Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. September 2006
Aktenzeichen: 5 W (pat) 442/05
(BPatG: Beschluss v. 12.09.2006, Az.: 5 W (pat) 442/05)
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin (Beschwerdeführerin) ist Inhaberin des am 8. Oktober 2002 angemeldeten und am 2. Oktober 2003 unter der Bezeichnung
"Extrakt aus dem Petasites-Rhizom mit einem geringen Gehalt an Pyrrolizidin-Alkaloiden"
eingetragenen deutschen Gebrauchsmusters 202 20 260. In Anspruch genommen wird die innere Priorität P 40 02 938.7 vom 1. Februar 1990. Der Anmeldetag geht auf die deutsche Patentanmeldung P 102 46 884.2-41 zurück und wurde auf dem Weg der Abzweigung in Anspruch genommen. Die Patentanmeldung P 102 46 884.2 ist aus dem auf den Einspruch der Antragsgegnerin wegen widerrechtlicher Entnahme widerrufenen deutschen Patent 40 02 938 hervorgegangen. Der Eintragung liegen 8 Schutzansprüche zugrunde.
Die Schutzansprüche haben folgenden Wortlaut:
"1. Pestwurz-Extrakt mit einem geringen Gehalt an Pyrrolizidin-Alkaloiden, dadurch gekennzeichnet, dass man den Pestwurz-Extrakt erhält, indem man die Droge einer Extraktion mit verdichtetem Kohlendioxid unterwirft und den Extrakt anschließend durch Dichteerniedrigung vom Lösemittel abtrennt.
2. Pestwurz-Extrakt nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass man die Extraktion bei einem Druck von 100 bis 300 bar, vorzugsweise bei 130 bis 260 bar durchführt.
3. Pestwurz-Extrakt nach den Ansprüchen 1 bis 2, dadurch gekennzeichnet, dass man die Extraktionstemperatur auf 25¡ bis 45¡C, vorzugsweise 32¡ bis 40¡C einstellt.
4. Pestwurz-Extrakt nach den Ansprüchen 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass der CO2-Durchsatz 5 bis 50 kg CO2 pro kg Ausgangsmaterial beträgt.
5. Pestwurz-Extrakt nach den Ansprüchen 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass man die Abscheidung bei einem Druck von 30 bis 50 bar und einer Temperatur von 10¡ bis 30¡C vornimmt.
6. Pestwurz-Extrakt nach den Ansprüchen 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass man den Wassergehalt des Extraktes durch Trocknung entfernt.
7. Pestwurz-Extrakt nach den Ansprüchen 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass man als Droge Rhizoma Petasitidis verwendet.
8. Pestwurz-Extrakt, dadurch gekennzeichnet, dass der Pestwurz-Extrakt aus bis zu 40 Gew.-% Petasin besteht und einen Gehalt an Pyrrolizidin-Alkaloiden von <1 ppm aufweist."
Die Antragstellerin (Beschwerdegegnerin) hat mit Schriftsatz vom 30. Januar 2004 beantragt, das Gebrauchsmuster gemäß § 16 i. V. m. § 15 (1) Nr. 2 GbmG zu löschen.
Zur Begründung hat die Antragstellerin unter Verweis auf die Dokumente D1 DE 39 10 831 C1 D2 EP 391 504 B1 D3 Aktenmaterial zum Prüfungs- und Einspruchsverfahren der DE 40 02 938 mangelnde Neuheit geltend gemacht. Ferner bestreitet sie die Wirksamkeit der Entnahmepriorität.
Dem hat die Gebrauchsmusterinhaberin widersprochen.
In der mündlichen Verhandlung am 31. Mai 2005 hat die Antragsgegnerin die Zurückweisung des Löschungsantrages, hilfsweise im Umfang der in der mündlichen Verhandlung überreichten Schutzansprüche gemäß den Hilfsanträgen I bis IV, Ia bis IVa und V bis VIII vom 31. Mai 2005 beantragt.
Die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamtes hat auf die mündliche Verhandlung die Löschung des Gebrauchsmusters beschlossen.
Gegen diesen am 21. Juni 2005 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin.
