Oberlandesgericht Hamburg:
Urteil vom 26. Mai 2005
Aktenzeichen: 3 U 73/02

(OLG Hamburg: Urteil v. 26.05.2005, Az.: 3 U 73/02)

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen sog. "Sportlernahrung" als Arzneimittel zu qualifizieren ist (hier: HMB-Kapseln; L-Carnitine-Produkte).

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, vom 15. März 2002 (416 O 149/99) abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf EUR 75.000,- festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit des Vertriebs und der Bewerbung von "Sporternährungsartikeln" ohne deren Zulassung als Arzneimittel.

Die Beklagte warb 1998 für ihre Produkte mit den aus dem Anlagenkonvolut K 4 ersichtlichen Unterlagen

- "Ernährung & Fitness, Ausgabe 97/98"

- "Creatinabol-Studie" von Prof. Dr. Neumann

- "Ernährung & Fitness Produkt-Empfehlungen"

- "Superbolic Liquid Plus Mehr Muskeln, weniger Fett".

Dort wurden diverse Mittel zum Verzehr angeboten, unter anderem auch die folgenden im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Produkte:

- Antrag zu a):

- Peptamin-Tabletten

- BCAA-Tabletten

- Creatine-Kapseln

- Creatine Powder instant

- Creatinabol-Drink

- CLA-Kapseln

- HMB-Kapseln

- Superbolic Liquid Plus

Antrag zu b):

- L-Carnitine-Kautabletten

- L-Carnitine-Drink

- L-Carnitine-Ampullen

Antrag zu c):

Creatinabol

Auf das Anlagenkonvolut K 4 wird hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen.

Eine arzneimittelrechtliche Zulassung dieser Mittel liegt nicht vor.

Der Kläger, ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Verfolgung gewerblicher Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden, hält die in Rede stehenden Produkte für Arzneimittel, die als solche mangels Zulassung weder beworben noch vertrieben werden dürften. Die Beklagte vertritt dagegen die Auffassung, sie biete Lebensmittel an, die als Nahrungsergänzung für Sportler dienten.

Im vorausgegangenen Verfügungsverfahren (Landgericht Hamburg, 416 O 154/98, Urteil vom 2.10.1998) hat das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Im Verfahren der gegen dieses Urteil vom Kläger eingelegten Berufung (OLG Hamburg, 3 U 240/98) haben die Parteien das dortige Verfahren durch Vergleich dahingehend erledigt, dass der Streit im Hauptsacheverfahren durchgeführt werden solle. Hinsichtlich des Gegenstands des Verfügungsantrags wird auf die Antragsschrift vom 21.8.1998 Bezug genommen. Die Akte des Verfügungsverfahrens ist zum Gegenstand der Berufungsverhandlung gemacht worden.

Im Rahmen des Verfügungsverfahrens schlossen die Parteien den aus den Anlagen BB 1 - BB 2 ersichtlichen Zwischenvergleich zur Verjährungsfrage.

Mit der vorliegenden Hauptsacheklage verfolgt der Kläger sein Unterlassungsbegehren weiter.

Der Kläger hat vorgetragen:

Er sei klagebefugt. Zu seinen Mitgliedern gehöre eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden, welche Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt wie die Beklagte vertrieben.

Zu den einzelnen beanstandeten Produkten hat der Kläger behauptet, diese seien sämtlich als Arzneimittel einzuordnen.

Im Anschluss an Ausführungen eines in erster Instanz eingeholten Sachverständigengutachtens hat der Kläger weiter geltend gemacht, die Hilfsanträge betreffend die Produkte "Peptamin-Tabletten", "BCAA-Tabletten", "CLA-Kapseln", "L-Carnitine-Kautabletten", "L-Carnitine-Drink" und "L-Carnitine-Ampullen" seien unter dem Gesichtspunkt der Irreführung auch deswegen begründet, weil die insoweit ausgelobten Wirkungen wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert seien (§ 17 I Nr. 5 a LMBG).

Der Kläger hat beantragt,

der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen,

im geschäftlichen Verkehr

a) die nachstehend genannten Mittel ohne Zulassung als Arzneimittel (gemäß § 21 AMG) zu bewerben und/oder zu vertreiben:

aa) Peptamin-Tabletten

bb) BCAA-Tabletten

cc) Creatine-Kapseln

dd) Creatine Powder instant

dd) Creatinabol-Drink

ff) CLA-Kapseln

gg) HMB-Kapseln

hh) Superbolic Liquid Plus

hilfsweise,

der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr die im Antrag zu a) aufgeführten Mittel ohne Zulassung als Arzneimittel (gemäß § 21 AMG) zu bewerben und/oder zu vertreiben, sofern die Mittel wie folgt gekennzeichnet werden:

aa) Peptamin-Tabletten

"Peptid-Aminosäure-Tabletten mit biologischer Wertigkeit 100 für die schnelle Regeneration, preisgünstige Großpackung

5 Tabl. nach dem Training mit 0,3 l Flüssigkeit, bei Bedarf 5 Tabl. zusätzlich bis zu 2 Std. vor dem Training".

bb) BCAA-Tabletten

"Tabletten mit besonders hohem Anteil an freien verzweigtkettigen Aminosäuren für den antikatabolen Effekt (Schutz der Muskulatur vor Abbau bei intensivem Training). Enthält pro Tagesdosis = 6 Tabletten: 2.160 mg Isoleucin, 1.140 mg Leucin, 1.800 mg Valin

5-6 Tabl. direkt nach dem Training oder 5 Tabl. vor und nach starker Ausdauerbelastung".

cc) Creatine-Kapseln

"500 mg Creatin pro Kapsel zum Auffüllen der Creatinspeicher in der Muskelzelle, für gesteigerte Leistung im Maximalbereich

1. und 2. Tag: 4+3+3 Kapseln, über den Tag verteilt; ab dem 3. Tag: 2x4 Kapseln, über den Tag verteilt; kurweise Einnahme über 4-6 Wochen, dann 2 Wochen Pause".

dd) Creatine Powder instant

"Mikrofein vermahlene Creatin-Kristalle sorgen für schnelle, vollständige Lösung des Creatins und optimieren die Resorption. Schnellster Aufbau der Creatinphosphatspeicher in den Muskelzellen, für gesteigerte Leistung im Maximalbereich

1. und 2. Tag: 5-8 g, ab dem 3. Tag: 4-6 g, über den Tag verteilt; kurweise Einnahme über 4-6 Wochen, dann 2 Wochen Pause".

ee) Creatinabol-Drink

"Kombination mikrofein vermahlener Creatin-Kristalle mit Glukose. Dadurch wird die Resorption des Creatins nochmals gesteigert. Dieses ist die ultimative Creatin-Formula für gesteigerte Leistung im Maximalbereich. 0,5 l Fertiggetränk enthalten 5 g Creatin

1. und 2. Tag: 1 l Fertigdrink über den Tag verteilt trinken, ab dem 3. Tag 0,5 l über den Tag verteilt, kurweise Einnahme über 4-6 Wochen, dann 2 Wochen Pause".

ff) CLA-Kapseln

"Eine 1.450 mg-Kapsel enthält Öl mit 60 % CLA (konjugierter Linolsäure). Baut Muskulatur auf, reduziert den Körperfettanteil; das Trainingsresultat wird durch einen günstigen Einfluss auf den Proteinstoffwechsel verbessert

3 x 1-2 Kapseln täglich zu den Mahlzeiten".

