Kammergericht:
Urteil vom 17. März 2010
Aktenzeichen: 24 U 117/08
(KG: Urteil v. 17.03.2010, Az.: 24 U 117/08)
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 03. Juni 2008 € 16 O 78/07 € wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz und die außergerichtlichen zweitinstanzlichen Kosten der Nebenintervenientin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil des Landgerichts Bezug genommen. Ergänzend wird ausgeführt:
Die Klägerin begehrt € nach in der Sache gleichem, erfolglosem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Verfahren vor dem Landgericht Berlin zu 16 O 1049/06 € im hiesigen Rechtsstreit, die Beklagte, welche als (mittelbare) Lizenznehmerin der Nebenintervenientin die Virtualisierungssoftware €P.€ im Internet zum Verkauf anbietet, zu verpflichten, es bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, die Virtualisierungssoftware €P.€ der Nebenintervenientin zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, mit der Begründung, ihr stünden an dieser Software Rechte unter dem Gesichtspunkt der unfreien Bearbeitung zu.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 03.06.2008 abgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren in zweiter Instanz fort.
Die Klägerin rügt und trägt weiter vor:
Auf den vorliegenden Fall sei deutsches Recht anzuwenden.
Sie mache die Verletzung ihrer Rechte an der Software €t€)€ durch die Verwertung der Software €P.)€ durch die Beklagte geltend. Sie sei Inhaber der ausschließlichen Nutzungsrechte hinsichtlich ersterer; dies sei aufgrund eines Copyright-Vermerks (Anlage K 6) zu vermuten.
Bei einem Computerprogramm seien dessen Architektur, dessen € mit Handlungsabläufen bei Romanen vergleichbare € Programmabläufe schutzfähig.
Vorliegend habe das Programm €P.€ identische interne Programmabläufe, die identisch angeordnet und miteinander verknüpft seien wie das Programm €t€)€; es sei entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht nur das Ziel übernommen worden, sondern auch der Weg. Aufgrund der Übernahme von Teilen sei die Software €P.)€ insgesamt urheberrechtswidrig.
Das Privatgutachten der R. GmbH habe diese Umstände aufgezeigt, nämlich transparent gemacht, welche Programmfunktionen des Programms €t€)€ beim Programm €P.€ identisch übernommen worden seien und € die schöpferische Gestaltung des Programmierers sichtbar machend € wie diese identischen Programmfunktionen miteinander verknüpft seien. Urheberrechtsverletzungen bei Computerprogrammen seien nicht nur durch einen Vergleich der Quellcodes nachweisbar, sondern auch durch einen Vergleich der Binärcodes. Durch eine technische Analyse des Binärcodes eines € auch bearbeiteten € Programms, wie sie die R. GmbH durchgeführt habe, könnten sogenannte €Callgraphen€ extrahiert werden, die den genauen Funktionsablauf des Programms und seine Architektur wiedergäben und somit eine qualitative Aussage erlaubten. Die Analysetools der R. GmbH ließen einen so weitgehenden Einblick in Aufbau und Gestaltung eines Programms zu, dass Programmfehler und Sicherheitslücken entdeckt werden könnten. Es sei unrichtig, dass die R. GmbH nicht €die streitgegenständliche Programme€ untersucht habe. Die Vergleichstechnik des Binärcodes durch Callgraphen beruhe nicht auf einer Dekompilierung. Die von der R. GmbH festgestellte Übereinstimmung von 28 % der Funktionen zwischen €t€€ in der Windows-Version und Parallels sei signifikant.
Hinzu kämen folgende Indizien: Beide Programme könnten das Container-Format der Software der Klägerin problemlos lesen und verarbeiten; der Maustreiber ermögliche bei beiden Programmen die durchgängige Verwendung der Computermaus im Wirts- und Gastsystem; die OOO Parallels habe nach Ende der Zusammenarbeit mit ihr die für sie (= Klägerin) erstellte Software zum Download angeboten und die mit der OOO Parallels zu den dahinter stehenden Personen teilweise personenidentische Nebenintervenientin gehe infolge der Annahme, der Klägerin seien nicht alle Nutzungsrechte übertragen worden, bis heute davon aus, hierzu befugt zu sein und biete in den USA eine Version der Software €P.€ für Windows an, die identische Programmbibliotheken wie die Software €t€€ verwende. Die Personenidentität der OOO Parallels mit der Nebenintervenientin sei schon bei Herrn N. offensichtlich, der für die OOO Parallels Dokumente (Anlagen N-B 1 und 3) unterzeichnet habe und für die Nebenintervenientin vor dem Landgericht Berlin aufgetreten sei [gemeint wohl: im Verfahren 16 O 1049/06] und auf der Website der Nebenintervenientin als Vice President und sowie mit weiteren Funktionen genannt werde. Ferner verfüge die Nebenintervenientin über Dokumente der OOO Parallels und von der Website der €P..€ werde man auf die Website der Nebenintervenientin weitergeleitet.
