Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 9. Februar 2010
Aktenzeichen: I-4 U 174/09

(OLG Hamm: Urteil v. 09.02.2010, Az.: I-4 U 174/09)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18. August 2009 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bochum abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

A.

Die Klägerin führt Kranken- und Rettungstransporte durch und verfügt über Genehmigungen zum Krankentransport und zur Notfallrettung im Sinne der §§ 18 ff. RettG NW. In der ihr erteilten Krankentransportgenehmigung ist als Auflage enthalten, nach jeder Beförderung einer Person, die an einer übertragbaren Krankheit im Sinne des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionsschutzkrankheiten bei Menschen erkrankt oder dessen verdächtig ist, fachgerecht das Fahrzeug zu desinfizieren und falls erforderlich, zu entseuchen.

Die Beklagte setzt Mietwagen ein, die für Krankenfahrten nach § 49 PBefG genehmigt sind.

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe in mehreren Fällen Patienten befördert, die an MRSA-Erregern erkrankt gewesen seien. Am 06.08.2008 sei beobachtet worden, wie das Personal der Beklagten einen Patienten liegend befördert habe, der selbst einen Mundschutz getragen habe. Das Personal der Beklagten habe Schutzkittel und Mundschutz getragen. Am 07.08.2008 habe die Beklagte vom KK 3 Langendreer den MRSA-Patienten X mit einem normalen Mietwagen aufgenommen und mit Mundschutz transportiert. Am 28.08.2008 sei ein Fahrer der Beklagten vor der Heimdialyse an der Y Straße mit einem Krankentragesessel auf dem Weg zum Fahrzeug gesehen worden. Der hierauf sitzende Patient habe einen Mundschutz getragen. Der Fahrer habe einen Mundschutz und Einmalhandschuhe getragen. Am 09.09.2008 sei dort wiederum ein männlicher Patient befördert worden, der einen Mundschutz getragen habe. Das Personal der Beklagten habe Mundschutz und Einmalhandschuhe getragen. Am 18.12.2008 habe sich auf dem Hof der Dialyse ein Fahrzeug der Beklagten mit Krankenwageninnenausbau befunden. Zwei Mitarbeiter der Beklagten hätten einen Patienten gebracht, der nach Aussage einer Schwester T heiße. Dieser sei in dem Raum behandelt worden, in dem Patienten behandelt würden, die an einer nosokomialen Infektion (MRSA) litten. Herr T sei MRSA-Patient gewesen.

Wegen der weiteren einzelnen Vorfälle wird auf die Darstellung in der Klageschrift und im Schriftsatz vom 14.01.2009 Bezug genommen.

Die Klägerin hat gemeint, der Beklagten sei es wegen der fehlenden Krankentransportgenehmigung nicht gestattet, an MRSA erkrankte Personen oder solche, die einer solchen Erkrankung verdächtig seien, zu befördern. Dabei könne die Anordnung auf dem Transportschein nicht das ausschlaggebende Kriterium sein. Die Genehmigung nach § 49 PBefG berechtige nicht dazu, mit den genehmigten Mietwagen Patienten mit ansteckenden Krankheiten zu befördern, die einer medizinischfachlichen Betreuung oder der besonderen Einrichtung eines Krankenwagens bedürften. Es dürften insbesondere keine Patienten mit einem Liegendmietwagen transportiert werden, die eine Besiedlung mit multiresistenten Keimen aufwiesen oder derer verdächtig seien. Der Einsatz dieser Patienten bedürfe des Einsatzes von geschultem Fachpersonal. Erforderlich seien umfängliche Ausrüstung, Ausstattung, Hygienepläne und Schulungsmaßnahmen. Diese Voraussetzungen erfüllten nur Unternehmen des Krankentransports und des Rettungsdienstes.

