Brandenburgisches Oberlandesgericht:
Urteil vom 11. September 2012
Aktenzeichen: Kart U 6/11

(Brandenburgisches OLG: Urteil v. 11.09.2012, Az.: Kart U 6/11)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14.11.2011 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam € 2 O 31/11 € abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen einschließlich der zweitinstanzlich entstandenen Kosten der Streithelferin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten und der Streithelferin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte und die Streithelferin vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin ist eine Verwertungsgesellschaft mit dem Zweck, Urheber- und Leistungsschutzrechte für Hörfunk- und Fernsehunternehmen wahrzunehmen; sie nimmt zur Zeit Leistungsschutzrechte und abgeleitete Nutzungsrechte von in Anlage K 1 aufgeführten 68 privaten Hörfunk- und 37 privaten Fernsehunternehmen aufgrund von mit diesen abgeschlossenen Verträgen wahr. Sie macht gegen die Beklagte Ansprüche wegen der Weitersendung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen über Kabelnetze geltend.

Der Weg des Fernseh- und Hörfunkprogrammsignals über Kabelnetze erfolgt - formal betrachtet - über vier Netzebenen. Das Programmsignal wird vom Programmveranstalter generiert und vom Sender terrestrisch oder orbital über Satellit abgestrahlt (sog. Netzebenen 1 und 2). Dieses Signal wird von einem Netzbetreiber mit einer signalliefernden Kopfstelle aus der terrestrischen oder orbitalen Übertragung übernommen, technisch aufbereitet und in ein Kabelnetz eingespeist (sog. Netzebene 3), bei dem sich die Netze im öffentlichen Grund, d. h. im Straßenkörper, befinden. Das Signal wird schließlich von der Netzebene 3 von Betreibern der Netzebene 4 übernommen, deren Kabelnetze im privaten Grund bzw. in privaten Gebäuden liegen. In Einzelfällen ist ein Betreiber der Netzebene 3 auch zusätzlich Betreiber einer Netzebene 4 (sog. integrierter Netzbetreiber).

Die Beklagte und die R€ GmbH, die Streithelferin der Beklagten (im Folgenden: Streithelferin), sind Kabelnetzbetreiber. Die Streithelferin ist zumindest Kabelnetzbetreiber der Netzebene 4. Die Streithelferin errichtete im Bundesland Brandenburg Kabelnetze auf den Netzebenen 3 und 4, so insbesondere in P€ und in R€. Sie versorgt mehrere zehntausend Haushalte mit Programmsignalen. Die Streithelferin ist Alleingesellschafterin der R€ N€ GmbH, die ebenfalls Kabelnetze betreibt. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Streithelferin auch Netze auf der Netzebene 3 betreibt.

Der ursprüngliche Alleingesellschafter der Streithelferin hält gemeinsam mit seinem Sohn die Geschäftsanteile der Beklagten und war zugleich deren Geschäftsführer. Seine Geschäftsanteile an der Streithelferin übertrug er an seinen Sohn durch notariellen Vertrag vom 29.1.2011 im Wege vorweggenommener Erbfolge. Er schied als Geschäftsführer der Beklagten aus, deren Geschäftsführer ist nunmehr eine nicht zu seiner Familie gehörende Person.

Der ursprüngliche Alleingesellschafter der Streithelferin und sein Sohn sind die Geschäftsführer der Streithelferin und der R€ N€ GmbH.

Die Beklagte ist Mitglied in den beiden Interessenverbänden der Kabelsendeunternehmen A€ e. V. (im Folgenden: A€) und F€ e. V. (im Folgenden: F€). Diese Verbände schlossen mit der Klägerin im Herbst 2003 sog. Gesamtverträge. Dies war die Grundlage dafür, dass die Klägerin mit den Mitgliedsunternehmen der Verbände sog. Einzelverträge abschloss.

Die Parteien schlossen am 26.1.2004 einen F€-Einzelvertrag. Sie führten wegen der Auslegung der in dem Einzelvertrag enthaltenen Vergütungsvereinbarung ein Verfahren vor der Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt. Dabei machte die Klägerin geltend, die Beklagte müsse wegen der Weitergabe von Programmsignalen an konzernverbundene Unternehmen, die Streithelferin und die R€ N€ GmbH, Lizenzgebühren auf der Basis vereinnahmter Endkundenentgelte vergüten. Lizenznehmer wie die Beklagte könnten mit konzernverbundenen Netzebene 4-Kabelunternehmen unter Marktniveau liegende Preisabsprachen treffen, um die an die Klägerin zu zahlenden Entgelte zu verringern. Hierzu erging ein Einigungsvorschlag der Schiedsstelle vom 28.2.2011 der Schiedsstelle, mit dem der auf Feststellung einer entsprechenden Vergütungspflicht gerichtete Antrag der Klägerin zurückgewiesen wurde. Die Schiedsstelle begründete diesen Einigungsvorschlag damit, dass es an einer Anspruchsgrundlage fehle.

Die Klägerin hatte bereits vor diesem Schiedsspruch den Einzelvertrag mit der Beklagten gekündigt. Sie übersandte der Beklagten unter dem 20.8.2010 einen sog. "A€-Mustereinzelvertrag 2010" und wies darauf hin, dass sämtliche Umsätze aus der Weitersendung der Hörfunk- und Fernsehprogramme sowohl der Beklagten als auch der mit ihr verbundenen Unternehmen, nämlich der Streithelferin und der R€ N€ GmbH bei der Berechnung der Lizenzentgelte zu berücksichtigen seien. Die Beklagte unterzeichnete den Vertrag und machte zugleich geltend, dass die im Schreiben der Klägerin genannten Unternehmen keine konzernverbundenen Unternehmen seien. Die Klägerin unterzeichnete den Vertrag mit der Beklagten am 8.9.2010.

In diesem Vertrag, der insbesondere den vorhergehenden Streit über die Vergütung der Weitergabe der Programmsignale durch den Vertragspartner der Klägerin an ein konzernverbundenes Unternehmen regeln soll, ist u. a. folgendes vereinbart:

§ 1 Vertragsparteien

1. Der Kabelnetzbetreiber betreibt Breitbandnetze, in die er über Empfangsanlagen drahtlos empfangene Fernseh- und/oder Hörfunkprogramme einspeist und weitersendet. Die Programme werden entweder unmittelbar an die angeschlossenen Haushalte übertragen oder aber an andere Kabelnetzbetreiber weitergegeben ("Netzebene-4-Kabelnetzbetreiber"). € Der Kabelnetzbetreiber verlangt von den durch die V€ vertretenen Fernseh- und Hörfunksendern kein Transport- und/oder Einspeiseentgelt.

