Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 17. Dezember 1999
Aktenzeichen: 6 U 67/99
(OLG Köln: Urteil v. 17.12.1999, Az.: 6 U 67/99)
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 11.03.1999 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landge- richts Köln -31 O 67/99- wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000.- DM abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten. Den Parteien wird nachgelassen, diese Sicherheiten in Form der unbedingten, unbefristeten, unwider- ruflichen, selbstschuldnerischen schriftlichen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich- rechtlichen Sparkasse zu erbringen. Die mit diesem Urteil für die Klägerin verbundene Beschwer beträgt 8.865.158,58 DM.
Tatbestand
Die Klägerin vertreibt das auf ihren Antrag in Deutschland zugelassene Fertigarzneimittel "E. Monats-Depot", welches im Wege der subkutanen Injektion zur Behandlung von Prostatakarzinomen vorgesehen ist. Die Beklagten bringen im Inland das aus Italien importierte, dem klägerischen Produkt stoffidentische Arzneimittel "E. Depot" in den Verkehr, das ebenfalls - in Italien allerdings sowohl zur subkutanen, als im Wege der intramuskulären Injektion - für die Behandlung von Prostatakarzinomen eingesetzt wird. Das genannte Importarzneimittel wurde auf Antrag der Beklagten zu 1) in Deutschland zugelassen, jedoch nur zur Anwendung durch subkutane Injektion. Die Beklagten vertrieben das Produkt "E. Depot" zunächst in der italienischen Originalverpackung und -ausstattung, wobei sie auf der Umverpackung, dem Beipackzettel sowie einem Retardmikrokapseln enthaltenden Glasfläschchen, das wiederum in einer der Umverpackung innenliegenden, mittels einer Tiefziehfolie verschlossenen Blisterpackung enthalten war, in deutscher Sprache gehaltene Hinweise auf die Verabreichung nur durch subkutane Injektion anbrachten. Auf der mit einem Suspensionsmittel gefüllten, in der erwähnten Blisterpackung ebenfalls enthaltenen, für eine Fertigspritze zu verwendenden Glasampulle, welche die Aufschrift " Veicolo per E....Uso i.m. o s.c." trug, fand sich ein derartiger Hinweis in deutscher Sprache allerdings nicht. Die beschriebene Ausstattung des von den Beklagten vertriebenen Arzneimittels war Gegenstand einer zwischen den Parteien beim Landgericht Aachen unter dem Aktenzeichen 42 O 225/95 geführten Verfahrens, in dem die Klägerin u.a. geltend machte, die Beklagten brächten, weil die vorbezeichnete Aufschrift auf der Glasampulle als Hinweis auf eine Anwendung auch zur intramuskulären Injektion verstanden werden könne, im Inland ein nicht zugelassenes Arzneimittel in den Verkehr. Nachdem das Landgericht Aachen die u.a. auf das Verbot des Inverkehrbringens des Arzneimittels "E. Depot" gerichtete Klage abgewiesen hatte, wurden die Beklagten auf die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung der Klägerin sodann durch den erkennenden Senat mit Urteil vom 22.01.1997 (6 U 62/96) verurteilt, das Arzneimittel "E. Depot" in der im Verbotstenor des genannten Urteils konkret wiedergegebenen Ausstattung mit einer Lösungsmittel-Ampulle in den Verkehr zu bringen, die die Aufschrift "Veicolo per E. 2 ml Uso i.m. o s.c" trägt. Dieses Verbot beruhte darauf, daß das aus Italien importierte Parallelprodukt auf der innenliegenden Ampulle, in der sich die zu injizierende Lösung der Fertigspritze befand, eine nicht von
der Zulassung gedeckte und irreführende Kennzeichnung, nämlich die Angabe "Uso i.m. o s.c." aufweise, die eine Zulassung auch zur intramuskulären Injektion suggeriere. In dem Senatsurteil wurde ferner die Verpflichtung der Beklagten festgestellt, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der dieser durch Handlungen gemäß dem Unterlassungstenor ab dem 22.04.1995 entstanden ist; die Beklagten wurden darüber hinaus zur Auskunft verurteilt. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten insoweit wird auf das erwähnte Senatsurteil (Anlage K 1 zur Klageschrift) Bezug genommen.
