Landgericht Köln:
Urteil vom 16. Dezember 2004
Aktenzeichen: 31 O 562/04
(LG Köln: Urteil v. 16.12.2004, Az.: 31 O 562/04)
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland Beauty-Trolleys wie nachstehend wiedergegeben anzubieten, feilzuhalten, zu bewerben und/oder in den Verkehr zu bringen:
2.
Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte seit dem 23. Dezember 2003 Handlungen gemäß Ziffer I 1 begangen hat, insbesondere
a) welche Umsätze sie mit dem in Ziffer I 1 genannten Beauty-Trolley getätigt hat bzw. welche Stückzahlen sie hiervon zu welchen Preisen verkauft hat, und zwar aufgeschlüsselt nach Kalendermonaten und EUR-Werten;
b) von welchem(n) Lieferanten sie diesen Beauty-Trolley bezogen und an welche
gewerblichen Abnehmer in der Bundesrepublik Deutschland sie diese zu
welchen Preisen veräußert hat, und zwar unter Angabe der vollen Adressen;
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die in Ziffer I 1 bezeichnete Handlungen seit dem 23. Dezember 2003 entstanden ist und/oder noch entstehen wird.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Diese beträgt hinsichtlich der
- Unterlassung 200.000 Euro
- Auskunft 10.000 Euro
- Schadenersatzfestellung 20.000 Euro
- Kosten 12.000 Euro.
Tatbestand
Die Klägerin ist Herstellerin von Koffern. Zu diesen Koffern zählen seit 50 Jahren solche mit einem spezifischen Oberflächen-Rillendesign aus Aluminium. Seit dem Jahre 1978 stellt die Klägerin dieses Rillendesign an ihren Koffern auch aus Kunststoffschalen her.
Die Rillendesign-Koffer der Klägerin finden sich in beinahe jedem Fachgeschäft in Deutschland und werden von ihr seit langer Zeit auf einschlägige Fachmessen und über Fachzeitschriften sowie Prospekte beworben.
Die Beklagte ist Vertreiberin von Kosmetikartikeln. Sie belieferte die Firma E mit - aus dem Tenor dieses Urteils ersichtlichen - Beauty-Trolleys, die jeweils mit Kosmetikartikeln gefüllt waren.
Die Klägerin hält das Design dieses Beauty-Trolleys unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren betrieblichen Herkunftstäuschung für wettbewerbswidrig. Das Rillen-Design ihrer Koffer sei im Verkehr sehr bekannt, wie sie unter Behauptung von Umsatz- und Werbezahlen im einzelnen darlegt. Auch sei dieses Rillen-Design auf dem Markt nahezu einmalig.
Die Klägerin beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, ein wettbewerbswidriges Verhalten komme schon deshalb nicht in Betracht, weil sie als Kosmetikvertreiberin nicht in einem Wettbewerbsverhältnis zur Klägerin stehe. Eine vermeidbare Herkunftstäuschung scheide aus, weil die Rillenstruktur des Beauty-Trolleys technisch zur Stabilisierung des Koffers notwendig sei. Zudem stelle diese Rillenstruktur eine gestalterische Grundidee dar, welche von der Klägerin nicht monopolisiert werden könne. Schließlich weise der angegriffene Beauty-Trolley - im einzelnen aufgeführte - Abweichungen zu den klägerischen Rillendesign-Koffern auf, mit der Folge, dass jedenfalls eine Verwechslungsgefahr nicht gegeben sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein mit dem Klageantrag zu Ziffer I 1verfolgter Unterlassungsanspruch gemäß der §§ 8 Abs. 1; 3; 4 Nr. 9 a UWG zu.
Zwischen den Parteien besteht ein Wettbewerbsverhältnis im Sinne von § 2 Abs. 1 UWG. Entgegen der Auffassung der Beklagten ändert daran der Umstand nichts, dass sie in erster Linie Kosmetikprodukte vertreibt, und der hier in Rede stehende Beauty-Trolley solche Produkte beinhaltet. Denn dieser Umstand ändert nichts daran, dass beide Parteien im konkreten Fall gleiche Produkte, nämlich Koffer bzw. Trolley, vertreiben und damit jedenfalls auf konkrete Weise in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander stehen (vgl. nur Baumbach/Hefermehl, § 2 Rn. 59). Im Vordergrund steht auch nicht allein der Kosmetikinhalt des von der Beklagten angebotenen Koffers. Denn der Trolley kann ohne weiteres auch ohne diesen Inhalt verwendet werden.