Im Zusammenhang mit den älteres Recht darstellenden Entgegenhaltungen D1 und D2 verweist die Antragsgegnerin auf § 15 Abs. 2 GbmG, wonach in solchen Fällen ausschließlich der Inhalt der Ansprüche zur Feststellung der Neuheit herangezogen werden dürfe. Die Neuheit des beanspruchten Pestwurz-Extraktes sei gegenüber diesen Dokumenten gegeben, weil das als Extraktionsmittel verwendete CO2 durch eine dort nicht beschriebene Dichteerniedrigung entfernt werde. Damit gelinge es nicht nur, Pestwurz-Extrakte mit einem höheren Petasin-Gehalt bereitzustellen, diese Maßnahme führe ferner, obwohl CO2 Wasser gut löse und dies auch Auswirkungen auf den Pyrrolizidinalkaloid-Gehalt habe, zu einem gegenüber dem Stand der Technik deutlich niedrigeren Wasser-Gehalt im Extrakt und - entgegen den Erwartungen des Fachmannes - auch niedrigeren Gehalt an den an sich lipophilen Pyrrolizidinalkaloiden. Dabei handle es sich nicht um eine fachnotorische Handlungsweise, werde doch ein lipophiler Stoff vom anderen getrennt. Zurückzuführen sei dies auf eine starke Veränderung der Lipophilie von CO2 mit dem Druck, wobei das Einstellen der Parameter nicht trivial sei, da sich diese gegenseitig beeinflussten. Die Erniedrigung des Wassergehaltes sei auch deshalb entscheidend, weil ein zu hoher Wassergehalt zu Emulsionen führe, die Zusammensetzungen mit viskoser Konsistenz zur Folge hätten. Aus solchen aber sei Wasser nur schwierig zu entfernen, während dieses mit dem Verfahren gemäß dem strittigen Gebrauchsmuster einfacher und besser gelinge. Damit sei es zum ersten Mal gelungen, ein klares, verkaufsfähiges Produkt in die Hand zu bekommen.
Im Hinblick auf die Hilfsanträge führt die Antragsgegnerin aus, dass weder in den Entgegenhaltungen D1 noch in D2 für die dort beschriebenen Pestwurz-Extrakte der Wassergehalt, ein Petasin-Gehalt von 10 bis 40 Gew.-% oder ein Pyrrolizidinalkaloid-Gehalt von < 1 ppm angegeben werde. Im weiteren könnten keiner dieser Druckschriften Hinweise dahingehend entnommen werden, dass mit einem Verfahren, wie es gemäß dem strittigen Gebrauchsmuster angewandt werde, eine erhebliche Erniedrigung des Wassergehaltes erreicht werde.
Die Antragstellerin (Beschwerdeführerin) beantragt, 1. den Löschungsbeschluss der Gebrauchsmusterstelle vom 15. Juli 2005 aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen.
2. hilfsweise die Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters gemäß der beigelegten Hilfsanträge I bis IV in dieser Reihenfolge.
Die Antragstellerin (Beschwerdegegnerin) beantragt, die Beschwerde gegen den Beschluss zurückzuweisen.
Sie legt zunächst dar, dass der Sinn des § 15 Abs. 2 GbmG darin zu sehen sei, bei Vorliegen von Identität bzw. Wesensgleichheit mit älterem Recht, Doppelschutz zu verhindern. Identität bedeute wesentliche Übereinstimmung des Inhaltes, wobei - wie sich aus der zu § 4 Abs. 2 PatG 1968 ergangenen BGH-Entscheidung "Optisches Speichermedium" ergebe - alles das i. V. m. dem älteren Recht mitzulesen sei, was für die Ausführung unerlässlich, selbstverständlich und notwendig sei, und Abwandlungen miteinbezogen seien, die im Belieben des Fachmannes ständen. Unter Bezugnahme auf die den Sachanspruch 1 kennzeichnenden Verfahrensmerkmale führt sie ferner aus, dass solche Maßnahmen nicht zu berücksichtigen seien, die nicht zu einer Veränderung des Gegenstandes führten.