Die Klägerin, die zunächst fehlerhaft eine nicht existierende Taxi K GmbH verklagt und die Klage dann gegen die Beklagte gerichtet hat, hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit Mietwagen Patienten zu befördern, die für die Beklagte erkennbar an MRSA - (Methicillinresistente Staphylococcus aureus) Erregern erkrankt sind oder deren verdächtig sind.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den Transport von betreuungsbedürftigen MRSA-Patienten bestritten und gemeint, aus dem Tragen von Mundschutz könne nicht auf MRSA-Patienten geschlossen werden. Es habe keinerlei Anhaltspunkte für den Transport von MRSA-Patienten gegeben. Zwischen den Parteien bestehe sodann, wie sie meint, kein Wettbewerbsverhältnis. Etwaige pflichtwidrige Verhaltensweisen könnten allenfalls öffentlichrechtlich behandelt werden, nicht aber in einem bestehenden Konkurrenzverhältnis. Der Transport an MRSA erkrankter Patienten sei keineswegs einem nach dem RettG NW genehmigten Krankentransportwagen vorbehalten. Die möglicherweise für KTWs geltenden Richtlinien würden nicht für Fahrzeuge gelten, die nach § 49 PBefG betrieben würden. Eine Gesetzgebungskompetenz des Landes für solche Fahrzeuge gebe es nicht. Es sei nicht Aufgabe des Transportunternehmens, Feststellungen über den Gesundheitszustand und über das Vorhandensein eventuell infektiöser Erkrankungen des Patienten zu treffen. Dies sei ausschließlich Sache des behandelnden Arztes, auf dessen Verordnung es ankomme. Sie, die Beklagte, habe ausschließlich entsprechend der Anweisung der die Transportscheine ausstellenden Ärzte transportiert. Dem Transportunternehmen sei nicht zumutbar, die Einschätzung des Arztes in Frage zu stellen. Von MRSA-Patienten sei ihr nichts bekannt geworden.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt und zur Begründung ausgeführt: Der Klägerin stehe gemäß § 8, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. dem RettG NW der titulierte Unterlassungsanspruch zu. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Beförderung von Patienten, die an MRSA-Erregern erkrankt oder einer solchen Erkrankung verdächtig seien, Krankentransport im Sinne des Rettungsgesetzes. Ein solcher qualifizierter Krankentransport liege dann vor, wenn eine fachliche Betreuung durch qualifiziertes Personal erforderlich sei oder der Patient der besonderen Ausstattung eines Krankentransportwagens bedürfe. Dies sei schon deswegen der Fall, weil die Patienten an einer ansteckenden Krankheit litten und daher anschließend eine Desinfektion des Fahrzeuges erforderlich sei. Dies sei nur bei Krankentransportwagen i.S.d. Rettungsgesetzes NW sicher gestellt. Dem könne die Beklagte mit Erfolg auch nicht entgegen halten, dass es eine besondere Gefährlichkeit von MRSA-Patienten nicht gebe, weil diese vielmehr auch andere Verkehrsmittel benützten. Dem stehe entscheidend entgegen, dass auch bei den einfachen Krankenfahrten regelmäßig Patienten befördert würden, deren Immunsystem bereits geschwächt sei und die daher einer erhöhten Gefährdung unterlägen. Soweit sich die Beklagte darauf berufe, entscheidend müsse der vom Arzt ausgestellte Transportschein sein, stehe auch dieser Gesichtspunkt dem Unterlassungsanspruch der Klägerin nicht entgegen. Denn die Anweisung eines Arztes, an MRSA-Erregern erkrankte Patienten im Wege des einfachen Krankentransportes zu befördern, wäre mit dem Rettungsgesetz nicht vereinbar. Auch der behandelnde Arzt sei nicht in der Lage, die Vorschriften dieses Gesetzes außer Kraft zu setzen.

Alsdann könne dahin stehen, ob im Hinblick auf die von der Klägerin vorgetragenen Beförderungsfälle überhaupt ein substantiiertes Bestreiten der Beklagten vorliege. Denn selbst wenn keine Wiederholungsgefahr bestehe, so läge jedenfalls Erstbegehungsgefahr vor. Die Beklagte führe tagtäglich Krankenfahrten aus. Angesichts der Verbreitung der MRSA-Erreger könne die Beklagte jederzeit vor der Frage stehen, einen derart erkrankten Patienten zu befördern. Da sie fest den Standpunkt vertrete, hierzu auch berechtigt zu sein, bestehe jederzeit die Gefahr einer Beförderung.

Das sich aus den §§ 18 ff. RettG NW ergebende Verbot, Krankentransporte ohne Genehmigung durchzuführen, stelle eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG dar. Die Parteien stünden auch in unmittelbaren Wettbewerb zueinander.