Nachdem die Beklagten, die das Arzneimittel seit dem 14.02.1997 in einer veränderten Aufmachung vertreiben, entsprechend der in dem vorbezeichneten Senatsurteil ausgesprochenen Verurteilung zur Auskunftserteilung der Klägerin mitteilten, wieviele Packungen des Parallelprodukts in der im Unterlassungstenor des Urteils dargestellten Ausstattung von ihnen im Zeitraum vom 22.04.1995 bis zum 13.02.1997 jeweils abgesetzt wurden (vgl. Anlage K 5 zur Klageschrift), berechnet die Klägerin auf der Grundlage dieser Umsatzzahlen den ihr entstandenen Schaden in Form des entgangenen Gewinns, den sie mit der vorliegenden Leistungsklage in Höhe eines Betrages von 8.857.569,70 DM zur Zahlung beansprucht.
Der von den Beklagten mit "E. Depot" in der nach dem Senatsurteil verbotenen Aufmachung getätigte Absatz, so hat die Klägerin geltend gemacht, entspreche exakt dem Umsatz, den sie selbst hätte erwirtschaften können, wenn nicht die Beklagten das Parallelprodukt in den Verkehr gebracht hätten. Denn da sie, wie unstreitig ist, neben den Beklagten die einzige Anbieterin von E. im Inland sei, wäre - hätten die Beklagten den Vertrieb des Parallelprodukts unterlassen - der Absatz des verschreibungspflichtigen Arzneimittels ausschließlich aus ihrem, der Klägerin, Bestand befriedigt worden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,
an sie - die Klägerin - 8.865.158,58 nebst 4 %
Zinsen hieraus seit dem 02.08.1997 zu zahlen,
h i l f s w e i s e,
die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an sie -
die Klägerin - 1.937.732,94 DM (N 1 -Packungen)
und von 3.752.771,25 DM (N 3-Packungen) nebst
4 % Zinsen seit dem 02.08.1997 zu zahlen,
die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an sie
960.731,64 (N 1 Packungen)und 2.13.922,75 DM
(N 3-Packungen) nebst 4% Zinsen seit dem
02.08.1997 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben die von der Klägerin gewählte Methode der Schadensermittlung bereits im Ansatz für unzutreffend gehalten, weil die dieser Schadensberechnung zugrundegelegte Verlagerung des Umsatzes nicht auf der nach dem Senatsurteil verbotenen Kennzeichnung der Lösungsmittel-Ampulle beruhe, mithin ein Kausalzusammenhang zwischen dem angeblichen Schaden der Klägerin und der verbotenen Handlung nicht bestehe.
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 11.03.1999, auf welches zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe den Nachweis nicht führen können, daß die geltend gemachten Umsatzverluste durch den Wettbewerbsverstoß der Beklagten verursacht worden seien. Den Beklagten sei es nach dem Senatsurteil nicht generell untersagt worden, das Parallelprodukt zu vertreiben, sondern nur in der in dem Verbotstenor genannten Aufmachung mit der unzureichend gekennzeichneten Lösungsmittel-Ampulle. Bei dieser Sachlage könne die Klägerin die Beklagte nur für den entgangenen Gewinn haftbar machen, der sich als Folge einer auf der unzulässigen Kennzeichnung der Lösungsmittel-Ampulle beruhhenden Umsatzverlagerung ergeben habe. Für eine dahingehende Feststellung habe die Klägerin aber keine ausreichenden Anhaltspunkte, die zumindest eine Schadensschätzung erlaubten, vorgetragen.
Gegen dieses ihr am 25.03.1999 zugestellte Urteil richtet sich die am Montag, dem 26.04.1999 eingelegte Berufung der Klägerin, die sie - nach entsprechender Fristverlängerung - mittels eines am 19.07.1999 eingegangenen Schriftsatzes fristwahrend begründet hat.