gg) HMB-Kapseln

"Eine Kapsel enthält reines HMB (Hydroxymethylbutyrat). Bewirkt eine aktive Reduktion von Muskeltraumata und ermöglicht eine optimale Umsetzung des Trainingszieles, verbessert das Muskelwachstum durch die Verringerung kataboler Prozesse

2 x 3 Kapseln täglich".

hh) Superbolic Liquid Plus

(Einfügung Ablichtung der Werbeseite Bl. 5 d.A., vgl. Bl. 9 des angegriffenen LG-Urteils)

<Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofes: Im vorliegenden Abdruck fehlt die oben erwähnte Abbildung.>

b) innerlich anzuwendende Mittel, welche als Tagesdosis mehr als 200 mg L-Carnitin beinhalten, zu bewerben und/oder zu vertreiben

insbesondere die Produkte

"L-Carnitine-Kautabletten" mit einem Gehalt von 300 mg pro Kautablette bei einer empfohlenen Verzehrmenge von 3-6 Tabletten vor dem Training

und/oder

"L-Carnitine-Drink" mit einem Gehalt von 1000 mg Carnitin per 0,5 l-Glas/0,33 l-Flasche bei einer empfohlenen Verzehrmenge von 1 Glas/1 Flasche vor dem Training

und/oder

"L-Carnitine-Ampullen" mit einem Gehalt von 1.200 mg Carnitin pro Ampulle und einer empfohlenen Verzehrmenge von 1-2 Ampullen vor dem Training.

hilfsweise zu b):

der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr die nachstehend genannten Mittel ohne Zulassung als Arzneimittel (gemäß § 21 AMG) zu bewerben und/oder zu vertreiben:

"L-Carnitine-Kautabletten"

"L-Carnitine-Drink"

"L-Carnitine-Ampullen";

äußerst hilfsweise zu b):

der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr die nachstehend genannten Mittel ohne Zulassung als Arzneimittel (gemäß § 21 AMG) zu bewerben und/oder zu vertreiben, sofern die Mittel wie folgt gekennzeichnet werden:

a) "L-Carnitine-Kautabletten"

"300 mg Carnitin pro Kautablette- das ideale Produkt für Fettabbau und verbesserte Energiefreisetzung im Training",

b) "L-Carnitine-Drink"

"Multivitamin-Mineral-Drink mit 1.000 mg Carnitin pro 0,5 l-Glas/0,33 l-Flasche; unterstützt den effizienten Fettabbau und fördert die Energiebereitstellung bei der Ausdauerleistung",

c) "L-Carnitine-Ampullen"

"Ampullen mit 1.200 mg Carnitin für effizienten Fettabbau und zur Förderung der Energiebereitstellung bei der Ausdauerleistung".

d) außerhalb der Fachkreise zu werben mit wissenschaftlichen Gutachten und/oder fachlichen Empfehlungen,

insbesondere mit der "Creatinabol-Studie" von Prof. Dr. Neumann, Institut für angewandte Trainingswissenschaften der Universität Leipzig (gemäß Anlage K 4).

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen:

Die Klagebefugnis des Klägers liege nicht vor. Der Klageantrag zu a) sei zu weit und unbestimmt. Außerdem seien die Klageanträge unbegründet, da es sich bei den streitgegenständlichen Mittel sämtlich nicht um Arzneimittel handele. Bei der Beurteilung der angegriffenen Aussagen seien die Werbeunterlagen gemäß der Anlage K 4 im Kontext zu würdigen.

Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens durch Urteil vom 15.3.2002 der Klage im Hinblick auf

- die Anträge zu a), bb), ff), gg) und hh) jeweils in Form des Hauptantrags sowie

- den Antrag zu a), aa) in Form des Hilfsantrags,

- den Antrag zu b) in Form des äußerst hilfsweise gestellten Antrags

stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Gegen das Urteil, auf das Bezug genommen wird, wendet sich die Beklagte mit der Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

In der mündlichen Berufungsverhandlung hat die Beklagte eine vertragsstrafebewehrte Verpflichtungserklärung dahingehend abgegeben, es zu unterlassen,

"für das Produkt `Superbolic Liquid Plus´ mit dem aus der Anlage ersichtlichen Werbeblatt zu werben".

(Anm.: bei der Anlage handelt es sich um das aus dem Hilfsantrag zu a) hh) ersichtliche Werbeblatt).

Die Parteien haben daraufhin den Rechtsstreit im Hinblick auf den Hilfsantrag zu a) hh) übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger hat im Rahmen des Berufungsverfahrens außerdem die Klageanträge zu Ziff. a) aa), bb) sowie ff) einschließlich der dazu gehörigen Hilfsanträge (Bl. 401) sowie den Hauptantrag betreffend a) hh) zurückgenommen.

Damit sind Gegenstand der materiellen Berufungsentscheidung nur noch die Verurteilung des Landgerichts betreffend die Anträge a) gg) (HMB-Kapseln, Haupt- und Hilfsantrag) sowie den Hilfs-Hilfsantrag b) (L-Carnitine-Produkte).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 15.3.2002, Az. 416 O 149/99, soweit die Berufungsklägerin verurteilt wurde, aufzuheben und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil und wiederholt und vertieft sein Vorbringen erster Instanz. Ergänzend macht der Kläger geltend, das Landgericht habe die streitgegenständliche Werbung für die Mittel Peptamin-Tabletten und die L-Carnitine-Produkte zu Recht auf Irreführung gestützt, die Tenorierung insoweit jedoch nicht hinreichend klar gefasst. Zwar seien zur Bestimmung der Reichweite eines Untersagungstenors auch die Entscheidungsgründe sowie die Begründungen des Anspruchsgläubigers hinzuzuziehen, gleichwohl erscheine eine ausdrückliche Klarstellung und Präzisierung des Antrags erforderlich. Mit diesem Ziel hatte der Kläger zunächst Anschlussberufung eingelegt (zu den Anträge vgl. Bl. 368 f.), diese dann aber mit Schriftsatz vom 24.9.2004 (Bl. 401) zurückgenommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Beiakte 3 U 240/98 (416 O 154/98) Bezug genommen, die zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden ist.

Der Senat hat Beweis erhoben durch ergänzende Anhörung des bereits erstinstanzlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. V. Auf das Anhörungsprotokoll vom 24.2.2005 wird Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg.

I. Der Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG prozessführungsbefugt und aktivlegitimiert. Die Aktivlegitimation des Klägers im Pharmabereich sowie auf dem Gebiet der Sportlernahrung wird von den Hamburger Gerichten in ständiger Rechtsprechung auch des Senats seit Jahren bejaht (vgl. u.a. die Senatsentscheidung vom 8.5.2003, 3 U 209/01). Auch der Bundesgerichtshof, der dies unter dem Gesichtspunkt der von Amts wegen zu berücksichtigenden Prozessführungsbefugnis zu prüfen hatte, hat das wiederholt getan (vgl. zuletzt WRP 2004, 1024, 1027 - Sportlernahrung II). Der Vortrag der Beklagten im vorliegenden Verfahren bietet keinen Anlass, diese Rechtsprechung aufzugeben.

II. Die Voraussetzungen für ein Werbeverbot nach § 3 a HWG und für ein Vertriebsverbot nach §§ 2, 21 AMG i. V. m. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, 1 UWG a.F., sind jedoch nicht erfüllt, weil sich nicht feststellen lässt, dass es sich bei den streitgegenständlichen Präparaten um Arzneimittel handelt.