Im Hinblick auf den Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag trägt die Antragstellerin sodann im weiteren vor, dass es sich bei der Dichteerniedrigung um eine fachmännische Notwendigkeit handle und das Verfahren gemäß strittigem Gebrauchsmuster deshalb zu keinen anderen Pestwurz-Extrakten führe als mit dem Verfahren gemäß der Entgegenhaltung D2. Der Extrakt müsse - in diesem Zusammenhang verweist sie auf die in der mündlichen Verhandlung überreichte D4 Vauck/Müller "Grundoperationen chemischer Verfahrenstechnik", 7. Aufl., 1988, VCH Verlagsgesellschaft mbH, Weinheim, S. 712/713
- immer vom Lösungsmittel abgetrennt werden, wobei beide Varianten, nämlich Temperaturerniedrigung als auch Druckerniedrigung, zur Dichteerniedrigung führten. Diese Maßnahmen seien daher als platte Selbstverständlichkeiten anzusehen, die so im Gebrauchsmuster nicht angegeben werden müssten. Bestätigt in ihrer Auffassung sieht sie sich auch durch die BGH-Entscheidungen "Elektrische Steckverbindung" und "Erntemaschine". Unter Verweis auf die BGH-Entscheidung "Zipfelfreies Stahlband" führt sie in diesem Zusammenhang ferner aus, dass von der Beschwerdeführerin keine konkreten Angaben zu messbaren Parametern vorgelegt worden seien, anhand derer die in Rede stehenden Extrakte unterscheidbar sein könnten. Des weiteren seien auch der in den Sachansprüchen 1 der Hilfsanträge angegebene Wassergehalt und Petasin-Gehalt Folge der gewählten Verfahrensparameter. Wie ein Vergleich der jeweiligen Beispiele jedoch zeige, lägen gemäß Gebrauchsmuster wie nach der Entgegenhaltung D2 gleiche Verfahrensparameter vor, was sodann auch zu identischen Produkten führen müsse. Im Übrigen kenne der Fachmann die Druckabhängigkeit des Wasseraufnahmevermögens von überkritischem CO2, somit seien die Ergebnisse gemäß strittigem Gebrauchsmuster für ihn von vornherein zu erwarten gewesen.
Der im Schutzanspruch 8 nach Hauptantrag angegebene Petasin-Gehalt von 10 bis 40 Gew.-% könne die Neuheit gleichfalls nicht begründen, sei dieser Gehalt in D2 doch nicht beschränkt.
Die Merkmale der nachgeordneten Schutzansprüche 2 bis 7 ergäben sich wortwörtlich bzw. sinngemäß aus der Entgegenhaltung D2.
Weitere Einzelheiten ergeben sich aus dem Inhalt der Akten.
II.
1. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht begründet. Der Löschungsantrag ist begründet, weil der geltend gemachte Löschungsanspruch aus § 15 Abs. 1 Nr. 2 GbmG wegen fehlender Schutzfähigkeit gegeben ist.
2. Die mit dem Hauptantrag und den vier Hilfsanträgen verteidigten Schutzansprüche sind zulässig. Ihre Gegenstände gehen nicht über die eingetragenen Schutzansprüche hinaus und beruhen im Übrigen auf dem in den Anmeldeunterlagen als wesentlich Offenbartem. Die Schutzansprüche 1 bis 8 gemäß Hauptantrag entsprechen den ursprünglich eingereichten und eingetragenen Schutzansprüchen 1 bis 8. Die schriftsätzlich eingereichten Schutzansprüche 1 nach den Hilfsanträgen I bis IV gehen auf den ursprünglich eingereichten und eingetragenen Schutzanspruch 1 i. V. m. Erstunterlagen S. 4 Abs. 1 und 2 sowie die ursprünglich eingereichten und eingetragenen Schutzansprüche 6 und 8 zurück. Die Schutzansprüche 2 nach den Hilfsanträgen I bis III leiten sich vom ursprünglich eingereichten und eingetragenen Schutzanspruch 6 i. V. m. Erstunterlagen S. 4 Abs. 2 ab. Die Schutzansprüche 3 bis 7 nach den Hilfsanträgen I bis III und 2 bis 6 nach Hilfsantrag IV entsprechen den ursprünglich eingereichten und eingetragenen Schutzansprüchen 2 bis 5 und 7.
