Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 30. Oktober 2015
Aktenzeichen: 6 U 84/15
(OLG Köln: Urteil v. 30.10.2015, Az.: 6 U 84/15)
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 33. Kammer des Landgerichts Köln vom 12.5.2015 wird zurückgewiesen
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages.
Gründe
I.
Die Klägerinnen nehmen den Beklagten auf lauterkeitsrechtlicher Grundlage auf Unterlassung, Feststellung von Schadensersatz und Auskunft sowie Ersatz von vorgerichtlichen Abmahnkosten in Anspruch.
Die Parteien produzieren und vertreiben bundesweit Fahrradträgersysteme für Pkw. Die Beklagte verwendet in ihrem System ein Element, das sie ursprünglich von der Klägerin bezogen und später selbst hergestellt hat oder herstellen ließ.
Bei diesem Teil handelt es sich um einen sog. Klemmkopf (Abbildungen Anlagenkonvolut zur Klageschrift K7). In Fahrradträgersystemen, die an Pkw angebracht werden, hat er die Aufgabe, den Rahmen des Fahrrades zu umschließen und dafür zu sorgen, dass das mit dem Klemmkopf fixierte Fahrrad sicher steht, insbesondere von weiteren transportierten Fahrrädern auf Abstand gehalten wird. Der Klemmkopf als Befestigungselement wird hierzu mit einer Stange von benachbart befestigten Fahrrädern getrennt. Die Besonderheit des von der Klägerin verwendeten Klemmkopfes besteht darin, dass die Befestigung über ein Rastspannsystem erfolgt, andere Produkte verwenden sog. Zangensysteme.
Die Gesamtkonstruktion eines Fahrradträgersystems besteht üblicherweise aus einem Grundträger, der auf dem Dach, am Heck oder auf der Anhängerkupplung des Fahrzeugs montiert wird, ferner aus Abstandshaltern mit Fixierungs- oder Greifelementen, den Klemmköpfen (oder Greifzangen). Die von der Beklagten in ihrem Trägersystem verwendeten Klemmköpfe entsprechen denen der Klägerin. Sie wurden 2008 und 2009 von der Klägerin an die Beklagte geliefert, um gemeinsam Fahrzeughersteller wie die C AG, deren Beschaffungspolitik auf mehrere Zulieferer ausgerichtet ist, mit Fahrradträgersystemen ausstatten zu können, die auch als Originalzubehör ("OEM") des Fahrzeugherstellers vertrieben werden. Die Klägerin gibt unwidersprochen an, ihren Gesamtumsatz im Bereich solcher Trägersysteme zu etwa 20% mit solchen OEM-Zulieferungen zu tätigen. Die Belieferung an die Beklagte erfolgte, weil die C AG in einem Lastenheft das im Klemmkopf der Klägerin realisierte sog. Rastspannsystem vorgab. Seit 2010 erfolgte keine Belieferung durch die Klägerin mehr.
Die Klägerin ließ der Beklagten unter dem 7.8.2013 eine Berechtigungsanfrage zukommen und mahnte das Verhalten unter dem 4.4.2014 erfolglos ab.
Sie hat behauptet, dass sie erstmals anlässlich einer Messe 2012 und nach Zerlegung der Klemmköpfe festgestellt habe, dass die Beklagte Klemmköpfe anbot, die mit denen der Klägerin übereinstimmten. Die Belieferung einzelner Klemmköpfe an die Beklagte sei nur zu Zwecken der Belieferung der C AG erfolgt, der Beklagten sei dagegen keine Genehmigung zur Weiterlieferung an weitere Unternehmen oder zum Nachbau erteilt worden. Die Klägerin hat ferner behauptet, dass sie die Klemmköpfe seit 2003 in 1. Generation am Markt anbiete und seit 2008 eine moderne Spannratsche verwende. Sie habe seit 2003 in Deutschland etwas über 500.000 Klemmköpfe abgesetzt.
Die Klägerin hat gemeint, dass die konkrete Gestaltung der Klemmköpfe als Teil der Sachgesamtheit "Pkw-Fahrradträger" nach Auffassung des maßgeblichen Endabnehmers über wettbewerbliche Eigenart verfüge. Hierzu hat sie folgende Indizien angeführt:
- Der Verkehr lege besonderen Wert auf sichere Systeme und konzentriere sich daher auch auf Einzelteile, wie das für den Gebrauch wesentliche Befestigungselement. Die Klägerin habe das sog. Rastspannsystem als Alternative zum Zangensystem in Pionierarbeit entwickelt und mit der Spannratsche verfeinert.