Der Vertrieb des angegriffenen Beauty-Trolleys durch die Beklagte bildet auch eine unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne von § 3 UWG, weil er als Nachahmung der klägerischen Rillendesign-Koffer eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt, § 4 Nr. 9 a UWG.
Unter diesem Aspekt handelt - in Übereinstimmung mit der bisherigen Gesetzeslage - unlauter, wer ein fremdes Erzeugnis unter Übernahme von Merkmalen, mit denen der Verkehr eine betriebliche Herkunftsvorstellung verbindet, nachahmt und dieses Produkt in den Verkehr bringt, ohne dass er im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren alles Erforderliche getan hat, um eine Irreführung des Verkehrs möglichst auszuschließen (s. statt vieler Baumbach/Hefermehl, 23. Aufl., § 4 Rn. 9.24, 9.41 ff.).
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
Die Rillendesign-Koffer der Klägerin besitzen wettbewerbliche Eigenart, d. h. Merkmale, die geeignet sind, dem Verkehr die Unterscheidung von gleichartigen Erzeugnisse anderer Herkunft zu ermöglichen (Baumbach/Hefermehl, 23. Aufl., a. a. O.). Dabei ist, entgegen der Auffassung der Beklagten, nicht von einem ganz bestimmten Koffermodell der Klägerin auszugehen. Grundlage dieser Beurteilung sind vielmehr alle Koffer der Klägerin mit Rillen-Design, wie sie sich aus dem als Anlage 1 zur Klageschrift beigefügten Gesamtkatalog der Klägerin ergeben. Denn die für die wettbewerbliche Eigenart maßgebenden Gestaltungsmerkmale weisen diese Koffer übereinstimmend auf und werden dementsprechend gegenüber dem angesprochenen Verkehr trotz minimaler Unterschiede im Detail und in der Farbe als ein von der Klägerin zusammengehöriges spezifisches Kofferprogramm aufgefasst.
Charakteristisch in diesem Sinne für diese Koffer der Klägerin insgesamt ist in erster Linie das von ihr spezifisch umgesetzte, augenfällige Rillen-Design. Dieses Design findet sich bei den Koffern umfassend wieder. Durch die jeweils gleichmäßig und parallel verlaufenden Rillen wird die Kofferoberfläche der Koffer in markanter Weise gestaltet. So entsteht durch diese Rillenstruktur auf der einen Seite ein homogenes Gesamtbild der Kofferstruktur, auf der anderen Seite aber zugleich ein ansprechender Kontrast zwischen Licht und Schatten auf der Oberfläche. Sie vermittelt zudem den Eindruck eines kompakten und zugleich robusten Koffers. Dieser Eindruck wird verstärkt durch die Ausgestaltung eines deutlich sichtbaren Kantenschutzes, der zugleich der schlichten quaderförmigen Grundform der jeweiligen Koffer eine harmonische Rundung an den Ecken verleiht. Diese Merkmale geben in ihrer Kombination den Koffern der Klägerin ein besonderes und exklusives Gepräge.
Entgegen der Auffassung der Beklagten wird diese wettbewerbliche Eigenart nicht durch ein etwaiges Umfeld relativiert. Eine Relativierung scheitert schon daran, dass die Beklagte zum Beleg des Umfeldes lediglich ein einziges Koffermodell der Firma F benennt, ohne dabei über Dauer und Umfang der Verbreitung dieses Koffers auf dem Markt vorzutragen. Unabhängig davon wäre dieser Koffer der Firma F ohnehin aufgrund seiner Gestaltung nicht geeignet, die wettbewerbliche Eigenart der klägerischen Modelle in Frage zu stellen. Der Koffer weist zwar ebenfalls eine Rillenstruktur auf. Diese hat aber mit der Rillengestaltung der klägerischen Koffer nur wenig zu tun. Die Rillen verlaufen im sichtbaren Unterschied zu der Rillenstruktur der klägerischen Koffer nicht parallel. Vielmehr bilden sie rechteckig angelegte Ringe, die im oberen Drittel zusammenlaufen. Auch fehlt ein Kantenschutz an den Ecken. Beide Unterschiede führen zu einer ganz anderen, insbesondere asymmetrischen Anmutung.