3. Zum Hauptantrag Gegenstand des Schutzanspruches 1 in der verteidigten Fassung ist ein
(1) Pestwurz-Extrakt
(1-a) mit einem geringen Gehalt an Pyrrolizidin-Alkaloiden, der
(2) durch Extraktion der Droge mit verdichtetem Kohlendioxidund
(3) Abtrennen des Lösemittels durch anschließende Dichteerniedrigung gewonnen wird.
Mit dem selbständigen Schutzanspruch 8 wird ein Pestwurz-Extrakt beansprucht, der
(1) aus bis zu 40 Gew.-% Petasin besteht und
(2) einen Gehalt an Pyrrolizidin-Alkaloiden von < 1 ppm aufweist.
Ein Pestwurz-Extrakt wie er mit den Schutzansprüchen 1 und 8 angegeben wird, ist gegenüber der Entgegenhaltung D2 nicht mehr neu.
3.1 Die Neuheit des gemäß strittigem Gebrauchsmuster beanspruchten Pestwurz-Extraktes gegenüber D2 begründet die Antragsgegnerin mit der im eingetragenen Schutzanspruch 1 angegebenen Maßnahme (3) gemäß Merkmalsanalyse, wonach der Pestwurz-Extrakt durch das Abtrennen des Lösungsmittels durch Dichteerniedrigung erhalten wird. Nur auf diese Weise könne der im strittigen Gebrauchsmuster angegebene hohe Petasin-Gehalt sowie niedrige Pyrrolizidinalkaloid-Gehalt von < 1 ppm erreicht werden. Dieser Verfahrensschritt sei so in den Patentansprüchen der entgegengehaltenen, älteres Recht darstellenden Druckschrift D2 jedoch nicht angegeben. Nur ein Vergleich mit diesen sei aber im Fall eines älteren Rechtes zulässig - hier verweist die Antragsgegnerin auf Bühring GbmG, 6. Aufl. § 15 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Rdn. 17 -, während die Beschreibung außer acht zu lassen sei. Dieser Lesart kann sich der Senat jedoch nicht anschließen. Wird unter der in Rede stehenden Randnummer 17 doch ausgeführt, dass Gegenstand des älteren Rechtes nicht sei, was nur der Beschreibung zu entnehmen sei. Unter der darauf folgenden Randnummer 18 heißt es sodann weiter, dass maßgebend sei, ob der Gegenstand des jüngeren Gebrauchsmusters durch das ältere Recht grundsätzlich geschützt sei, weshalb in beiden Fällen der Schutzbereich zu ermitteln sei. Der Schutzbereich kann aber nicht ohne die, die Erfindung erläuternden Teile der Beschreibung definiert werden. Zum maßgeblichen Schutzbereich gehört nach geltender Rechtsprechung darüber hinaus auch all jenes, was zwar in den Merkmalen eines Patentanspruches keinen Niederschlag gefunden hat, aus der Sicht des Fachmannes nach seinem allgemeinen Fachwissen für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre aber nahezu unerlässlich ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedurfte. Einen die Schutzfähigkeit begründenden Überschuss können demnach nicht für den Fachmann ohne weiteres als notwendig oder sinnvoll erkannte Ergänzungen und Abwandlungen darstellen, durch die der Gegenstand der unter Schutz gestellten Lehre gegenüber dem älteren Recht nicht verändert wird (vgl. Bausch BGH 1994 bis 1998 S. 82/83 - Kernsätze, S. 89 Abs. 44, S. 91/92 Abs. 52 - "Optisches Speichermedium" sowie BGH GRUR 1965, 28 Ls., V. re. Sp. und S. 29 li./re. Sp. übergreifender Absatz - "Erntemaschine"). Danach ist der Erfindungsgedanke der Schutzansprüche nach älterem Recht unter Heranziehen der Beschreibung und der Beispiele i. V. m. dem allgemeinen Fachwissen zu ermitteln.