§ 3 Einräumung von Nutzungsrechten

1. Die V€ räumt dem Kabelnetzbetreiber alle von ihr während der Vertragslaufzeit wahrgenommenen Rechte ein, um terrestrisch oder satellitär ausgestrahlte Fernseh- und Hörfunkprogramme mit Hilfe von Antennensystemen zu empfangen, sie für den Kabelempfang aufzubereiten und über Kabelanlagen an die angeschlossenen Haushalte weiterzusenden ...

§ 4 Vorbehaltene Rechte

1. Die dem Kabelnetzbetreiber durch diesen Vertrag eingeräumten Rechte sind nicht übertragbar. Nicht als Übertragung gilt eine Weitergabe an verbundene Unternehmen im Sinne von § 15 AktG, sofern entweder der Kabelnetzbetreiber oder das verbundene Unternehmen auf der Grundlage der vereinnahmten Endkundenentgelte gemäß § 5 Ziffer 1 (erste Alt.) ordnungsgemäß vergütet und das verbundene Unternehmen Kabelnetzbetreiber im Sinne von § 1 Ziffer 1 dieses Vertrages ist. Der Kabelnetzbetreiber ist jedoch befugt, die Programmsignale "rechtefrei" an konzernfremde (nicht mit ihm im Sinne von § 15 AktG verbundene Unternehmen) an sein Netz angeschlossene Kabelnetzbetreiber im Sinne dieses Vertrages ("Netzebene-4-Kabelnetzbetreiber") weiter zu geben ...

Zwischen der Klägerin und der Streithelferin bzw. der R€ N€ GmbH existieren keine vertraglichen Vereinbarungen.

Die Klägerin ist für ihre zunächst angekündigten Klageanträge davon ausgegangen, dass sowohl die R€ N€ GmbH als auch die Streithelferin mit der Beklagten verbundene Unternehmen im Sinne der §§ 15 AktG, 4 Nr. 1 des Lizenzvertrages sind.

Die Klägerin hat zunächst beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Weitersendung von Fernseh- und Radioprogrammen der in Anlage K 1 genannten Sendeunternehmen an die Streithelferin und/oder an die R€ N€ GmbH, € gemäß dem zwischen den Parteien geschlossenen Lizenzvertrag vom 08.09.2010 (Anlage K 3) auf Basis der von der Streithelferin sowie R€ N€ GmbH mit der Weitersendung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen der in Anlage K 1 genannten Sendeunternehmen erzielten Endkundenentgelte zu vergüten,

hilfsweise,

es der Beklagten bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 €, Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre), zu vollziehen am Geschäftsführer der Beklagten, zu verbieten,

die Rundfunkprogramme der in Anlage K 1 genannten Sendeunternehmen durch die Streithelferin und/oder die R€ N€ GmbH weitersenden zu lassen, wenn nicht die Beklagte die Vergütung in Höhe des von ihr anerkannten Betrages an die Klägerin gezahlt und in Höhe der darüber hinausgehenden Forderungen der Klägerin unter Vorbehalt an diese gezahlt oder zu ihren Gunsten hinterlegt hat.

Die Klägerin hat gemeint, ein Verfahren bei der Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt sei entbehrlich.

Die Klägerin hat behauptet, eine Vergütung auf Endkundenumsatz sei der Normalfall. Nur ausnahmsweise gestatte die Klägerin eine Abrechnung auf der Grundlage von Signallieferungsentgelten. Die Beklagte sei berechtigt, das Sendesignal an konzernverbundene und konzernfremde Unternehmen weiterzugeben, die Kabelnetze der Netzebene 4 betrieben. Die Netzebene-4-Kabelunternehmen benötigten keinen eigenen Lizenzvertrag mit der Klägerin. An Kabelunternehmen, die auch Kabelnetze der Ebene 3 betrieben, dürfe eine rechtefreie Signalweitergabe hingegen nicht erfolgen. Diese integrierten Netze auf Ebene 3 und 4 betreibenden Unternehmen müssten selbst einen Lizenzvertrag mit der Klägerin abschließen.

Die Klägerin hat behauptet, die Streithelferin sei ein solches integriertes Kabelunternehmen. Dass diese auch Netze der Ebene 3 betreibe, ergebe sich nicht nur aus der Liste der Bundesnetzagentur über die Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze und der Liste über Unternehmen, denen ein unentgeltliches Wegerecht übertragen wurde, sondern auch daraus, dass der Streithelferin z. B. auf ihren Antrag hin von der Stadt P€ im Juni 2011 die Zustimmung für die Leitungsverlegung in der beantragten Trasse in P€ erteilt worden sei. Zudem führe die Streithelferin auf ihrer Website selbst aus, dass sie die Netzebene 3 betreibe. Letztlich ergebe sich dies auch aus einem Bericht in der Tageszeitung €M€€ vom 11.09.2010 und dem Werbeprospekt der R€ GmbH.

Die Klägerin hat gemeint, mit Überlassung der Sendesignale an die Streithelferin begehe die Beklagte eine Anstiftung oder Beihilfe zur unlizenzierten und damit rechtswidrigen Kabelweitersendung durch die Streithelferin und die R€ N€ GmbH.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat die Klägerin unter Rücknahme ihres angekündigten Hauptantrags nur noch den Hilfsantrag (als Hauptantrag) verfolgt.

Sie hat zuletzt beantragt,

es der Beklagten bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 €, Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre), zu vollziehen am Geschäftsführer der Beklagten, zu verbieten,

die Rundfunkprogramme der in Anlage K 1 genannten Sendeunternehmen durch die Streithelferin weitersenden zu lassen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die zunächst erhobene Klage für unzulässig gehalten und gemeint, die Klägerin hätte vor Klageerhebung ein Verfahren vor der Schiedsstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes durchführen müssen, da der anzuwendende Tarif im Streit sei.

Sie hat behauptet, sie vergüte der Klägerin die Signalweiterleitung an die beiden R€-Gesellschaften genauso wie sie der Klägerin die Signalweiterleitung an andere Betreiber der Netzebene 4 vergüte. Sie entrichte die Vergütung auf der Basis der Signallieferungsentgelte, welche sie von den R€-Gesellschaften erhalte, nicht aber auf Basis der Endkundenentgelte, weil sie den abweichenden Tarif für konzernverbundene Unternehmen gemäß den §§ 20 Abs. 1 GWB i. V. m. § 11 UrhWG für unzulässig halte.