Die Beklagte wehrt sich hiergegen mit der von ihr eingelegten Berufung. Sie weist zunächst darauf hin, dass es sich bei der Beförderung um eine Beförderung mit einem Taxi und nicht mit einem Liegemietwagen gehandelt habe, ferner darauf, dass die Behauptung, der Beförderte sei an MRSA erkrankt gewesen, ausdrücklich streitig bleibe. Die Beklagte hält es insoweit für verfahrensfehlerhaft, dass das Landgericht über die Behauptung der Klägerin keinen Beweis erhoben habe. Die Erkrankung mit MRSA sei von vornherein streitig gewesen. Das Tragen von Mundschutz lasse auch keinerlei Rückschluss auf einen Transport von MRSA-Patienten zu. Das Landgericht habe sich über diesen ausdrücklichen Sachvortrag der Beklagten hinweggesetzt. Dass darüber hinaus in rechtlicher Hinsicht über die Rechtsfrage gestritten werde, inwieweit MRSA-Patienten befördert werden dürfen oder nicht, bedeute keineswegs, dass damit für die Zukunft eine Wiederholungsgefahr bestehe oder daraus geschlossen werden könne, dass auch zukünftig MRSA-Patienten befördert würden. Als Beweismittel seien sodann nur konkrete ärztliche Feststellungen geeignet gewesen, die behauptete streitige MRSA-Erkrankung zu belegen. Entsprechende Beweismittel seien von der Klägerin nicht beigebracht worden. Vorsorglich werde unter Verweis auf die Stellungnahme des Regierungspräsidenten Arnsberg vom 01.07.2009 weiterhin die Auffassung vertreten, dass es insoweit auf die Entscheidung des die Fahrt anordnenden Arztes ankomme. Es sei dem den Transport durchführenden Unternehmer bei Aufnahme eines Patienten nicht ersichtlich, ob und inwieweit der Patient mit MRSA behaftet sei, welche Maßnahmen im Zusammenhang mit dem durchzuführenden Transport durchgeführt werden müssten und ob ein Transport mit einem Liegemietwagen oder einem Krankenkraftwagen zu erfolgen hätte. Nur der behandelnde Arzt halte alle notwendigen Erkenntnisse in seiner Hand und könne aus seinen Unterlagen erkennen, in welcher Situation sich der jeweils konkret zu befördernde Patient befinde. Vorliegend habe sie, die Beklagte, auch keine Kenntnis davon gehabt, dass es sich um einen MRSA-Patienten gehandelt haben solle. Es ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Transport in vermeintlicher Kenntnis einer MRSA-Erkrankung durchgeführt worden sei. Außer in den Fällen, in denen der Arzt ausdrücklich mitteile, dass eine Erkrankung mit MRSA vorliege, gebe es keinerlei Hinweise darauf, welche Art der Erkrankung vorliege. Von dieser Beurteilung könne nur abgewichen werde, wenn das Transportunternehmen erkenne, dass es sich bei dem Patienten um einen offensichtlich betreuungsbedürftigen Patienten handele. In einem solchen Fall würde sie, die Beklagte, ihrerseits selbstverständlich die Durchführung des Transports ablehnen. In dem Fall, dass der behandelnde Arzt den Transport mit einem Taxi beauftrage und diese Transportart für angemessen und den gesundheitlichen Bedingungen des Patienten entsprechend halte, gebe es in keiner Weise Anhaltspunkte, dass der Patient nicht hätte transportiert werden sollen oder dürfen. Auf der Basis der vom Regierungspräsidenten geäußerten Rechtsansicht sei die Beklagte im Übrigen im Besitz einer Erlaubnis der Stadt Bochum vom 07.10.2009, mit Mietwagen, mit den Kennzeichen .........# und ............#, MRSA besiedelte Patienten zu befördern. Dabei müsse eine ärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung für den Transport vorliegen, mindestens jedoch eine Verordnung einer Krankenbeförderung mit entsprechenden Eintragungen. Nach der Beförderung seien Desinfektionsmaßnahmen mit den Mitteln für den Wirkbereich A-Bakterien durchzuführen. Das Landgericht könne insofern keine Tätigkeit verbieten, die öffentlichrechtlich erlaubt sei. Die Berechtigung, die aus der Genehmigung resultiere, könne allenfalls auch im Verwaltungsrechtswege geklärt werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und insbesondere die Annahme einer Erstbegehungsgefahr durch das Landgericht. Sie tritt der Rechtsauffassung der Beklagten entgegen, dass nur der Arzt den Transport anordnen könne. Soweit sich die Beklagte auf die Erlaubnis der Stadt Bochum vom 07.10.2009 berufe, habe sie, die Klägerin, dagegen unter dem 02.11.2009 Widerspruch eingelegt. Das Straßenverkehrsamt sei für die Erteilung solcher Genehmigungen nicht zuständig. Zudem sei aus den Auflagen ersichtlich, dass es offensichtlich um Krankentransporte gehe. Bedenklich sei zudem die Auflage, soweit der Arzt den Eintrag "MRSA" vornehme, denn dies berühre seine ärztliche Schweigepflicht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8 I; 3; 4 Nr. 11 UWG (nach alter und neuer Fassung) in Verbindung mit §§ 18, 2 Abs. 2 RettG NW gegen die Beklagte nicht zu.