- Die Klemmköpfe seien durch Merkmale charakterisiert, die zwar technisch bedingt, nicht aber technisch notwendig seien; im einzelnen gehörten dazu (1) der in Form eines Dreiecks oder Trapezes ausgebildete, (2) schalenförmige Grundköper mit (3) einem elastischen Aufnahmekissen, (4) das flexible Rastspannband und (5) die ratschenartige Sicherung, die durch ein Betätigungselement gebildet werde.
- Die Klägerin habe von 2003 bis 2013 eine Gesamtmenge von 521.263 Klemmköpfen am deutschen Markt abgesetzt, der Gesamtumsatz mit Fahrradheckträgern sei von 1,06 Mio. im Jahr 2003 auf 10,35 Mio. Euro im Jahr 2013 angewachsen, ihr Marktanteil habe sich geschätzt von 10 % in den Jahren 2003 bis 2009, 14% in 2010, 16% in 2011, 17% in 2012 auf 20% in 2013 entwickelt. Innerhalb des Marktsegments "Fahrradträger mit Klemmköpfen nach dem Rastspannbandprinzip" sei sie Marktführer. Ihre Werbeaufwendungen seien von 147.000,- Euro in 2003 auf 351.000,- Euro in 2012 gestiegen.
- Fahrradträgersysteme seien Gegenstand von Designbewertungen und Fachbewertungen; dabei werde der sichere Gebrauch bewertet, die Handhabung sei ein Aspekt, mit der Nutzer stets in Berührung käme.
Die Klägerin folgenden Antrag gestellt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, geschäftlich handelnd Klemmköpfe zur Befestigung von Fahrrädern auf Fahrradträgersystemen für Personenkraftwagen gemäß den Abbildungen in Anlagenkonvolut zur Klageschrift K 7 anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen.
2- Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung nach Ziff. 1 wird der Beklagten Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00, im Uneinbringlichkeitsfall Ordnungshaft oder primär Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, zu vollziehen, an dem Geschäftsführer der Beklagten, angedroht.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den gesamten Schaden zu ersetzen, welcher der Beklagten aus Handlungen der Klägerin seit dem 07.02.2013 bereits entstanden ist und zukünftig noch entsteht.
4. Die Beklagte wird ferner verurteilt, schriftlich umfassend und detailliert Auskunft über den Umfang der Verletzungshandlung nach Ziff. 1 zu erteilen und Rechnung zu legen unter Angabe
- der Art und Zahl der erhaltenen oder bestellten Klemmköpfe sowie der Namen und Anschiften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;
- der Lieferungen der Klemmköpfe, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreisen nebst Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer);
- der Art und des Umfangs der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe sowie des Verbreitungsgebietes und des Verbreitungszeitraums;
- des Umfangs der veräußerten Klemmköpfe, aufgelistet nach den jeweiligen monatlichen Umsätzen unter Nennung der Einkaufs- und Verkaufspreise;
- des erzielten Gewinns in plausibler, aus sich heraus verständlicher Darstellung der Kosten, wobei nur die produktspezifisch zuordenbaren Kosten zu berücksichtigen sind,
sämtliche Auskünfte ab dem 07.02.2013.
5. Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin € 1.147,25 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.04.2014 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, dass die streitgegenständliche Form der Klemmköpfe nicht von der Klägerin entwickelt, sondern von C in ihrem Lastenheft vorgegeben worden seien. Anlässlich der Messe automechanika 2008 habe der damalige Geschäftsführer der Klägerin der Beklagten die Genehmigung erteilt, die Klemmköpfe in ihrer Produktion zu verwenden. Das Rastspannsystem werde vielfach von anderen Produzenten benutzt, die von der Beklagten angeführten Merkmale seien sämtlich technisch notwendig. An einer Herkunftstäuschung fehle es, weil die Klemmköpfe keine Kennzeichnung aufwiesen und eine Vielzahl gleicher Gestaltungen existiere, so dass eine Zuordnung zu einem bestimmter Hersteller nicht erfolge. Die Beklagte beruft sich überdies auf Verwirkung, weil die Klägerin bereits 2008 Kenntnis von der Produktion durch die Beklagte erlangt habe und über sieben Jahre nicht gegen diese Tätigkeit vorgegangen sei, mittlerweile habe die Beklagte einen wertvollen Besitzstand erlangt.
Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen und in der Hauptsache angenommen, der Gestaltung des einzelnen Klemmkopfes komme keine wettbewerbliche Eigenart zu. Klemmköpfe würden nur im System zusammen mit Fahrradträgervorrichtungen, nicht aber einzeln beworben oder vertrieben. Das Rastspannsystem sei technisch bedingt, eine besondere Herkunftserwartung fehle schon deshalb, weil die Klägerin ohne eigene Kennzeichnung ihre Trägersysteme an große Automobilhersteller wie C und N liefere und das Gesamtsystem von diesen Unternehmen als Originalersatzteile (OEM) wie eigene Waren angepriesen würden. Dies könne die Kammer aus eigener Sachkunde beurteilen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und kritisiert insbesondere, dass das Landgericht zur Frage der wettbewerblichen Eigenart kein Verkehrsgutachten eingeholt habe. Die Kammer habe nicht ausreichend klargestellt, warum sie sich in der Lage sehe, die von der Klägerin vorgebrachten Indizien selbst zu beurteilen. Die von ihr formulierten Erwägungen seien fehlerhaft, weil sie diese Indizien nicht hinreichend gewichtet hätten. Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts vom 12.5.2015 - Az. 33 O 167/14 - aufzuheben und die Beklagte wie erstinstanzlich beantragt zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil des Landgerichts. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag, wonach die fünf Merkmale des Klemmkopfes der Klägerin nur technische Funktionen erfüllen: die trapezförmige Form des Kopfes ermögliche eine besonders günstige Kraftverteilung, die seitlichen Flanken des Kopfes dienten der optimalen Führung des Rastspannbandes, der schalenartige Grundkörper diene der Aufnahme des Kissens, das elastische Aufnahmekissen verhindere eine Beschädigung des Fahrradrahmens, das flexible Rastspannband sei aus vielen Zusammenhängen, wie etwa Skistiefeln, Fahrradschuhen und Trinkhaltern bekannt und gebräuchlich. Dies gelte auch für das Rastspannband. Die äußere Gestaltung der Klemmköpfe werde weder besonders beworben noch in Testberichten thematisiert. Die Beklagte bestreitet, dass Fahrradträgereinrichtungen besonders komplex seien, dass die Klägerin Pionierarbeit bei der Entwicklung von Klemmköpfen geleistet habe und dass die Klemmköpfe sich wesentlich von denen des Marktumfeldes abheben. Sie bestreitet überdies die Umsatz- und Werbeangaben, letztere in Bezug auf den Klemmkopf sowie den Marktanteil und die Marktstellung. Sie trägt vor, dass Klemmköpfe nicht isoliert Gegenstand von Designpreisen geworden seien, auch ein der Beklagten verliehener reddot-Preis beziehe sich auf das gesamte Fahrradträgersystem. Ein nennenswerter funktionaler Unterschied zwischen dem Klemmkopf- und dem Zangensystem bestehe nicht, daher lege der angesprochene Verkehr hierauf auch keinen besonderen Wert bei seiner Kaufentscheidung.
II.
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass der Klägerin ein Anspruch auf Unterlassung des Angebots und des Inverkehrbringens der streitgegenständlichen Klemmköpfe nicht zusteht. Ein solcher Anspruch folgt insbesondere nicht aus §§ 3, 4 Nr. 9a, 8 Abs. 1 UWG.
1. a) Der Anspruch ist zwar ausreichend bestimmt formuliert, da die Klägerin mit der Bezugnahme auf Anlage K7 die genaue Verletzungsform in ihren Antrag aufgenommen hat. Insbesondere ist keine verbale Beschreibung des Verletzungskerns erforderlich, wenn sich das Unterlassungsgebot gegen eine ganz konkrete Form der Verletzung richtet, die mit einer bildlichen Darstellung in Bezug genommen wird (BGH GRUR 2002, 86, 88 - Laubhefter, GRUR 2013, 1052 Tz. 12 - Einkaufwagen III; BGH, Urt. v. 24.2.2013, I ZR 78/11, BeckRS 2013, 12598 - Tegometall = GRUR-RR 2013, 448 (dort nur Leitsatz).