Im vorliegenden Fall werden Extrakte beansprucht, die gemäß Schutzanspruch 1 über ein Verfahren gekennzeichnet werden und deren Schutzfähigkeit von der Antragsgegnerin mit der Verfahrensmaßnahme (3) gemäß Merkmalsanalyse begründet wird. Pestwurz-Extrakte und ein Verfahren zu deren Herstellung werden auch im älteren Recht D2 beschrieben. Dabei handelt es sich um Extrakte, die wie jene gemäß Streitgebrauchsmuster einen geringen Pyrrolizidinalkaloid-Gehalt von < 0,1 ppm aufweisen und über eine Extraktion von Rhizoma Petasitidis mit gasförmigem Kohlendioxid in überkritischem Zustand hergestellt werden (vgl. Patentansprüche 11 und 12 i. V. m. Patentanspruch 1 i. V. m. Streitgebrauchsmuster Patentansprüche 1, 7 und 8 sowie Beschreibung S. 4 Abs. 3). Im Unterschied zum Streitgebrauchsmuster sind D2 jedoch keine Hinweise dahingehend zu entnehmen, auf welche Weise die Abtrennung des verdichteten Kohlendioxides erfolgt, während dies nach Schutzanspruch 1 durch Dichteerniedrigung geschieht. Dabei handelt es sich jedoch nach Überzeugung des Senates um eine Vorgehensweise, die der Fachmann - hier ein Naturstoffchemiker oder Pharmazeut, mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der industriellen Herstellung von Pflanzenextrakten - im Zusammenhang mit der Durchführung einer Extraktion mit überkritischen Gasen als selbstverständlich und unerlässlich erachten wird und daher i. V. m. dieser Extraktionsmethode von vornherein, ohne weiter darüber nachdenken zu müssen, mitlesen wird (vgl. BGH GRUR 1995, 330 2. Ls., S. 332 II.2.c) li./re. Sp. übergreifender Absatz - "Elektrische Steckverbindung" sowie BGH GRUR 1980 2. Ls. - "Terephthalsäure"). Erfolgt die erforderliche Abtrennung des Extraktes vom Lösungsmittel bei Extraktionsverfahren mit überkritischen Gasen in der Regel doch stets durch Dichteerniedrigung, sei es durch Absenkung des Druckes oder durch Temperaturerniedrigung (vgl. auch D5 S. 713 Abs. 2). Der Fachmann ist aber auch deshalb dazu veranlasst die Dichteerniedrigung und nicht eine Abtrennung des Lösungsmittels durch die von der Antragsgegnerin als alternative Vorgehensweisen genannte Temperatur- bzw. Druckerhöhung, ins Auge zu fassen, weil zum einen die Wirkstoffe der Pestwurz bekanntlich temperaturempfindlich sind (vgl. Streitgebrauchsmuster S. 2 Abs. 2 letzter Satz), zum anderen die zu letzt genannten Vorgehensweisen von vornherein einen höheren apparativen und energetischen Aufwand erfordern und schlussendlich zur Entnahme des Extraktes in jedem Fall die Einstellung des Normaldruckes erforderlich ist. Bestätigung findet diese Auffassung im Übrigen durch den schriftsätzlichen Vortrag der Antragsgegnerin als Einsprechende gegen das dem strittigen Gebrauchsmuster zugrunde liegende Patent DE 40 02 938 vor dem Deutschen Patent- und Markenamt, nachdem es sich bei diesem Verfahrensschritt um eine schlicht selbstverständliche Maßnahme handle (vgl. VA Lö I 16/04 Bl. 101 Abs. 3).
Nachdem gleiche Verfahren, die von gleichen Ausgangsmaterialien ausgehen, zwangsläufig zu gleichen Produkten führen müssen, werden mit dem strittigen Gebrauchsmuster somit keine anderen Pestwurz-Extrakte bereitgestellt, als sie in den Patentansprüchen 11 und 12 der Entgegenhaltung D2 angegeben werden und als unmittelbare Verfahrensprodukte mit dem in Patentanspruch 1 angegebenen Verfahren erhalten werden. Die Antragsgegnerin hat im Übrigen keine Parameter aufgezeigt, die einen die Neuheit begründenden Unterschied zu den mit dem Verfahren gemäß der Entgegenhaltung D2 unmittelbar erhaltenen Pestwurz-Extrakten feststellen lassen könnten.