I.

Zunächst ist - wie im Senatstermin ausführlich erörtert - der Klageantrag nicht bestimmt genug im Sinne von § 253 II Nr. 2 ZPO, und zwar im Hinblick auf die Begriffe "verdächtig" und "erkennbar". Diese Begriffe sind bezogen auf eine MRSA-Erkrankung, um die es streitgegenständlich geht, nicht hinreichend umrissen und der Vollstreckung nicht zugänglich. Die Klage ist insofern unzulässig.

Bei dem Begriff "verdächtig" geht es um einen Begriff, den das Infektionsschutzgesetz im Rahmen der Erfordernisse von Desinfektionsmaßnahmen verwendet und damit um eine Gesetzeswiederholung. Diese ist nicht ausreichend. Es ist überaus unklar, welche Kriterien angelegt werden müssten, um von einer "verdächtigen" Erkrankung auszugehen, wenn insbesondere auch entsprechende medizinische Befunde nicht vorliegen. Es ist im Einzelnen unklar, ob ein Patient "besiedelt" oder schon "infiziert" sein müsste, ferner, ob bloß äußere Anzeichen wie der Transport von einschlägigen Krankenhausstationen, das Tragen von Mundschutz und Schutzkleidung etc. bereits eine solche "Verdächtigung" auslösen. Diese Variante ist ausfüllungsbedürftig und aus sich heraus nicht genügend verständlich. Eine derartige Titulierung würde zu unüberwindbaren Problemen bei der Vollstreckung führen. Insofern müssten mit dem Antrag konkret schon die Kriterien angegeben werden, die vorhanden sein müssten, um dann überprüfbar von dem Verdacht einer MRSA-Erkrankung ausgehen zu können. Mangels dessen sind die nach dem Antrag zu unterlassenden Handlungen nicht hinreichend konkretisiert.

Entsprechendes gilt für die "Erkennbarkeit" der Erkrankung, und zwar gerade auch vor dem Hintergrund des Streits der Parteien darüber, unter welchen Voraussetzungen das der Fall sein soll. Hierfür dürfte alsdann, wie die Klägerin annimmt, nicht schon ausreichen, dass der Patient und/oder die Bediensteten des Krankenhauses etwa Mundschutz, Schutzkittel und Einmalhandschuhe tragen. Denn solche Schutzmaßnahmen könnten potentiell bei den verschiedensten Erkrankungen getroffen werden (wie möglicherweise schon bei der sog. "Schweinegrippe"). Überdies könnten in den fraglichen Abteilungen der Krankenhäuser diverse "nosokomiale" Infektionen eine Rolle spielen, was sich im Detail der Kenntnis des Gerichts - alsdann auch im Vollstreckungsverfahren - verschließt. Hierunter werden durch Mikroorganismen hervorgerufene Infektionen verstanden, die im zeitlichen Zusammenhang mit einem Krankenhausaufenthalt oder einem Aufenthalt in einer anderen medizinischen Einrichtung stehen, unabhängig auch davon, ob bereits konkrete Krankheitssymptome bestehen oder nicht. Die Ergreifung von sichtbaren Hygienemaßnahmen bei den behaupteten Vorfällen lässt insofern noch nicht ohne weiteres auf eine MRSA-Erkrankung schließen. Nicht jede nosokomiale Infektion muss auch MRSA sein. Insgesamt ist jedenfalls das Kriterium der Erkennbarkeit in Bezug auf eine MRSA-Erkrankung oder den bloßen Verdacht einer solchen Erkrankung vollstreckungsrechtlich keineswegs hinreichend bestimmt.