Entgegen der Behauptung der Beklagten ist die Rillenstruktur auch nicht technisch notwendig oder technisch bedingt. Schon die Struktur als solche legt eine solche Sichtweise nicht nahe. Auch der Vortrag der Beklagten lässt in dieser Hinsicht keine greifbaren Anhaltspunkte erkennen und ist insoweit unsubstantiiert. So wird nicht vorgetragen, aus welchem Grund und auf welche Weise eine Rillenstruktur zur Stabilisierung eines Koffers beitragen soll. Der von der Klägerin vorgelegte TÜV-Bericht vom 13.02.1985 hilft der Beklagten in dieser Hinsicht auch nicht weiter. Aus diesem Bericht geht nämlich nicht hervor, dass die Rillenstruktur eines Koffers einem technischen Erfordernis entspringt. Im Gegenteil wird dort zusammenfassend angemerkt, dass die Rillenstruktur im praktischen Gebrauch eines Koffers zu keinen Vorteilen bei der Belastung führe.
Die klägerischen Koffer der Klägerin mit der spezifischen Rillenstruktur sind im Verkehr auf eine Weise bekannt, dass es dort überhaupt zu Verwechslungen kommen kann, wenn der Verkehr mit einer Nachahmung konfrontiert wird. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang die konkret vorgetragenen Umsatzzahlen mit der Begründung bestreitet, diese Zahlen und auch die mitgeteilten Werbeaufwendungen könnten den einzelnen Koffern nicht zugeordnet werden, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Unter Berücksichtigung dieser Begründung stellt nämlich die Beklagte gerade nicht in Abrede, dass diese Koffer - unbeschadet der konkreten Zuordnung der einzelnen Koffer zu den Umsatzzahlen - überhaupt im Verkehr umgesetzt werden. Unstreitig ist zudem, dass die Klägerin diese Koffer seit über 50 Jahren in den Verkehr bringt. Nicht in Abrede gestellt wird auch, dass diese Koffer beinahe im gesamten Fachhandel in Deutschland erhältlich sind, ferner auf Messen und in Fachzeitschriften beworben werden. Schließlich belegen die Vielzahl an Verfahren vor der hiesigen Kammer in der Vergangenheit, dass die Klägerin mit ihrer Kofferserie mit Rillenstruktur auf dem Markt präsent ist. All das zusammen genommen lässt keine Zweifel daran, dass - zumindest - beachtliche Teile des Verkehrs über die Originalkoffer der Klägerin mit der für sie typischen Rillenstruktur informiert sind, so dass es zu Verwechslungen kommen könnte.
Der angegriffene Beauty-Trolley der Beklagten ist schließlich mit den Koffern der Klägerin verwechslungsfähig, also geeignet, eine Herkunftstäuschung herbeizuführen. Die markanten und eine wettbewerbliche Eigenart begründenden Merkmale der Koffergestaltung der Klägerin stimmen in einem hohen Maße mit denjenigen der von den Beklagten in den Verkehr gebrachten Beauty-Trolley überein. So weist die angegriffene Gestaltung - in Übereinstimmung mit derjenigen der Klägerin - als hervorstechendes und in erster Linie prägendes Merkmal eine parallele Rillenstruktur auf. Diese Rillenstruktur hat eine mit der klägerischen Ausstattung übereinstimmende Anmutung. So begründet diese Struktur infolge der parallelen Anordnung - ebenso wie bei den Koffern der Klägerin - auf der einen Seite eine homogene Gesamtgestalt, auf der anderen Seite aber zugleich einen markanten Kontrast zwischen Licht und Schatten, wie er für die klägerische Rillenstruktur typisch ist. Verstärkt wird dies durch die ähnlich strukturierte Anordnung und den vergleichbaren Verlauf der Rillen am Koffer sowie überhaupt durch einen vergleichbaren Gesamtkorpus des Koffers .
Soweit die Beklagte auf den geringeren Abstand der Rillen bei ihren Koffern hinweist, ändert dies an der übereinstimmenden Anmutung nichts. Der Unterschied im Abstand ist zu gering, als dass der angesprochene Verkehr aus der Erinnerung heraus darin einen klaren Unterschied wahrnehmen könnte.