b) Die Klägerin ist aktivlegitimiert nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, das Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses und einer geschäftlichen Handlung nach § 3 Abs. 1, 2 Abs. 1 UWG sind nicht zweifelhaft.
c) An einer unerlaubten Nachahmung fehlt es nicht schon deswegen, weil die Klägerin der Beklagten die Nachahmung gestattet hat. Eine Lieferung von Klemmköpfen an die Beklagte hat nur im Zuge der Beauftragung zweier Lieferanten durch die C AG nach dem Muster des von der Klägerin hergestellten Klemmkopfes stattgefunden. Soweit die Beklagte behauptet, der Geschäftsführer der Klägerin habe der Beklagten den Vertrieb dieser Klemmköpfe auch unabhängig von dieser Lieferung gestattet, fehlt ein entsprechender Vortrag, insbesondere ein Vorbringen dahingehend, dass diese Gestattung auch die Nachproduktion und die Lieferung an weitere Dritte betraf. Daher ist dieser Punkt auch nicht beweisbedürftig.
d) Der Anspruch würde, sofern er besteht, nicht an der Einwendung der Verwirkung scheitern. Unterlassungsansprüche unterliegen zwar wie andere Ansprüche auch dem Verbot unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB (BGH GRUR 2007, 693 Tz. 38 - Archivfotos). Neben dem Zeitmoment und dem Entstehen eines wettbewerblichen Besitzstandes auf Seiten des Unterlassungsschuldners setzt dies allerdings einen Vertrauenstatbestand voraus (zusammenfassend Fezer/Büscher, UWG, 2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 359 mit 362 und 360). Dies wiederum erfordert, dass der Schuldner sich bei objektiver Betrachtung darauf einrichten durfte, dass der Gläubiger ihn nicht mehr in Anspruch nehmen werde (BGH NJW 2003, 824). Die Beklagte beruft sich hier auf die Kenntnis der Verbreitung von identischen Klemmköpfen seit 2008. Doch bezog sich diese Produktion auf eine die C-Zulieferung betreffende, also begrenzte Kooperation und auf die Verbreitung zugelieferter Teile. Ein der Klägerin zuzurechnender weitergehender Vertrauenstatbestand und damit die Grundlage für die Verwirkung fehlen daher.
e) Die Voraussetzungen einer vermeidbaren Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 9 a UWG, und damit die Unlauterkeit des Verhaltens im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG fehlen.
aa) Ansprüche aus dem sog. ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz nach § 4 Nr. 9 setzen neben der Nachahmung und der wettbewerblichen Eigenart des nachgeahmten Gestaltung voraus, dass besondere Umstände vorliegen, die das Verhalten über die reine Nachahmung als unlauter erscheinen lassen (BGH GRUR 2007, 795 Tz. 22- Handtaschen; BGH GRUR 2010, 80 Tz. 21 - LIKEaBIKE; Ohly, in: Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl. (2015) § 4 Rn. 9/2; Sambuc in Henning/Harte, UWG, 3. Aufl. 2013, § 4 Nr. 9 Rn. 14; Wiebe in: Münchener Kommentar UWG, 2006, § 4 Nr. 9 Rn. 15). Dabei besteht zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen eine Wechselwirkung. Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen (BGH GRUR 2007, 795 Tz. 22 - Handtaschen; GRUR 2006, 79 Rn. 19 - Jeans I GRUR 2004, 941, 942 = WRP 2004, 1498 - Metallbett).
bb) Das Produkt der Beklagten entspricht äußerlich dem Original. Insoweit liegt eine identische Nachahmung vor. Es fehlt an einer eigenen Gestaltung, die unabhängig und ohne Kenntnis der Vorlage entwickelt wurde (vgl. BGH GRUR 2008, 1115 - ICON; GRUR 2009, 1162 - DAX), denn die Beklagte hatte Zugang zu der Originalgestaltung der Klägerin und hat diese sogar zeitweise von dieser bezogen und mit deren Duldung vertrieben.
cc) Allerdings fehlt im Ergebnis die wettbewerbliche Eigenart der Klemmköpfe. Das Erfordernis der wettbewerblichen Eigenart ist ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 4 Nr. 9 UWG (Begründung Regierungsentwurf UWG 2004 zu § 4 Nr. 9, BT-Drucks. 15/1487, S. 18). Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn dessen konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH GRUR 2005, 600, 602 - Handtuchklemmen; GRUR 2006, 79 Tz. 21 Jeans I; GRUR 2007, 795 Tz. 25 - Handtaschen; GRUR 2008, 115 Tz. 20 - ICON; GRUR 2009, 1073 Tz 10 - Ausbeinmesser, GRUR 2010, 80 Tz. 23 - LIKEaBIKE; GRUR 2010, 1125 Tz. 21 - Femur-Teil, zurückgehend auf BGH GRUR 1957, 37, 38 - Uhrenrohrwerke, modifiziert zu der heutigen Form in BGH WRP 1976, 370 - Ovalpuderdose).
