach §§ 111b, 111d StPO angeordneten Arrest gleichermaßen Gültigkeit. Auf den strafprozessualen dinglichen Arrest finden im Wesentlichen die Vorschriften der ZPO über § 111d Abs. 2 StPO Anwendung. Somit wird auch der aufgrund von § 111d StPO erlassene Arrest nach den zivilprozessualen Regeln vollstreckt, §§ 930-932 ZPO. Die Vollziehung in das bewegliche Vermögen wird durch Pfändung bewirkt, diese darf jedoch wegen des Sicherungscharakters noch nicht zur Befriedigung des Gläubigers führen. Die Vollziehung des Arrestes in Forderungen des Schuldners bestimmt sich nach §§ 829 ff ZPO. Das durch wirksame Pfändung einer Forderung ( § 829 ZPO ) entstandene Pfändungspfandrecht berechtigt in der Insolvenz des Schuldners zu einer abgesonderten Befriedigung des Gläubigers, § 50 Abs. 1 InsO ( Kübler/Prütting, InsO, § 50, Rdnr. 15; § 80, Rdnr. 77 ff; MünchKomm/Ott, InsO, § 80, Rdnr. 158).

Die im Tenor aufgeführten Forderungen sind durch die Staatsanwaltschaft wirksam am 4.3.2002 sowie am 8.3.2002 gepfändet worden, so dass zugunsten des Landes NRW hinsichtlich dieser Forderungen ein Pfändungspfandrecht entstanden ist. Somit unterliegen diese Forderungen in der Insolvenz der abgesonderten Befriedigung nach §§ 50 Abs. 1 i. V. m. 80 Abs. 2 S. 2; 166 ff InsO.

Nach Meinung des Senats sind keine Gründe ersichtlich, warum diese über § 111d Abs. 2 StPO eröffnete zivilprozessuale Folge nicht auch für eine im Rahmen eines Arrestes zur Sicherung des Wertersatzverfalls gepfändete Forderung Geltung finden soll. Weder findet sich eine gesetzliche Vorschrift, die der dargestellten Lösung widerspricht, noch besteht aus systematischen oder inhaltlichen Gründen Anlaß, von dieser gesetzlichen Lösung abzuweichen ( so auch KMR/Mayer, SPO, § 111d, Rdnr. 18; Hellerbrand, wistra 03,201, 208).

Entgegen der Ansicht des Verfallsbeteiligten läßt sich den gesetzlichen Regelungen der Insolvenzordnung keine gegenteilige Lösung entnehmen.

§ 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO bestimmt den Nachrang staatlicher Forderungen gegenüber den Forderungen anderer Gläubiger; dazu mögen auch der Verfall und Verfall des Wertersatzes gehören, was hier offen bleiben kann. Indes betrifft diese Regelungen nur die Fälle, in denen nicht bereits vorher durch vollzogenen Arrest eine vorläufige Sicherung erzielt wurde. Eine Erstreckung dieser Regelung auf grundsätzlich sämtliche staatlichen Ansprüche iSd. § 39 Abs. 1 Nr. InsO, wie es der Verfallsbeteiligte vorschlägt, führt dazu, dass die zur Sicherung des Verfalls des Wertersatzes gebotenen Möglichkeiten vor Urteilserlaß, nämlich gerade die Regelungen der §§ 111b, 111c, 111d StPO, leer laufen würden, sofern der Schuldner nach Anordnung der Sicherung insolvent wird.

