Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 21. Januar 2013
Aktenzeichen: X ZR 49/12

(BGH: Beschluss v. 21.01.2013, Az.: X ZR 49/12)

Tenor

Der E. , B. , wird Einsicht in die Akten des Nichtigkeitsverfahrens (5 Ni 59/10 (EP)), einschließlich der Erteilungsakte des Deutschen Patent- und Markenamtes 600 18 608 und der Akten des vorliegenden Berufungsverfahrens (X ZR 49/12), gewährt.

Von der Akteneinsicht ist die Anlage D25 ("AVENANT AU CONTRAT DE POOL DE RECHERCHE ET DE DEVELOPPEMENT DES TECHNIQUES INDUSTRIELLES DU VITRAGE DU 19.12.91") ausgenommen, mit Ausnahme des Artikels 13 dieser Anlage ("PROPRIETE INDUSTRIELLE - BREVETS NOUVEAUX"), der der Akteneinsicht unterliegt.

Gründe

I. Die E. hat um Einsicht in die Akten des vorliegenden Nichtigkeitsverfahrens gebeten. Die Beklagte widerspricht dem Gesuch mit der Begründung, dass die Akten vertrauliche Informationen und Verträge der Beklagten enthielten, die nur für die Rechtsverteidigung in dem 1 vorliegenden Verfahren vorgelegt worden seien, nicht aber der Allgemeinheit zugänglich sein dürften. Das gelte insbesondere für die im Verfahren des ersten Rechtszuges vorgelegten Anlagen D23, D24 und D25. Zudem würden in der Berufungsbegründung und ihren Anlagen sowie der darauf bezugnehmenden Berufungserwiderung der Klägerin interne Vorgänge angesprochen und offen gelegt, die vertrauliche Informationen über konzerninterne Betriebsabläufe der Beklagten enthielten, die Dritten nicht zugänglich sein dürften.

Auch sei ihr, der Beklagten, die E. nicht bekannt und es sei auch nicht ersichtlich, für wen diese tätig werde. Sie, die Beklagte, habe ein erhebliches Interesse daran, die Gefahr zu vermeiden, dass vertrauliche Informationen und Informationen zur Rechtsbeständigkeit des angegriffenen Patents Hintermännern zukämen, die dieses für weitere Nichtigkeitsangriffe nutzten könnten.

II. Dem Antrag auf Akteneinsicht ist mit der im Ausspruch genannten Einschränkung stattzugeben (§ 99 Abs. 3 i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 PatG).

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 1 240 041 (Streitpatents), das auf die gleichfalls von dieser angemeldete internationale Patentanmeldung PCT/FR2000/003656 zurückgeht. Das Streitpatent nimmt die Priorität der deutschen Voranmeldung 199 61 706 vom 21. Dezember 1999 in Anspruch, als deren Anmelderin die S. , ein Tochterunternehmen der Beklagten, eingetragen ist.

Das Patentgericht hat das Streitpatent im beantragten Umfang für nichtig erklärt. Zur Begründung hat es unter Berufung auf Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜbkG, Art. 139 Abs. 2, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, Art. 54 EPÜ i.V.m. § 3 Abs. 2 PatG ausgeführt, dass die ältere nachveröffentlichte deutsche Patent-2 anmeldung das Streitpatent neuheitsschädlich vorwegnehme, nachdem die Inanspruchnahme der Priorität aus dieser Schutzrechtsanmeldung nicht wirksam sei.

Dem tritt die Beklagte in ihrer Berufung u.a. mit der Begründung entgegen, dass das Prioritätsrecht aus der deutschen Voranmeldung noch vor Einreichung der PCT-Anmeldung, auf welche das Streitpatent zurückgeht, von der Anmelderin S. auf die Beklagte übertragen worden sei, damit diese bei der Anmeldung des Streitpatents die Priorität aus der deutschen Voranmeldung wirksam in Anspruch nehmen konnte. Dazu trägt die Beklagte umfangreich vor und beruft sich zum Nachweis ihres Vorbringens insbesondere auch auf die bereits erstinstanzlich vorgelegten Anlagen D23, D24, Artikel 13 der Anlage D25 sowie auf weitere mit der Berufungsbegründung eingereichte Anlagen.

Danach besteht kein dem Antrag auf Akteneinsicht entgegenstehendes beachtliches schutzwürdiges Interesse der Beklagten. Ein solches kann zwar zugunsten eines Verfahrensbeteiligten gegeben sein, wenn durch die Akteneinsicht geheimhaltungsbedürftige Betriebsinterna bekannt werden können (BGH, Beschluss vom 16. Dezember 1971 - X ZR 1/69, GRUR 1972, 331 - Akteneinsicht IX; Beschluss vom 4. Mai 2004 - X ZR 189/03). Ob die Beklagte danach ein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung ihres Vorbringens und der von ihnen vorgelegten Anlagen hinreichend begründet hat, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist im vorliegenden Fall das Interesse der Öffentlichkeit vorrangig, sich darüber zu informieren, ob das Streitpatent die Priorität aus der deutschen Voranmeldung wirksam in Anspruch nimmt, weil - wie die Beklagte geltend macht und die Klägerin bestreitet - vor Anmeldung des Streitpatents das Recht auf Inanspruchnahme der deutschen Voranmeldung wirksam von deren Anmelderin auf die Beklagte übertragen wurde. 6 Dass der Öffentlichkeit dabei auch Betriebsinterna der Beklagten zur Kenntnis gelangen und die Beklagte insoweit ein Geheimhaltungsbedürfnis geltend macht, muss demgegenüber zurücktreten. Die Öffentlichkeit kann insoweit auch nicht auf das Register verwiesen werden, dem lediglich der Umstand entnommen werden kann, dass Anmelder der Voranmeldung und der PCT-Anmeldung, auf die das Streitpatent zurückgeht, unterschiedliche Personen sind, nämlich einerseits die S. und andererseits die Beklagte. Denn daraus ergeben sich keine Informationen zur Frage der Wirksamkeit der Übertragung des Rechts auf Inanspruchnahme der Voranmeldung auf die Beklagte.

Von der Akteneinsicht auszunehmen ist allerdings der als Anlage D25 vorgelegte Poolvertrag mit Ausnahme der Regelung in Artikel 13, weil sich die Beklagte in ihrem Vorbringen bislang nur auf diese Regelung bezogen hat, so dass auch nur insoweit ein vorrangiges öffentliches Informationsinteresse zu bejahen ist.

Im Übrigen erfordert die Einsicht in die Akten des Nichtigkeitsverfahrens weder die Geltendmachung eines eigenen berechtigten Interesses seitens des Antragstellers noch die Darlegung, für wen um Akteneinsicht nachgesucht wird 8

(BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2006 - X ZR 133/06, GRUR 2007, 133 - Akteneinsicht XVII). Der Gewährung von Einsicht in die Akten des vorliegenden Nichtigkeitsberufungsverfahrens steht daher auch nicht entgegen, dass die Antragstellerin und deren Auftraggeber der Beklagten unbekannt sind.

Meier-Beck Grabinski Bacher Hoffmann Schuster Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 15.02.2012 - 5 Ni 59/10 (EP) -






BGH:
Beschluss v. 21.01.2013
Az: X ZR 49/12


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