Ob ein Stoff der vorliegend streitgegenständlichen Art den Arzneimittelbegriff erfüllt richtet sich nach folgenden Grundsätzen:

1. Nach § 2 Abs. 1 AMG sind Arzneimittel Stoffe und Zubereitungen von Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (Nr. 1), vom menschlichen Körper erzeugte Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen (Nr. 3) oder die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen (Nr. 5). Nach dieser Definition würde im Regelfall jedes Nahrungsmittel den Arzneimittelbegriff erfüllen, welches dazu dient, den Körper gesund und funktionsfähig zu erhalten.

Andererseits ergibt sich aus § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG, dass ein Lebensmittel im Sinne von § 1 LMBG nicht zugleich ein Arzneimittel sein kann. Nach dieser Vorschrift sind Lebensmittel Stoffe, die dazu bestimmt sind, in unverändertem, zubereitetem oder verarbeitetem Zustand von Menschen verzehrt zu werden; ausgenommen sind Stoffe, die überwiegend dazu bestimmt sind, zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder des Genusses verzehrt zu werden.

2. Entscheidend für die Abgrenzung und Einordnung eines Produktes als Arzneimittel oder Lebensmittel ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH seine an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher darstellt. Die maßgebende Verkehrsanschauung knüpft regelmäßig an eine schon bestehende Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihre Anwendung an, die wiederum davon abhängt, welche Verwendungsmöglichkeiten solche Mittel ihrer Art nach haben. Die Vorstellung der Verbraucher von der Zweckbestimmung eines Produkts kann weiter durch die Auffassung der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft beeinflusst sein, ebenso durch die dem Mittel beigefügten oder in Werbeprospekten enthaltenen Indikationshinweise und Gebrauchsanweisungen sowie die Aufmachung, in der das Mittel dem Verbraucher allgemein entgegentritt (BGH WRP 2004, 1024, 1028 f. - Sportlernahrung II; BGH, Urteil vom 11.7.2002 - I ZR 34/01 - NJW 2002, 3469, 3470 - Muskelaufbaupräparate; BGH, Urteil vom 10.02.2000 - I ZR 97/98 - GRUR 2000, 528, 530 - L-Carnitin; GRUR 1995, 419, 421 - Knoblauchkapseln). Ein verständiger Durchschnittsverbraucher wird im Allgemeinen nicht annehmen, dass ein als Nahrungsergänzungsmittel angebotenes Präparat tatsächlich ein Arzneimittel sei, wenn es in der empfohlenen Dosierung keine pharmakologische Wirkung hat (BGH GRUR 2003, 631, 632 - L-Glutamin; BGH NJW 2002, 3469, 3470 - Muskelaufbaupräparate; BGH, Urteil vom 11.7.2002 - I ZR 273/90, NJOZ 2002, 2563, 2565; BGH, Urteil vom 25.4.2001 - 2 StR 374/00, NJW 2001, 2812, 2813; BGH GRUR 2000, 528, 530 - L-Carnitin). Lässt sich eine überwiegende arzneiliche Zweckbestimmung nicht feststellen, ist das Produkt als Lebensmittel anzusehen (BGH NJW 2001, 2812, 2813; BGH NJW 1976, 1154).

3. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist im Hinblick auf die Frage, welche Umstände der Bestimmung der Verkehrsauffassung betreffend die überwiegende Zweckbestimmung eines Mittels zugrunde gelegt werden dürfen, nach dem Umfang des beantragten Verbots zu unterscheiden. Ist Gegenstand des Antrages die Bewerbung und der Vertrieb des Präparats als Arzneimittel, obgleich dieses als solches nicht nach § 21 AMG zugelassen ist und wird die mit diesem Antrag angegriffene konkrete Verletzungsform nicht durch weitere Umstände, insbesondere solche aus der Produktbewerbung, gekennzeichnet, kann bei der Beurteilung der Verkehrsauffassung nur auf das Präparat abgestellt werden, wie es sich dem Verbraucher darstellt. Die Beurteilung hat dann allein auf der Grundlage der auf dem Produkt selbst bzw. ihren Verkaufsverpackungen selbst befindlichen Angaben und unter Berücksichtigung der Frage, ob es in der empfohlenen Dosierung pharmakologische Wirkungen hat, zu erfolgen (BGH NJOZ 2002, 2563, 2566; BGH GRUR 2000, 528, 530 - L-Carnitin). Die Feststellung von pharmakologischen Wirkungen wird in diesem Fall regelmäßig nur durch Einholung eines Sachverständigengutachtens möglich sein (BGH GRUR 2000, 528, 530 - L-Carnitin). Wird der beantragte Verbotsumfang dagegen auf die konkrete Aufmachung des Produkts durch Werbeangaben begrenzt, sind auch diese Angaben bei der Beurteilung der Verkehrsauffassung zugrunde zulegen (BGH NJW 2002, 3469 ff., 3471 f. - Muskelaufbaupräparate). Umstände, die dem Verkehr erst deutlich machen, es mit einem Arzneimittel zu tun zu haben, müssen mithin in dem beantragten Verbot enthalten sein (BGH GRUR 2000, 528, 529 - L-Carnitin; OLG Hamburg, Urteil vom 5.10.2000 - 3 U 233/99, OLG Report Hamburg 2001, 193, 194). Geschieht dies, können bei der Beurteilung der Frage einer eventuellen pharmakologischen Wirkung unstreitige Werbeaussagen berücksichtigt und vom Gericht regelmäßig in eigener Sachkunde festgestellt werden, sofern dessen Mitglieder zu den angesprochenen Verbrauchern gehören. Denn es erscheint ohne Hinzutreten besonderer Umstände als ausgeschlossen, dass die Auffassung der Fachkreise oder der pharmazeutischen und medizinischen Wissenschaft die Verkehrsanschauung derart prägen konnten, dass sich die Mittel entgegen ihrer ihren Eigenschaften entsprechenden Präsentation als Lebensmittel darstellen (BGH WRP 2004, 1024, 1027 - Sportlernahrung II; BGH NJW 2002, 3469 ff., 3471 f. - Muskelaufbaupräparate). Allerdings dürfen einzelne Werbeaussagen regelmäßig nicht isoliert betrachtet werden, auch wenn sie nur für sich allein angegriffen sind. Sie sind vielmehr im Zusammenhang mit den weiteren Werbeaussagen sowie mit der Aufmachung den dem gesamten Erscheinungsbild des Mittels zu würdigen (BGH GRUR 2003, 631, 632 - L-Glutamin m.w.N.).

4. Für die spezielle Problematik der rechtlichen Qualifizierung von Sportlernahrung ist von folgenden weiteren Grundsätzen auszugehen:

Handelt es sich bei dem im Streit befindlichen Produkt um ein Dopingmittel wie insbesondere Steroide und Anabolika oder um ein Präparat, das diesen in den Wirkungen gleichsteht, liegt ein Arzneimittel vor (BGH NJW 2002, 3469 ff., 3471 - Muskelaufbaupräparate). Handelt es sich dagegen zwar nicht um ein Dopingmittel, aber dennoch um ein Präparat mit muskelaufbauender Wirkung, so deutet dies nicht stets und zwangsläufig auf einen arzneilichen Anwendungszweck hin. Es kann sich vielmehr auch um eine Mittel zur Befriedigung besonderer, die physiologischen Bedürfnisse einer speziellen Personengruppe berücksichtigenden Ernährungserfordernisse und damit um ein diätetisches Lebensmittel handeln (BGH WRP 2004, 1024, 1028 - Sportlernahrung II; BGH GRUR 2003, 631, 632 - L-Glutamin; BGH NJW 2002, 3469 ff., 3471 - Muskelaufbaupräparate). Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit zunehmend als Zweck einer Ernährung anerkannt wird. Der Aufbau von (neuem) Muskelgewebe kann daher unter Umständen auch den physiologischen Bedürfnissen bestimmter Personengruppen Rechnung tragen (BGH WRP 2004, 1024, 1028 - Sportlernahrung II; BGH GRUR 2003, 631, 632 - L-Glutamin). Insoweit kann eine Sportlernahrung nicht nur dann einem besonderen Ernährungszweck i.S. des § 1 DiätVO dienen, wenn sie Mangelzustände nach Höchstleistungen auffüllen solle, sondern auch dann, wenn sie die Fähigkeit fördern solle, Höchstleistungen erst zu erreichen (BGH WRP 2004, 1024, 1029 - Sportlernahrung II).