Auch § 80 Abs. 2 InsO vermag die Ansicht des Verfallsbeteiligten nicht zu stützen. Abs. 2 S. 2 dieser Vorschrift sieht ausdrücklich vor, dass die Wirkungen einer Pfändung im Wege der Zwangsvollstreckung nicht von der Insolvenz berührt werden. Damit ist zugleich der Vorrang des Satzes 2 gegenüber Satz 1 zum Ausdruck gebracht. Dasselbe Ergebnis folgt aus in den Materialien zur InsO:

" Satz 2 stellt klar, daß die Regelung weder die Pfändung von beweglichen Sachen oder Rechten noch die Beschlagnahme von unbeweglichem Vermögen im Wege der Zwangsvollstreckung in Frage stellt. Diese Vollstreckungsmaßnahmen gewähren im Insolvenzverfahren ein Recht auf abgesonderte Befriedigung..." ( so BT-Drucksache 12/2443, S. 135 zu dem damaligen § 91 - andere Numerierung ).

§ 91 Abs. 1 InsO widerspricht ebensowenig dieser Lösung, da es vorliegend nicht um den Rechtserwerb nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht, sondern um die Frage des Bestandes einer bereits wirksamen Pfändung.

Der Senat sieht auch keine systematischen Gründe oder Interessenwidersprüche, die ein anderes Ergebnis verlangen.

Der von dem Verfallsbeteiligten vorgebrachte Einwand, dass bei einer späteren Verfallsanordnung durch Urteil der daraus folgende Anspruch des Staates im Insolvenzverfahren wegen § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO zurücktreten müsse, so dass es nicht einsichtig sei, wenn derzeit schon vor Erlaß des Urteils ein erst zukünftiger Anspruch aus einer eventuellen zukünftigen Verfallsanordnung gesichert werde, überzeugt nicht. Abgesehen von obigen Überlegungen ist ergänzend zu bemerken, dass auch ein Arrest im Zivilverfahren, der in gleicher Weise vollzogen wird, der Sicherung eines erst zukünftigen oder eines bedingten Anspruchs dienen kann ( vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 916 Rdnr. 4 f ). Voraussetzung ist jedoch in beiden Fällen, dass das Entstehen dieses Anspruchs sehr wahrscheinlich ist: zivilrechtlich ist der Anspruch schlüssig darzulegen und glaubhaft zu machen; für den strafrechtlichen Verfall des Wertersatzes müssen dringende Gründe sprechen.

Schließlich kann nicht schon die Eröffnung des Insolvenzverfahrens für sich der entscheidende Grund sein, sämtliche staatlichen Ansprüche gegenüber dem Täter oder dem aus der Tat Begünstigten zurückzustellen zugunsten der Befriedigung der übrigen Gläubiger. Zwar ist regelmäßig Folge des Insolvenzverfahrens, dass etwaige Vermögensvorteile der Tat nicht mehr dem Täter oder seinem Begünstigten unmittelbar zufließen können. Mittelbar bringt das Insolvenzverfahren indes dem Täter durchaus Vorteile, da er bei einer (Teil-) Befriedigung seiner Gläubiger von Schulden entlastet wird und zwar, würde man sämtliche staatlichen Ansprüche zurückstellen, auf Kosten des Staates.

Im Ergebnis sieht der Senat deshalb kein Bedürfnis, bei der Ausgestaltung der strafrechtlichen Arrestanordnung von den zivilrechtlichen Regelungen abzuweichen.

Die Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften hat andererseits zur Folge, dass der Arrest, soweit er nicht vollzogen wurde, sich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erledigt hat. Denn ein Vollzug des Arrestes, der nur durch eine Einzelvollstreckung möglich wäre, ist wegen § 89 Abs. 1 InsO unzulässig. Mithin ist der Arrest im Übrigen, soweit er nicht bereits vollzogen ist, aufzuheben ( Zöller, a.a.O., § 927, Rdnr. 7 ).

f.

Es besteht auch, soweit der Arrest Bestand hat, ein Arrestgrund nach §§ 111d Abs. 2 StPO, 917 Abs. 1 ZPO, da zur Sicherung der gepfändeten Forderungen dieser nach wie vor notwendig ist. Dazu tritt der Senat den Ausführungen des Landgerichts bei.

g.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.






OLG Köln:
Beschluss v. 08.08.2003
Az: 2 Ws 433/03


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