Landgericht Dortmund:
Beschluss vom 3. Februar 2005
Aktenzeichen: 14 (VI) Qs 2/05
(LG Dortmund: Beschluss v. 03.02.2005, Az.: 14 (VI) Qs 2/05)
Tenor
Die Beschwerde wird verworfen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten
werden nicht erstattet.
Gründe
Die von beiden zu Pflichtverteidigern bestellten Verteidigern nach Teileinstellung des Verfahrens und Teilfreispruch der Betroffenen zur Auslagenfestsetzung angemeldeten Wahlverteidigergebühren in Höhe von 1.210,63 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.11.2003 hat das Amtsgericht Hamm - Rechtspfleger - durch Beschlüsse vom 25. Februar 2004 auf 1165,80 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 12.11.2003 festgesetzt. Auf die dagegen vom Bezirksrevisor eingelegten sofortigen Beschwerden hat es durch Beschlüsse vom 19. Mai 2004 die den Betroffenen zu erstattenden notwendigen Auslagen auf jeweils 800,40 € herabgesetzt, da bei der ursprünglichen Auslagenfestsetzung unberücksichtigt geblieben sei, dass den Betroffenen nach der Differenztheorie nur die auf die Teileinstellung bzw. den Teilfreispruch entfallenden ausscheidbaren Mehrkosten zustünden, die sich auf den festgesetzten Betrag beliefen. Die dagegen gerichteten sofortigen Beschwerden der Betroffenen, mit denen sie bezüglich des abgesetzten Betrages in Höhe von 365,40 € mit auf diese Höhe bestimmten Pflichtverteidigergebühren ihrer Verteidiger aufgerechnet haben, hat die Kammer durch Beschlüsse vom 4. August 2004 verworfen, da die Betroffenen der Festsetzung der Wahlverteidigergebühren nicht durch die Aufrechnung mit Pflichtverteidigergebühren nachträglich die Grundlage entziehen könnten, sondern diese in dem dafür vorgesehenen Verfahren festsetzen lassen müssten.
Daraufhin haben beide Verteidiger jeweils 365,40 € als Pflichtverteidigergebühren zur Festsetzung angemeldet. Die Festsetzung von Pflichtverteidigergebühren hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Hamm durch Beschlüsse vom 5. November 2004 mit der Begründung abgelehnt, dass den Verteidigern keine Pflichtverteidigervergütung zustehe, da diese entsprechend § 100 Abs. 2 Satz 1 BRAGO in voller Höhe auf die bereits erfolgte Wahlverteidigervergütung anzurechnen sei. Auf die dagegen gerichteten Erinnerungen der Betroffenen hat der Vorsitzende des Schöffengerichts des Amtsgerichts Hamm durch Beschluss vom 29. November 2004 die beantragten Pflichtverteidigergebühren antragsgemäß festgesetzt. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Bezirksrevisors beim Landgericht Dortmund. Er ist der Auffassung, dass ein Pflichtverteidiger über die ihm zustehenden Pflichtverteidigergebühren hinaus Wahlverteidigergebühren bei einem Teilfreispruch stets nur dann verlangen könne, wenn die aufgrund des Teilfreispruchs erwachsene Wahlverteidigervergütung die Pflichtverteidigervergütung übersteige, und zwar nur in der sie übersteigenden Höhe. Dies folge aus § 100 Abs. 2 Satz 1 BRAGO, wonach gezahlte Pflichtverteidigergebühren auf die Wahlverteidigervergütung des Verteidigers anzurechnen seien. Das müsse auch in dem hier vorliegenden umgekehrten Fall gelten, dass Wahlverteidigergebühren vor den Pflichtverteidigergebühren angemeldet und festgesetzt worden seien. Denn die Höhe der Entschädigung des Verteidigers könne nicht davon abhängen, in welcher Reihenfolge er die Gebühren anmelde.