(1) Die wettbewerbliche Eigenart fehlt vorliegend nicht, weil es um eine Gestaltung gesteht, die technische Funktionen erfüllt. Im Bereich technischer Gestaltungen ist der Spielraum für wettbewerblich eigenartige Formen zwar geringer als im Bereich ästhetisch wirkender Formen (vgl. bereits BGH WRP 1976, 370 - Ovalpuderdose). Hier muss sich das Erfordernis in das System der Nachahmungsfreiheit als Prinzip einfügen, daher kommt bereits aus normativen Gründen eine solche Eigenart nicht in Betracht, wenn eine Gestaltung technisch erforderlich ist (BGH GRUR 2002, 820, 822 - Bremszangen) und keine Gestaltungsalternativen lässt. Bei technisch nicht erforderlichen, sondern nur technisch bedingten Gestaltungen fehlt die Eigenart allerdings nur, sofern der verbleibende Gestaltungsspielraum der Wettbewerber auf technisch minderwertige oder preislich bzw. optisch unzumutbare Alternativen verengt würde (BGH GRUR 2010, 1125 - Femur-Teil; GRUR 2013, 951 - Regalsystem; GRUR 2013, 1052 - Einkaufswagen III). Solange eine technisch wirkende Gestaltung frei wählbar und austauschbar ist und Qualitätseinbußen durch die Wahl von Gestaltungsalternativen nicht zu befürchten sind (BGH GRUR 2015, 909 Tz. 24 - Exzenterzähne), fehlt es daran. So liegt der Fall hier.
Eine technisch zwingende Lösung liegt in der Gestaltung der Klägerin entgegen der Auffassung der Beklagten nämlich nicht. Die von ihr selbst vorgelegten Marktumfeldergebnisse zeigen, dass die technische Aufgabe, eine sichere Halterung mit reibungsloser Abstandwirkung gegenüber benachbart angebrachten Fahrrädern zu erzielen ist, zum einen durch andere Technologien, insbesondere die Zangenlösung, erreichbar ist, zum anderen Rastspannlösungen nicht zwangsläufig die vorgefundene Trapez- oder Dreieckgestaltung erfordern, mag eine andere Gestaltung auch andere Kraftwirkungen erzeugen. Das zeigt die Gestaltung der Firma G, die mit anderen Farben und einem anderen Größenverhältnis zwischen Kopf und Ratsche arbeitet, ebenso wie die Gestaltung der Firma U, deren Aufnahmekörper mit abgeschrägten Dreiecksschenkeln ausgestattet ist, während F eine fast halbrunde Aufnahmegefäßstruktur bietet. Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, warum die von der Klägerin verwendete Gestaltung den genannten Alternativen von ihrer technischen Wirkung oder ihrem Produktionsaufwand her überlegen ist. Der Umstand, dass die Gestaltung auch technische Wirkung hat, sorgt insoweit nicht dafür, dass die wettbewerbliche Eigenart fehlt.
(2) Die wettbewerbliche Eigenart wird aber andererseits nicht durch eine gestalterische Besonderheit begründet, die aus Sicht des Verkehrs Herkunftsvorstellungen in Bezug auf die Klägerin begründet. Die von der Klägerin vorgebrachten Indizien in diesem Bereich genügen insgesamt nicht, um die wettbewerbliche Eigenart zu begründen.