Die Klägerin, die ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft, vertritt den Standpunkt, daß die Beklagten mit ihrem Einwand, die Umsatzverlagerung und die damit verbundene Gewinneinbuße stehe in keinem Zusammenhang mit der untersagten Kennzeichnung des Arzneimitels, sondern beruhe auf anderen Gründen, bzw. dem damit letzlich vorgebrachten Einwand der Schadensentstehung auch bei "pflichtgemäßem Alternativverhalten", im vorliegenden Leistungsprozeß präkludiert seien. Denn mit dem vorangegangenen Senatsurteil bzw. der darin getroffenen Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten sei rechtskräftig festgestellt, daß das Inverkehrbringen des Arzneimittels in der fraglichen - unzureichend gekennzeichneten - Aufmachung zu einem Schaden bei ihr, der Klägerin, geführt habe. Die von dem vorbezeichneten Einwand der Beklagten betroffenen Frage der haftungsbegründenden Kausalität sei damit als gegeben zu betrachten und könne nunmehr nicht nachträglich im Leistunsgprozeß in Abrede gestellt werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts
Köln vom 11.03.1999 -31 O 354/98- abzuändern und
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,
an sie - die Klägerin - 8.865.158,58 DM nebst 4%
Zinsen seit dem 02.08.1997 zu zahlen,
hilfsweise,
die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an sie - die
die Klägerin - insgesamt 5.690.504,19 DM
(1.937.732,94 DM + 3.752.771,25 DM) nebst 4 %
Zinsen seit dem 02.08.1997 zu zahlen, sowie
die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an sie - die
Klägerin - insgesamt 3.174.654,39 DM (960.731,64
DM + 2.213.922.75 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem
02.08.1997 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten, die ihr erstinstanzliches Vorbringen im übrigen ebenfalls wiederholen und vertiefen, verteidigen das landgerichtliche Urteil und vertreten die Ansicht, daß - weil für die Feststellung der Schadensersatzpflicht die bloße Wahrscheinlichkeit eines durch die als wettbewerbswidrig verbotene Handlung eintretenden Schadens genüge, dessen Berechnungsweise zudem im Feststellungsverfahren noch offen sei - der Einwand, der sodann tatsächlich ersetzt verlangte Schaden sei nicht kausal auf die als wettbewerbswidrig verbotene Handlung zurückzuführen, noch im Leistungsverfahren berücksichtigungsfähig sein müsse.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird auf die zwischen ihnen in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze einschließlich des nachgelassenen Schriftsatzes der Klägerin jeweils nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die in formeller Hinsicht einwandfreie und insgesamt zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht die auf der Grundlage des Feststellungstenors des in dem Vorprozeß ergangenen Urteils erhobene Leistungsklage abgewiesen. Der Klägerin kann der damit in Form des entgangenen Gewinns geltend gemachte Schadensersatz nicht zuerkannt werden, weil sie den dafür vorauszusetzenden Kausalzusammenhang zwischen einerseits der pflichtwidrigen, durch die Beklagten zu unterlassenden Handlung und andererseits der Entstehung des konkret in der geltend gemachten Höhe ersetzt verlangten Schadens nicht schlüssig dargelegt hat.