Deshalb ist für die Frage der Einordnung eines Produkts als Arzneimittel oder als Lebensmittel zunächst maßgebend, ob es jedenfalls auch Ernährungszwecken dienen kann. Ist dies der Fall, handelt es sich also um ein "ambivalentes Produkt", dem nach Zusammensetzung und Eigenschaft eine sowohl arzneimitteltypische als auch lebensmitteltypische Zweckbestimmung innewohnt, kommt es maßgebend auf das für die Abgrenzungsfrage zentrale Kriterium der pharmakologischen Wirkung an (zur Untauglichkeit dieses Gesichtspunkts zur Abgrenzung von ergänzenden bilanzierten Diäten für besondere medizinische Zwecke i.S. des § 1 Abs. 4 a DiätV und Arzneimitteln vgl. Senat, Urt. v. 27.1.2005, 3 U 28/03 - Omega-3-Fettsäuren, MD 2005, 389 ff.).

Eine pharmakologische Wirkung liegt vor, wenn die Wirkung eines Produkts über dasjenige hinausgeht, was physiologisch auch mit der Nahrungsaufnahme im menschlichen Körper ausgelöst wird (BGH NJW 2002, 3469 ff., 3471 - Muskelaufbaupräparate). Der BGH hat dies dann angenommen, wenn Zweck des Mittels unter Zugrundelegung der Verzehrangaben nicht mehr ein Ausgleich der durch Körperanstrengungen verbrauchten Nährstoffe und Stoffwechselprodukte sein soll, sondern allein die mit Gesundheitsgefahren verbundene pharmakologische Manipulation des Stoffwechsels zur Leistungssteigerung, etwa eine extreme Steigerung der Nährstoffaufnahme der Muskelzellen bewirken soll (BGH NJW 2002, 3469 ff., 3471 - Muskelaufbaupräparate; BGH WRP 2004, 1024, 1028 - Sportlernahrung II). Ein deutlicher Hinweis auf ein Arzneimittel kann dann angenommen werden, wenn die Dosierung des Mittels den ernährungsphysiologisch erforderlichen und möglichen Bedarf um ein Vielfaches übersteigt (BGH WRP 2004, 1024, 1028 - Sportlernahrung II) oder dessen Einnahme mit gesundheitlichen Risiken verbunden ist (BGH GRUR 2003, 631, 633 - L-Glutamin).

5. Diese Abgrenzung der Arzneimittel von den Lebensmitteln steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH zum gemeinschaftlichen Arzneimittelbegriff sowie mit dem gemeinschaftsrechtlichen Lebensmittelbegriff, wie er sich durch die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit vom 28.1.2002 (AblEG Nr. L 31, S. 1) darstellt (BGH WRP 2004, 1024, 1028 - Sportlernahrung II; BGH NJW 2002, 3469, 3470 - Muskelaufbaupräparate; BGH NJOZ 2002, 2563, 2565 f.; BGH NJW 2001, 2812, 2813 f.- 3-fache Tagesdosis; Köhler, GRUR 2002, 844, 850 f.).

Zu Unrecht macht der Kläger geltend, durch die Verabschiedung der Richtlinie 2004/27/EG vom 31.3.2004 habe sich der Begriff des Arzneimittels insoweit geändert, als nunmehr auch das Hervorrufen einer metabolischen Wirkung die Annahme eines Funktionsarzneimittels begründen kann und zudem - anders als nach bisheriger nationaler Rechtslage - in Zweifelsfällen von einem Arzneimittel auszugehen sei.

Gemäß Art. 249 Abs. 3 EGV bedarf eine Richtlinie der Umsetzung in nationales Rechts. Eine solche Umsetzung ist unstreitig noch nicht erfolgt (vgl. zu Umsetzungsfrist Art. 3 RL 2004/27/EG).

Eine unmittelbare Geltung des Arzneimittelbegriffs der RL 2004/27/EG ergibt sich auch nicht daraus, dass in der VO (EG) Nr. 178/2002 - gem. Art. 249 Abs. 2 EGV unmittelbar geltendes Recht - eine Verweisung auf den Arzneimittelbegriff "im Sinne der Richtlinien 65/65/EWG und 92/73//EWG" erfolgt ist (wobei die in der Verordnung benannte RL 65/65/EWG bei Inkrafttreten der VO Nr. 178/2002 bereits durch die RL 2001/83/EG aufgehoben war, vgl. dort Anh II, Teil A). Diese Bezugnahme lässt sich nicht als eine dynamische Verweisung dergestalt ansehen, dass durch die VO Nr. 178/2002 als unmittelbar geltendes nationales Recht der gemeinschaftsrechtliche Arzneimittelbegriff gilt, wie er sich aus den jeweils geltenden Richtlinien ergibt. Die Verordnung gilt zwar in allen Mitgliedsstaaten unmittelbar, aber eben nur nach Maßgabe der darin enthaltenen Regelungen. Art. 4 III der Verordnung schreibt jedoch vor, dass die bestehenden lebensmittelrechtlichen Grundsätze und Verfahren so bald wie möglich, spätestens jedoch bis zum 1. Januar 2007 so angepasst werden müssen, dass sie mit den Artikeln 5 bis 10 der Verordnung in Einklang stehen. Damit gilt die Lebensmitteldefinition der Verordnung und damit auch die Bezugnahme auf die Arzneimitteldefinition durch die genannten Richtlinien nicht unmittelbar für das deutsche Recht, sondern bedarf der Umsetzung (Köhler GRUR 2002, 844, 851; vgl. auch BGH WRP 2004, 1024, 1028 - Sportlernahrung II).

Schließlich stehen die im LMBG getroffene Abgrenzung, insbesondere das Erfordernis der "überwiegenden" Zweckbestimmung, ebenso wie die durch die Rechtsprechung des BGH entwickelten Abgrenzungsgrundsätze mit dem zentralen Kriterium der "pharmakologischen Wirkung" im Einklang mit Art. 4 Abs. 4 VO Nr. 178/2002 EG, wonach die bestehenden nationalen Vorschriften bis zur Umsetzung nach den Grundsätzen der Art. 5 bis 10 der Verordnung durchzuführen sind (vgl. Köhler a.a.O. Seite 851 f.).

III. Nach diesen Grundsätzen gilt im vorliegenden Fall folgendes:

1. Antrag zu a) gg) HMB-Kapseln (Hauptantrag)

Gegenstand des Hauptantrages ist die Bewerbung und der Vertrieb des Präparats "HMB-Kapseln" als Arzneimittel ohne Zulassung nach § 21 AMG. Der Antrag ist unbegründet.