Dass die Betriebssysteme Windows NT und Mac OS X verschiedene Programmphilosophien und €strukturen verfolgten, spreche vorliegend nicht entscheidend gegen die Annahme einer Programmübernahme, da bei € nicht betriebssystemnahen € Anwendungsprogrammen regelmäßig eine weitgehende Programmübernahme möglich sei.
Wegen der erdrückenden Indizienlage hätte das Landgericht bereits eine Beweislastumkehr zu ihren Gunsten annehmen müssen. Darüber hinaus befinde sie sich in Beweisnot, da sie die Quellcodes des Programms €t€)€, welche ihr von der OOO Parallels nicht mehr zur Verfügung gestellt worden seien, nicht vorlegen könne; dies könnten aber die Beklagte oder jedenfalls die Nebenintervenientin.
Sie habe im Termin vor dem Landgericht vom 03.06.2008 Leistungsscheine vorgelegt; diese könnten nochmals vorgelegt werden.
Bei der Frage des Nachweises einer Urheberrechtsverletzung durch einen Binärcode-Vergleich handele es sich um eine € gerichtlich bislang wohl noch nicht entschiedene € Frage von besonderer Bedeutung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 08.12.2008 (Bd. II Bl. 16-23 d. A.) und auf den Schriftsatz vom 01.09.2009 (Bd. II Bl. 83-93 d. A.) Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Berlin vom 03. Juni 2008, Az.: 16 O 78/07, abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken an dem Geschäftsführer, zu unterlassen, die Virtualisierungssoftware €P.€ der Firma P. zu verbreiten oder verbreiten zu lassen, insbesondere wenn dies geschieht wie am 1. November 2006 auf der Webseite http://s....
Die Klägerin regt an,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Nebenintervenientin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte erwidert:
Der Antrag der Klägerin sei zu unbestimmt. Diese trage selbst vor, das von der Beklagten verwertete Programm übernehme nur einzelne Teile der Schutzform, gleichwohl begehre die Klägerin die Unterlassung des Vertriebs der Software €P.€ insgesamt. Auch gebe die Klägerin keine konkrete Version an, hinsichtlich derer Unterlassung begehrt werde, obwohl sie nur beanstande, die Beklagte verwerte die Version 1.940. Auch sei der Verweis im Klageantrag auf einen bloßen Link unzulässig.
Die Klägerin habe nicht dargelegt, aus welcher konkreten Version der Software €t€€ sie Rechte herleiten wolle, welche konkreten Programmbestandteile diese Version umfasse, dass diese überhaupt urheberrechtsschutzfähig seien und welche Programmteile der Software €P.€ ihre Rechte verletzen sollen. Die Klägerin habe nicht dargelegt, welche einzelnen Programme oder Programmbestandteile mit welchen Funktionen und in welcher Version ihr übergeben werden sollten und übergeben worden seien. Der Rahmen-Vertrag Anlage K 1 der Klägerin mit der OOO Parallels spreche nur von einer Virtualisierungssoftware für das Betriebssystem Windows NT € und nicht für das grundverschiedene Betriebssystem Apple Macintosh (Mac OS X) €, enthalte aber keine weitergehende Leistungsbeschreibung. Leistungsscheine, welche die einzelnen Versionen und Bestandteile konkretisieren sollten, habe die Klägerin € auch im Termin vor dem Landgericht vom 03.06.2008 € nicht vorgelegt. Aus dem Rahmen-Vertrag ergebe sich nicht, dass die Klägerin ausschließliche Rechte übertragen bekommen sollte; dagegen spreche, dass eine Übergabe der Quellcodes € welche der ausschließlich Nutzungsberechtigte brauche € gerade nicht vereinbart worden sei; die Klägerin habe die Überlassung der Quellcodes offenbar auch nie verlangt. Der Klägerin sollten daher nur einfache Nutzungsrechte übertragen werden, und diese nur für das Betriebssystem Windows NT.