Sie hat behauptet, nach dem Lizenzierungsmodell der Klägerin seien lizenzgebührenpflichtig nur die Netzebene-3-Betreiber mit eigener Kopfstelle. Demgegenüber seien die Betreiber der Netzebene 4 grundsätzlich von der Zahlung eigener Lizenzgebühren freigestellt. Kein Betreiber der Netzebene 4 müsse deshalb mit der Klägerin Lizenzverträge schließen, sei er konzerngebunden oder nicht. Die von der Klägerin verfolgten Vergütungsansprüche stellten eine sachlich nicht gerechtfertigte unterschiedliche Behandlung konzernverbundener Netzebene-3-Betreiber dar und bewirkten eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung.

Die Beklagte hat gemeint, die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen seien keine geeigneten Nachweise dafür, dass die Streithelferin und die R€ N€ GmbH selbst auch Betreiber der Netzebene 3 seien. Aus diesen Unterlagen ergebe sich lediglich, dass die Streithelferin diese Anlagen baulich errichte bzw. errichtet habe. Abgesehen davon dürfe - insbesondere unter Berücksichtigung des Lizenzierungszwanges, unter dem die Klägerin stehe - jeder Betreiber der Netzebene 3 beliefern, wen er wolle.

Das Landgericht hat dem Klageantrag in der zuletzt gestellten Fassung stattgegeben.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei zulässig, denn es bedürfe nicht der vorherigen Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens. Dieses Erfordernis gelte nur, wenn es auf die Anwendbarkeit oder die Angemessenheit des Tarifs tatsächlich ankomme. Dies sei bei dem noch zur Entscheidung stehenden Unterlassungsantrag nicht der Fall. Die jetzt noch anhängige Klage sei begründet, weil die Klägerin einen Anspruch darauf habe, dass die Beklagte die Signalweitergabe an die Streithelferin unterlasse, weil es sich bei der Streithelferin um eine Betreiberin auch der Netzebene 3 handele. Dies ergebe sich aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen. Das bloße Bestreiten der Beklagten sei unzureichend und unbeachtlich. Nach § 4 Nr. 1 Satz 1 des Vertrages der Parteien sei es der Beklagten untersagt, die Programmsignale an nicht mit ihr in einem Konzern verbundene Betreiber der Netzebene 3 weiterzugeben.

Gegen dieses Urteil, ihr zugestellt am 18.11.2011, hat die Beklagte durch bei Gericht am 16.12.2011 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese durch am 27.12.2011 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte meint, die Zulässigkeit der Klage bleibe von Amts wegen auch für die zweite Instanz zu prüfen. Die Schiedseinrede greife auch deshalb, weil die Klägerin sich in dem mit der A€ geschlossenen Gesamtvertrag vom 28.10.2003 verpflichtet habe, vor Anrufung der ordentlichen Gerichte die A€ anzurufen.

Den urheberrechtlichen Gesamtverträgen zwischen der Klägerin und den beiden maßgeblichen Branchenverbänden der Kabelnetzbetreiber F€ und A€ und damit auch dem Einzelvertrag der Parteien liege die Einigung dahingehend zugrunde, dass die Klägerin Lizenzgebühren nur gegen die Betreiber von Kabelnetzen mit eigener Kopfstelle und nicht gegen die Betreiber nachgeschalteter Netze geltend mache. Die Klägerin stelle nachgeschaltete Netzbetreiber von eigenen Rechten frei, d. h. sie verzichte auf den Abschluss eines Lizenzvertrages und auf die Zahlung von Lizenzgebühren. Grundlage der Einigung sei ferner gewesen, dass die Netz- oder Kopfstellenbetreiber weder für die Signaleinspeisung in die Kopfstellen noch für die Signalweiterleitung für die Aufnahme von privaten Programmen in die Kabelweitersendung Transportentgelte geltend machten.

Sie, die Beklagte, bedürfe zu einer Signalübergabe an Dritte deshalb keiner lizenzrechtlichen Gestattung. Die Klägerin unterliege einem Kontrahierungszwang dahingehend, jedermann die Lizenz zu angemessenen Bedingungen einzuräumen. Soweit sie die Einräumung einer Lizenz davon abhängig mache, dass an bestimmte Dritte das Signal auf Grund einer besonderen vertraglichen Verpflichtung nicht übergeben werde, verhindere sie, dass diese Dritten sich selbst mit dem Signal versorgen könnten. Dies stelle eine kartellrechtswidrige Wettbewerbsbeschränkung dar. Ein Verbot der Signallieferung an einen anderen Betreiber der Netzebene 3 sei vertraglich nicht vorgesehen. § 4 des Vertrages enthalte keinerlei Bestimmung zur Zulässigkeit einer Signalübergabe, sondern betreffe die Unübertragbarkeit der Lizenz.

Die Feststellungen des Landgerichts zu einem Betrieb auf der Netzebene 3 durch die Streithelferin seien unzutreffend. Zwar habe die Streithelferin auch Netzteilanlagen in der Netzebene 3 errichtet, sie selbst betreibe aber lediglich die Netze der Ebene 4. Die Netzebene 3 werde allein von der Beklagten aufgrund von seit dem Jahr 2000 geschlossenen Pachtverträgen mit der Streithelferin betrieben. Auch die Kopfstelle sei Gegenstand der mit der Streithelferin geschlossenen Pachtverträge. In den Netzen, aus denen sie, die Beklagte, ihre Streithelferin mit Signal beliefere, sei keine Kopfstelle vorhanden.

Sie, die Beklagte, habe mit der Streitverkündeten seit dem Jahre 2000 Signallieferungsverträge geschlossen und beliefere die Streithelferin zu marktüblichen Konditionen, nämlich seit dem 1.1.2012 zu einem Preis von 1,11 €/Wohneinheit bei 66.189 Wohneinheiten. Eine Schmälerung der Lizenzbasis zu Lasten der Klägerin finde deshalb nicht statt. Soweit die Klägerin von einem Lizenznehmer eine Vergütung auf Basis des Endkundenentgelts verlange, welches ein konzernverbundener nachgeschalteter Netzbetreiber erziele, sei dies kartellrechtlich unzulässig.

Selbst wenn man unterstelle, dass eine Signalübergabe der Beklagten an die Streithelferin rechtlich verboten wäre, soweit diese ein Netz der Ebene 3 betreibe, könne hieraus nicht der tenorierte Unterlassungsanspruch resultieren. Die Beklagte sei nicht Veranlasserin der Kabelweitersendung. Der Tenor der angefochtenen Entscheidung sei auch nicht auf den Fall der Kabelweitersendung beschränkt, sondern umfasse zugleich die klassische Sendung mittels Funk. Im Übrigen beschränke sich der Tenor nicht auf ein Verbot der Signalübergabe durch ein Netz der Netzebene 3.