Der Kläger hat den allein auf das Produkt selbst abstellenden Hauptantrag nicht durch weitere Umstände, insbesondere solche aus der Produktbewerbung in der Anlage K 4, gekennzeichnet. Die Beurteilung der Verkehrsauffassung kann mithin nach den oben dargestellten Grundsätzen nur auf der Grundlage der auf dem Produkt selbst bzw. auf seinen Verkaufsverpackungen befindlichen Angaben und unter Berücksichtigung der Frage, ob sie in der empfohlenen Dosierung pharmakologische Wirkungen haben, erfolgen.

Diese Beurteilung lässt vorliegend keine überwiegend arzneiliche Zweckbestimmung erkennen.

a) Bei den "HMB-Kapseln" handelt es sich nicht um ein Dopingmittel. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Inhaltsstoffe dieser Tabletten Stoffe i.S. des § 6 a Abs. 2 AMG sind.

b) Die Darreichungsform als Kapsel sowie die Anwendungsempfehlung ("2-3 Kapseln täglich") indizieren ebenfalls nicht eine überwiegend arzneiliche Zweckbestimmung. Es entspricht der neueren Rechtsprechung des BGH, dass die Darreichungsform in Tabletten-, Kapsel- oder Pulverform kein ausreichender Hinweis auf ein Arzneimittel darstellt, da es üblich geworden ist, dass Nahrungsergänzungsmittel, die der Ergänzung der Nahrung durch die gezielte Zufuhr von bestimmten Stoffen wie z.B. Vitaminen, Mineralstoffen, essentiellen Fettsäuren, bestimmten Eiweißstoffen oder Kohlehydraten dienen, in dieser Form angeboten werden. Solche Darreichungsformen sind bedarfsgerecht und schließen als solche nicht aus, dass die Stoffe oder Zubereitungen als Nahrungsergänzungsmittel angesehen werden. Auch kann ein Anwendungshinweis auf der Verpackung, der in dieser Art auch bei einem Arzneimittel gegeben sein könnte, nicht für eine Einordnung als Arzneimittel ausschlaggebend sein. Auch bei einem Nahrungsergänzungsmittel kann eine Bedürfnis des Verkehrs nach einem Hinweis darauf bestehen, welche Mengen pro Tag sinnvollerweise eingenommen werden sollten (vgl. zum Ganzen BGH GRUR 2000, 530 - L-Carnitin; BGH NJW 2001, 2812, 2814 - 3-fache Tagesdosis).

c) Bei HMB handelt es sich weiter um einen ambivalenten Stoff i.S. der aufgeführten Grundsätze, weil er jedenfalls auch Ernährungszwecken dienen kann.

aa) Der Kläger hat weder vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass HMB in der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft regelmäßig als Arzneimittel angesehen und von daher die Verkehrsauffassung in diesem Sinne geprägt wird. Hinweise, die eine solche Einordnung dem Verkehr nahe legen würden, finden sich auch auf der aus der Anlage K 4 ersichtlichen Dosenverpackung nicht und sind vom Kläger im Übrigen nicht geltend gemacht worden. Es ist vielmehr unstreitig und wird noch näher ausgeführt werden, dass sich das Produkt an Sportler richtet, die trainingsbedingten Muskelabbau verhindern wollen. Dies spricht gerade nicht gegen einen möglichen Ernährungszweck, da hierzu im Grundsatz nach der dargestellten Rechtsprechung des BGH auch die Befriedigung eines besonderen Ernährungsbedürfnisses einer bestimmten Personengruppe, z.B. Sportler, gehören kann, die die körperliche Leistungsfähigkeit nicht nur erhalten, sondern steigern und Muskelgewebe aufbauen wollen (BGH WRP 2004, 1024, 1028 - Sportlernahrung II; BGH GRUR 2003, 631, 632 - L-Glutamin).

bb) Aus dem von der Beklagten zum Gegenstand ihres Vortrags gemachten Gutachten von R. (Anlage AG 32 der Verfügungsakte) ergibt sich, dass der Stoff "HMB" (Hydroxymethylbutyrat) ein Metabolit der essentiellen Aminosäure Leucin ist, als vierte Abbaustufe bei der Verstoffwechslung von Leucin entsteht und von allen Zellen über die weiteren Metaboliten Acetoacetat und Acetyl-Coenzym A energetisch genutzt wird. Dass HMB ein energieliefernden Charakter zukommt, hat auch der Gutachter Prof. Dr. V. in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht (Bl. 267 d.A.) und vor dem erkennenden Senat (Bl. 452) bestätigt. Dass er dort nicht so weit gegen wollte, HMB als "Energiespender" anzusprechen, ist als begrifflicher Gesichtspunkt hier nicht erheblich.

cc) Der Gutachter Prof. Dr. V. ist in der Anhörung vor dem Senat weiter den Feststellungen von R. nicht entgegengetreten, wonach HMB jedenfalls in fermentierten Lebensmitteln (gereiftem Käse, fermentiertem Gemüse) vorkommt.

d) Handelt es sich bei HMB damit um einen ambivalenten Stoff i.S. der aufgeführten Grundsätze, weil er jedenfalls auch Ernährungszwecken dienen kann, kommt es auf seine pharmakologische Wirkung bei der hier maßgebenden empfohlenen Dosierung an. Daran fehlt es jedoch. HMB hat vielmehr die Wirkung, einen Muskelabbau infolge intensiven sportlichen Trainings zu verhindern. Darin liegt die Befriedigung eines besonderen Ernährungsbedürfnisses einer bestimmten Personengruppe, nämlich von Sportlern, die durch Training Muskelgewebe erhalten und aufbauen wollen.

aa) Aufgrund des Inhalts des Gutachtens R. (Anlage AG 32 der Verfügungsakte), das sich die Beklagte zu Eigen gemacht hat und dessen Feststellungen von dem Kläger nicht oder nicht hinreichend substantiiert bestritten wurden, und auf der Grundlage der Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. V. geht der Senat von einer tatsächlichen Wirkung von HMB im Rahmen der trainingsbedingten Muskelbildung und damit von der Tauglichkeit aus, einen sportspezifischen Ernährungsbedarf zu decken.

Ausweislich des Gutachtens R. (dort S. 6) ergibt sich der aus einem Krafttraining resultierende Muskelzuwachs aus der Summe von Muskelproteinsynthese und Muskelproteinabbau. Ein Muskelaufbau ist deshalb nur dann möglich, wenn die durch das Training induzierte Mehrsynthese an Muskelprotein größer ist als der durch das Training induzierte Abbau an Muskelprotein. Bei sehr intensivem Training besteht die Gefahr, dass der trainingsinduzierte Muskelabbau größer ist, als die gesteigerte Synthese kompensieren kann, es droht ein Verlust an Muskelprotein und damit ein Verlust an Muskelmasse. In dieser Situation müsste ein Sportler eigentlich seine Trainingsintensität deutlich reduzieren, um aus der katabolen, also muskelreduzierenden Situation herauszukommen. Dies hat jedoch den Nachteil, dass der Sportler dann fürchtet, an Belastbarkeit zu verlieren. In dieser Situation werden Maßnahmen relevant, die das Verhältnis von Muskelaufbau ( Anaboli ) und Muskelabbau ( Kataboli ) so ändern, dass effektiv keine Muskelsubstanz verloren geht. Diesen Effekt hat die Zufuhr von freien Aminosäuren (Glutamin, Arginin und Ornithin) und Stoffen, die unmittelbar den Abbau von Muskelprotein mindern. Solch ein Stoff ist HMB (R. a.a.O. Seite 6).