Virtualisierungssoftware werde von zahllosen Anbietern seit Jahrzehnten auf dem Markt vertrieben.
Ein Binärcodevergleich sei für den Nachweis einer Urheberrechtsverletzung ungeeignet, da sich aus dem Binärcode auch mithilfe moderner Dekompilierungsprogramme nur sehr begrenzt ein der ursprünglichen Codierung nahe kommender Quelltext rekonstruieren lasse. Das Parteigutachten der R. GmbH untersuche nicht das Programm €P. (dt. Version) €€, sondern das € von diesem gänzlich verschiedene € Programm €P.€. Eine Übereinstimmung von 28 % der Funktionen bedeute noch keine signifikante Übereinstimmung im Quellcode.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 19.02.2009 (Bd. II Bl. 39-52 d. A.) Bezug genommen.
Die Nebenintervenientin erwidert in ähnlicher Weise wie die Beklagte und erklärt darüber hinaus:
Auf den vorliegenden Fall sei russisches Recht anzuwenden.
Da die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag von der OOO Parallels die Software €t€)€ gar nicht mehr zur Verfügung gestellt erhalten habe, könne sie auch keine Rechte daran haben; sie habe sie auch nicht bezahlt, so dass OOO Parallels ein Zurückbehaltungsrecht zustehe. Dass die Klägerin die Software €t€€ erhalten habe und/oder ihr Rechte an dieser oder einer anderen Version eingeräumt worden seien, bleibe bestritten.
Das Programm €t€€ sei weder ganz noch in Teilen in der Software €P.€ enthalten. Dies hätten die Privatgutachter G. und V. festgestellt.
Sie verfüge nicht über den Quellcode der der Klägerin zuletzt überlassenen Version von €t€€; sie gehe davon aus, dass entsprechendes auch für die Beklagte gelte. Sie sei nicht personenidentisch mit der OOO Parallels. Sie bestreite, dass sie in den USA eine Version der Software €P.€ für Windows anbiete, die identische Programmbibliotheken wie die Software €t€€ verwende.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 19.02.2009 (Bd. II Bl. 53-65 d. A.) und auf den Schriftsatz vom 09.03.2010 (Bd. II Bl. 101-105 d. A.) Bezug genommen.
II.
A. Die Berufung hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.
1. Die € nach dem Prinzip der lex fori nach deutschem Zivilprozessrecht zu beurteilende (vgl. Geimer in Zöller, ZPO, 28. Aufl., 2010, IZPR Rdnr. 1) € Klage ist zulässig.
a. Soweit die Beklagte rügt, der Antrag der Klägerin sei zu unbestimmt, da diese selbst vortrage, das von der Beklagten verwertete Programm übernehme nur einzelne Teile der Schutzform, gleichwohl aber die Unterlassung des Vertriebs der Software €P.€ insgesamt begehre und sie auch keine konkrete Version angebe, hinsichtlich derer Unterlassung begehrt werde, obwohl sie nur beanstande, die Beklagte verwerte die Version 1.940, betrifft dies alles die Begründetheit der Klage.
b. Soweit die Beklagte weiter bemängelt, der Verweis im Klageantrag auf einen bloßen Link sei unzulässig, ist die Angabe dieses Beispiels im Antrag für die Klagezulässigkeit unschädlich.