Im Berufungsverfahren ist die Streithelferin, der die Klägerin erstinstanzlich den Streit verkündet hat, dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.

Die Streithelferin unterstützt den Vortrag der Beklagten und behauptet insbesondere, sie sei nicht Betreiberin der Netzebene 3. Soweit sie Netzanlagen der Ebene 3 errichtet habe, habe sie diese an die Beklagte verpachtet. Das Vermieten und Verpachten von Antennen- und Kabelnetzsystemen gehöre seit jeher zu ihrem Unternehmensgegenstand. Als Betreiber der Netzebene 4 dürfe sie von jedem beliebigen Betreiber der Netzebene 3 Signale abnehmen. Dies gelte auch dann, wenn sie tatsächlich (zusätzlich) ein Betreiber der Netzebene 3 wäre. Die Klägerin habe keine Rechte an Signalen und deren Verbreitung, sondern an Programmen. Entscheidend sei allein die Frage, ob eine Lizenzpflicht für eine Kabelweitersendung im eigenen Netz bestehe oder ob die Freistellung greife.

Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,

das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 14.11.2011 - 2 O 31/11 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hält das landgerichtliche Urteil für richtig.

Sie meint, die Beklagte dürfe nach dem Lizenzvertrag die lizenzierten Sendesignale selbst weitersenden, sie konzernverbundenen Dritten (gegen Zahlung einer Vergütung, die sich nach den von den Endkunden gezahlten Entgelten bemesse) und konzernfremden Kabelnetzbetreibern der Netzebene 4 (bei Zahlung einer Vergütung auf Basis des von den Netzebene-4-Kabelnetzbetreibern an die Beklagte gezahlten Signallieferentgelts) überlassen. Diese Voraussetzungen lägen bei der Streithelferin als integrierter Netzbetreiber nicht vor, die Signalweitergabe sei deshalb zu unterlassen.

Soweit die Beklagte nunmehr den Abschluss von Pachtverträgen behaupte, sei dieser Vortrag im Berufungsverfahren nicht berücksichtigungsfähig. Im Übrigen ändere ein Pachtvertrag nichts an der Person des Betreibers einer Netzebene.

Die vergütungsrechtliche Behandlung der Beklagten und der ihr angeschlossenen Unternehmen sei auch nicht kartellrechtswidrig. Der Berechnungsmechanismus beruhe auf einem Vorschlag der Schlichtungsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt. Die Beklagte erstrebe für sich vielmehr eine ungerechtfertigte Besserstellung gegenüber konzernfremden Kabelnetzbetreibern.

Die Klägerin meint, wenn die Beklagte ein eigenes Netzebene-3-Kabelnetz betreibe, aus dem sie der Streithelferin Sendesignale zur Weitersendung in deren Netzebene-3-Kabelnetz weitergebe, nehme sie an der nicht lizenzierten und daher rechtswidrigen Kabelweitersendung der Streithelferin teil. Stelle sie keine Sendesignale zur Verfügung, fördere sie die rechtswidrige Kabelweitersendung der Streithelferin dadurch, dass sie deren Verhalten durch ihren Lizenzvertrag mit der Klägerin rechtfertige. In beiden Fällen sei die Beklagte als Störerin zur Unterlassung verpflichtet.

Ungeachtet der Pachtverträge sei die Streithelferin Weitersendende. Diese vermarkte Kabelanschlüsse im eigenen Namen und auf eigene Rechnung und sei nicht als verlängerter Arm oder untergeordneter technischer Gehilfe der Beklagten anzusehen. Dafür spreche schon der Unternehmenszuschnitt der Beklagten mit - unstreitig - nur zwei Mitarbeitern, während die Streithelferin 130 Mitarbeiter beschäftige. Die Beklagte sei eine an ihrem Sitz ausschließlich postalisch erreichbare Briefkastenfirma, die noch nicht einmal über ein eigenes Klingelschild verfüge. Die Telefonnummer der Beklagten sei eine solche der Streithelferin. Die Internetpräsenz der Beklagten sei durch und für die Streithelferin registriert. In dem von der Bundesnetzagentur veröffentlichten Verzeichnis der Breitbandkabelnetzbetreiber 2011 sei - unstreitig - nur die Streitverkündete, nicht aber die Beklagte eingetragen. Erst im Verlauf des vorliegenden Rechtsstreits sei die Beklagte im Jahr 2012 zu diesem Verzeichnis als Netzbetreiber gemeldet worden.

Redlicherweise müsse die Streithelferin anstelle der Beklagten einen Lizenzvertrag mit der Klägerin schließen. Stattdessen sei die Beklagte Vertragspartnerin der Klägerin geworden, um eine Signalweitergabe an die Streithelferin konstruieren zu können zum Nachteil der Klägerin.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und ihre Anlagen Bezug genommen.

II.

Die gemäß den §§ 517, 520 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg.

Die zulässige Klage der Klägerin ist unbegründet. Ihr steht gegen die Beklagte kein Anspruch darauf zu, es zu unterlassen, die Rundfunkprogramme der in Anlage K 1 genannten Sendeunternehmen durch die Streithelferin weitersenden zu lassen.

A.

Die Klage ist zulässig.

1. Die Klage ist nicht deshalb gemäß § 16 Abs. 1 UrhWG unzulässig, weil vor der Erhebung der Unterlassungsklage ein Verfahren vor der Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt nicht durchgeführt worden ist.

Zwar sieht § 14 Abs. 1 UrhWG eine umfassende Zuständigkeit der Schiedsstelle bei Streitigkeiten vor, an denen eine Verwertungsgesellschaft bzw. ein Kabelunternehmen beteiligt ist. Allerdings hat die höchstrichterliche Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 15.6.2000, I ZR 231/97, NJW 2001, 228, zitiert nach Juris) das Erfordernis der Schiedsstellenanrufung mit Blick auf die Regelung des § 16 Abs. 2 Satz 1 UrhWG auf solche Fälle beschränkt, in denen die besondere tarifbezogene Sachkunde der Schiedsstelle benötigt wird.

Es kann offen bleiben, ob die Entscheidung über die ursprünglich erstinstanzlich gestellten Klageanträge, die in der Hauptsache auf Feststellung der Vergütungspflicht der Beklagten gerichtet bzw. hilfsweise auf Unterlassung der Weitersendung von Rundfunkprogrammen im Falle nicht gezahlter Vergütung gerichtet waren, die Durchführung eines Schiedsstellen-verfahrens vorausgesetzt hätten.