Der Sachverständige Prof. Dr. V. hat die Feststellungen von R. im Hinblick auf die Wirkungen von HMB bezüglich des sog. "Turn-over-Effekts" bestätigt und ausgeführt, dieser Effekt sei ein ganz normaler physiologischer Vorgang. In den Effekt könne von außen steuernd eingegriffen werden, in dem man entweder durch die Gabe von Anabolika den Muskelaufbau fördern oder aber lediglich den Muskelabbau zu bremsen versuche, wobei HMB scheinbar den letztgenannten Effekt habe.

Nach alledem ist dieser den Muskelabbau hindernde Effekt als solcher aufgrund des dargestellten - zwischen den Parteien und Sachverständigen unstreitigen - sportspezifischen Bedarfs noch nicht pharmakologisch.

bb) Eine pharmakologische Wirkung ergibt sich auch nicht aus der vorliegend maßgebenden empfohlenen Dosierung.

Soweit der Sachverständige Prof. Dr. V. in seinem schriftlichen Gutachten seine Einordnung der HMB-Kapseln als Arzneimittel maßgeblich auch auf die "hohe Dosierung" gestützt hatte, ist er von einer empfohlenen Tagesdosis von 3 g ausgegangen. Zwischen den Parteien ist jedoch unstreitig, dass die tatsächlich empfohlene Tagesdosis nur 1,5 g beträgt.

In seiner Anhörung durch den Senat hat der Sachverständige sodann ausgeführt, dass die Charakterisierung des Stoffes für ihn von der Dosis nicht abhängig ist. Anhaltspunkte dafür, dass die hier empfohlene Dosierung den ernährungsphysiologisch für Sportler erforderlichen und möglichen Bedarf um das Vielfache übersteigt (vgl. dazu BGH WRP 2004, 1024, 1028 - Sportlernahrung II), hat der Sachverständige ebenfalls nicht geäußert.

cc) Eine pharmakologische Wirkung ergibt sich weiter nicht aus dem Gesichtspunkt der Gesundheitsgefährdung. Eine solche hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt. Auch Prof. Dr. V. wusste von ungünstigen Nebenwirkungen in den Dosen 1,5 - 10 g nichts zu berichten. In dem Gutachten von R. wird dagegen dargelegt, dass über Zufuhren von bis zu 10 g HMB pro Tag Erfahrungen vorlägen, ohne dass irgendwelche Anhaltspunkte für eine ungünstige Entwicklung in speziellen Situationen erkennbar seien (S. 8 des Gutachtens).

dd) Weiter folgt eine überwiegend arzneiliche Zweckbestimmung nicht aus dem Gesichtspunkt der pharmakologischen Manipulation des menschlichen Körpers in Form der extremen Steigerung der Nährstoffaufnahme der Muskelzellen (vgl. dazu BGH GRUR 2002, 910, 914 - Muskelaufbaupräparate). Eine derartige Wirkung ergibt sich weder aus dem Vortrag des Klägers noch aus den Ausführungen des Gutachters.

ee) Der Senat vermag schließlich eine Überzeugung, dass das streitgegenständliche HMB-Präparat eine überwiegend arzneiliche Zweckbestimmung hat, auch nicht aufgrund der übrigen Äußerungen des Sachverständigen Prof. Dr. V. zu gewinnen.

Allerdings hat dieser HMB auch in der mündlichen Anhörung vor dem Senat als Arzneimittel eingestuft und dies damit begründet, dass mit der gezielten Gabe von HMB in den Stoffwechsel in einer Weise eingegriffen werde, wie man es auch mit einer gezielten Ernährung nicht erreichen könne.

Zunächst einmal kann die rechtliche Bewertung des Gutachters, HMB sei ein Arzneimittel, auf sich beruhen, denn es ist allein Sache des erkennenden Senats, rechtliche Schlussfolgerungen zu ziehen.

Weiter hat der Sachverständige seine im Übrigen nicht näher begründete Aussage selbst insoweit relativiert, als er keine sichere Aussage dahingehend treffen konnte, in welchem Verhältnis die hier maßgebende Dosis von 1,5 g überhaupt zu der Menge HMB steht, welche aus der Verstoffwechslung von Leucin entsteht.

Auch aus dem in erster Instanz erstatteten schriftlichen Gutachten des Sachverständigen ergeben sich keine Feststellungen zu der Frage, welche antikatabolen Effekte mit einer gezielten Ernährung zu erreichen sind und wie sich die Wirkungen einer Gabe von HMB im Vergleich dazu verhält. Dagegen ergibt sich aus dem Gutachten von R., dass eine Nahrungsergänzung mit HMB für intensiv trainierende Sportler sinnvoll sein kann und der Nutzen eine HMB-Nahrungsergänzung im Bereich 1,5 g bis 3 g/Tag von Prof. Nissen (Iowa State University) eingehend untersucht, bestätigt und publiziert worden sei. Der Sachverständige Prof. Dr. V., dem das Gutachten von R. im Hinblick auf die Anhörung vor dem erkennenden Senat übersandt worden ist, hat abweichende Ausführungen, die an den tatsächlichen Feststellungen im Gutachten R. Zweifel aufkommen lassen könnten, auch auf Nachfrage des Senats nicht gemacht.

e) Weitere Anhaltspunkte, die eine überwiegende arzneiliche Zweckbestimmung der HMB-Kapseln begründen könnten, sind nicht ersichtlich.

2. Antrag zu a) gg) HMB-Kapseln (Hilfsantrag)

Gegenstand des Hilfsantrages ist die Bewerbung und der Vertrieb des Präparats "HMB-Kapseln" als Arzneimittel ohne Zulassung nach § 21 AMG, sofern dieses Mittel wie folgt gekennzeichnet wird:

"Eine Kapsel enthält reines HMB (Hydroxymethylbutyrat). Bewirkt eine aktive Reduktion von Muskeltraumata und ermöglicht eine optimale Umsetzung des Trainingszieles, verbessert das Muskelwachstum durch die Verringerung kataboler Prozesse

2 x 3 Kapseln täglich".

Der Antrag ist unbegründet

a) Aus den zum Gegenstand des Hilfsantrags gemachten Hinweisen ergibt sich keine überwiegend arzneiliche Zweckbestimmung. Soweit dort von einer " aktive(n) Reduktion von Muskeltraumata " und von einer Verbesserung des Muskelwachstums "durch die Verringerung kataboler Prozesse" gesprochen wird, ist zu beachten, dass dies ausdrücklich in Bezug gesetzt wird zur Trainingsleistung des angesprochenen Sportlers (" ermöglicht eine optimale Umsetzung des Trainingszieles") .

b) Im Übrigen weist - wie bereits ausgeführt - eine muskelaufbauende Wirkung nicht stets und zwangsläufig auf einen arzneilichen Anwendungszweck hin. Es kann sich vielmehr auch um ein Mittel zur Befriedigung besonderer, die physiologischen Bedürfnisse einer speziellen Personengruppe berücksichtigenden Ernährungserfordernisse und damit um ein diätetisches Lebensmittel handeln (BGH NJW 2002, 3469 ff., 3471 - Muskelaufbaupräparate). Wie der Senat bereits entschieden hat, liegt bei "ambivalenten" Stoffen, denen nach Zusammensetzung und Eigenschaften eine sowohl arzneimitteltypische als auch lebensmitteltypische Zweckbestimmung innewohnt, ein Arzneimittel erst dann vor, wenn dem Verbraucher der Aufbau von Muskelmasse auf Grund der konkreten Präsentation als einzig denkbarer Zweck des angegriffenen Mittels erscheinen muss (OLG Hamburg, OLG Report Hamburg 2001, 193, 194). Auch der BGH geht von einem arzneilichen Anwendungszweck dann aus, wenn es nicht mehr um einen Ausgleich der durch Körperanstrengung verbrauchten Nährstoffe und Stoffwechselprodukte, sondern allein um eine mit Gesundheitsgefahren verbundenen pharmakologischen Manipulation des Stoffwechsels zur Leistungssteigerung geht (BGH NJW 2002, 3469, 3471 - Muskelaufbaupräparate). So liegt es hier jedoch nicht. Bereits der Hinweis "ermöglicht eine optimale Umsetzung des Trainingszieles" deutet auf das "Training" und damit auf eine Einsatzmöglichkeit als Nahrungsergänzung bei intensiver sportlicher Betätigung hin.