2. Die Klage ist indes unbegründet.
a. Anzuwendendes materielles Recht
Der Rechtsstreit der Parteien ist nach deutschem Recht zu beurteilen. Im vorliegenden Rechtsstreit streiten zwei deutsche GmbHs darum, ob die Beklagte urheberrechtliche Verwertungsrechte der Klägerin verletzt hat und ob letzterer insoweit ein Unterlassungsanspruch gegenüber ersterer zusteht. Es liegt somit keine ausreichende Anknüpfung für die Annahme vor, dass anderes als deutsches Urheberrecht auf den Rechtsstreit der Parteien anzuwenden wäre. Nach diesem richten sich auch die aus dem Urheberrecht oder einem Nutzungsrecht daran hergeleitete materielle Berechtigung zur Verfolgung von Rechtsverletzungen sowie die Übertragbarkeit solcher Rechte (vgl. BGH GRUR 1992, 697 € Alf € Rdnr. 14 nach juris; BGH, GRUR 1999, 152 € Spielbankaffaire € unter II.1.a.; BGH, GRUR 1999, 984 € Laras Tochter € Rdnr. 23 nach juris). Ob Anderes für die Frage gilt, welches Recht auf den Vertrag der Klägerin mit der russischen OOO Parallels (Anlage K 1) anzuwenden wäre, falls es € wie nicht € für die Entscheidung des Rechtsstreits auf diesen ankäme, kann dahinstehen.
b. Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Unterlassung, die Virtualisierungssoftware €P.€ der Nebenintervenientin zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, zu. Ein derartiger Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 97 Abs. 1, 69a Abs. 1, 69c Nr. 3, 15 Abs. 1 Nr. 2, 17, 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG.
aa. §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 69a ff UrhG regeln, unter welchen Voraussetzungen Computerprogramme urheberrechtlich geschützt sind.
Unter einen Computerprogramm ist € vereinfacht gesprochen € eine Reihe von Befehlsanweisungen an einen Computer zur Erzielung einer Wirkung zu verstehen (vgl. Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., 2008, § 69a Rdnr. 12).
Computerprogramme sind ihrem Charakter und ihrer Verwendung nach eher weniger schöngeistiger als technisch-funktionaler Natur; ihr wirtschaftlicher Wert besteht in der Regel in ihrer Funktionalität. Das Urheberrecht schützt aber allein die € im Wirtschaftsleben oft zweitrangige € Form des Programms, nicht aber dessen Inhalt oder Funktionalität (Dreier, a. a. O., Rdnrn. 2, 20), nicht dessen €Ideen und Grundsätze€, § 69a Abs. 2 Satz 2 UrhG. Unter den Schutzbereich können fallen: Bildschirmmasken, das sonstige Erscheinungsbild, die Programmstruktur, die Gliederung des Programmablaufs, die Anordnung der Programmelemente und deren Zusammenwirken, der Algorithmus, also die präzise Verarbeitungsvorschrift, die von der Maschine ausgeführt werden kann (Dreier, a. a. O., Rdnrn. 2, 16, 21, 22).
Das Gesetz setzt für die Schutzfähigkeit eines Computerprogramms keine besondere schöpferische Gestaltungshöhe voraus, sondern stellt in erster Linie darauf ab, dass es sich um eine individuelle geistige Schöpfung des Programmierers handelt, § 69a Abs. 3 Satz 1 UrhG; zur Bestimmung der Schutzfähigkeit eines Computerprogramms sind keine anderen Kriterien, insbesondere nicht qualitative oder ästhetische, anzuwenden, § 69a Abs. 3 Satz 2 UrhG. Damit unterstellt das Gesetz auch die kleine Münze des Programmschaffens dem urheberrechtlichen Schutz und lässt lediglich die einfache, routinemäßige, gänzlich banale Programmierleistung, die jeder Programmierer auf dieselbe oder ähnliche Weise erbringen würde, schutzlos. Dies bedeutet, dass bei komplexen Computerprogrammen eine tatsächliche Vermutung für eine hinreichende Individualität der Programmgestaltung spricht (BGH, GRUR 2005, 860 € Fash 2000 € Ls. 1 und Rdnr. 12 nach juris).