Zwar macht die Klägerin geltend, dass Gestaltungen in dem Schaffensbereich, um den es hier geht, auch mit Designpreisen belohnt werden. Doch muss sie letztlich einräumen, dass in der Vergangenheit solche Preise nicht isoliert den Befestigungselementen, wie einem Klemmkopf, sondern der gesamten Trägerkonstruktion verliehen wurden. Das ist bereits deswegen nachvollziehbar, weil die Klemmköpfe im Verhältnis zu den Aufgaben, die sie im Designbereich als Ergänzung zu der Pkw-Karosserie zu erfüllen haben, gänzlich untergeordnete Bedeutung besitzen. Entscheidend ist, dass sich die Trägerkonstruktion als Ganzes dem Design des Pkw anpasst. Würde nur ein Klemmkopf mit der Karosserie harmonieren, bliebe die Gestaltungsaufgabe in ästhetischer Hinsicht offensichtlich unerfüllt.
(3) Wettbewerbliche Eigenart liegt auch nicht allein deswegen vor, weil bestimmte Umsatz- oder Werbeaufwendungen in die Vermarktung der Gestaltung investiert wurden und die Marktpräsenz von einiger Dauer ist. Zwar können diese Umstände für eine gewisse Marktbekanntheit sorgen (BGH GRUR 2002, 275, 277 - Noppenbahnen), sie sind aber nur Indizien und begründen diese Bekanntheit nicht schon für sich (BGH GRUR 2013, 1052 Tz. 24 - Einkaufwagen III; BGH GRUR 2005, 600, 602 - Handtuchklemmen). Insbesondere muss die Bekanntheit sich auf den Klemmkopf selbst beziehen und daher allein diesbezüglich bereits Herkunftsvorstellungen hervorrufen. Dass dies der Fall ist, ist nicht ersichtlich.
(4) Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass dem Klemmkopf isoliert, d.h. losgelöst von der Trägerkonstruktion eine herkunftsbezogene Bedeutung zukommt.
Die Frage, ob dem untergeordneten Element einer Hauptsache wettbewerbliche Eigenart zukommen beurteilt sich nach der Verkehrsauffassung (BGH WRP 2012, 1179 Tz. 19 - Sandmalkasten). Das Landgericht und die Beklagte verneinen dies, weil der angesprochene Verkehr für die von ihm zu treffende Marktentscheidung nicht auf die isolierte Gestaltung der Klemmköpfe, sondern auf die Gesamtkonstruktion abstellt, zudem die Klemmköpfe nicht isoliert beworben und im Regelfall auch nicht gesondert vertrieben würden. Insgesamt hat das Landgericht zu Recht auf den Endabnehmer als angesprochenen Verkehr abgestellt, nicht dagegen auf Fachkreise, zumal auch die Klägerin die wettbewerbliche Eigenart ihrer Gestaltung nur in Bezug auf die Endabnehmer behauptet. Das Landgericht hat zutreffend seine eigene Sachkunde herangezogen, ohne ein Verkehrsgutachten einzuholen, denn die entscheidenden Richter gehören nicht nur zum angesprochenen Verkehr (vgl. insoweit BGHZ 194, 3414 = GRUR 2013, 401 Tz. 32 - Biomineralwasser, GRUR 2006, 79 Tz. 27 - Jeans I; GRUR 2004, 244, 245 - Marktführerschaft), sie sind auch Teil eines Spruchkörpers, der sich dauernd mit lauterkeitsrechtlichen Fragen befasst und daher eine besondere Sachkunde auch in der prognostischen Ermittlung von Verkehrsauffassungen hat (insoweit BGH GRUR 2004, 244, 245 - Marktführerschaft).
Zutreffend geht das Landgericht auch davon aus, dass die wettbewerbliche Eigenart vom Gesamteindruck des Erzeugnisses abhängt (BGH GRUR 2010, 80 - LIKEaBIKE). Einzelne Gestaltungsmerkmale einer Gesamtsache können die Eigenart verstärken oder begründen (BGH GRUR 2010, 80 Rn. 39 f. - LIKEaBIKE), dies bezieht sich aber jeweils auf den Eindruck, den die Gesamtsache selbst, sei es auch durch die Einzelelemente, vermittelt, also die Eigenart der Gesamtheit, nicht aber die des Einzelelementes. Beispiele dafür sind Produktprogramme und -systeme mit wiederkehrenden Elementen (BGH GRUR 2008, 793 - Rillenkoffer; GRUR 2011, 803 - Lernspiele) sowie funktional zusammengehörende Zubehörteile einer einheitlichen Sache (BGH GRUR 2012, 1115 - Sandmalkasten). Um solche Fälle geht es aber nicht, wenn es das isolierte Element eines Gegenstandes zu beurteilen ist und der Endverbraucher diesen Gegenstand nicht isoliert, sondern allein im Hinblick auf die Gesamtsache und deren Funktion erwirbt. Es ist erfahrungswidrig, dass der Verbraucher einen komplexen Gegenstand, wie einen Fahrradträger allein danach auswählt oder sucht, dass dieser Gegenstand ein bestimmtes Halteteil wie etwa einen Klemmkopf aufweist. Daher kann dieser die wettbewerbliche Eigenart für sich nicht begründen.