II.

Desweiteren wäre der geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch nicht begründet. Denn jedenfalls ist eine Verletzungshandlung durch den Transport eines MRSA-erkrankten Patienten durch die Beklagte von der Klägerin nicht substantiiert dargetan und entsprechend feststellbar.

1.

Die Klägerin ist zunächst zur Geltendmachung des streitgegenständlichen Anspruchs gemäß § 8 III Nr. 1 UWG befugt, weil sie Mitbewerberin der Beklagten ist. Mitbewerber ist nach der Legaldefinition des § 2 I Nr. 3 UWG jeder Unternehmer, der mit einem Unternehmer als Anbieter von Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Davon ist bei den Parteien auszugehen. Auch wenn diese generell in unterschiedlichen Branchen (Krankentransportunternehmung einerseits und Mietwagenunternehmung andererseits) tätig sein mögen, treffen sie mit ihren unterschiedlichen Leistungen jedenfalls in dem sich überschneidenden Grenzbereich ihrer Märkte zusammen, in dem sowohl ein Krankentransport als auch eine Krankenfahrt verordnet werden könnte. Insoweit versuchen beide Parteien innerhalb desselben Abnehmerkreises ihre gewerblichen Dienstleistungen abzusetzen, vor allem weil die Beklagte jedenfalls unter Verweis auf die Verordnung des Arztes ebenfalls die Berechtigung des Transports der hier in Rede stehenden Patienten verficht. Gerade an diesem Schnittpunkt kommt eine Beförderung der Patienten, die an MRSA erkrankt sind oder der Erkrankung verdächtig sein könnten, durch beide Wettbewerber in Betracht. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Beklagte nach dem Bescheid der Stadt Bochum vom 07.10.2009 mit den dortigen Auflagen ebenfalls "MRSA-besiedelte Patienten" soll transportieren dürfen.

Bei der Durchführung des behaupteten Krankentransports der Beklagten mit dem Ziel, zugunsten ihres Unternehmens die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern, hat sie auch eine dem Wettbewerbsrecht unterfallende Wettbewerbshandlung vorgenommen. Im Rahmen der Notfallrettung und des Krankentransports ist für private Unternehmer ein beschränkter Wettbewerb zugelassen, der nicht - wie etwa bei einem polizeilich beauftragten Abschleppunternehmer - allein der Eingriffsverwaltung zuzuordnen ist (BGH GRUR 2009, 881 - Überregionaler Krankentransport). Von daher kann eine pflichtwidrige Verhaltensweise der Beklagten keineswegs, wie diese meint, nur öffentlichrechtlich geahndet werden.

Die Durchführung des streitgegenständlichen Krankentransports stellt eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 II Nr. 1 des UWG in der seit dem 30. Dezember 2008 geltenden Fassung dar wie auch eine Wettbewerbshandlung i.S.d. § 2 II Nr. 1 UWG 2004 bezogen auf den Zeitpunkt der Verletzungshandlungen (vgl. BGH a.a.O.).

Geklärt ist überdies, dass es sich bei der Bestimmung des § 18 RettG NW, die Krankentransporte durch private Unternehmen unter einen Genehmigungsvorbehalt stellt, um eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG handelt. Dieser Genehmigungsvorbehalt dient zwar in erster Linie dem öffentlichen Interesse an einem funktionsfähigen, flächendeckenden und bedarfsgerechten Rettungsdienst. Er dient aber auch dem Schutz der im Wege des Krankentransports zu befördernden Kranken, Verletzten und sonstigen hilfsbedürftigen Personen (BGH a.a.O. Tz. 12 ff.; Senat, Urt. v. 17.11.2005 - 4 U 105/05). Dies folgt insbesondere aus § 2 II RettG NW, denn danach hat der Krankentransport die Aufgabe, den genannten Personen fachgerechte Hilfe zu leisten und sie unter Betreuung durch qualifiziertes Personal zu befördern.

2.