Der Beauty-Trolley der Beklagten weist als weiteres, mit den Koffern der Klägerin übereinstimmendes charakteristisches Merkmal einen Kantenschutz auf, der - wie bei dem Kantenschutz der Koffer der Klägerin - abgerundet ist und damit - in Übereinstimmung mit der Gesamterscheinung der klägerischen Koffer - der quaderförmigen Gestaltung des Korpus eine harmonische Abrundung an den Ecken verleiht.
Die hierdurch begründete Übereinstimmung in den markanten und die Gesamtgestalt prägenden Merkmalen kann ohne weiteres dazu führen, dass der Verkehr den Trolley der Beklagten in die Serie der Koffer der Klägerin mit Rillendesign einordnet.
Soweit die Beklagte meint, das an ihrem Trolley angebrachte schwarze Gestänge zum Ziehen des Koffers trage zu einem ausreichenden Abstand zu den klägerischen Koffern bei, trifft das nicht zu. Das Trolley-Gestänge prägt die spezifische Eigenart der Gestaltung des Koffers nicht mit, weil es ersichtlich funktionsbedingt und zugleich durch die Art seiner Anfügung an den Kofferkorpus deutlich erkennbar ist, dass es an sich zu dem Koffer als solchem nicht gehört.
Schlussendlich geht auch der Einwand der Beklagten fehl, der Schutz der klägerischen Koffer laufe vorliegend auf einen unzulässigen Ideenschutz hinaus. Die Beklagte verkennt insoweit, dass es ihr nicht schlechthin untersagt wird, eine bestimmte Rillenstruktur bei der Gestaltung eines Koffers zu verwenden. Verbotswürdig ist vielmehr und ausschließlich - wie im einzelnen soeben aufgeführt - eine spezifische Gesamtanmutung, die sich erst aus einer Kombination markanter Komponenten ergibt. Dieses Gesamtgepräge bezeichnet nicht eine Idee, sondern die gestalterische Umsetzung einer Idee in eine bestimmte eigenartige Richtung.
Die danach gegebene Gefahr einer Herkunftstäuschung ist vermeidbar. Obwohl diverse Möglichkeiten einer ausreichenden abweichenden Gestaltung der ästhetischen Merkmale eines Koffers bestehen, vertreibt die Beklagte in Deutschland einen Koffer als Trolley, der ohne jede Not die charakteristischen Merkmale der klägerischen Koffer mit Rillen-Design in den wesentlichen Teilen übernommen hat.
Die geltend gemachten Annexansprüche (Auskunft und Schadenersatzfeststellung) sind gemäß §§ 8; 9 UWG i. V. mit § 242 BGB begründet. Es entspricht der Lebenserfahrung, das der Klägerin durch den beanstandeten Vertrieb des streitgegenständlichen Produkts ein Schaden entstanden ist und/oder noch entstehen wird, den sie indessen erst nach der Erteilung der dazu benötigten Auskunft beziffern kann.
Diesen Schaden hat die Beklagte schuldhaft, nämlich zumindest fahrlässig, herbeigeführt, da sie allein schon wegen der beachtlichen und bislang auch beinahe einmaligen Präsenz der klägerischen Produkte auf dem Markt hätte erkennen können und müssen, dass ihr Verhalten mit den Gepflogenheiten eines lauteren Wettbewerbs nicht zu vereinbaren ist.
Der Anspruch auf Drittauskunft ist ebenfalls zu bejahen. Die Klägerin hat ein erhebliches Interesse daran, dass die spezifische Gestaltung ihrer Koffer sich nicht auf dem Markt verbreiten und insoweit verwässert werden. Dahinter tritt eine etwaiges - ohnehin nicht vorgetragenes und auch nicht ersichtliches - Interesse der Beklagten an einer Geheimhaltung der Vertriebswege zurück.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO:
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 709 ZPO.
Streitwert:
- Unterlassungsanspruch 200.000 Euro
- Auskunftsanspruch 10.000 Euro
- Feststellungsanspruch 20.000 Euro
Gesamt: 230.000 Euro
LG Köln:
Urteil v. 16.12.2004
Az: 31 O 562/04
Link zum Urteil:
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