Denn die Klägerin hat erstinstanzlich schließlich allein noch einen Verbotsantrag gestellt, der darauf gerichtet war, die Beklagte zu verpflichten, eine Handlung zu unterlassen. Unterlassungsansprüche wie sie damit im vorliegenden Fall nur noch in Streit stehen, setzen die tarifbezogene Sachkunde der Schiedsstelle nicht voraus, so dass es vor Anrufung eines Gerichts nicht eines Verfahrens vor der Schiedsstelle gemäß § 16 Abs. 1 UrhWG bedarf (so auch OLG Dresden, Urteil vom 28.1.2003, 14 U 1990/01, NJW-RR 2003, 1128; OLG Dresden, Urteil vom 29.10.2002, 14 U 2179/01, ZUM 2003, 231; OLG Naumburg, Urteil vom 8.9.2004, 6 U 68/04, LS, jeweils zitiert nach Juris).

2. Auch § 4 Nr. 1 des Gesamtvertrages vom 28.10.2003/5.11.2003 zwischen der Klägerin und der A€, der die Beklagte angehört, steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen.

Zwar nimmt der Einzelvertrag der Parteien zum A€-Gesamtvertrag vom 25.8.2010/ 8.9.2010 in seiner Bezeichnung auf diesen Gesamtvertrag Bezug. In § 4 Nr. 1 dieses Gesamtvertrages ist vorgesehen, dass die A€ zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten bei Meinungsverschiedenheiten zwischen der Klägerin und einem Mitgliedsunternehmen der A€ auf eine gütliche Einigung hinwirkt. Wenn diese Einigung nicht innerhalb eines Monates nach der schriftlichen Anrufung der A€ durch eine der Parteien erreicht wird, kann jede Partei den ordentlichen Rechtsweg beschreiten.

Diese Regelung hindert jedoch die Klägerin nicht, die Beklagte vor den staatlichen Gerichten in Anspruch zu nehmen.

Denn diese Regelung im Gesamtvertrag kann für die Beklagte die Schiedseinrede gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO nicht mehr begründen. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgeht, dass sie sich als nicht am Rahmenvertrag beteiligte Vertragspartei auf diese Regelung berufen könnte und dass die unterbliebene Durchführung des Güteverfahrens zur Unzulässigkeit der Klage führen würde, greift die Schiedseinrede nicht durch. Die Rüge ist vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache unter konkreter Bezeichnung der Schiedsabrede zu erheben. Dies ist unterblieben. Die Beklagte hat sich auf die Schieds-vereinbarung im A€-Gesamtvertrag erstinstanzlich nicht berufen, sondern hat erst in der Berufungsinstanz dem Gericht den Gesamtvertrag vorgelegt und die Auffassung vertreten, die Klage sei wegen dessen § 4 Nr. 1 unzulässig. Dies ist verspätet.

Es muss deshalb auch nicht entschieden werden, ob das unbestritten von der Klägerin aufgrund des insoweit gleichlautenden Gesamtvertrages mit dem F€, der die Beklagte ebenfalls angehört, gegen die Beklagte wegen der Belieferung der Streithelferin eingeleitete und nach dem Schlichtungsgespräch vom 3.9.2009 gescheiterte Schlichtungsverfahren vor dem F€ dem Erfordernis der Durchführung eines Güteverfahrens nach dem A€-Gesamtvertrag genügt.

B.

Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungs-anspruch nicht zu. Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht aus den §§ 97 Abs. 1, 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1, 20 UrhG.

Nach der Fassung des Klageantrages kann die Klage nur erfolgreich sein, wenn die Streithelferin als Weitersenderin anzusehen ist und die Beklagte ihr die Weitersendung als Teilnehmerin einer Urheberrechtsverletzung der Streithelferin bzw. als Störerin widerrechtlich ermöglicht. Der von der Klägerin hierzu vorgetragene Sachverhalt rechtfertigt den mit der Klage geltend gemachten Anspruch gegen die Beklagte nicht.

I.

Der Begriff der Weitersendung ist gesetzlich definiert als die Weitersendung eines gesendeten Werks im Rahmen eines zeitgleich, unverändert und vollständig übertragenen Programms durch Kabelsysteme (oder Mikrowellensysteme), § 20 b Abs. 1 S. 1 UrhG.

Das Recht der Weitersendung von Funksendungen steht ausschließlich den Sendeunter-nehmen zu, § 87 Abs. 1 Nr. 1 UrhG.

Das Kabelweitersenderecht kann nur durch eine Verwertungsgesellschaft wie die Klägerin geltend gemacht werden.

Nicht jeder Kabelnetzbetreiber ist allerdings Sendender im Sinne der vorstehenden Definition. Eine Weitersendung setzt nach § 20 UrhG voraus, dass der Inhalt einer Sendung durch funktechnische Mittel - hier durch Kabelfunk - einer Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Unter einer Öffentlichkeit ist eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit zu verstehen, § 15 Abs. 3 Satz 1 UrhG. Das Kabelweitersenderecht i. S. von § 20b UrhG, eine Unterart des Kabelfunks, ist ein Zweitverwertungsrecht (Möhring/Nicolini, UrhG, 2. Aufl. 2000, § 20 Rn 19).

Nicht jede Übermittlung eines geschützten Werkes über ein Verteilernetz ist urheberrechtlich geschützt. Vielmehr liegt ein Eingriff in die Rechte des § 20 UrhG nur vor, wenn die mit funktechnischen Mitteln bewirkte Übermittlung des geschützten Werkes als öffentliche Wiedergabe bezeichnet werden kann. Dies bestimmt sich nicht nach technischen Kriterien - der Empfang von Sendesignalen ist urheberrechtlich neutral - sondern durch eine wertende Betrachtung (BGH, Urteil vom 12.11.2009, I ZR 160/07, Regio-Vertrag, WRP 2010, 784, zitiert nach Juris Rn19). In diesem Zusammenhang ist die Unterscheidung nach Netzebenen 3 und /oder 4 irrelevant.

Sendender ist im Falle einer Kabelweitersendung allein derjenige, der darüber entscheidet, welche Funksendungen in das Kabel eingespeist und an eine Öffentlichkeit weitergeleitet werden, nicht dagegen derjenige, der lediglich die dafür erforderlichen technischen Vorrichtungen bereitstellt und betreibt (BGH, a. a. O., Regio-Vertrag, zitiert nach Juris Rn 23).