49bb. Die Voraussetzungen des klägerseits geltend gemachten Anspruchs sind bereits aufgrund grundsätzlicher Bedenken. Das Landgericht bewegt sich mit seiner Skepsis hinsichtlich des Ausreichens eines Binärcodevergleichs zur Darlegung und zum Nachweis des Vorliegens einer unfreien Bearbeitung eines urheberrechtlich geschützten Programms sowohl im Allgemeinen als auch bezogen auf das Privatgutachten der R. GmbH im Besonderen durchaus auf der Grundlage der herrschenden Rechtsprechung (vgl. BGH, GRUR 2002, 1046 € Faxkarte € Rdnr. 30 nach juris). Auch vorliegend ist daran festzuhalten, dass sich nur bei Vorlage der Quelltexte des Ausgangsprogramms und der Quelltexte oder Binärcodes des nach dem Vorbringen der Klägerin abgeleiteten Programms der grundlegende erste Schritt, hinreichend darzutun und zu belegen, welche Teile des Ausgangsprogramms aufgrund welcher Umstände als schöpferische Eigenleistung Urheberrechtsschutz beanspruchen können, also nicht etwa bloße Übernahmen oder Routinen sind, ausreichend zuverlässig leisten lässt. Dies betrifft bereits die Darlegungsebene. Bei bloßem Binärcodevergleich scheitert aber nicht nur dieser erste Schritt der Darlegung der Urheberrechtsschutzfähigkeit der Teilkomponenten, sondern auch der notwendige zweite Schritt, nämlich die Darlegung, dass und wodurch gerade diese urheberrechtlich geschützten Teile übernommen worden sind. Über Mutmaßungen und zu vage bleibende Wahrscheinlichkeiten hinaus wird auch bei der Verwendung von Callgraphen bereits auf der Darlegungsebene nichts genügend Fassbares benannt, auch wenn eine Teilidentität wie geschehen abgebildet wird.
Genügender Anlass, die Darlegungsanforderungen € Entsprechendes würde in der Folge für die Beweisanforderungen gelten € zugunsten der Klägerin abzusenken, besteht vor dem Hintergrund der Umstände des vorliegenden Falles nicht. Wenn die Klägerin aus ihrem Vertrag mit der OOO Parallels ein ausschließliches Nutzungsrecht wie von ihr reklamiert an einem Programm haben sollte, stünde ihr der Weg offen, die OOO Parallels € gegebenenfalls gerichtlich € auf Herausgabe der Quelltexte oder zumindest auf Einsichtnahme in diese in Anspruch zu nehmen. Dass die Klägerin diesen Weg nicht beschreitet, bildet keine ausreichende Rechtfertigung dafür, die sie betreffenden Darlegungs- und Beweisanforderungen im hiesigen Verfahren herabzusetzen.
cc. Der verfolgte klägerische Unterlassungsanspruch scheitert zudem - wie ebenfalls bereits in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert - ohnehin schon unabhängig von den vorstehenden Erwägungen zu bb.. Denn die Klägerin hat vorliegend schon € wiederum auf der Darlegungsebene € gerade auch in Ansehung des Privatgutachtens der R. GmbH nicht hinreichend dargetan, dass ein von der Beklagten konkret verwertetes Computerprogramm eine ausreichende Übereinstimmung in Bezug auf urheberrechtlich geschützte Elemente € etwa die Programmstruktur (€Architektur€) € mit einem Computerprogramm aufweist, hinsichtlich dessen sie sich berühmt, Nutzungsrechte zu haben.
Zwar hat die Klägerin im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 02.06.2008 (dort Seite 9 = Bd. I Bl. 194 d. A.) behauptet, das von der R. GmbH im € substantiierten Parteivortrag darstellenden € undatierten Privatgutachten (Anlage K 13 = Bd. I Bl. 113-151 d. A.) untersuchte Programm €P.€ (vgl. Seite 8a des Privatgutachtens = Bd. I Bl. 120 d. A.) sei identisch mit dem Programm €P.€, welches die Beklagte gemäß ihrem Internetauftritt vom 09.11.2006 (Anlage B 1 = Bd. I Bl. 81 d. A.) im November 2006 vertrieben hat. Die Beklagte hat indes bereits erstinstanzlich im Schriftsatz vom 15.05.2008 (dort Seite 8 = Bd. I Bl. 165 d. A.) und erneut in der Berufungserwiderung vom 19.02.2009 (dort Seite 11 = Bd. II Bl. 49 d. A.) vorgetragen, dass es sich bei den beiden genannten Programmen um völlig verschiedenen Programme handele. Die Klägerin, die vorliegend einen Anspruch auf Unterlassung geltend macht, trägt nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für alle Tatsachen, aus denen sich ihr Anspruch herleitet, also für alle anspruchsbegründenden Tatsachen. Sie ist indes ihrer Vortragslast bereits auf der Darlegungsebene nicht ausreichend nachgekommen. Sie hat ihre Behauptung, das von der R. GmbH untersuchte Programm €P.€ sei identisch mit dem Programm €P.€, für deren Richtigkeit der Senat auch sonst keine hinreichenden Anhaltspunkte hat € nicht durch konkreten Tatsachenvortrag hinreichend unterlegt. Auch ihr zweitinstanzlicher Vortrag hierzu, es sei unrichtig, dass die R. GmbH nicht €die streitgegenständliche Programme€ untersucht habe, ist mangels konkreter Tatsachenangaben unzureichend. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass es immer nur eine Version eines Programms €P.€ gegeben hat, da die Klägerin selbst vorträgt, die Beklagte habe im November 2006 eine Version €P.)€ vertrieben (vgl. die Klageschrift vom 05.02.2007, dort Seite 8 = Bd. I Bl. 8 d. A. sowie den Schriftsatz vom 02.06.2008, dort Seite 9 = Bd. I Bl. 194 d. A.). Dass sämtliche Versionen der Reihe €P.€ hinsichtlich urheberrechtsschutzrelevanter Elemente identisch wären oder hinreichend übereinstimmen würden, ist weder konkret aufgezeigt noch sonst ersichtlich.