c) Hinzu kommt der werbliche Kontext. So findet sich die streitgegenständliche Produktbeschreibung in der Broschüre "Ernährung & Fitness", in der umfassend die Thematik der optimalen Ernährung für Sportler im Training durch Nahrungsergänzungsmittel abgehandelt wird. Anhaltspunkte dafür, dass Begehungsgefahr auch für eine isolierte, nicht in den entsprechenden Kontext eingebundene werbliche Verwendung durch die Beklagte besteht, hat der Kläger weder vorgetragen noch sind diese sonst ersichtlich.

3. " L-Carnitine-Produkte" (Hilfs-Hilfsantrag zu b)

a) Gegenstand der mit der Berufung angegriffenen Verurteilung des Landgerichts ist die Bewerbung und der Vertrieb der nachfolgend aufgeführten Mittel als Arzneimittel, ohne Zulassung gemäß § 21 AMG, sofern die Mittel wie folgt gekennzeichnet werden:

"L-Carnitine-Kautabletten"

"300 mg Carnitin pro Kautablette- das ideale Produkt für Fettabbau und verbesserte Energiefreisetzung im Training",

"L-Carnitine-Drink"

"Multivitamin-Mineral-Drink mit 1.000 mg Carnitin pro 0,5 l-Glas/0,33 l-Flasche; unterstützt den effizienten Fettabbau und fördert die Energiebereitstellung bei der Ausdauerleistung",

"L-Carnitine-Ampullen"

"Ampullen mit 1.200 mg Carnitin für effizienten Fettabbau und zur Förderung der Energiebereitstellung bei der Ausdauerleistung".

b) Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung festgestellt, dass es sich bei den L-Carnitine-Mitteln um Lebensmittel handelt. Hierauf wird Bezug genommen.

c) Ergänzend bleibt auszuführen:

aa) Bei den L-Carnitine-Produkten handelt es sich nicht um ein Dopingmittel. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Inhaltsstoffe dieser Mittel Stoffe i.S. des § 6 a Abs. 2 AMG sind. Inhaltsstoff der angegriffenen Präparate ist vielmehr Carnitin, der nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. V., denen der Kläger nicht entgegengetreten ist, zu den Nährstoffen zu rechnen ist.

Auch aus der Darreichungsform (Ampulle, Kautablette) folgt - wie dargelegt - eine Arzneimitteleigenschaft nicht.

bb) Aufgrund des grundsätzlichen Nährstoffcharakters von Carnitin ist dieser Stoff jedenfalls geeignet, auch Ernährungszwecken zu dienen, so dass es wiederum darauf ankommt, ob den streitgegenständlichen Mitteln bei den für sie empfohlenen maßgebenden Dosierungen (hier: 1.800, 1.000 bzw. 1.200 mg pro Tag) eine pharmakologische Wirkung zukommt.

Dies ist zu verneinen.

(1) Eine pharmakologische Wirkung ergibt sich zunächst nicht aus dem Gesichtspunkt der Gesundheitsgefährdung. Der Kläger hat eine mögliche Gesundheitsgefährdung im Hinblick auf die hier maßgebenden Dosierungen nicht dargelegt. Der Sachverständige Prof. Dr. V. hat vielmehr ausgeführt, dass eine tägliche Gabe von bis zu 2 g Carnitin unschädlich ist und auch nach der Stellungnahme des wissenschaftlichen Lebensmittelausschusses toleriert wird.

(2) Weiter hat der Sachverständige Prof. Dr. V. ausdrücklich ausgeführt, ihm sei eine pharmakologische Wirkung nicht bekannt (Bl. 452 d.A.). Auch eine leistungssteigernde Wirkung der Gabe von L-Carnitine sei nicht nachgewiesen (Gutachten Seite 30 f. sowie Bl. 452 d.A.). Gleiches ergibt sich aus dem von dem Kläger eingeführten Gutachten von Prof. Dr. S. (Anlage BB 5, S. 16 f.).

(3) Der Senat vermag entgegen der Auffassung des OLG Hamm (Urt. v. 27.3.2003 - 4 U 143/97, Anlage BB 4) eine pharmakologische Wirkung von L-Carnitine in den hier streitgegenständlichen Dosierungen ferner nicht den Ausführungen des dortigen Gutachters Prof. Dr. S. zu entnehmen.

Das OLG Hamm stützt seine Auffassung, wonach eine Dosierung ab 500 mg L-Carnitine täglich nicht mehr physiologisch, sondern pharmakologisch sei, maßgebend auf den von Prof. Dr. S. ausgeführten Umstand, dass durch die Zuführung von mehr als 500 mg L-Carnitine das durch sportliche Belastung veränderte Verhältnis von Acetylcarnitin (AC) und freiem Carnitin (FC) wieder ausgeglichen werde (S. 14 des Urteilsumdrucks).

Aus dem Gutachten von Prof. Dr. S. ergibt sich, dass es insoweit weder um eine manipulative Erhöhung der Leistungsfähigkeit noch um eine Wirkung auf den Muskelstoffwechsel geht, sondern allein um eine Wirkung im Plasma, konkret um den AC/FC-Quotienten. Der Sachverständige im vorliegenden Verfahren, Prof. Dr. V., wollte in der entsprechenden Beeinflussung des AC/FC-Quotienten keine pharmakologische Wirkung sehen, sondern hat dies als "Spielerei mit Parametern" qualifiziert.

Hinzukommt, dass die gutachterlichen Ausführungen von Prof. Dr. S. es nicht ausschließen, dass es sich bei dem von ihm beschriebenen und vom OLG Hamm zur Begründung einer pharmakologischen Wirkung herangezogenen Wirkung im Plasma um einen diätetischen Effekt dahingehend handelt, dass der durch körperliche Belastung veränderte AC/FC-Quotient wieder in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht wird. Es wurde bereits ausgeführt, dass sich eine überwiegende Bestimmung zu Ernährungszwecken auch daraus ergeben kann, dass das Mittel zur Befriedigung besonderer, die physiologischen Bedürfnisse einer speziellen Personengruppe berücksichtigenden Ernährungserfordernisse dient (BGH NJW 2002, 3469 ff., 3471 - Muskelaufbaupräparate). Eine über den Ausgleich der durch Körperanstrengung verbrauchten Nährstoffe und Stoffwechselprodukte hinausgehende, pharmakologischen Manipulation des Stoffwechsels zur Leistungssteigerung (BGH NJW 2002, 3469, 3471 - Muskelaufbaupräparate) lässt sich nach Auffassung des Senats auch dem Gutachten von Prof. Dr. S. nicht entnehmen.