Danach ist die Streithelferin Weitersenderin im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 UrhG.

Diese macht die Sendungen der Öffentlichkeit zugänglich durch zeitgleiche, unveränderte und vollständige Weiterleitung an die an ihr Netz angeschlossenen Haushalte(§ 20 b Abs. 1 UrhG). Die in diesen Haushalten lebenden Personen erhalten so die Möglichkeit, Zugang zu den Sendungen zu erhalten, die sie ansonsten nicht wahrnehmen könnten, obwohl sie sich im Sendegebiet aufhalten. Dadurch wird der Inhalt der Sendung für ein neues Publikum wiedergegeben.

Unbestritten vermarktet die Streithelferin Kabelanschlüsse in eigenem Namen und auf eigene Rechnung und versorgt eine Vielzahl von Haushalten mit Programmsignalen. Sie ist diejenige, die die Vertragsbeziehungen mit den Mitgliedern der Öffentlichkeit unterhält und die darüber entscheidet, welche Programme sie ihren Kunden anbietet. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Streithelferin Kabelnetze auch in öffentlichem Grund betreibt auf der Netzebene 3 oder nicht. Unstreitig betreibt die Streithelferin jedenfalls das Kabelnetz auf der Netzebene 4, d. h. dasjenige Netz im privaten Grund "auf der letzten Meile" zum Kunden. Nur derjenige Netzbetreiber, der das Netz betreibt, an das letztlich Empfangsgeräte angeschlossen werden, kann auch derjenige sein, der durch funktechnische Mittel ein Werk derart übermittelt, dass von einer öffentlichen Wiedergabe gesprochen werden kann. Nur dieser Netzbetreiber ist urheberrechtlich als Weitersendender zu betrachten.

Bei einer derartigen Sachlage ist es unerheblich, ob die Beklagte oder die Streithelferin die technischen Einrichtungen zum Empfang der Programmsignale betreibt. Es ist auch ohne Belang, in wessen Eigentum die im öffentlichen Grund verlaufenden Kabelnetze sich befinden und ob die Beklagte diese Netze von der Streithelferin gepachtet hat oder nicht. Entscheidend ist vielmehr, wer gegenüber der Öffentlichkeit als Kabelanschlussanbieter in Erscheinung tritt, wer die Programmauswahl und -zusammenstellung bestimmt und damit nach außen hin für die Veröffentlichung der Fernsehprogramme über das Kabelnetz die Verantwortung übernimmt. Dies ist unbestritten allein die Streithelferin, der nicht das Recht der Weitersendung von der Klägerin übertragen worden ist.

II.

Die vorstehende rechtliche Bewertung des Verhaltens der Streithelferin rechtfertigt den geltend gemachten Unterlassungsanspruch jedoch nicht. Denn die Klägerin nimmt nicht etwa die Streithelferin wegen einer behaupteten widerrechtlichen Weitersendung in Anspruch, sondern die Beklagte wegen einer Teilnahmehandlung hieran.

1. Wenn die Beklagte, so der Vortrag der Klägerin, lediglich als €Strohmann€ für den Vertrag mit der Klägerin vorgeschoben worden sein sollte und tatsächlich allein die Streithelferin die Herrschaft über das Netz der Ebene 3 nebst den Empfangsvorrichtungen ausüben sollte, ist sie, die Beklagte, weder in technischer noch in rechtlich relevanter Weise in die Signallieferungskette auf Netzebene 3 eingebunden. Es fehlt dann, worauf die Beklagte mit Schriftsatz vom 30.05.2012 zutreffend hingewiesen hat, an der Darlegung einer konkreten Verletzungshandlung der Beklagten in Form einer inkriminierten Signalweitergabe.

Sollten also die von der Beklagten vorgelegten Pachtverträge über Anlagen und Netze der Ebene 3 der Streithelferin nicht tatsächlich €gelebt€ sondern im Verhältnis zur Klägerin fingiert worden sein, wie die Klägerin behauptet, hat die Klage keinen Erfolg.

Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass die von den (vormaligen) Gesellschaftern der Beklagten und der Streithelferin gewählten gesellschaftsrechtlichen Gestaltungen in Zusammen-schau mit anderen Umständen ( Personalausstattung der Beklagten, Anmeldung der Beklagten als Netzbetreiberin bei der Bundesnetzagentur erst im Jahr 2012 etc.) geeignet sind, Zweifel daran zu begründen, dass die Beklagte tatsächlich als Pächterin seit dem Jahr 2000 Netze und Empfangsanlagen auf der Netzebene 3 betreibt. Sollten diese Zweifel berechtigt sein, dürften der Klägerin auch Ansprüche gegen die Streithelferin zustehen. Hierüber ist jedoch nicht zu entscheiden.

Voraussetzung für einen Erfolg des hier streitgegenständlichen Klageantrages ist das Vorliegen einer Unterstützungshandlung der Beklagten für ein rechtswidriges Tun der Streithelferin. Diese Unterstützungshandlung ist nach der sprachlichen Fassung des Klageantrages ein "Weitersendenlassen" durch die Beklagte. Dieses liegt nach dem Vortrag der Klägerin, den sie dem Unterlassungsantrag zugrunde gelegt hat, in der Weitergabe von Sendesignalen an die Streithelferin.

Dass die Beklagte Sendesignale an die Streithelferin weitergegeben hätte oder auch nur zu einer Weitergabe in der Lage wäre, kann jedoch angesichts der Behauptung der Klägerin, die Beklagte sei in Wirklichkeit nicht Betreiberin der von der Streithelferin errichteten Netze auf der Netzebene 3, nicht festgestellt werden.

Sollten nämlich den von der Beklagten vorgelegten Pachtverträgen keine echten Leistungs-beziehungen zwischen der Beklagten und der Streithelferin zugrunde liegen, hätte dies zur Folge, dass es zwischen der Beklagten und der Streithelferin auch keine Signallieferung geben kann. Denn wenn die Streithelferin der Beklagten keine Kabelnetze zum Betrieb zur Verfügung gestellt hätte, wäre sie auch nicht in der Lage, der Streithelferin mit Hilfe gepachteter Teile des Kabelnetzes Rundfunksignale zur Verfügung zu stellen.

Existieren keine Pachtverträge und verfügte die Beklagte mithin nicht über das von der Streithelferin errichtete Netz, müsste die Klägerin deshalb vortragen, in welcher Weise die Beklagte € ohne das Netz der Streithelferin € dieser die streitgegenständlichen Rundfunkprogramme durch Weitergabe der Programmsignale weitersenden lässt. Daran fehlt es.