Das Argument der Antragsgegnerin, die mit der Bereitstellung des beanspruchten Pestwurz-Extraktes verbundene besondere Leistung werde insbesondere bei einem Vergleich des Beispieles 3 gemäß strittigem Gebrauchsmuster mit den in der Tabelle von D2 für den Versuch 1 angegebenen Ergebnissen deutlich, läge dort doch ein um das 10fache höherer Pyrrolizidinalkaloid-Gehalt vor, kann nicht greifen; denn dabei handelt es sich lediglich um eine Ausführungsform des mit D2 beschriebenen Verfahrens. Wie anhand der für den Versuch 2 in dieser Tabelle angegebenen Ergebnisse zu ersehen ist, gelingt es mit einer weiteren Ausführungsform dieses Verfahrens Extrakte bereitzustellen, deren Pyrrolizidinalkaloid-Gehalt ebenfalls sehr gering ist und unterhalb von 0,1 ppm liegt.
Zu keiner anderen Beurteilung kann der Einwand der Antragsgegnerin führen, das gemäß strittigem Gebrauchsmuster angegebene Verfahren zur Herstellung der beanspruchten Pestwurz-Extrakte unterscheide sich auch deshalb von dem in D2 genannten, weil die Dichteerniedrigung gebrauchsmustergemäß kontinuierlich erfolge. Gegenstand des Gebrauchsmusters ist ein Pestwurz-Extrakt, der unabhängig von seinem Herstellungsweg die Voraussetzungen für die Patentierbarkeit erfüllen muss, d. h. bei einem Vergleich mit der Entgegenhaltung D2 ist allein entscheidend, inwieweit eine Übereinstimmung mit dem zu patentierenden Erzeugnis selbst vorliegt. Es ist aber nicht zu erkennen, dass die Anwendung einer kontinuierlichen Dichteerniedrigung zu anderen Produkten führt, als eine Dichteerniedrigung auf anderem Wege. Selbst wenn diese Verfahrensmaßnahme daher Bestandteil des Erzeugnisanspruches 1 wäre, diente sie wie auch die bereits vorhandenen Verfahrensmerkmale alleine der Definition des Pestwurz-Extraktes, würde dessen Schutz jedoch nicht auf diesen Verfahrensschritt einschränken (vgl. BGH GRUR 1993, 651, 655 IV.4.b) - "Tetraploide Kamille" und BGH GRUR 1977, 80, 87 II.F.2. - "Trioxan").
3.2 Der im Schutzanspruch 8 für den Pestwurz-Extrakt genannte Gehalt an Petasin von bis zu 40 Gew.-% kann die Neuheit der mit dem strittigen Gebrauchsmuster beanspruchten Extrakte gegenüber dem Dokument D2 ebenfalls nicht begründen. Abgesehen davon, dass mit dem damit angegebenen Bereich alle Extrakte mit einem beliebig geringeren Gehalt an Petasin als 40 Gew.-% mit umfasst werden, trifft hier das vorstehend Gesagte ebenso zu. Nachdem mit beiden in Rede stehenden Verfahren die gleichen Maßnahmen ergriffen werden, führen diese zwangsläufig zu gleichen Produkten. In diesem Zusammenhang ist es unwesentlich, wenn dabei bis dahin gegebenenfalls nicht erkannte Ergebnisse erzielt werden (vgl. BGH GRUR 1980, 283 Ls.2, 285 II.3.c) und e) - "Terephthalsäure" sowie BGH GRUR 1978 S. 696, S. 698 II.2, S. 698/699 II.3 - "-Aminobenzylpenicillin").
Die Schutzansprüche 2 bis 7 werden von dem Löschungsausspruch erfasst, da in ihnen ein eigener schutzfähiger Gehalt weder geltend gemacht noch erkennbar ist.
4. Das Gebrauchsmuster ist auch in der Fassung nach den Hilfsanträgen I bis IV nicht schutzfähig.
4.1 Hilfsanträge I bis III Im Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I wird der Pestwurz-Extrakt zusätzlich durch einen Wassergehalt von < 20 % gekennzeichnet. Die Schutzansprüche 1 der Hilfsanträge II und III weisen gegenüber dem Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag bzw. Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag I eine zusätzliche Begrenzung des Petasin-Gehaltes auf 10 bis 40 Gew.-% auf.