Die wettbewerbliche Eigenart erfordert, dass der Verkehr in Bezug auf das herstellende Unternehmen wegen der objektiven Eigenart der Ware Herkunftsvorstellungen entwickelt. Zwar ist nicht erforderlich, dass er das Unternehmen namentlich benennen kann, doch muss er zumindest die Vorstellung haben, die Ware komme stets von einem bestimmten Hersteller, wie auch immer dieser heißen möge (BGH GRUR 2007, 984 - Gartenliege). Die Klägerin hat hierzu kaum etwas vorgetragen. Sie hat zwar auf die Besonderheit des Produktes hingewiesen, nicht aber erläutert, warum und in welchem Maße der Endverbraucher die Gestaltung des Klemmkopfes, mag dieser auch Sicherheits- und Handhabungsvorteile bieten, Herkunftsvorstellungen zugunsten der Klägerin erzeugt. Auch die vorgelegten Testberichte fokussieren nicht den Klemmkopf der Klägerin als gewissermaßen kaufentscheidenden Vorteil jeder Trägerkonstruktion. Unbestritten ist unter den Parteien auch, dass der Klemmkopf nicht isoliert als Einzelteil vertrieben wird, so dass der Endverbraucher etwa in der Lage wäre, eine im übrigen gefällige Trägerkonstruktion funktionell durch die Montage des Klemmkopfes der Klägerin zu verbessern. Die Parteien sind sich im Wesentlichen einig, dass die Gesamtkonstruktionen häufig verändert werden, so dass allenfalls in Ausnahmefällen ein Einzelteil einmal zu reparieren sein würde. Selbst dann soll der Klemmkopf zumeist in Kombination mit der Trägerstange vertrieben werden.
Es ist aufgrund der angeführten Indizien nicht ersichtlich, dass der Verkehr allein wegen des objektiv als eigenartig empfundenen Trägerteils auch über die Herkunft des Artikels tatsächlich getäuscht wird, wenn unstreitig der Endverbraucher, auf den auch die Klägerin abstellt, nicht den Klemmkopf isoliert erwirbt (auch nicht als Ersatz- oder Zubehörteil), sondern stets die Gesamtkonstruktion ins Auge fasst. Herkunftstäuschungen können nicht eintreten, wenn der Verkehr eine klar markierte Gesamtträgerkonstruktion vor Augen hat, die er auch als Gesamtes erwirbt. Eine verbleibende Täuschung könnte allenfalls noch in Betracht kommen, wenn die Gesamtkonstruktion für den Verbraucher nur kaufwürdig ist, sofern sie den "richtigen Klemmkopf" aufweist. Dass der Verbraucher diesen Umstand aber als allein kaufentscheidend ansieht, trägt auch die Klägerin nicht vor.
f) Die Klägerin beruft sich vorliegend allein auf die vermeidbare Herkunftstäuschung. Rufausbeutung- oder -beeinträchtigung werden ebenso wenig vorgebracht wie unlautere Erlangung oder - außerhalb des Beispielskatalogs - eine gezielte Behinderung (vgl. insoweit BGH GRUR 2007, 795 Rn. 50 - Handtaschen).
2. Fehlt es an den Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs, so kommen Ansprüche auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht und auf Auskunft nicht in Betracht, ebensowenig war die vorgerichtliche Abmahnung erforderlich und ein Aufwendungsersatzanspruch geschuldet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegend nicht zu entscheiden war. Insbesondere geht es nicht um die generelle Frage, ob dem Einzelteil einer Gesamtsache wettbewerbliche Eigenart zukommen kann, sondern lediglich um die Frage, ob die wettbewerbliche Eigenart bezüglich des hier zu beurteilenden Klemmkopfes ausreichend substantiiert vorgetragen wurde.
OLG Köln:
Urteil v. 30.10.2015
Az: 6 U 84/15
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