Es kann allerdings nicht festgestellt werden, dass die Beklagte mit den behaupteten Krankentransporten gegen das nach dem Rettungsgesetz NW bestehende Verbot der Durchführung von Krankentransporten verstoßen hat, in dem sie ohne die Genehmigung nach § 18 RettG NW Krankentransporte im Sinne von § 2 II 2 RettG NW durchgeführt hat. Über eine solche Genehmigung verfügte die Beklagte unstreitig nicht.

a)

Mangels feststellbaren Verstoßes (dazu im Einzelnen Ziff. 2. b)) kann in rechtlicher Hinsicht letztlich dahin stehen, ob es der Beklagten verboten wäre, mit ihren Mietwagen an MRSA erkrankte oder hinsichtlich der Erkrankung verdächtige Patienten, ggfs. auch nur "besiedelte" Patienten, zu transportieren. Vieles dürfte nach derzeitigem Kenntnisstand in Bezug auf diese Erkrankung aber für die Verbotswidrigkeit in einem solchen Fall sprechen.

Zwar ist die Beklagte Unternehmerin im Sinne des § 2 I PBefG und nach § 49 a IV PBefG auch generell berechtigt, kranke Personen mit ihren Mietwagen im Rahmen von sog. Krankenfahrten zu befördern. Eine Personenförderung im Sinne dieses Gesetzes stellt es aber nach § 1 II Nr. 2 PBefG gerade nicht dar, wenn kranke oder sonstige hilfsbedürftige Personen in einem Krankenkraftwagen befördert werden müssen, die während der Fahrt einer medizinisch fachlichen Betreuung oder dessen besonderer Einrichtungen bedürfen oder wenn dies zumindest auf Grund ihres Zustandes zu erwarten ist. Insofern ist es auch, anders als die Beklagte meint, unzutreffend, dass der Landesgesetzgeber vermeintlich in die Regelungsbefugnisse des Bundes eingreift. Dem entspricht im Umkehrschluss die Regelung des § 1 II Nr. 4 RettG NW, nach der das Gesetz und die Genehmigungspflicht nicht für die Beförderung von kranken Personen mit anderen Fahrzeugen als Krankenkraftwagen gilt, die keiner fachgerechten Hilfe und Betreuung bedürfen. Krankenkraftwagen sind nach § 3 I 1 RettG NW Fahrzeuge, die für Krankentransport entsprechend eingerichtet und nach dem Fahrzeugschein als solche anerkannt sind. Bei der Beförderung eines Kranken mit einem Krankenkraftwagen handelt sich somit immer um einen Krankentransport, der nur mit der Genehmigung nach § 18 RettG NW durchgeführt werden darf. Es wird also vom Gesetz her deutlich unterschieden zwischen Krankenfahrten im Sinne der Personenbeförderung und Krankentransporten im Sinne des RettG NW. Wer nur die Genehmigung zur Personenbeförderung hat, darf keine Krankentransporte durchführen (vgl. Senatsurteil vom 17.November 2005, Az. 4 U 105/05).