Schließlich sind die von S. beschriebenen Wirkungen von Carnitin auf die Plasmakonzentration bereits deswegen auf den vorliegenden Fall nicht ohne weiteres übertragbar, weil sie sich auf eine Untersuchung zu einer Dosierung von 4 g L-Carnitine täglich bezieht, während es hier um Dosierungen von 1.000 bis 1.800 mg geht.

dd) Eine überwiegende arzneiliche Zweckbestimmung lässt sich weiter nicht aus dem Umstand entnehmen, dass die empfohlene Dosierung die normalerweise mit der Ernährung pro Tag aufgenommene Menge von bis zu 300 mg Carnitin um ein Vielfaches übersteigt.

Nach der neueren Rechtsprechung des BGH (NJW 2001, 2812, 2813 - 3-fache Tagesdosis) kann eine arzneiliche Zweckbestimmung nicht allein daraus hergeleitet werden, dass die empfohlene Dosierung eines Stoffes den normalen Tagesbedarf um mehr als das Dreifache übersteigt und mit der diesen normalen Bedarf übersteigenden Zufuhr kein zusätzlicher ernährungsphysiologischer Nutzen verbunden ist. Es kommt vielmehr auch insoweit auf die pharmakologische Wirkung der empfohlenen Dosierung an. Dem von dem Kläger angeführten Urteil des EuGH vom 29.4.2004 (C-150/00) kann der Senat keine abweichende Beurteilung entnehmen.

Während der Sachverständige Prof. Dr. V. in seinem schriftlichen Gutachten und der Anhörung vor dem Landgericht seine Auffassung, die streitgegenständlichen Produkte seien Arzneimittel, maßgebend auf diesen Gesichtspunkt der Dosierung gestützt hat, hat er in der mündlichen Anhörung vor dem Senat ausgeführt, dass alles, was über die Menge von 300 - 400 mg L-Carnitine mit der täglichen Ernährung aufgenommen werden könne, ernährungsphysiologisch überflüssig sei. Ob man dies dann als pharmakologische Wirkung beurteilen wolle, sei eine Bewertungsfrage.

Es wurde bereits ausgeführt, dass der Kläger eine pharmakologische Wirkung i.S. der Rechtsprechung des BGH für die vorliegend streitgegenständlichen Mittel nicht dargelegt und bewiesen hat.

ee) Auch aus der zum Gegenstand des Antrags gemachten Produktbeschreibung der Präparate ergibt sich keine überwiegende arzneiliche Zweckbestimmung, so dass die Frage offen bleiben kann, ob ein Mittel, das keine pharmakologische Wirkung besitzt, allein wegen der Art und Weise seiner Präsentation im Vertrieb als Arzneimittel zu behandeln sein könnte (ebenfalls offengelassen in BGH GRUR 2000, 530 - L-Carnitin).

Die Hinweise auf einen "effizienten Fettabbau" sowie auf die "Förderung der Energiebereitstellung bei der Ausdauerleistung" bzw. auf die "verbesserte Energiefreisetzung im Training" sprechen nicht für die Auslobung einer pharmakologischen Wirkung. Denn damit werden wiederum Funktionen ausgelobt, die den Sportler bei der Erreichung seiner Trainingsziele unterstützen sollen und deshalb typische Funktionen von diätetischen Lebensmitteln für Sportler sein können. Insoweit ist wiederum der bereits erörterte Kontext der Broschüre gem. Anlage K 4 zu beachten, welche den Rahmen der hier maßgebenden Wiederholungsgefahr bildet, denn es sind weder Anhaltspunkte vorgetragen noch solche ersichtlich, dass die Beklagte die angegriffenen Äußerungen auch außerhalb solcher Broschüren oder sonst in isolierter Form gemacht hat bzw. machen wird.

ff) Soweit der Sachverständigen Prof. Dr. V. in seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat ausgeführt hat, er müsse als Ernährungswissenschaftler den im Gutachten S. aufgezählten Zulassungen von Carnitin-Produkten als Arzneimittel, also dem Umstand Rechnung tragen, dass Behörden meinen, so einem Stoff in bestimmten Dosierungen als Arzneimittel klassifizieren zu müssen, ergibt sich daraus ebenfalls keine überwiegende arzneiliche Zweckbestimmung. Maßgebend ist die überwiegende Zweckbestimmung der im vorliegenden Rechtsstreit angegriffenen Carnitin-Produkte. Diese sind jedoch - anders als die von S. in seinem Gutachten referierten Mittel nicht zur Behandlung von Krankheiten bestimmt, sondern - wie dargelegt - zur Befriedigung der besonderen Bedürfnisse von Sportlern im Training.

d) Die vom Kläger im Anschluss an rechtliche Ausführungen des in erster Instanz eingeholten Sachverständigengutachtens Prof. Dr. V.s erstmals geäußerte Ansicht, die Hilfsanträge u.a betreffend die Produkte "L-Carnitine-Kautabletten", "L-Carnitine-Drink" und "L-Carnitine-Ampullen" seien auch unter dem Gesichtspunkt der Irreführung deswegen begründet, weil die insoweit ausgelobten Wirkungen wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert seien (§ 17 I Nr. 5 a LMBG), mag einen Antrag rechtfertigen, die entsprechenden werblichen Angaben zu untersagen. Das vorliegend beantragte Verbot, welches auf die Bewerbung und den Vertrieb der Präparate als Arzneimittel ohne Zulassung gem. § 21 AMG abzielt, kann der Gesichtspunkt der Irreführung nicht stützen.

IV. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 92 II Nr. 1, 269 III, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

a) Soweit die Parteien den Rechtsstreit im Hinblick auf den Hilfsantrag zu a) hh) in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war im Grundsatz über die Kosten des Rechtsstreits gemäß §§ 91 a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Allerdings bedarf es hierzu deswegen keiner weiteren Ausführungen, weil sich die Kostentragungspflicht des Klägers insoweit aus § 92 II Nr. 1 ZPO ergibt.

b) Die Streitwertfestsetzung für die Berufungsinstanz berücksichtigt, dass der Kläger mit der zunächst eingelegten Anschlussberufung materiell nicht lediglich eine Klarstellung, sondern Klageerweiterung im Berufungsrechtszug erstrebt hat. Eine Klageänderung liegt deshalb vor, weil sich die Anträge nicht mehr gegen die Bewerbung und/oder den Vertrieb der Mittel "Peptamin-Tabletten" sowie der drei "L-Carnitine"-Produkte als Arzneimittel ohne Zulassung gemäß § 21 AMG (ggf. unter den im Hilfsantrag genannten Merkmalen), sondern gegen eine irreführende Werbung für diese Produkte als Lebensmittel richteten. Zwar hat sich der Kläger in der Tat bereits in erster Instanz - im Anschluss an Äußerungen des Sachverständigen, die dieser außerhalb des Beweisthemas gemacht hat - hilfsweise auch auf Irreführung i. S. § 17 I Nr. 5 a LMBG gestützt (Bl. 241 d.A,). Er hat jedoch seine ursprünglichen - auf ein Verbot der Bewerbung und des Vertriebs als nicht zugelassenes Arzneimittel gerichteten - Anträge beibehalten und diese erst in der Berufungsinstanz geändert. Nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff ist mithin eine Klageänderung erst in der Berufungsinstanz vorgenommen worden.

c) Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Rechtssache geht, wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, über die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt nicht hinaus. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, die Zulassung der Revision ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.






OLG Hamburg:
Urteil v. 26.05.2005
Az: 3 U 73/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/c047f9816ced/OLG-Hamburg_Urteil_vom_26-Mai-2005_Az_3-U-73-02




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