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der von der Klägerin aufgeführten, von der Beklagten bestrittenen €Indizien€. Soweit die Klägerin vorträgt, €Beide Programme€ € wobei auch im Zusammenhang mit dem erstinstanzlichen Vortrag nicht restlos klar ist, welche konkreten Programme die Klägerin hiermit meint € könnten das Container-Format der Software der Klägerin problemlos lesen und verarbeiten und der Maustreiber ermögliche bei beiden Programmen die durchgängige Verwendung der Computermaus im Wirts- und Gastsystem, vermag auch dieser Vortrag € falls er zutrifft, was dahinstehen kann € auch in Ansehung des erstinstanzlichen Vortrags der Klägerin nicht hinreichend aufzuzeigen, dass über Inhalt und Funktionalität, über €Ideen und Grundsätze€ eines Programms, für welches die Klägerin Nutzungsrechte für sich reklamiert, hinaus, geschützte Elemente eines derartigen Programms in einem von der Beklagten verwerteten Programm in ausreichendem Umfang übernommen worden wären. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem € bestrittenen € Vortrag der Klägerin zur Verbindung der Nebenintervenientin zur OOO Parallels, so dass auch insoweit die Richtigkeit des klägerischen Vortrags offen bleiben kann. Dass die Nebenintervenientin in den USA eine Version der Software €P. € für Windows anbiete, die identische Programmbibliotheken wie die Software €t€€ verwende, ist in tatsächlicher Hinsicht schon nicht hinreichend dargetan; darüber hinaus könnte aus einem etwaigen derartigen Umstand auch im Hinblick auf die weiteren Umstände des Falles nicht € gar mit der nötigen Sicherheit € darauf geschlossen werden, die Beklagte verwerte ein konkretes Computerprogramm, das ausreichende Übereinstimmung mit einem Computerprogramm aufweise, hinsichtlich dessen die Klägerin sich berühmt, Nutzungsrechte zu haben.
Bereits vor dem Hintergrund des Vorstehenden war sonach kein Beweis über die € auf ungenügender Tatsachengrundlage vorgebrachte € Behauptung der Klägerin zu erheben, ein konkretes von der Beklagten verwertetes Computerprogramm weise ausreichende Übereinstimmung mit einem Computerprogramm auf, an dem der Klägerin nach ihrer Behauptung Nutzungsrechte zustehen.
Die weiteren Streitpunkte der Parteien können dahinstehen. Dies betrifft auch die Fragen, ob der Klägerin tatsächlich € gar ausschließliche € Rechte an €t€)€ zustehen und ob für den Fall einer Rechteverletzung durch die Beklagte durch den seinerzeitigen Vertrieb des Programms €P.€ weiterhin Wiederholungsgefahr besteht. Ferner können die oben unter 1. a. genannten von der Beklagten erhobenen Bedenken unerörtert bleiben.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 1. HS ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Entscheidung beruht auf den besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalls, zumal bereits die rein einzelfallbezogenen Erwägungen zu II. A. 2.b.cc. das gefundene Ergebnis tragen.
KG:
Urteil v. 17.03.2010
Az: 24 U 117/08
Link zum Urteil:
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