In diesem Zusammenhang ist es rechtlich unerheblich, ob die Beklagte urheberrechtlich als Störerin anzusehen ist, weil sie, wie die Klägerin behauptet, rechtswidrig mit der Streit-helferin zusammenwirkt, indem sie deren rechtswidrige Weitersendung rechtfertigt und die Streithelferin vom Erwerb der erforderlichen Lizenz mit der Klägerin abhält. Dieses Verhalten soll ihr nach dem Klageantrag nicht untersagt werden und ist deshalb nicht Streitgegenstand. Darauf hat die Beklagte bereits schriftsätzlich hingewiesen.

2. Damit hat die Klägerin auch nicht hinreichend vorgetragen, dass die Beklagte auf der Netzebene 3 Programmsignale an die Streithelferin weitergibt.

Das Landgericht hat seiner Verurteilung den Sachverhalt zugrunde gelegt, dass die Beklagte Rundfunksignale auf Netzebene 3 empfängt und diese an die Streithelferin auf eben dieser Netzebene weitergibt. Die Beklagte wäre jedoch nur dann in der Lage, eine Signalweitergabe an die Streithelferin zu bewerkstelligen, wenn sie über Empfangsanlagen auf der Netzebene 3 Fernseh- und Rundfunkprogramme empfangen, einspeisen und weitersenden würde. Dazu müsste die Klägerin vortragen, dass die Beklagte Empfangsanlagen betreibt, wie dies in § 1 Nr. 1 des Vertrages der Parteien vorgesehen ist. Denn nur dann wäre eine Signalweitergabe möglich. Wie eine Signalweitergabe auf der Netzebene 3 an einen anderen Netzbetreiber der Netzebene 3 technisch möglich sein soll, der seinerseits eine Kopfstation betreibt, wie dies die Streithelferin nach der Behauptung der Klägerin tut, ist ohnehin technisch kaum nachvollziehbar. Jedenfalls hat die Klägerin einen solchen Vortrag nicht getätigt.

Die Klägerin hat erstinstanzlich lediglich vorgetragen, die Streithelferin sei ein integrierter Netzbetreiber der Netzebenen 3 und 4, der von der Beklagten nicht mit Programmsignalen beliefert werden dürfe. Eine tatsächliche Belieferung der Streithelferin mit Programmsignalen durch die Beklagte ist damit nicht dargetan.

Auch im Berufungsverfahren ist ein solcher Vortrag der Klägerin nicht erfolgt. Die Klägerin hat zuletzt vielmehr ausdrücklich offen gelassen, ob die Beklagte überhaupt eigene Kabelnetze auf der Netzebene 3 betreibt und ob sie auf dieser Netzebene Sendesignale weitergibt.

Die Klägerin hat zwar detailliert vorgetragen, warum die Netze, deren Betrieb die Beklagte für sich reklamiert, nicht von dieser, sondern von der Streitverkündeten betrieben werden. Ein solcher Vortrag ist jedoch nicht geeignet, den Betrieb einer Empfangsanlage und eine Signalweitergabe durch die Beklagte an die Streithelferin festzustellen. Dieser Vortrag legt vielmehr das umgekehrte Verständnis nahe, dass es allenfalls die Streithelferin ist, die die Beklagte mit Signalen versorgt, wenn die Beklagte denn Teile von Netzen betreiben sollte, die nicht von der Streithelferin errichtet worden sind.

3. Damit kann letztlich offen bleiben, ob die Beklagte das von der Streithelferin errichtete Netz auf der Netzebene 3 samt Kopfstellen rechtswirksam gepachtet hat oder ob die Verträge etwa als Scheingeschäft gemäß § 117 Abs. 1 BGB unwirksam sind.

Sollten die von der Beklagten vorgelegten Pachtverträge tatsächlich zu den angegebenen Daten abgeschlossen und auch durchgeführt worden sein, so stünden diese dem Erfolg der Klage entgegen. Denn das Verhalten der Streithelferin (Weitersendung) ist dann nicht als rechtswidrig anzusehen. Die Streithelferin wäre dann nicht verpflichtet, mit der Klägerin einen eigenen Lizenzvertrag abzuschließen, weil sie aufgrund von § 4 Nr. 1 des Vertrages der Parteien, der insoweit zu ihren Gunsten wirkt, von dieser Verpflichtung befreit wäre.

a) Die Beklagte hat aufgrund des mit der Klägerin abgeschlossenen Vertrages die Nutzungsrechte für Fernseh- und Hörfunkprogramme der Sendeunternehmen erworben, deren Urheber- und Leistungsschutzrechte die Klägerin wahrnimmt. Sie hat damit das Recht, mit Hilfe von Antennensystemen deren Fernseh- und Hörfunkprogramme zu empfangen, sie für den Kabelempfang aufzubereiten und über Kabelanlagen an die angeschlossenen Haushalte weiterzusenden.

Dieses Recht darf sie nach § 4 Nr. 1 Satz 1 des Vertrages der Parteien zwar nicht an Streithelferin übertragen. So heißt es in dieser Regelung ausdrücklich, dass die dem Kabelnetzbetreiber durch diesen Vertrag eingeräumte Rechte nicht übertragbar sind.

b) Nicht als Übertragung der Rechte gilt nach Satz 2 von § 4 Nr. 1 des Vertrages unter bestimmten Voraussetzungen eine "Weitergabe" an verbundene Unternehmen im Sinne von § 15 AktG. Dass die Beklagte und die Streithelferin verbundene Unternehmen in diesem Sinne sind, wird von der Beklagten nicht geltend gemacht. Die entsprechende Behauptung hat die Klägerin im Verlaufe des Rechtsstreits ausdrücklich aufgegeben.

c) Dennoch wäre die Streithelferin von der Notwendigkeit befreit, ebenfalls die Nutzungs-rechte von den Sendeunternehmen zu erwerben, deren Rechte die Klägerin wahrnimmt, und die bereits Gegenstand des Vertrages mit der Beklagten sind, wenn die Beklagte aufgrund von Pachtverträgen mit der Streithelferin die in deren Eigentum stehende Netzebene 3 ein-schließlich der Empfangsanlagen betreiben würde und der Streithelferin damit allein der Betrieb der Netzebene 4 verbliebe.

Denn die Beklagte darf als kabelnetzbetreibende Vertragspartnerin der Klägerin die Programmsignale "rechtefrei" an konzernfremde an ihr Netz angeschlossene Kabelnetzbetreiber im Sinne dieses Vertrages ("Netzebene-4-Kabelnetzbetreiber") weitergeben.