Der genannte Gesichtspunkt des fehlenden Kausalzusammenhangs ist dabei auch noch im vorliegenden Leistungsverfahren berücksichtigungsfähig. Allerdings trifft es im Ansatz zu, daß die Rechtskraft eines Feststellungsurteils, in dem die Schadensersatzpflicht des in Anspruch genommenen Verletzers festgestellt worden ist, dazu führt, daß Einwendungen, die das Bestehen des festgestellten Anspruchs betreffen und die sich auf Tatsachen stützen, die schon im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegen haben, auf die das Urteil erging, im nachfolgenden Leistungsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden dürfen. Im Leistungsverfahren geht es nur noch darum, über die Schadenshöhe zu befinden und im Rahmen dieser, das Feststellungsurteil ausfüllenden Entscheidung diejenigen Einwände zu erörtern, die den dort im einzelnen geltend gemachten Schaden betreffen (vgl. BGH NJW 1989, 105; BGH NJW 1979, 1046/1047). Im Wettbewerbsprozeß schließt dies folglich den Einwand des Verletzers, die als wettbewerbswidrig zu erachtende Handlung könne einen Schaden des Verletzten nicht herbeigeführt haben und/oder herbeiführen, im nachfolgenden Leistungsprozeß aus. Die Frage, ob dem Verletzten durch die beanstandete Handlung (überhaupt) ein Schaden entstanden ist, ist vielmehr bereits im Feststellungsprozeß zu klären. Mit Blick auf die sich im Wettbewerbsprozeß regelmäßig stellenden Nachweisschwierigkeiten, daß die fragliche wettbewerbswidrige Handlung zu einem Schaden des Verletzten geführt hat und führt, braucht dieser nur die - nicht einmal hohe - Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts darzutun (vgl. BGH GRUR 1974, 735/736 -"Pharmamedan"-; BGH GRUR 1964, 392/396 -"Weizenkeimöl"-; BGH GRUR 1966, 92/94 -"Bleisstiftabsätze"-; Köhler/Piper, UWG, Rdn. 239 Vor § 13 UWG; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20. Aufl., Rdn. 500 Einl. UWG - m.w.N.). Schon in diesem Zusammenhang ist daher zu prüfen, ob nach der Lebenserfahrung die Möglichkeit eines - mit Blick auf die verschiedenen in Betracht zu ziehenden Arten der Schadensberechnung liquidationsfähigen - Schadenseintritts besteht. Ist danach davon auszugehen, daß die Rechtsverletzung schlechthin nicht zu einem Schaden des Verletzten führen kann, weil dieser mit Sicherheit auch dann entstanden wäre, wenn sich der Verletzer wettbewerbskonform verhalten hätte, so führt das daher bereits im Feststellungsverfahren zur Verneinung der Schadensersatzpflicht. Das ändert indessen nichts daran, daß Anknüpfungspunkt der auch im anschließenden Leistungsprozeß nachwirkenden Kausalitätsprüfung die Pflichtwidrigkeit der Handlung ist bzw. daß der sodann vom Verletzer in einer der verschiedenen in Betracht kommenden Berechnungsmethoden ermittelte Schaden gerade durch Pflichtwidrigkeit der Handlung verursacht worden sein muß (vgl. Palandt, BGB, 59. Auflage, Vorbem. § 249 Rdn. 65 ). Gleiches gilt im Ergebnis aber auch dann, wenn man den Gesichtspunkt einer Schadensentstehung auch bei wettbewerbskonformen, also pflichtgemäßen Verhalten des Verletzers nicht als Merkmal der Kausalität, sondern als eigenständiges Kriterium der Zurechnung der Folgen eines - als solches kausal schadensverurachenden - Verhaltens nach Billigkeitsgesichtspunkten betrachtet (vgl. BGHZ 96, 157/172; BGH GRUR 1964, 392/396 - "Weizenkeimöl"-). Denn auch eine solche Zurechnung scheitert jedenfalls dann, wenn der Schaden auch bei rechtmäßigem oder pflichtgemäßem Handeln eingetreten wäre (vgl. BGH a.a.O., "Weizenkeimöl"-; vgl. auch Köhler/Piper, a.a.O., Rdn. 46 Vor § 13 UWG; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 30. Kapitel, Rdn. 6 m.w.N.). In dem vorangegangenen Feststellungsprozeß konnte dies nicht zu einer Verneinung der "grundsätzlichen" Schadenersatzverpflichtung der Beklagten führen, weil nach der Lebenserfahrung nicht ausgeschlossen werden konnte, daß jedenfalls ein - wenn auch nur sehr geringer - Teil der verordnenden Ärzte und der abgebenden Apotheker sich mit Blick auf die Möglichkeit auch der intramuskulären Injektion des Arzneimittels dem Parallelprodukt zugewandt hat und zuwendet. Dieser Teil der Adressaten hätte sich bei ordnungsgemäßer