Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. Mai 2001
Aktenzeichen: 25 W (pat) 118/01

(BPatG: Beschluss v. 03.05.2001, Az.: 25 W (pat) 118/01)

Tenor

Der Beschluß der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. August 2000 wird aufgehoben.

Gründe

I.

Die BezeichnungintelliCompist am 2. Februar 2000 für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 35, 37, 38, 41 und 42 ua "Elektrische Schaltgeräte; Datenverarbeitungsgeräte und deren Teile; Computer und deren Peripheriegeräte, insbesondere Diskettenlaufwerke, Festplatten, Drucker, Graphikadapter, Mäuse, Netzwerke, Abtastgeräte und Schnittstellenkarten; Programme für Datenverarbeitung; Computer-Software; mit Programmen versehene maschinenlesbare Datenträger aller Art; Reparatur, Installation und Instandhaltung von Erzeugnissen der Elektrotechnik und Elektronik; Telekommunikation; Sammeln und Übermitteln von Daten, insbesondere per Telefax, Telex, Telegramm und andere elektronische Einrichtungen; Übermitteln und Anzeigen von Informationen aus Datenbanken; computerunterstützte Ausbildung; Veranstaltung und Durchführung von Seminaren; Veröffentlichung und Herausgabe von Wirtschafts- und Computer-Büchern, -Zeitschriften, -Zeitungen und -Druckschriften; Konzipierung von Betriebssystemen; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Entwicklung, Verwaltung, Wartung und Beratung in Bezug auf Betriebssysteme und Computerprogramme; Dienstleistungen im Multimedia-Bereich, nämlich Betreiben einer Multimedia-Datenbank, Sammeln und Speichern, Abrufen und Zurverfügungstellen von Daten, Text, Graphiken, Bildern, Audio und Video" zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat nach Beanstandung die Anmeldung hinsichtlich der vorgenannten Waren und Dienstleistungen wegen fehlender Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zurückgewiesen. Die angemeldete Marke werde insoweit als reine Sachbeschreibung und nicht als Herkunftshinweis verstanden, da auf dem Gebiet der EDV "intelli" als vorangestellter Bestandteil in Wortzusammensetzungen eine Kurzform für "intelligent" darstelle und "comp" zwar mehrere Sinngehalte aufweisen könne, sich die konkrete Bedeutung für den Verkehr jedoch ohne weiteres aufgrund der gekennzeichneten Ware ergebe. Die angemeldete Gesamtbezeichnung weise deshalb den beschreibenden Sinngehalt im Sinne "intelligenter Computer" auf.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag, den Beschluß der Markenstelle des DPMA aufzuheben.

Der angefochtene Beschluß könne keinen Bestand haben. Das Markenamt habe nicht hinreichend gewürdigt, daß unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BGH und auch der Eintragungspraxis des HABM jede noch so geringe Unterscheidungskraft ausreiche, um das Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zu überwinden und es sich bei "intelliComp" um ein Kunstwort handele, welches der Verkehr ohne analysierende Betrachtung so aufnehme wie es ihm entgegentrete. Bei der angemeldeten Bezeichnung handele es sich weder um eine sloganartige Anpreisung noch um eine warenbeschreibende Sachangabe, sondern um die Neubildung eines Kunstworts, welches selbst bei einer zergliedernden Betrachtung hinsichtlich der Bestandteile "int" für "intelligible" für "nicht sinnlich wahrnehmbar" oder "verständlich" und "Comp" für "company, Compensation, complement" aber auch als Gesamtbegriff eine Vielzahl von Interpretationen wie zB "intelligente Companies" "intellektuelle Competence" oder "intelligente Compounds" zulasse und einen Phantieüberschuß aufweise.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Anmelderin Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats stehen der Eintragung der Bezeichnung "intelliComp" für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine Schutzhindernisse im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 MarkenG entgegen.

Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind solche Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr (ua) zur Bezeichnung der Beschaffenheit oder sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Die angemeldete Bezeichnung "intelliComp" läßt sich weder lexikalisch belegen noch konnte der Senat aufgrund einer zusätzlich durchgeführten Recherche eine Verwendung als Sachbezeichnung im Internet feststellen Es ist deshalb davon auszugehen, daß es sich um eine Wortneuschöpfung handelt. Dies steht zwar der Anwendbarkeit des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG und Annahme eines Freihaltebedürfnisses nicht entgegen, da die gesetzliche Regelung nicht nur den gegenwärtigen Sprachschatz, sondern auch bisher noch nicht verwendete Wortkombinationen erfaßt, die als Sachangaben "dienen können" (st Rspr vgl BGH MarkenR 2000, 330, 332 - Bücher für eine bessere Welt; Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl § 8 Rdn 74). Zu berücksichtigen ist hier jedoch, daß sich die angemeldete Bezeichnung nicht als eine in sprachüblicher oder sonst naheliegender Form gebildete Wortneuschöpfung, sondern als eine Zusammenfügung mehrerer Abkürzungen darstellt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Bestandteile für sich genommen in Bezug auf die jeweils angemeldeten Waren und Dienstleistungen eine hinreichend konkrete Bestimmtheit als beschreibende Angaben verkörpern und sich als Sachhinweise eignen, insbesondere auch ohne weiteres als eine eindeutige und unmißverständliche Sachangabe erfaßbar sind oder - wie die Anmelderin ausgeführt hat - bereits eine Mehrdeutigkeit bzw Unschärfe aufweisen, die der Annahme eines Freihaltungsinteresses der Mitbewerber entgegensteht (vgl Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 100 und 142; HABM GRUR 1999, 1084, 1085 - HYPERLITE; vgl auch BPatG GRUR 1999, 743, 745 - AC; BPatG GRUR 1999, 330, 331 - CT). Denn Gegenstand der Beurteilung eines aktuellen oder zukünftigen Freihaltebedürfnisses der Mitbewerber ist allein das Interesse an der Verwendung der konkret angemeldeten Gesamtbezeichnung (vgl hierzu BGH MarkenR 2000, 330, 332 - Bücher für eine bessere Welt; Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 114 mit weiteren Hinweisen), die sich - um die für Sachangaben erforderliche schnelle Erfaßbarkeit zu gewährleisten und ihre Funktion als Sachbegriff ohne weiteres zu erfüllen - dem Verkehr unmittelbar erschließen und in einer deutlichen, unmißverständlichen beschreibenden Aussage erschöpfen muß (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 142), wenn sich auch vage, begrifflich unbestimmte, verallgemeinernde Aussagen als treffende Sachbegriffe eignen können (vgl hierzu BGH MarkenR 2000, 330, 332 - Bücher für eine bessere Welt).

Insoweit kommt es hier auch nicht darauf an, ob ein Verständnis der angemeldeten Bezeichnung "intelliComp" im Sinne von "intelligenter Computer" in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen ohne weiteres nahe liegt und ob sich eine Bezeichnung wie "intelligenter Computer" trotz der begrifflichen Unschärfe als beschreibende und freizuhaltende Sachangabe eignet oder ob - wie die Anmelderin meint - bereits die mögliche Zuweisung mehrerer Bedeutungsinhalte der Annahme eines Freihaltebedürfnisses entgegensteht. Denn die Wortneuschöpfung "intelliComp" kann - anders als zur Alltagssprache zählende und aus gebräuchlichen Kürzeln allgemein verständlich zusammengefügte Wörter (vgl hierzu zB HABM MarkenR 2001, 85 - TELE AID; HABM MarkenR 2001, 82, 84 - CAR-CARD) - einer sprachüblich gebildeten Sachangabe im Hinblick auf die konkret gewählte, unübliche Sprachform nicht gleichgesetzt werden. Für diese läßt sich deshalb mangels sonstiger konkreter Anhaltspunkte weder ein Interesse aktueller noch zukünftiger Verwendung mit hinreichender Sicherheit feststellen (vgl hierzu auch BGH GRUR GRUR 1996, 771 - THE HOME DEPOT; Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 74, 75 mit weiteren Hinweisen). Hiermit korrespondiert, daß die konkret beanspruchte Gesamtbezeichnung nicht nur für die Beurteilung der Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke maßgebend ist, sondern daß diese auch nur insoweit Schutz genießt und deshalb andere Mitbewerber nicht an der (beschreibenden) Verwendung einer Bezeichnung wie "intelligenter Computer" oder einzelner Wortelemente gehindert sind (vgl auch HABM MarkenR 2000, 296, 299, Ziff 22 - MEGATOURS; Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 142 auf die "konkrete Eigenprägung des Gesamtausdrucks" hinweisend).

Der angemeldeten Bezeichnung kann auch nicht jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG abgesprochen werden. Unterscheidungskraft in diesem Sinne ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die der Anmeldung zugrundeliegenden Waren oder Dienstleistungen gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden, wobei grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen ist, um das Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zu überwinden (ständige Rechtsprechung, vgl zB BGH MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE COR-PORATION mit weiteren Hinweisen). Insbesondere liegt die Annahme fehlender Unterscheidungskraft eher fern, wenn es sich wie hier bei der Gesamtbezeichnung nicht um einen gebräuchlichen Ausdruck der deutschen oder einer bekannten fremden Sprache, sondern um eine in eigentümlicher Sprachform gebildete Wortneuschöpfung handelt, die sich nicht nur in einer Aneinanderreihung schutzunfähiger Sachangaben erschöpft und den Eindruck einer allein sachbezogenen Aussage vermittelt, sondern welche auch die eine Unterscheidungskraft begründende Eigentümlichkeit einer betriebsbezogenen Information aufweist (vgl auch Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 51; BGH MarkenR 2000, 420, 421 - RA-TIONAL SOFTWARE CORPORATION; HABM MarkenR 2000, 294, 296 - combiTab; HABM MarkenR 2000, 296, 297 MEGATOURS).

Auf die Beschwerde der Anmelderin war deshalb der angefochtene Beschluß aufzuheben.

Kliems Brandt Engels Pü






BPatG:
Beschluss v. 03.05.2001
Az: 25 W (pat) 118/01


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