Um solche Krankentransporte geht es hier gerade. Die an MRSA erkrankten oder gegebenenfalls verdächtigen Patienten bedürfen während der Fahrt grundsätzlich einer medizinischenfachlichen Betreuung. Jedenfalls erfordert ihre Beförderung besondere Maßnahmen, die den Einsatz eines Krankentransportwagens erforderlich machen. Dies gilt nach den Ausführungen des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NW gemäß Schreiben vom 07.07.2008 unabhängig davon, ob der betreuungsbedürftige Zustand während des Transports vorliegt oder während des Transports zu erwarten ist. Für diese Fälle, so gerade auch bei hygienischen Besonderheiten und MRSA-Erkrankungen, stehen Krankenkraftwagen zur Verfügung, die zur Betreuung des Patienten mit qualifiziertem Personal besetzt sind und über eine entsprechende Eintragung im Fahrzeugschein verfügen. Dabei ist auch nicht entscheidend, dass es unter gesunden Menschen keine besondere Gefährlichkeit von MRSA geben mag und hieran erkrankte Personen jeden Tag auch ansonsten mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren oder auch Taxen benutzen. In diesen Fällen ist aber - anders als bei einem Krankentransport - regelmäßig keine erhöhte Verschleppungsgefahr zu besonders empfindlichen Personen verbunden, deren Immunsystem bereits geschwächt ist und die daher einer erhöhten Gefährdung unterliegen. Die Übertragung der Keime soll bei Gesunden zu keiner Erkrankung führen. Das Kernproblem ist insofern nicht die eigene Ansteckung, sondern die Übertragung der Keime auf weitere Patienten. Von daher sind besondere Schutzmaßnahmen nicht nur während des Krankentransports zum Schutz des MRSA-Erkrankten erforderlich, sondern letztlich prophylaktisch gerade auch im Sinne später beförderter anderer kranker oder geschwächter Personen. Der Transport von Patienten, die an ansteckenden Krankheiten leiden, muss insofern den genehmigten Krankentransportunternehmern vorbehalten bleiben (OVG Münster, Urteil vom 29. April 2008, -13 A 245 / 05) Die während der Fahrten erforderlichen Schutzmaßnahmen und die nach diesen Fahrten erforderlichen Desinfektionsmaßnahmen sind solche Maßnahmen, die nur von dem Fachpersonal (vgl. § 3 I RettG NW) in den besonders ausgestatteten und ausgerüsteten Krankentransportwagen erfolgversprechend durchgeführt werden können. So ist jedenfalls die Wertung des RettG NW, das entsprechende Auflagen und Kontrollen vorsieht, die für Unternehmer im Personenbeförderungsgeschäft nicht gelten. Der Krankenraum des Krankentransportfahrzeugs ist nach jeder Beförderung einer Person, die an einer übertragbaren Krankheit im Sinne des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten erkrankt oder einer solchen verdächtig ist, fachgerecht desinfizierend zu reinigen und nötigenfalls zu entseuchen. Diese Wertung findet sich ebenfalls in § 3 IV RettG NW, wonach diese Fahrzeuge in ihrer Ausstattung, Ausrüstung und Wartung den allgemein anerkannten Regeln von Medizin und Technik entsprechen müssen. Zur Wartung in diesem Sinne gehört auch die Desinfektion, wobei es entscheidend auch auf Art und Umfang der Desinfektion ankommt, die in der Regel nur das geschulte Personal der konzessionierten Unternehmen beurteilen kann. Diese Auflagen haben die Unternehmer nach § 49 PBefG nicht zu leisten.

Dabei kann auch nicht allein die diesbezügliche Anordnung des Arztes maßgeblich sein. Denn auch die Anordnung bzw. Transportbescheinigung des behandelnden Arztes, an MRSA-Erregern erkrankte Patienten im Wege des einfachen Krankentransports zu befördern, dürfte mit dem Rettungsgesetz nicht vereinbar sein. Auch der Arzt, dessen Einschätzung der medizinischen Situation maßgeblich ist und vom Beförderungsunternehmer naturgemäß nicht in Frage gestellt werden kann und soll, ist nicht der Lage, die Vorschriften dieses Gesetzes außer Kraft zu setzen.

b)