Angabe der Anwendung nur zur subkutanen Injektion wahrscheinlich nicht für das Parallelprodukt, sondern für das der Klägerin entschieden. Die durch die unzulässige Kennzeichnung des Parallelprodukts zumindest hervorgerufene Erschwerung des Absatzes der Klägerin wäre dann bei ordnungsgemäßer Kennzeichnung nicht eingetreten, so daß im Feststellungsverfahren von der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts in Form des Umsatzrückgangs auszugehen war. Da indessen auch die im Leistungsprozeß zu beurteilende Frage der Höhe dieses Umsatzrückganges u.a. davon abhängig ist, in welchem Maß die unzulässige Kennzeichnung für die Verordnungs- und Abgabeentscheidung der Ärzte und Apotheker relevant sein kann, spielt die Frage, inwiefern die Umsatzeinbuße bzw. der damit verbundene Gewinnentgang, mithin der geltend gemachte konkrete Schaden der Klägerin in dem gleichen Umfang auch dann eingetreten wäre, wenn die Beklagten ihr Produkt mit einer in jeder Hinsicht ordnungsgemäßen Kennzeichnung in den Verkehr gebracht hätten, auch im Leistungsverfahren eine Rolle. Dem Einwand der Beklagten, die Umsatzverlagerung beruhe auf anderen Gründen als der unzulässigen Kennzeichnung, kann daher auch im vorliegenden Leistungsverfahren die Erheblichkeit weder dann abgesprochen werden, wenn man auf die Pflichtwidrigkeit im Zusammenhang mit der Kausalitätsprüfung abstellt, noch dann, wenn man diese als eigenständiges Merkmal der Zurechenbarkeit ansieht. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Schaden dabei auch nicht etwa danach zu berechnen, welcher Zustand gegeben wäre, wenn der Vertrieb überhaupt nicht stattgefunden hätte, sondern danach, welcher Zustand bestehen würde, wenn das Parallelprodukt ordnungsgemäß gekennzeichnet worden wäre. Denn nur wegen der unzulässigen, als irreführend und nicht von der Zulassung gedeckten Kennzeichnung ist das Inverkehrbringen des Arzneimittels verboten worden, so daß die Klägerin nur verlangen kann, so gestellt zu werden, wie sie gestanden haben würde, wenn das Parallelprodukt ordnungsgemäß gekennzeichnet in den Verkehr gebracht worden wäre (vgl. BGH, a.a.O., -"Bleistiftabsätze"-).
Vor diesem Hintergrund ist der von der Klägerin in Form des entgangenen Gewinns geltend gemachte Schaden aber nicht schlüssig dargelegt.
Das gilt bereits im Ausgangspunkt, soweit die Klägerin ihren entgangenen Gewinn in vollem Umfang aus dem Umsatz errechnet, den die Beklagten in dem hier fraglichen Zeitraum mit dem unzulässig gekennzeichneten Parallelprodukt erzielt haben. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Umsatz des Verletzers in vollem Umfang dem Berechtigten zugutegekommen wäre (vgl. BGH GRUR 1993, 757/759 -"Kollektion Holiday"-). Eine abweichende Beurteilung ist dabei auch nicht mit Blick auf die Besonderheit des vorliegenden Falls gerechtfertigt, daß die Klägerin neben den Beklagten auf dem deutschen Markt die einzige Anbieterin des Arzneimittels E. ist. Denn daß es sich bei diesem Erzeugnis um das einzige Arzneimittel zur Behandlung von Prostatakrebs auf dem Inlandsmarkt überhaupt handelt, hat weder die Klägerin vorgetragen, noch geht das aus dem Sachverhalt im übrigen hervor. Selbst wenn daher die Ärzte das Arzneimittel "E. Depot" verordnet haben, kann mit Blick auf die in § 126 SGB V vorgesehenen Möglichkeit der Abgabe eines wirkstoffgleichen preisgünstigeren Präparats dritter Hersteller durch die Apotheker nicht davon ausgegangen werden, daß automatisch das -teurere- Originalpräparat der Klägerin und nicht etwa das Krebsmittel eines anderen Herstellers abgegeben worden wäre, wenn nicht das (preisgünstigere) Parallelprodukt der Beklagten in der unzulässigen Ausstattung im Verkehr gewesen wäre.