Als Pächterin der von der Streithelferin errichteten Netze auf der Netzebene 3 ist die Beklagte Kabelnetzbetreiber im Sinne des Vertrages der Parteien. Dieser Vertrag setzt nicht voraus, dass der Kabelnetzbetreiber Netze betreibt, die in seinem Eigentum stehen.

Betriebe die Beklagte also aufgrund von Pachtverträgen mit der Streithelferin tatsächlich die Netzebene 3 einschließlich der Empfangsanlagen, wäre sie nach § 4 Nr. 1 des Vertrages der Parteien berechtigt, die Programmsignale an die Streithelferin weiterzugeben. Diese wäre durch die Verpachtung von den Teilen des Netzes, die der Netzebene 3 angehören, nur noch als - konzernfremde - Netzebene-4-Kabelnetzbetreiberin anzusehen, an die eine Signalweitergabe auch nach Auffassung der Klägerin zulässig wäre.

d) Der erstmals in der Berufung getätigte Vortrag der Beklagten zu den mit der Streit-helferin abgeschlossenen Pachtverträgen wäre auch nicht verspätet gemäß den §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Satz 1 Abs. 2 Nr. 3 ZPO. Der Vortrag wäre vielmehr zuzulassen, weil er infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurde.

Bis zur erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung hatte die Beklagte angesichts der Fassung der Klageanträge keine Veranlassung, diese Pachtverträge vorzulegen. Denn diese Anträge konnten auch nach Auffassung des Landgerichts keinen Erfolg haben. So hat die Klägerin den angekündigten Hauptantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht zurückgenommen. Auch der Hilfsantrag konnte in der in den vorbereitenden Schriftsätzen angekündigten Fassung keinen Erfolg haben, worauf das Landgericht die Klägerin in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat. Die Klägerin hat daraufhin den Hilfsantrag zum Hauptantrag erhoben und den Unterlassungsanspruch nicht mehr - wie bisher - mit einer Einschränkung geltend gemacht.

Die Beklagte und das Landgericht haben darin eine teilweise Klagerücknahme gesehen, wie sich aus dem Terminsprotokoll ergibt. So hat die Beklagte im Hinblick auf die "teilweise Klagerücknahme" einen Kostenantrag gestellt und das Landgericht den Klägervertreter zu der Erklärung veranlasst, vorsorglich die Klagerücknahme zu erklären, soweit der ursprünglich angekündigte Hilfsantrag über den gestellten Antrag hinausgehen sollte. Der Sache nach war der Wegfall des den hilfsweise geltend gemachten Unterlassungsantrag einschränkenden Zusatzes jedoch keine Klagerücknahme.

Es handelte sich vielmehr um eine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO.

Denn die ursprünglich angekündigten Klageanträge beruhten auf dem Vortrag der Klägerin, dass die Beklagte und ihre Streithelferin konzernverbundene Unternehmen seien, so dass die Beklagte der Klägerin eine Vergütung auf der Basis der von der Streithelferin vereinnahmen Endkundenentgelte zu zahlen habe. Auch der letztlich zum Hauptantrag erhobene Hilfsantrag war lediglich darauf gerichtet, der Beklagten zu verbieten, die Streithelferin zu einer Weitersendung zu veranlassen, wenn sie nicht die von der Klägerin geforderte Vergütung auf Grundlage der gezahlten Endkundenentgelte zahlt; die Befugnis der Beklagten zur Weitergabe von Programmsignalen an die Streithelferin stand nicht in Streit.

Dem neuen, erst in der mündlichen Verhandlung gestellten Klageantrag lag nicht derselbe Vortrag zugrunde. Vielmehr hat die Klägerin nunmehr vorgetragen, die Beklagte und die Streithelferin seien gerade keine konzernverbundenen Unternehmen, außerdem betreibe die Streithelferin die Netzebene 3. Die Beklagte sei deshalb nicht berechtigt, sie mit Programmsignalen zu versorgen.

Die Beklagte hat sich zwar auf diese Klageänderung eingelassen und einen klageabweisenden Antrag gestellt. Zu den ihr von der Klägerin erst im Termin überreichten Unterlagen zur Betreibereigenschaft der Streithelferin hat sie sich auch in einem nachgelassenen Schriftsatz äußern können.

Das Landgericht hätte jedoch ihr Bestreiten des Vortrages der Klägerin, die Streithelferin betreibe auch die Netzebene 3, nicht als unzureichend und unbeachtlich bewerten dürfen, ohne der Beklagten hierzu vorher einen rechtlichen Hinweis zu erteilen. Das Landgericht hatte in der mündlichen Verhandlung der Klägerin den Hinweis erteilt, es sei fraglich, ob der Vortrag der Klägerin dazu, dass die Streithelferin auch die Netzebene 3 betreibe, ausreichend sei. Daraufhin hat die Klägerin - ohne weiteren schriftsätzlichen Vortrag - weitere Unterlagen vorgelegt, aus denen sich ergab, dass die Streithelferin die Modernisierung ihres Breitbandnetzes im öffentlichen Grund in P€ plant. Die Beklagte hatte daraufhin zwar die Errichtung der Anlagen durch die Streithelferin unstreitig gestellt, jedoch die Auffassung vertreten, dass sich aus der baulichen Errichtung der Anlage nicht ergebe, dass die Streithelferin auch deren Betreiberin sei. Für den Fall, dass das Landgericht der Auffassung sei, dass damit ein Netzbetrieb der Netzebene 3 dargelegt sei, hat die Beklagte um einen Hinweis gebeten.

Bei einer derartigen Sachlage durfte das Landgericht das Bestreiten der Beklagten nicht als unzureichend ansehen, sondern hätte sie auf die entsprechende - nunmehr geänderte - Rechts-auffassung der Kammer hinweisen müssen, dass eine Betreibereigenschaft der Streithelferin für die Netzebene 3 von der Klägerin nunmehr hinreichend vorgetragen sei und die Beklagte dem durch substantiierten Vortrag entgegenzutreten habe.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 101 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, § 543 ZPO. Nach dem Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat handelt es sich bei dem Vertrag der Parteien und den damit verbundenen Streitfragen nicht um einen Einzelfall, so dass der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommen kann.






Brandenburgisches OLG:
Urteil v. 11.09.2012
Az: Kart U 6/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/bfbf46bf4d9a/Brandenburgisches-OLG_Urteil_vom_11-September-2012_Az_Kart-U-6-11




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