Eine entsprechende Verletzungshandlung und eine hieraus sich ergebende Wiederholungsgefahr sind im Streitfall indes nicht in ausreichender Weise dargetan. Der Transport von MRSA-Patienten war und ist explizit von Seiten der Beklagten bestritten. Die Beklagte hat vorgetragen, dass ihr von MRSA-Patienten nichts bekannt geworden sei und dass sie keinerlei Kenntnis davon gehabt habe, dass es sich vorliegend um MRSA-Patienten gehandelt habe. So war es zunächst an der Klägerin, überhaupt erst einmal einen solchen verbotswidrigen Beförderungsfall in überprüfbarer Weise zu konkretisieren. Das hat die Klägerin aber nicht geleistet. Sie hat, wie oben im Sachverhalt (unter A.) mitgeteilt, lediglich verschiedene Indizien hierfür vorgetragen, insofern, als das Personal und die Patienten Mundschutz und Schutzkleidung getragen haben sollen. Ferner seien die Patienten nach Darstellung der Klägerin mitunter aus Räumlichkeiten eines Krankenhauses gekommen, in denen die Patienten behandelt würden, die an einer nosokomialen Infektion leiden. Einen ärztlichen Hinweis oder Beleg, der mitteilt, dass es sich vorliegend tatsächlich um MRSA-Patienten handelte, gibt es nicht. Die von der Klägerin vorgetragenen Umstände lassen aber noch nicht einmal, wie wiederum ausführlich im Senatstermin erörtert, notwendigerweise auf einen Transport von MRSA-Patienten schließen. Denn schon aus dem Tragen der Schutzkleidung geht nicht hervor, dass es sich bei den beförderten Patienten um MRSA-Patienten handelte. Es mag sich dabei auch um andere Erkrankungen, nosokomiale Infektionen oder Vorsorgemaßnahmen gehandelt haben. Konkrete weitere Anhaltspunkte dafür, dass es sich um MRSA-Patienten handelte, sind nicht mitgeteilt. Die diesbezüglichen Transportscheine liegen nicht vor. Es ist in keiner Weise ersichtlich, dass sich die Beklagte bei ihren Transporten nicht weisungsgemäß verhalten hat oder sie auf eine MRSA-Erkrankung hingewiesen war. Auch der Umstand, dass die Patienten aus einem (im Einzelnen nicht bekannten) Raum gekommen sein sollen, in dem Patienten behandelt werden, die vermeintlich an einer nosokomialen Infektion leiden, führt nicht dazu, dass die Beklagte schon objektiv einen MRSA-Patienten gefahren hat. Denn zum einen mag es, ohne dass dies näher eruiert werden kann und muss, andere nosokomiale Erkrankungen gegeben haben, die entsprechende Schutzvorkehrungen bedingten. Zum anderen sollen diese Räume, wie der Geschäftsführer der Klägerin selbst mitgeteilt hat, nur an bestimmten Tagen für MRSA-Patienten genutzt und entsprechend dann desinfiziert werden. Dass es sich bei den geschilderten Fahrten um solche Tage handelte, die MRSA-Patienten betrafen, ist insofern nicht nachvollziehbar. Der fragliche Raum, dessen Nutzungen wechseln mögen, bestimmt nach dem vorgetragenen Sachverhalt sicherlich noch nicht, ob die Patienten tatsächlich infektiös waren oder nicht. Die Feststellung eines Verstoßes gegen das Rettungsgesetzt NW kann auf derartige bloße Mutmaßungen nicht gestützt werden, zumal die ärztliche Anordnung einen Krankentransport nach dem RettG NW nicht vorsah. Die Klägerin behauptet nämlich nicht, dass die Beklagte sich nicht an die ärztlichen Anordnungen gehalten habe. Entsprechend ist auch das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr zu verneinen.

III.

Ebenso wenig liegt eine Begehungsgefahr vor.

Es müssten insofern Umstände vorliegen, die eine ernstlich drohende und unmittelbar bevorstehende Gefahr erstmaliger Begehung begründen. Dabei kann auch die Berühmung, zu einer bestimmten Handlung berechtigt zu sein, möglicherweise eine Begehungsgefahr begründen, auch wenn dies im Rahmen der Rechtsverteidigung in einem gerichtlichen Verfahren erfolgt. Indes muss geprüft werden, ob der Schuldner tatsächlich beabsichtigt, sich entsprechend der Beanstandung zu verhalten, oder ob er den Rechtsstandpunkt allein zur Rechtsverteidigung einnimmt, ohne dass zu befürchten ist, er werde sich entsprechend verbotswidrig verhalten (vgl. Bornkamm, in: Köhler/ Bornkamm, UWG, 28. Aufl. 2010, § 8 Rn. 1.18 ff.). Auf dieser Grundlage ist eine konkret zu besorgende Begehung nicht festzustellen. Denn dass die Beklagte in Zukunft erkennbar erkrankte oder entsprechend verdächtige MRSA-Patienten transportieren will, kann der Rechtsverteidigung auch unter Berücksichtigung des Bescheids der Stadt Bochum vom 07.10.2009 nicht entnommen werden. Die Beklagte stützt sich vielmehr mit auch beachtlichen Gründen auf die Entscheidungskompetenz des Arztes, die sie als Kriterium für die Übernahme des Transports als maßgeblich ansieht. Außerdem will die Beklagte, wenn sie erkennt, dass es sich bei dem Patienten um einen offensichtlich betreuungsbedürftigen bzw. infizierten Patienten handelt, "selbstverständlich" die Durchführung des Transports ablehnen. Allein der vom Landgericht zugrunde gelegte Umstand, dass die Beklagte jederzeit wieder vor der Frage stehen könnte, einen derart erkrankten Patienten zu befördern, kann die nötige Begehungsgefahr noch nicht begründen.

IV.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, § 543 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 09.02.2010
Az: I-4 U 174/09


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