Die nach § 98 Abs. 3 BRAGO zulässige Beschwerde des Bezirksrevisors ist unbegründet. Den Verteidigern stehen die zur Festsetzung angemeldeten Pflichtverteidigergebühren, deren Angemessenheit außer Frage steht, zu. § 100 Abs. 1 Satz 2 BRAGO steht ihrer Festsetzung nicht entgegen. Danach sind nur gezahlte Pflichtverteidigergebühren auf die Wahlverteidigervergütung eines Verteidigers anzurechnen. Die Vorschrift kann nicht entsprechend auf den hier vorliegenden Fall angewendet werden, dass der Verteidiger zuvor seine Wahlverteidigervergütung erhalten hat und nachfolgend Pflichtverteidigergebühren geltend macht. Der gerichtlich bestellte Verteidiger kann nach § 100 Abs. 1 Satz 1 BRAGO von dem Beschuldigten die Zahlung der Gebühren eines gewählten Verteidigers verlangen; er kann nach der Vorschrift allerdings keinen Vorschuss von ihm fordern und muss sich nach § 100 Abs. 1 Satz 2 BRAGO die aus der Staatskasse erhaltenen Pflichtverteidigergebühren auf sein Wahlverteidigerhonorar anrechnen lassen, das er in der die Pflichtverteidigergebühren übersteigenden Höhe gegen den Beschuldigten nur unter den Voraussetzungen des § 100 Abs. 2 BRAGO geltend machen kann. § 100 Abs. 1 Satz 2 BRAGO ist bei dieser Gesetzessystematik eine Schutzvorschrift zugunsten des Beschuldigten, der in Höhe der aus der Staatskasse gezahlten Pflichtverteidigergebühren endgültig von dem Anspruch des gerichtlich bestellten Verteidigers auf Zahlung der Wahlverteidigervergütung freigestellt werden soll (vgl. dazu Madert in Gerold/Schmidt, BRAGO, 15. Aufl. § 100, Rdn. 6). Die Zielrichtung, die Staatskasse in bestimmten Fällen vor einer Geltendmachung der Pflichtverteidigervergütung durch den bestellten Verteidiger zu bewahren, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Denn der Gesetzgeber hat die Anrechnung von Pflichtverteidiger- auf Wahlverteidigergebühren nicht generell angeordnet. Allerdings folgt aus § 100 Abs. 1 BRAGO, dass der Verteidiger insgesamt nicht mehr als die ihm gebührende Wahlverteidigervergütung erhalten soll (vgl. Madert a. a. O.). Mehr als diese machen beide Verteidiger einschließlich der Pflichtverteidigervergütung vorliegend auch nicht geltend.
Dass den Verteidigern, hätten diese zunächst ihre Pflichtverteidigergebühren angemeldet und festgesetzt erhalten, sich diese bei anschließender Anmeldung ihrer Wahlverteidigervergütung auf diese nach § 100 Abs. 1 Satz 2 BRAGO hätten anrechnen lassen müssen, führt zu keiner anderen Bewertung. Natürlich kann, worauf der Bezirksrevisor im Grundsatz zutreffend hinweist, die Höhe des Anspruchs eines gerichtlich bestellten Verteidigers gegen die Staatskasse im Falle eines Teilfreispruchs nicht davon abhängen, ob er die Pflichtverteidigergebühren vor oder nach den Wahlverteidigergebühren liquidiert. Macht ein gerichtlich bestellter Verteidiger in einem solchen Fall zunächst Wahlverteidigergebühren geltend, besteht in Höhe der geschuldeten Pflichtverteidigervergütung im Hinblick auf § 100 Abs. 1 Satz 2 BRAGO ein Leistungsverweigerungsrecht der Staatskasse. Macht sie davon jedoch - wie hier - keinen Gebrauch und setzt die angemeldeten Wahlverteidigergebühren vorbehaltlos fest, bleibt der Anspruch der bestellten Verteidiger auf Pflichtverteidigergebühren bis zur Höhe ihrer vollen Wahlverteidigervergütung unberührt. Materiell letztlich aufkommen muss die Staatskasse nur für die auf den Teilfreispruch entfallenden Auslagen der Verteidiger. Sie ist nicht gehindert, sich die gezahlten Mehrauslagen von den eigentlichen Kostenschuldnern, den Betroffenen, zurückzuholen. Dass sie bei den hier streitbefangenen Pflichtverteidigergebühren in Vorlage zu treten hat, liegt in der Natur der Sache.
Die Streitfrage, ob bei einem Teilfreispruch gezahlte Pflichtverteidigergebühren auf zu erstattende Wahlverteidigergebühren in vollem Umfange (so OLG Hamburg Rpfleger 1999, 413; OLG Saarbrücken Rpfleger 2000, 564) oder nur im anteiligen Verhältnis von Freispruch zu Verurteilung zu erstatten sind (so OLG Düsseldorf NStZ-RR 1999, 64; OLG Celle NStZ 2004, 692) kann vorliegend unentschieden bleiben.
Die Nebenentscheidung beruht auf § 98 Abs. 4 BRAGO.
LG Dortmund:
Beschluss v. 03.02.2005
Az: 14 (VI) Qs 2/05
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