Wie den Beispielen 1 und 2 des strittigen Gebrauchsmusters zu entnehmen ist, weisen die dort beschriebenen Primärextrakte vor einer zusätzlichen Trocknung einen Wassergehalt von ca. 20 bzw. ca. 19 % auf. Als Ausgangsmaterialien werden in diesen Beispielen Drogen mit einer Restfeuchte von 12 bzw. ca. 11 % Ausgangsfeuchte genannt. Eine entsprechende Ausgangsfeuchte, nämlich bevorzugt 10 %, weisen auch die Drogen auf, die gemäß der Entgegenhaltung D2 zur Herstellung eines Pestwurz-Extraktes eingesetzt werden (vgl. Patentansprüche 9 und 10). Damit trifft hier gleichfalls zu, dass das Ergreifen gleicher Verfahrensmaßnahmen zwangsläufig zu gleichen Erzeugnissen führen muss.
Nicht anders stellt sich der Sachverhalt im Fall des in den Patentansprüchen 1 der Hilfsanträge II und III angegebenen Gehaltsbereiches für Petasin dar. Im Übrigen hat die Antragstellerin auch in diesen Fällen keine Versuchsergebnisse vorgelegt, mit denen darlegt worden wäre, dass mit dem in D2 beschriebenen Verfahren Extrakte erhalten würden, deren Petasin-Gehalt unter 10 Gew.-% liegt.
4.2 Hilfsantrag IV Der Schutzanspruch 1 gemäß diesem Hilfsantrag unterscheidet sich von jenem gemäß Hauptantrag einzig darin, dass der Pestwurz-Extrakt einen Wassergehalt von < 1 % aufweist und ggf. weiteren Trocknungsschritten unterworfen wird. Die Gebrauchsmusterinhaberin führt in diesem Zusammenhang aus, dass es ihr damit erstmals gelungen sei, ein klares, verkaufsfähiges Produkt zu erhalten. Pflanzliche Extrakte werden jedoch grundsätzlich abschließend weiteren Trocknungsschritten unterzogen, weil restliche Feuchtigkeit zur Instabilität führen kann. Ein zu hoher Restwassergehalt birgt nämlich die Gefahr in sich, dass Wirkstoffe abgebaut werden bzw. andere Zersetzungsprozesse, die insbesondere auch auf Keime zurückzuführen sind, erfolgen. Die abschließende Trocknung eines pflanzlichen Extraktes stellt daher eine dem fachmännischen Können zuzurechnende Routinetätigkeit dar, die der Fachmann als selbstverständliche Notwendigkeit durchführen wird. Der Verweis der Antragsgegnerin auf das Beispiel 3 kann zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage führen. Nach diesem wird zwar ein Primär-Extrakt erhalten, der einen Wassergehalt aufweist, den gemäß den Beispielen 1 und 2 die dort mit üblichen Methoden nachgetrockneten Extrakte besitzen. Abgesehen davon, dass dieses Beispiel eine bevorzugte Ausführungsform neben zwei weiteren darstellt, kann dieser Einwand die Neuheit des Erzeugnisses nicht begründen, weil es sich hier um Verfahrensmaßnahmen handelt. Diese sind jedoch weder am Produkt selbst nachprüfbar noch führen sie zu einer Veränderung des Erzeugnisses im Vergleich zu den z. B. in den Beispielen 1 und 2 mit konventionellen Methoden getrockneten Extrakten (vgl. BGH GRUR 1977, 80, 87 II.F.2. - "Trioxan"). Entsprechendes gilt im Hinblick auf den Vortrag der Antragsgegnerin, die Entfernung des Restwassers gelinge bei Produkten, die mit dem im Gebrauchsmuster beschriebenen Verfahren hergestellt worden seien, einfacher und besser.
5. Die Gegenstände der verteidigten Schutzansprüche 2 bis 7 gemäß den Hilfsanträgen I bis III sowie der verteidigten Schutzansprüche 2 bis 6 gemäß Hilfsantrag IV teilen das Schicksal der jeweiligen Schutzansprüche 1. Eine eigenständige schutzfähige Bedeutung dieser Ansprüche ist in der mündlichen Verhandlung nicht geltend gemacht worden und auch nicht erkennbar.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 PatG, § 97 Abs. 1 ZPO. Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung.
BPatG:
Beschluss v. 12.09.2006
Az: 5 W (pat) 442/05
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