Kann schon vor diesem Hintergrund nicht davon ausgegangen werden, daß die Umsätze der Beklagten mit dem Parallelprodukt der Umsatzeinbuße der Klägerin entsprechen, ist weiter zu berücksichtigen, daß nur ein als außerordentlich gering anzusehender Teil der Ärzte und Apotheker die Verordnung bzw. Abgabe des Arzneimittels zumindest auch wegen der unzulässigen Kennzeichnung vorgenommen haben wird. Denn diese Kennzeichnung befand sich auf einer im Inneren der Umverpackung befindlichen Glasampulle, die ihrerseits von einer mittels einer Tiefziehfolie verschlossenen Blisterverpackung umschlossen war, so daß der Einfluß der unzulässigen Kennzeichnung " ...i.m...."auf die Verordnungs- und Abgabeentscheidung der Ärzte und Apotheker nur von außerordentlich geringem Einfluß sein wird. In erster Linie wird sich die Entscheidung über die Verordnung und Abgabe des Produkts vielmehr an der Indikation, dem Wirkstoff, den möglichen Nebenwirkungen sowie an dem Preis des Arzneimittels orientieren, wie dies nicht zuletzt die u.a. mit dem Anlagenkonvolut K 6 der Klägerin vorgelegten Stellungnahmen des Dr. med. Z. vom 27.01.1998 und des Dr. L. vom 26.11.1997 belegen. Die Art der Applikation des Arzneimittels ist dabei zwar ebenfalls von nicht unerheblicher Bedeutung. Maßgeblich wird sich das aber bei der Frage auswirken, ob ein Arzneimittel oral oder durch Injektion zu verabreichen ist , nicht aber dort, wo zwischen der subkutanen und/oder intramuskulären Injektion zu unterscheiden ist. Dies würdigend, spricht daher alles dagegen, den der Klägerin entstandenen Schaden in Form des entgangenen Gewinns auf der Grundlage der Umsätze der Beklagten zu ermitteln.
Der Klägerin konnte es daher nicht erspart werden, den entgangenen Gewinn anhand ihrer eigenen Umsatzentwicklung darzustellen, so daß es ihr oblegen hätte, im einzelnen vorzutragen, wie sich ihre Umsätze vor dem Einsetzen des wettbewerbswidrigen Vertriebs durch die Beklagten, während dieses Vertriebs und danach gestaltet haben. Dies gilt in besonderem Maße unter Berücksichtigung des Umstands, daß die Beklagten in Erfüllung des Auflagenbeschlusses des Landgerichts vom 17.09.1999 substantiiert vorgetragen haben, daß die Verkaufszahlen ihres Arzneimittels "E. Depot" nach Veränderung der die fragliche Kennzeichnung der Lösungsmittel-Ampulle nicht mehr aufweisenden Ausstattung des Arzneimittels so gut wie nicht gesunken sind. Überdies geht aus der von den Beklagten vorgelegten, den Zeitraum von 08/96 bis 06/98 umfassenden, den Umsatz beider Parteien mit E. wiedergebenden Statistik gemäß Anlage B 4 zum Schriftsatz vom 28.10.1999, deren Richtigkeit die Klägerin nicht in Abrede gestellt hat, hervor, daß auf Seiten der Klägerin keine wesentlichen Veränderungen des Absatzes ihres Produktes "E. Monats-Depot" während des Vertriebs des Parallelprodukts in der unzulässigen Ausstattung und nach der Veränderung dieser Ausstattung zu verzeichnen sind. In dieser Situation könnte der Klägerin nur dann ein Schaden entstanden sein, wenn die Gesamtzahl der Verordnungen des Arzneimittels gestiegen wäre, worauf die in dem landgerichtlichen Auflagenbeschluß unter Ziff. II. formulierte Frage erkennbar abzielt, zu deren Beantwortung die Klägerin sich indessen nicht in der Lage sah (vgl. Schriftsatz vom 03.11.1999, Bl. 138 f d.A.). Die in der vorgenannten Statistik (Anlage B 4) aufgeführten Umsatzzahlen in verkauften Einheiten (vgl. Bl. 94) legen zudem die Annahme einer gestiegenen Verordnungsmenge nicht nahe.
Kann aber dem Vortrag der Klägerin nach alledem nicht entnommen werden, daß der von ihr in Form des entgangenen Gewinns geltend gemachte Schaden auf das den Beklagten untersagte Inverkehrbringen des Parallelprodukts "E. Depot" mit der unzureichend gekennzeichneten Lösungsmittel-Ampulle kausal zurückzuführen ist, hat das Landgericht die Schadensersatzklage zu Recht abgewiesen und ist die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin unbegründet.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer entspricht dem Wert des Zahlungsverlangens, mit dem die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit unterliegt.
OLG Köln:
Urteil v. 17.12.1999
Az: 6 U 67/99
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